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Universität Leipzig

Augustusplatz 10 | Ortsteil: Zentrum

Die 1409 als Alma Mater Lipsiensis gegründete Universität Leipzig ist die zweitälteste ohne Unterbrechung betriebene Universität Deutschlands. Bestehend aus 14 Fakultäten und 149 angebotenen Studiengängen beherbergt sie rund 31.000 Studenten, darunter etwa 3.000 ausländische Kommilitonen aus 130 Ländern. Ihr heutiges Erscheinungsbild im Stil der zeitgenössischen Moderne geht auf die Umgestaltung ab 2004 nach Entwürfen des niederländischen Architekten Erick van Egeraat zurück.

Intellektuelles Asyl für die Prager Elite in Leipzig


Die Gründung der Universität Leipzig reicht bis ins frühe 15. Jahrhundert zurück. Sie ist eng mit der Geschichte der Prager Karls-Universität verbunden, an welcher zahlreiche deutsche Studenten immatrikuliert waren. Die Studenten, Professoren und Magister hatten sich dort gemäß ihren Herkunftsländern zu vier Nationen – der böhmischen, der bayerischen, der polnischen und der sächsischen – zusammengeschlossen. Die Landmannschaften wählten in einer festgelegten Abfolge ihren Rektor. Im Zuge politischer, sozialer und religiöser Konflikte veranlasste der amtierende deutsche König
Wenzel IV. im Kuttenberger Dekret vom 18. Januar 1409 eine einseitige Änderung des Stimmrechts in den Gremien der Universität zugunsten der böhmischen Universitätsnation. Aus Protest gegen die Bevorzugung der böhmischen Nation und den Verlust ihrer Privilegien kündigten die anderen drei Nationen ihre Mitgliedschaft an der Universität Prag. Der Leipziger Landesherr Markgraf Friedrich IV. bot ihnen intellektuelles Asyl im wettinischen Leipzig. Durch die Anwesenheit der geistigen Elite Deutschlands sah er die Chance zur Gründung einer eigenen Universität. Der Lehrbetrieb wurde bereits im Juli 1409 in einem vom Rat der Stadt zur Verfügung gestellten Gebäude provisorisch aufgenommen. Am 9. September 1409 erteilte der neu gewählte Papst Alexander V. schließlich die Zustimmung für die Gründung der Alma Mater Lipsiensis. Die Universität Leipzig übernahm die bereits in Prag und anderen deutschen Universitäten gängige Gliederung in Nationen und ergänzte diese um eine meißnerische Landmannschaft. Am 2. Dezember 1409 fand im Refektorium des Thomasklosters eine feierliche Zeremonie zur Universitätsgründung statt. Noch am gleichen Tag wurde der Schlesier Johann Otto von Münsterberg zum Rektor gewählt. Der Bischof von Merseburg, Nikolaus Lubich, stärkte als Kanzler und Konservator die universitäre Eigenständigkeit.

1409/1410 gehörten der Universität Leipzig 369 Studenten und 43 Hochschullehrer an. Die Gründung erstreckte sich über die klassischen Fakultäten Theologie, Medizin und Jurisprudenz, hinzu kam der Fachbereich Artistik, darunter die „Sieben freien Künste“ Rhetorik, Grammatik, Dialektik, Geometrie, Arithmetik, Astronomie und Musik. Für den Lehrbetrieb standen zwei Gebäude aus landesherrlichem Besitz zur Verfügung: das „Große Kolleg“ in der heutigen Goethe-/Ritterstraße sowie das „Kleine Kolleg“ in der Schlossgasse bei der einstigen Pleißenburg, dem heutigen Neuen Rathaus. Aus Platzmangel wurden auch die Thomaskirche und die Nikolaikirche als Unterrichtsstätten genutzt. Die Alma Mater finanzierte sich neben kirchlichen Schenkungen sowie landesherrlichen und städtischen Zuwendungen durch Steuern und Naturalien aus universitätseigenen Dörfern. Die Mehrheit der Magister verdiente ihren Unterhalt durch Studiengebühren, wobei die zwölf Magister des Großen Kollegs vom Landesherrn ein jährliches Gehalt von 30 Gulden bezogen. Die Studenten wohnten zunächst in angemieteten Unterkünften ihrer Magister oder in unter Aufsicht der verantwortlichen Lehrkräfte stehenden Wohnheimen.

Bildungsoffensive und Erweiterung der Universität


Allein im Gründungsjahr stellten die Studenten knapp elf Prozent der Gesamtbevölkerung Leipzigs dar. Da die Universität die Finanzkraft der Stadt erheblich steigerte, wurde diese durch Verleihung von akademischen Privilegien und die Befreiung von städtischen Abgaben bereits unmittelbar nach ihrer Gründung vom Rat der Stadt beworben. Die Studenten profitierten durch den steuerfreien Ausschank einer beachtlichen Menge Bier und durften ihre Unterkünfte auch privat vermieten. Durch die Berufung des Mediziners
Nikolaus Schulte als ersten Universitätsangehörigen in den Leipziger Rat stärkten die Stadtväter 1435 auch intellektuell ihre Reihen. Herzog Moritz von Sachsen beschloss am 26. Mai 1542 einen jährlichen Zuschuss an die Alma Mater von 2.000 Gulden. 

Im Zuge der Reformation wurde die Universität 1539/40 auf Initiative des amtierenden Rektors Caspar Borner umfassend umgestaltet: Fächer wurden spezialisiert, Lehrinhalte und -methoden modernisiert und neue Disziplinen eingeführt. Auf Weisung von Herzog Moritz wurde der Universitäts-Ausbau vorangetrieben. Der Universität Leipzig wurden fünf Dörfer aus dem ehemaligen Besitz des Thomasklosters übertragen. Sie erhielt neben finanziellen Mitteln wertvolle Bibliotheksbestände. Zur wertvollsten Errungenschaft zählte die Übereignung der Liegenschaften des säkularisierten Dominikanerklosters St. Pauli am Grimmaischen Tor am 22. April 1544. Auf dem Klostergelände entstanden Unterkünfte für Studenten sowie Professoren. Es stand auch genügend Platz für die Hörsäle der Fakultäten und die Bibliothek zur Verfügung. Nach ihrer äußeren und inneren Neugestaltung erlebte die Universität in Mitte des 16. Jahrhunderts einen Aufschwung. Dank der Reformierung der Lehrinhalte durch den Rektor Joachim Camerarius stieg die Zahl der Studenten sprunghaft an und es entstand eine der größten und modernsten Universitäten Deutschlands.

Von der Alma Mater zur Karl-Marx-Universität der DDR-Moderne


Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Universität Leipzig zum Zentrum der geistigen Elite in Mitteldeutschland. Zu ihren berühmt gewordenen Studenten zählten unter anderem
Johann Wolfgang Goethe, Gottfried Wilhelm Leibnitz, Gotthold Ephraim Lessing, Robert Schumann, Richard Wagner und Friedrich Nietzsche.

Ab 1830 erfolgte eine bauliche Expansion der Universität. Nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel und Albert Geutebrück entstand 1836 das nach König Friedrich August benannte Augusteum im schlichten, klassizistischen Stil. Im Zuge der Neugestaltung des Universitätskomplexes am Augustusplatz von 1892 bis 1897 nach Plänen von Arwed Rossbach wurde auch das Augusteum im Stil der Neorenaissance umgestaltet. Aufgrund der stetig wachsenden Studentenzahl erwies sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Unterbringung aller universitären Bereiche am innerstädtischen Standort nicht länger möglich. Folglich wurden die medizinischen und naturwissenschaftlichen Bereiche entlang der Liebigstraße sowie an der Johannisallee angesiedelt. Die Universitätsbibliothek fand in der Beethovenstraße ihren neuen Standort.

In den Kriegsjahren 1943 bis 1945 wurden ca. 60 Prozent der Bausubstanz der Alma Mater zerstört. In den Plänen des SED-Regimes zur städtischen Umgestaltung im sozialistischen Stil spielte auch der Wiederaufbau der 1953 in Karl-Marx-Universität umbenannten Bildungseinrichtung eine wichtige Rolle. In diesem Zuge wurden die im Krieg beinahe unbeschädigt gebliebene Universitätskirche St. Pauli sowie das teilweise zerstörte Augusteum auf Anweisung von Walter Ulbricht am 30. Mai 1968 gesprengt. Zwischen 1968 und 1975 entstand nach Plänen von Hermann Henselmann ein neuer Campus in Form eines um einen Innenhof gruppierten Neubaukomplexes mit Hörsaal- und Seminargebäude, Hauptgebäude und Mensa. Das ebenfalls von 1968 bis 1972 neu erbaute City-Hochhaus im Stil der DDR-Moderne diente der Universität bis 1994 als Sitz verschiedener Fakultäten und Sektionen und wird heute als modernes Bürohochhaus genutzt.

600 Jahre Geschichte im modernen Gewand


Die Neugestaltung des innerstädtischen Universitätskomplexes am Augustusplatz nach der politischen Wende 1989 war zunächst heftig umstritten und mündete in jahrelangen Diskussionen über den Umgang mit der DDR-Architektur. Nachdem die Entwürfe aus einem ersten Architekturwettbewerb abgelehnt wurden, entschied sich die Fachjury im Rahmen eines zweiten Wettbewerbs 2004 für den Entwurf des niederländischen Architekten Erick van Egeraat. Der neu konzipierte innerstädtische Campus setzt sich aus saniertem Seminargebäude, neu erbautem Institutionsgebäude mit Ladenzeile im Erdgeschoss, Hörsaalgebäude, Campusbibliothek und neuerbauter Mensa am Park gegenüber der Moritzbastei zusammen. Zahlreiche weitere Fakultäten befinden sich nach wie vor an mehreren Standorten in der Stadt verteilt. Zudem nahm Egeraat die alte Ansicht des Augusteums sowie der Universitätskirche wieder auf und interpretierte die historischen Bauten im modernen Antlitz neu. Insofern sollte beim Betrachten des Komplexes ein Wiedererkennungseffekt und eine optische Assoziation mit den verloren gegangenen Bauwerken ausgelöst werden. Anstelle der 1968 gesprengten Universitätskirche entstand zwischen 2007 und 2017 das Paulinum – Aula und Universitätskirche St. Pauli.

Das neue Augusteum wurde 2012 eröffnet und beherbergt als Hauptgebäude des Campus das Auditorium mit etwa 800 Sitzplätzen, die Fakultät für Informatik und Mathematik, eine Galerie und Büroräumlichkeiten. Das sogenannte Schinkeltor wurde als letztes erhaltenes Detail des alten Augusteums als Innenhofzugang zum Neuen Augusteum integriert und die fehlenden Musenfiguren auf der Balustrade durch den Leipziger Bildhauer Markus Gläser ergänzt. Im Innenhof der Universität, dem sogenannten „Leibnitzforum“, befindet sich heute das 1883 von Ernst Hähnel geschaffene Leibniz-Denkmal des einstigen Schülers der Universität, Gottfried Wilhelm Leibnitz, in Form einer Bronzestatue.

Stand: 10.02.2024

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Sophie Weinhold
Die gebürtige Leipzigerin studierte in Passau und Marseille Internationales Management und besitzt ein Faible für Fremdsprachen. Neben Englisch und Französisch spricht sie fließend spanisch und italienisch. Bereits als Zwölfjährige führte sie internationale Austauschschüler durch die Stadt und begeisterte sie für Leipzigs Geschichte und Sehenswürdigkeiten. Die Liebe zu Leipzig bestimmt nach wie vor ihre Freizeitgestaltung. Ob Museumsbesuche, Konzerte oder Fahrradtouren in die Umgebung – die kreative Lokalpatriotin findet immer ausreichend Anregungen, um darüber zu schreiben.