Bildlexikon Leipzig

Neues Rathaus

Martin-Luther-Ring 4-6 Ortsteil: Zentrum

Das Neue Rathaus gehört zu den bedeutendsten deutschen Rathausbauten der Jahrhundertwende. Es wurde zwischen 1899 und 1905 nach Plänen von Hugo Licht im Stil des Historismus auf dem Terrain der ehemaligen Pleißenburg errichtet und zeichnet sich durch seine künstlerische Innengestaltung und seinen reichen Fassadenschmuck aus. Bei dem begehbaren Rathausturm mit einer Höhe von 114,7 Metern handelt es sich um den höchsten Rathausturm Deutschlands und um eines der Wahrzeichen Leipzigs.

Von der Pleißenburg zum Neuen Rathaus


An der Stelle des heutigen Neuen Rathauses befand sich zuvor die aus dem 13. Jahrhundert stammende mittelalterliche Pleißenburg. In deren Gemäuern fand im Jahr 1519 die berühmte Disputation zwischen Martin Luther und dem katholischen Theologen JohannesEck statt. Im Zuge des Schmalkaldischen Kriegs 1546/47 wurde die Burg zerstört und schließlich auf Initiative des damaligen Bürgermeisters der Stadt, Hieronymus Lotter, zwischen 1550 und 1567 zu einer landesherrlichen Festung ausgebaut. Im Zuge der Industrialisierung und einer Eingemeindungswelle stieg Leipzigs Bevölkerungszahl bis in die 1890er Jahre auf fast eine halbe Million an. Das starke Bevölkerungswachstum der wirtschaftlich und baulich expandierenden Großstadt machte umfangreichere Verwaltungsaufgaben notwendig, für welche das Alte Rathaus am Markt nicht mehr ausreichte. Die Stadt Leipzig kaufte dem sächsischen Fürstenhaus schließlich die Festung Pleißenburg an der südwestlichen Ecke des Innenstadtrings ab, um Platz für einen Neubau zu schaffen. Die Burganlage wurde 1897/98 bis auf den Turmfuß und ein paar Kellergewölbe abgebrochen. Auf der Grundfläche von rund 7.600 Quadratmetern wurde dann die neue „Aktenburg“ errichtet. Aus dem deutschlandweit ausgeschriebenen Wettbewerb zum Entwurf des Neuen Rathauses ging 1897 der Architekt und Stadtbaudirektor Hugo Licht hervor. DenGrundstein für den Bau legte Oberbürgermeister Otto Georgi am 19. September 1899. Am Bau waren namhafte Künstler wie die Bildhauer Georg WrbaCarl SeffnerChristian BehrensJohannes Hartmann und Adolf Lehnert sowie der Architekt Fritz Schumacherbeteiligt. Die feierliche Eröffnung des Neuen Rathauses erfolgte nach sechsjähriger Bauzeit am 7. Oktober 1905 durch Oberbürgermeister Bruno Tröndlin.

Ein imposanter Gebäudekomplex 


Hugo Lichts Entwurf für das Neue Rathaus orientierte sich an der Architektur des Florentiner Palazzo Vecchio im Stil des Späthistorismus. Die Grundfläche des entstandenen Gebäudekomplexes aus hellgrauem Muschelkalkstein bildet auf rund 10.000 Quadratmetern ein unregelmäßiges Fünfeck. Der Bau zählt heute mit 700 Räumen, darunter 442 Büros, zu den größten Rathausbauten der Welt. Hinzu kommen zwei Wandelhallen, der Sitzungssaal des Stadtrates, der Festsaal, die Beratungsräume in der Oberen Wandelhalle und im Turmbereich sowie der Ratsplenarsaal. Dieser gilt als schönster Raum des Neuen Rathauses, denn seine Wände sind durch ein Edelholzpaneel gegliedert und mit kostbaren Stoffen bespannt. Die Kassettendecke ist reich bemalt. 

Die Architektur des Neuen Rathauses erinnert an Vorbilder aus dem Schlossbau der Renaissance im Baustil des Historismus und des Jugendstils. Der Leipziger Architekt Wolfgang Müller fasst die Vereinigung der unterschiedlichen Epochen in der Architektur passend zusammen: „Die Architektur des Gebäudes lehnt sich an den Festungscharakter des Vorgängerbaus an. Sie ist der Tradition alter Stadtbilder mit den Steildächern der Gotik, den Schaugiebeln und Türmen der Renaissance und der üppigen Plastizität des Barocks ebenso verpflichtet wie der Jugendstilkunst“. 1912 wurde das Stadthaus – ebenfalls von Hugo Licht – erbaut. Es ist über einen Brückengang, im Volksmund „Beamtenlaufbahn“, mit dem Neuen Rathaus verbunden.

„Eine neue Burg hat sich erhoben“


Das architektonische Leitbild wurde am oberen Giebel der Hauptfassade in Stein gemeißelt: „Arx nova surrexit“ (Eine neue Burg hat sich erhoben). Die Fassade ist mit einer Vielzahl plastischer Details in Form von Skulpturen und Reliefs mit thematischem Bezug zu Leipzig und seinen Bewohnern geschmückt. Die Stadtgöttin Lipsia bekrönt den Giebel der Eingangsfront, während der Löwe als Wappentier der Stadt in vielen Varianten abgebildet ist. Auch allegorische Figuren für die Justiz, Wissenschaft, Musik, Buchdruckkunst und das Handwerk sowie zahlreiche Tier- und Fabelwesen thronen auf den Giebeln und schmücken die Fassaden. Die nachts blau illuminierte Rathausuhr enthält auch von Weitem gut lesbar die lateinische Umschrift „Mors certa, hora incerta“ (Der Tod ist gewiss, die Stunde ungewiss). Darüber befindet sich eine weibliche Giebelfigur, welche die Weisheit verkörpert. Das Gebäude wird vom 114,7 Meter hohen Rathausturm dominiert, welcher auf dem Fundament des alten Pleißenburgturms fußt und die meisten Gebäude der Stadt weit überragt. Wer den Aufstieg nicht scheut, dem bietet sich nach 252 Stufen vom Aussichtsbalkon des Rathausturmes aus 85 Metern Höhe ein beeindruckender 360 Grad Blick über die Stadt. An der Südwestseite des Neuen Rathauses – Richtung Bundesverwaltungsgericht – befindet sich das Goerdeler-Denkmal zu Ehren des ehemaligen Leipziger Oberbürgermeisters Carl Friedrich Goerdeler, der 1945 von den Nazis, aufgrund seiner Mitwirkung am Hitler-Attentat, hingerichtet wurde.

Ein Blick hinter die Gemäuer


Beim Betreten des Neuen Rathauses fallen auf den Türklinken der Eingangstore metallene Schnecken auf. Diese humorvollen Plastiken wurden vermutlich von den schelmischen Baumeistern angebracht, um das langsame Arbeitstempo der Stadtverwaltung zu symbolisieren. Im Innern des Rathauses entdeckt man weitere gestalterische Details. Das ausgeschmückte Haupttreppenhaus wurde nach dem Vorbild barocker Schlösser gestaltet. Sowohl die Treppenhausanlage als auch der Ratsplenarsaal sind fast im Original erhalten. Der moderne Stadtverordnetensaal ersetzte 1968 den ehemaligen Festsaal. In der Unteren und Oberen Wandelhalle werden heute oft Ausstellungen gezeigt und Empfänge ausgerichtet. Auch das FamilienSpieleFest „Leipzig spielt“ findet hier jährlich statt. 

Anders als der Vorgängerbau erhielt das Neue Rathaus in den Kellergewölben auch einen Ratskeller. Bei diesem handelt es sich heute um ein aus dem früheren historischen Weinkeller hervorgegangenes Restaurant mit gutbürgerlicher sächsischer Küche. Am Pfeilerzum Ratskeller befindet sich ein weiteres plastisches Detail an der Fassade. Dieses zeigt die karikierende Plastik: „Die Steuerlast verschlingt den Bürger“ – ein Verweis auf die Debatten zum Kauf des Areals, auf dem der Bau realisiert wurde. Vor dem Eingang des Ratskellers befindet sich auf dem Burgplatz der Rathausbrunnen. Dieser wurde 1908 von Georg Wrba entworfen und vereint verschiedene Motive aus deutschen Volksmärchen. 

Hochzeit in den Kassematten der ehemaligen Pleißenburg


Hochzeitspaare, die sich an einem besonderen Ort trauen lassen möchten, können dies in den sanierten und umgebauten Gewölben unter dem Neuen Rathaus tun. Die erste Eheschließung in den Kassematten, die damals zu Verteidigungszwecken errichtet wurden, fand am 2. Juni 2017 statt. Das Leipziger Paar Gabriele Lange und Uwe Gradehand feierte hier zu Beginn des Wave Gotik Treffens eine Viktorianische Hochzeit. In den unterirdischen Räumen finden 90 Personen Platz. 

Zusätzlich zu den Kasematten und dem Standesamt im Stadthaus können sich Paare unter anderem auch im Ratsplenarsaal, im Mendelssohn-Haus, im Bach-Museum, im Gohliser Schlösschen, im Herrenhaus Möckern und am Cospudener See trauen lassen.

Bildergalerie - Neues Rathaus

Historisches Bildmaterial - Neues Rathaus

Sophie Weinhold
Sophie Weinhold
Die gebürtige Leipzigerin studierte in Passau und Marseille Internationales Management und besitzt ein Faible für Fremdsprachen. Neben Englisch und Französisch spricht sie fließend spanisch und italienisch. Bereits als Zwölfjährige führte sie internationale Austauschschüler durch die Stadt und begeisterte sie für Leipzigs Geschichte und Sehenswürdigkeiten. Die Liebe zu Leipzig bestimmt nach wie vor ihre Freizeitgestaltung. Ob Museumsbesuche, Konzerte oder Fahrradtouren in die Umgebung – die kreative Lokalpatriotin findet immer ausreichend Anregungen, um darüber zu schreiben.