Das Schumann-Haus Leipzig wurde 1838 von Friedrich August Scheidel im Stil des Klassizismus errichtet. Es diente dem Künstlerpaar Robert Schumann und Clara Schumann (geb. Wieck) zwischen 1840 und 1844 als Wohnhaus. Heute herbergt das Haus die Freie Grundschule „Clara Schumann“, den Schumann-Verein Leipzig e.V. sowie die Rahn Dittrich Group. In der einstigen Schumann-Wohnung befindet sich das Schumann-Museum mit der Dauerausstellung „Experiment Künstlerehe“.
Vom der Süßwaren-Fabrik zum Schumann-Museum
Das Schumann-Haus in der Inselstraße 18, ehemals Inselstraße 5, ist von großer musik-sowie architekturgeschichtlicher Bedeutung und blickt auf eine wechselhafte Historie zurück. Die Inselstraße befand sich auf einer der Hauptachsen der in den 1830er Jahren in Leipzig entstehenden städtebaulichen Erweiterung. Private Investoren parzellierten und erschlossen zu dieser Zeit ihre Gartengrundstücke entlang des regelmäßig verlaufenden Straßennetzes, welche die neu entstandene Friedrichstadt und die Marienstadt begrünten. Die Viertel zeichneten sich durch ihre „lieblichen und großartigen Gebäude, durch ihre schönen Gärten und ihre breiten Straßen“ aus. Im Jahr 1838 entschloss sich der Maurermeister Friedrich August Scheidel in der damaligen Inselstraße 5 zum Bau eines dreigeschossigen Bürgerhauses mit reich gestalteter Fassade im Stil des Klassizismus, welches ihm als Wohnhaus dienen sollte.
Nach ihrer Heirat am 12. September 1840 in der Kirche Schönefeld bezogen Robert und Clara Schumann das neu errichtete Haus als ihr erstes gemeinsames Domizil in dem aufstrebenden Stadtteil, wo sie bis zum Umzug nach Dresden 1844 wohnten. Die Schumanns lebten in einer der beiden Wohnungen im ersten Stock, die sie sich mit einer weiteren Familie teilten. Die aus acht Zimmern, einem Saal, einigen Kammern und Wirtschaftsräumen bestehende Wohnstätte beschrieb Clara selbst als „kleines, aber trauliches, freundliches Logis“. Im Jahr 1887 siedelte sich im Schumann-Haus die Kakao-, Schokoladen-, Konfitüren- und Honigkuchenfabrik Schwarz & Große an. 1910 entstand ein großflächiges neues Fabrikgebäude, in dessen repräsentatives Torgebäude das Schumann-Haus mit einbezogen wurde. Das Gebäude überstand den Zweiten Weltkrieg weitestgehend unbeschadet, jedoch geriet es in Vergessenheit und verfiel zu DDR-Zeiten immer mehr. Bis in die 1990er Jahre wies lediglich eine unscheinbare Tafel an der Wand des sich im Privatbesitz befindlichen Areals auf dessen Geschichte hin. Im Jahr 1999 wurde das Schumann-Haus von der Rahn Dittrich Group gekauft, welche es vor dem Verfall bewahrte und unter strengen denkmalpflegerischen Gesichtspunkten umfassend sanierte. Seit 2014 ist das Schumann-Haus im Besitz der Europäischen Stiftung für Bildung und Kultur der Rahn Dittrich Group und beherbergt neben der Freien Grundschule „Clara Schumann“ auch den Schumann-Verein Leipzig e.V. In der einstigen Schumann-Wohnung befindet sich heute das Schumann-Museum mit der multimedialen Dauerausstellung „Experiment Künstlerehe“. Die übrigen Räume der Wohnung werden von der Freien Grundschule „Clara Schumann“ mit künstlerisch-musischem Schwerpunkt und der gleichnamigen Musikschule genutzt. Das Schumann-Haus stellt heute eine einzigartige Symbiose aus Ausbildungsstätte, Museum und Veranstaltungsort dar und zählt zu den wenigen erhaltenen Beispielen klassizistischer Architektur in Leipzig. Es ist zudem eine Station auf der Leipziger Notenspur.
Repräsentativer Klassizismus im Grünen
Die für den Stil charakteristische klare bauliche Gliederung des Schumann-Hauses zeigt sich in den deutlich voneinander abgesetzten drei Geschossen, welche durch einen ornamentalen Fries betont werden. Typisch für den Zeitgeist sind auch die von Etage zu Etage variierenden Fensterbedachungen. Aus der Fassadenfront tritt ein markanter Mittelrisalit mit sechs Pilastern und dazwischen angeordneten Reliefplatten hervor, welche antike Szenen darstellen. Oberhalb einer Toreinfahrt tragen vier schlicht gehaltene Konsolen einen dreiachsigen Balkon mit einem für den Zeitgeist typischem Rautengitter auf Höhe der Schumannschen Wohnung. Über dem Balkon erheben sich fünf kannelierte Pilaster mit korinthischen Kapitellen.
„Experiment Künstlerehe“ am authentischen Ort
In den Räumlichkeiten der einstigen Schumann-Wohnung befindet sich heute ein Museum, welches das Leben und Wirken von Robert und Clara Schumann während ihres vierjährigen Leipzig-Aufenthalts klanglich und visuell veranschaulicht. Dabei handelt es sich um das erste Museum für ein Musikerpaar, welches sich auf Augenhöhe begegnet und deren Lebensläufe nebeneinander dargestellt werden. Anlässlich des 200. Geburtstages von Clara Schumann wurde 2019 die Dauerausstellung „Experiment Künstlerehe“ eröffnet und es entstand ein neues multimediales Museumskonzept. Die Ausstellung illustriert in sechs thematischen Räumen die Herausforderungen und Themen des Ehelebens der Schumanns. Im Mittelpunkt stehen die in Leipzig entstandenen Ehe-Tagebücher und der gemeinschaftlich komponierte Liederzyklus „Liebesfrühling“.
Der historische Schumann-Saal mit seiner originalen Ausmalung verkörpert den damaligen Zeitgeist und lässt die Tradition des musikalischen und literarischen Salons wieder aufleben, in welchem sich das kulturelle Leben der Schumanns abspielte. Hier begrüßte dasKünstlerpaar namhafte Gäste, darunter Hans Christian Andersen, Franz Liszt, Felix Mendelssohn Bartholdy, Richard Wagner und Hector Berlioz. Die Zeit in Leipzig markierte für die Schumanns zudem die Blütezeit ihres künstlerischen Schaffens: es wurde gemeinsam musiziert, komponiert und uraufgeführt. Robert Schumann komponierte drei Streichquartette, zwei Sinfonien, das Oratorium „Das Paradies und die Peri“ sowie die Lieder von „Frauenliebe und Leben“ und die „Kerner-Lieder“. Die wohl bekanntesten Stücke sindRobert Schumanns „Frühlingssinfonie“, welche im Gewandhaus zu Leipzig uraufgeführt wurde, sowie der gemeinsam komponierte Liederzyklus „Liebesfrühling“. Auf ausgewählten Stühlen, welche sich um den Flügel in der Raummitte gruppieren, kann man über Infrarot-Lautsprecher den Porträts von Zeitgenossen der Schumanns, darunter Claras Mutter Mariane Bargiel, lauschen. An einer Wand im Schumann-Saal hängt das berühmte Relief von Ernst Rietschel aus dem Jahr 1846 in Form eines Doppelporträts von Clara und Robert Schumann. Dieses gilt als besonders lebensnah und authentisch. Im neben dem Schumann-Saal befindlichen „Reisekabinett“ können die zwei von Leipzig ausgehenden Konzertreisen der Schumanns nach Dänemark und Russland nachvollzogen werden. Im „Ausbildungskabinett“ ist unter anderem „Claras Hand“ ausgestellt. Dabei handelt es sich um eine von Erwin Stache auf Basis eines Gipsabdrucks von Clara Schumanns Hand geschaffene Klanginstallation. Im einstigen Arbeitszimmer Robert Schumanns, dem „Ehe-Experimentierraum“, verwandeln visualisierte Features von Magdalene Melchers den Raum mittels sechs Beamern in die Themenschwerpunkte Liebe und Kunst, Kinder und Geld. Im von Erwin Stache geschaffenen „Klangraum“ lassen die von der Decke hängenden Gegenstände Töne oder ganze Musikstücke erklingen. Im „Hörkabinett“ können Besucher den von Robert und Clara Schumann in Leipzig komponierten Werken lauschen.
Bis 2020 veranstaltete das Schumann-Haus jährlich im September die Schumann-Festwoche. Statt dieser findet seit 2021 die Veranstaltungsreihe „Con spirito – Das Leipziger Kammermusikfestival“ statt. An acht Tagen finden acht Konzerte in historischen Wohn- und Wirkungsstätten von Komponisten statt, die die Leipziger Musiktradition entscheidend prägten. Zu den Austragungsorten zählen neben dem Schumann-Haus auch die Thomaskirche, das Bach-Museum und die Alte Nikolaischule.