Bildlexikon Leipzig

Museum für Druckkunst Leipzig

Nonnenstraße 38 Ortsteil: Plagwitz

Das 1994 vom Münchner Sammler Eckehart Schumacher-Gebler gegründete Museum für Druckkunst Leipzig stellt einen lebendigen Ort der Industriekultur in der traditionsreichen Verlags- und Buchstadt dar. Als produzierende Werkstatt und Museum gleichermaßen können 500 Jahre Druckgeschichte an rund 100 funktionierenden Maschinen und Pressen in authentischer Atmosphäre erlebt werden. Eine Rarität in Deutschland stellt die voll funktionsfähige Schriftgießerei dar.

500 Jahre Druckgeschichte am authentischen Ort


Das einzigartige Museum befindet sich in einem um 1876 errichteten Gebäude im ehemaligen Industrieviertel Plagwitz. Der Komplex wurde zunächst von einer Firma für Strickmaschinen als Produktionsstätte und ab 1921 beinahe durchgehend als Druckerei- und Verlagshaus genutzt. Ab 1921 wurde die Dr. Karl Meyer GmbH neuer Eigentümer des Gebäudekomplexes und eröffnete ein Jahr später ihre Firma mit den Schwerpunkten: Buch- und Kunstverlag, Reisebuchhandel, Druckerei, Buchbinderei sowie Herstellung von Gegenständen des Kunsthandels. Von 1922 bis 1923 gestaltete der Architekt Edgar Röhrigdie Fassade des Gebäudes um, so dass eines der seltenen Beispiele des Art-déco in Leipzigentstand. Nach dem Zweiten Weltkrieg – den das Objekt unbeschadet überstand – investiertedie Dr. Karl Meyer GmbH in moderne Drucktechnik, darunter den Illustrations- und Mehrfarbendruck. Mit der Bestimmung des Buchhändlers Erich Bernhardt als neuen Treuhändler des Unternehmens durch die Stadt Leipzig wendete sich 1949 das Blatt. Ab 1953 wurde das einstige Privatunternehmen durch Zwangsverstaatlichung in die Offizin Andersen Nexö eingegliedert. Dabei handelte es sich um einen Buchhersteller, unter dessen Dach bis in die 1970er Jahre zahlreiche Druckereien vereint wurden und bis 1990/91 an verschiedenen Standorten in Leipzig produzierten. Ab 1989 wurden mehrere Betriebsstätten der Offizin an die ehemaligen Eigentümer zurückübertragen oder geschlossen.

Der Hochdruckbetrieb in der Nonnenstraße 38 wurde an den Münchner Sammler und Typografen Eckehart Schumacher-Gebler übertragen, dessen Initiative das Museum seine Entstehung verdankt. Er sammelte fast 25 Jahre lang Schriftgussmatrizen, Bleilettern, Stahlstempel sowie Maschinen des Druckgewerbes und schuf ein einzigartiges Ensemble. Schumacher-Geblers Sammlung wurde im 1994 eröffneten Werkstattmuseum für Druckkunst in Leipzig ausgestellt. In den Folgejahren wurde das Museum unter Bewahrung seines Zeitgeistes etappenweise umgebaut und saniert. Die Trägerschaft des Museums übernahm 1999 die von Verena von Mitschke-Collande und dem Unternehmen Giesecke & Devrientgegründete Stiftung Werkstattmuseum für Druckkunst Leipzig. Seitdem gilt das Museum nicht nur als ein authentischer und traditionsreicher Ort der „Schwarzen Kunst“, sondern auch als eine der letzten noch aktiven historischen Druckereien in Leipzig.

Ein Blick hinter die Art-déco-Mauern


Das historische Ensemble des denkmalgeschützten Museumsgebäudes verfügt seit den Renovierungsarbeiten 1922/23 über eine Fassadenfront im Stil des Art-déco. Besonders auffallend ist die Tatsache, dass sich das Eingangsportal des Museums nicht symmetrisch zur Mittelachse des Gebäudes, sondern seitlich versetzt, befindet. Die oberste Etage wird von einem Dreiecksgiebel betont. Der rechteckige Innenhof ist von roten Klinkerbauten mit gelben Fensterbögen begrenzt und repräsentiert das authentische Flair der Industriearchitektur aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Eine Besonderheit im Museum stellt auch der Fahrstuhl im Treppenhaus aus dem Jahr 1922 dar, welcher über einen außergewöhnlichen Brems-Mechanismus verfügt.

Als ehemaliges Druckereigebäude handelt es sich bei dem Museum für Druckkunst Leipzig um einen authentischen Ort der Industriekultur, der nicht nur visuell, sondern auch haptisch erlebt werden kann. Dies wird bereits beim Betreten der Ausstellungsräume und dem für eine aktive Druckerei charakteristischen Duftgemisch aus Öl, Schmiere und Druckfarbe deutlich. Fachleute führen die betriebsbereiten Maschinen und Pressen täglich vor. Die Besucher haben die Möglichkeit, sich an einigen Stationen selbst auszuprobieren. Dabei steht neben der Vermittlung druckgeschichtlicher und typografischer Kenntnisse ein praktisch-experimenteller Umgang mit den Druckutensilien im Vordergrund.

„Schwarze Kunst“ zum Bestaunen und Mitmachen


Auf vier Sammlungsetagen werden in den Werkstätten an rund 100 funktionstüchtigen Maschinen die vier wichtigsten historischen Drucktechniken veranschaulicht, der Hochdruck, der Tiefdruck, der Flachdruck und der Durchdruck. Den Schwerpunkt der Sammlung bildet der seit dem 15. Jahrhundert angewandte Hochdruck als älteste Drucktechnik. Dazu zählen der traditionelle Buchdruck und der Holzstich, welcher zur Reproduktion von Bildern dient. Im Bereich des Hochdrucks praktiziert das Museum neben dem traditionellen Handsatz auch den gegen Ende des 19. Jahrhunderts entwickelten Maschinensatz. Eine deutschlandweite Rarität stellt die voll funktionsfähige Schriftgießerei dar, in welcher Bleibuchstaben manuell oder maschinell gegossen werden. Anhand einer umfassenden Sammlung von funktionstüchtigen Zeilensetz- und Zeilengießmaschinen wird die historische Herstellung von Satz lebendig dargestellt. In zahlreichen Setzkästen kann man die Bleilettern und Werkzeuge des Handsetzens betrachten. Darüber hinaus beherbergt das Museum eine deutschlandweit einzigartige Kollektion an Holz- und Bleilettern, Stahlstempeln und Matrizen in rund 4.000 Schriftarten europäischen und orientalischen Ursprungs.

Bildnerische Techniken werden im Museum durch die zum Tiefdruck gehörende Radierung und den Kupferstich sowie die zum Flachdruck zählende Lithografie und den Lichtdruckrepräsentiert. Die unterschiedlichen Druckvorgänge können die Besucher an zahlreichen Druckmaschinen und -pressen von der Aufnahme des Papiers bin hin zur Ablage des fertigen Bogens unmittelbar erleben. In der ständigen Ausstellung werden verschiedene Tiegeldruck- und Kniehebelpressen sowie eine hölzerne Spindelpresse präsentiert, welche das Druckverfahren aus Zeiten der industriellen Revolution veranschaulicht. Die historischen Druckmaschinen stammen von namhaften Herstellern, darunter MAN, Heidelberg sowie König & Bauer. Dabei handelt es sich um Zeugnisse des Druckgewerbes aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Die Sammlung wird durch eine voll ausgestattete Handbuchbinderei, eine komplett funktionsfähige Werkstatt für den Holzstich um 1900 sowie eine mit rund 3.500 Fachliteraturen ausgestattete Präsenzbibliothek ergänzt.

Veranstaltungskalender voller Höhepunkte


Im Jahr 2018 wurden die „Künstlerischen Drucktechniken des Hochdrucks, Tiefdrucks, Flachdrucks und Durchdrucks und deren Mischformen“ mit Beschluss der Deutschen UNESCO-Kommission in das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Damit wird insbesondere in Zeiten der Digitalisierung die Relevanz des Analogen für die heutige Gesellschaft herausgestellt.

Neben der Dauerausstellung werden in wechselnden Sonderausstellungen u.a. Kunstwerkevon nationalen und internationalen Künstlern ausgestellt, welche die historischen Werkstätten sowie die Maschinen und Pressen zur Umsetzung ihrer künstlerischen Vorhaben nutzten. Besucher können den Künstlern dabei über die Schulter schauen und mit ihnen ins Gespräch kommen. Auf diese Weise wird das Kulturerbe künstlerischer Drucktechniken lebendig gehalten und erlebbar gemacht. Das Angebot des Museums wird zudem durch thematische Führungen und Workshops für jede Altersklasse abgerundet. Auch die alljährlichen Leipziger Typotage gehören zum festen Bestandteil des Veranstaltungskalenders.

Bildergalerie - Museum für Druckkunst Leipzig

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Sophie Weinhold
Die gebürtige Leipzigerin studierte in Passau und Marseille Internationales Management und besitzt ein Faible für Fremdsprachen. Neben Englisch und Französisch spricht sie fließend spanisch und italienisch. Bereits als Zwölfjährige führte sie internationale Austauschschüler durch die Stadt und begeisterte sie für Leipzigs Geschichte und Sehenswürdigkeiten. Die Liebe zu Leipzig bestimmt nach wie vor ihre Freizeitgestaltung. Ob Museumsbesuche, Konzerte oder Fahrradtouren in die Umgebung – die kreative Lokalpatriotin findet immer ausreichend Anregungen, um darüber zu schreiben.
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