Schlegel, Jessica

Botschafterin Internationales Deutsches Turnfest Leipzig 2025, Turnerin | geb. am 14. Oktober 2005 in Leipzig

Tausende fröhliche Gesichter, spannende Wettbewerbe, jede Menge Höhepunkte: Das Internationale Deutsche Turnfest 2025 in Leipzig wird für viele Menschen unvergesslich bleiben. Erst recht für Jessica Schlegel. Die aktuell beste Leipziger Turnerin vom TuG Leipzig e.V. hatte als Botschafterin bereits Monate zuvor Werbung für die größte Wettkampf- und Breitensportveranstaltung der Welt in ihrer Heimatstadt gemacht, die Ende Mai zu einem vollen Erfolg wurde.

„Eine absolute Ehre“


„Die Organisatoren haben mich gefragt, ob ich Turnfest-Botschafterin werden will und ich habe ‚ja‘ gesagt. Als Leipziger Turnerin sollte ich die Stadt in einem Imagefilm vorstellen. Da habe ich direkt zugesagt. Es war für mich eine absolute Ehre, als Botschafterin des Turnfestes einen Teil zum Erfolg beigetragen zu haben“, sagt sie lächelnd. Auch für sie persönlich war das Turnfest ein unvergessliches Ereignis. „Ich habe alle Eindrücke aufgesaugt. Dieses Turnfest trage ich ganz sicher mein ganzes Leben lang in meinem Herzen.“

Turnfest-Termine und eigenes Training


Im Vorfeld des Turnfestes hat die sympathische Turnerin kräftig die Werbetrommel für das Event gerührt – unter anderem bei einem Podcast mit Oberbürgermeister
Burkhard Jung, einigen Pressekonferenzen, Fotoshootings oder PR-Terminen. Und auch während der Turnfest-Woche standen zahlreiche Termine auf dem Programm. Unter anderem saß die Schülerin des Sportgymnasiums gemeinsam mit ihrer Zwillingsschwester Alina in der Jury beim Bundesfinale der „Tuju-Stars“. Beim Abschlussfest auf der Leipziger Messe sprach sie die Danksagung.

Für die Leipzigerin hat sich beim Turnfest ein ganz persönlicher Kreis geschlossen. 2017 war sie beim Turnfest in Berlin selbst am Start. Als Zwölfjährige turnte sie erstmals bei der Deutschen Jugendmeisterschaft und belegte Platz elf im Mehrkampf. Acht Jahre später ist Jessica Schlegel nicht am Start. Schließlich ist sie mit ihren 19 Jahren zu alt für die Deutschen Jugendmeisterschaften, die auch diesmal wieder im Rahmen des Turnfestes stattfinden.

Sieg beim DTB Pokal als persönliches Highlight


Nachdem Jessica in den vergangenen Jahren mit einigen Verletzungen zu kämpfen hatte, will sie in den kommenden Jahren noch einmal richtig angreifen – aber ohne Druck. „Turnen ist mein Leben. Ich will mich weiter Schritt für Schritt verbessern und jede Trainingseinheit und jeden Wettkampf genießen“, blickt sie voraus. 2022 und 2023 turnte sie in der deutschen Nationalmannschaft und erlebte im April 2023 mit ihrem Sieg am Schwebebalken beim internationalen DTB Pokal ihr absolutes Karriere-Highlight. „Das war unglaublich. Dieser Sieg war mehr, als ich mir jemals erwartet hatte“, erinnert sie sich: „Ob ich noch einmal den Sprung in die Nationalmannschaft schaffe, werden wir sehen.“

Wie gut sie aktuell drauf ist, hat sie Anfang August 2025 bei den Deutschen Meisterschaften in Dresden gezeigt, als sie im Mehrkampf die Bronzemedaille gewann. Außerdem wurde sie am Stufenbarren, am Schwebebalken und am Boden jeweils Fünfte.

Das zweite große Highlight ihrer bisherigen Karriere war die Teilnahme an der Turnshow „Feuerwerk der Turnkunst“ 2024. Als festes Ensemblemitglied zeigte sie am Schwebebalken ihr Können. „Das war eine unglaubliche Erfahrung, die ich für immer in mir trage und die mir niemand mehr nimmt. Wir sind mit der Show einen Monat durch Deutschland getourt – das war einfach ultracool.“ Im März 2025 war sie auch bei der neuen kleineren Bühnenshow „Feuerwerk der Turnkunst“ dabei.

Mit drei Jahren zum Kinderturnen


Den Weg zum Turnen hat sie bereits mit drei Jahren gefunden – und das nicht zufällig. „Meine Mutter ist schon seit vielen Jahren im Turnen aktiv – unter anderem auch als Trainerin. Sie ist mit meiner Zwillingsschwester und mir ziemlich früh zum Kinderturnen gegangen. Es hat uns von Anfang an unglaublich viel Spaß gemacht“, erinnert sich Jessica. Mutter
Dr. Kerstin Schlegel ist nicht nur als Trainerin beim TuG Leipzig e.V. aktiv, sondern arbeitet an der Sportwissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig unter anderem als Fachbereichsleiterin Turnen & Gymnastik/Tanz. Seit einigen Jahren ist sie auch Jessicas Trainerin. „Das ist das Beste, was mir passieren konnte. Mehr Vertrauen geht nicht.“

Zwischendurch probierten sich die Schlegel-Zwillinge erfolgreich beim Wasserspringen aus. „Irgendwann mussten wir uns aber entscheiden und da fiel die Entscheidung auf das Turnen.“ Dass diese Entscheidung für die Schwestern goldrichtig war, zeigte sich schnell mit den ersten Erfolgen. In den vergangenen Jahren gehörten Jessica und Alina fest zum Bundesliga-Team des TuG Leipzig e.V. Ab dem Herbst muss das Team allerdings ohne Kapitänin Alina auskommen, die in den kommenden Wochen ihre Abiturprüfungen absolviert und dann studieren möchte. „Ich kann mir noch gar nicht vorstellen, wie das sein wird, wenn sie nicht mehr dabei ist“, blickt Jessica voraus: „Sie war nicht nur für mich, sondern für das gesamte Team eine riesige Stütze.“

Springreiten als Ausgleich


Auch abseits der Turnhalle ist Jessica Schlegel sportlich aktiv – beim Springreiten gemeinsam mit Alina. „Das ist für uns ein toller Ausgleich. Da können wir wunderbar abschalten.“ Auch der Sonntag steht für Jessica meist im Zeichen der Bewegung – nachdem sie richtig ausgeschlafen hat. „Sonntags stehe ich oft erst gegen Mittag auf, am Nachmittag mache ich meist etwas für die Schule. Danach gehe ich oft noch raus. Auf der Couch rumlungern ist nichts für mich“, sagt sie lächelnd.

Stand: 04.08.2025

Bildergalerie - Schlegel, Jessica

Rohr, Gerlinde

Sportwissenschaftlerin, ehemalige Museumsleiterin | geb. am 26. März 1955 in Leipzig

Ihr Name ist eng mit dem Leipziger Sportmuseum verbunden, das sie 32 Jahre geleitet hat. Für ihr Museum, das am 31. August 1991 geschlossen wurde, hat Gerlinde Rohr gemeinsam mit Kollegen ‚zig Konzepte geschrieben, um es an einem neuen Standort wiederzueröffnen. Gelungen ist das bis heute nicht. Doch die ehemalige Leichtathletin kämpft als Mitglied des Fördervereins Sächsisches Sportmuseum Leipzig weiter, diese Vision auf dem Areal des ehemaligen Schwimmstadions zu verwirklichen.

Geboren wird Gerlinde Rohr am 26. März 1955 in Leipzig. Sie wächst als drittes Kind ihrer Familie in Neukieritzsch auf, geht dort zur Polytechnischen Oberschule, macht ihr Abitur am Gymnasium in Borna. Schon im Vorschulalter beginnt sie mit Turnen. Später wechselt sie in die Leichtathletik, gewinnt bei der Kreisspartakiade bis auf Werfen alle Disziplinen. Mittelstrecke wird ihre Spezialität. Sie trainiert bei der BSG Stahl Lippendorf, die sich dann in Industriesportgemeinschaft umbenennt (heute Sportfreunde Neukieritzsch). Mit 14 Jahren wird sie 1969 Übungsleiterin im Trainingszentrum.

Eine Ausstellung zum DDR-Sport


Sie interessiert sich für Sprachen. Sie wollte unbedingt ins Ausland und möglichst Chemie studieren. Beispielsweise in Bulgarien. Doch daraus wird nichts, weil ihr Bruder schon kurz nach ihrer Geburt im Westen lebt. Ihn zu verleugnen, lehnt sie ab. Deshalb studiert sie an der
Deutschen Hochschule für Körperkultur (DHfK) Sportwissenschaft und promoviert. Trainerin im DDR-Leistungssport darf sie nicht werden. So landet sie im September 1982 als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Sportmuseum, das damals zum Museum für Geschichte der Stadt Leipzig gehört. Es existiert seit 23. Juli 1977 in einer auf dem Hauptgebäude des Zentralstadions (heute Red-Bull-Arena) errichteten Zusatzetage. Schwerpunkte der ständigen Ausstellung mit damals rund 3.000 historischen Objekten sind die Sporttraditionen der Arbeiterklasse und die Entwicklung des DDR-Sports.

Es dauert nicht lange, bis sie Freude an der Arbeit im Museum gefunden hat, weil diese sehr vielseitig ist, mit Menschen ebenso wie mit Forschung zu tun hat. 1986 wird Rohr die Direktorin mit acht Mitarbeitern. Sie empfängt im damals einzigen Sportmuseum seiner Art hochrangige Gäste aus aller Welt. Der Sport ist für die DDR ein Türöffner für diplomatische Beziehungen. Da kommt ihr die Leidenschaft für Sprachen zugute. Sie entwickelt eine Führung auf Russisch und führt auch die Sportministerin Kanadas auf Englisch durch die Räume. Sie fasziniert, dass die Museumsarbeit vom Vorschulkind bis zu Seniorengruppen alle Generationen begeistert und sie auch mit Wissenschaftlern arbeiten kann. Gerlinde Rohr hat dutzende Sonderausstellungen und Präsentationen kuratiert.

Sportmuseum schließt aus politischen Gründen


Die Ausstellung „Lasst Kräfte sinnvoll walten“, erarbeitet zum 100-jährigen Jubiläum des Gewichthebens in Deutschland, ist die letzte. Am 31. August 1991 schließt das Museum aus politischen Gründen. Die Sichtweise auf den DDR-Sport ist nach der 
Friedlichen Revolution nicht mehr zeitgemäß, muss grundlegend überarbeitet und neu bewertet werden. Dies kann Gerlinde Rohr nachvollziehen. „Gestört hat mich nur, dass dieses oder jenes Objekt gleich entfernt werden sollte“, erinnert sie sich. So gab es eine Initiative in der Stadtverordnetenversammlung, wertvolle Sammelobjekte zugunsten der Kultur zu verkaufen oder an die Deutsche Hochschule für Körperkultur abzugeben, die bereits in Abwicklung war. Ein Teil der damals 35.000 Sammelobjekte sollte einfach entsorgt werden. Schon zu DDR-Zeiten musste der ein oder andere Sportler aus der Ausstellung verschwinden, sobald er im Westen geblieben ist. Zum Glück gründet sich 1991 der Förderverein Sächsisches Sportmuseum, der ein Zerschlagen der Sammlung verhindern kann.

Visionen und Rückschläge für neues Sportmuseum


1993 fasst der Stadtrat zwar einen Grundsatzbeschluss, das Sportmuseum zu erhalten. Ein geeigneter Standort für das neue Sammlungs- und Dokumentationszentrum fehlt aber weiterhin. Fünf Jahre lang zieht es von Interim zu Interim. Historische Sportgeräte müssen zeitweise in konservatorisch ungeeigneten Räumen wie in einer Lagerhalle in Thekla, im 
Torhaus Dölitz, in der ehemaligen Iskra-Gedenkstätte in Probstheida oder im Kellerbereich der DHfK untergebracht werden.

Rohr und ihr kleines Team nutzen die Zeit, um alles zu dokumentieren und die Sammlung zu erweitern. Inzwischen ist die hochkarätige Sammlung, die in Kellerräumen auf dem Gelände von Olympiastützpunkt und SC DHfK gestapelt ist, auf mehr als 95.000 Objekte angewachsen. Mehr als zehn Standorte werden geprüft. Der Stadtrat will das Museum nach wie vor in den ehemaligen Kassenflügel des Schwimmstadions integrieren und um einen Neubau ergänzen. Wann die Vision umgesetzt wird, ist allerdings offen.

Rohr musste viele Rückschläge verkraften. Sie gibt aber nicht auf. Und kann sich beim Hochwasser 2013 auf die Hilfe von Menschen aus dem Sportbereich verlassen, die helfen, die Sammlung vor möglichen Nässeschäden zu schützen. „Für mich war immer das Allerwichtigste, die Sammlung zu ergänzen und so zu dokumentieren, dass meine Nachfolger damit arbeiten können. Und künftige Generationen am authentischen Objekt Leipzigs Sportgeschichte erfahren.“

Sportroute trägt ihre Handschrift


Auch die
Sportroute trägt im Wesentlichen ihre Handschrift. Schon im Jahr 2003 wird eine „Sporthistorische Stadtroute“ konzipiert, die etwa 30 Stationen markiert, die herausragend für die über 500-jährige Sportgeschichte Leipzigs sind. Das Projekt ist Teil des Konzeptes für die Olympiabewerbung 2012. Das Konzept stammt von Sportmuseumschefin Gerlinde Rohr. Volker Rodekamp, der damalige Direktor des Stadtgeschichtlichen Museums, greift die bereits 2000 erstmals entwickelte Idee auf. Mittlerweile wird die Sportroute Schritt für Schritt umgesetzt.

Im Ruhestand, den sie seit 2018 genießt, ist Gerlinde Rohr aktiv wie zuvor. Ihr detailreiches Wissen gibt sie gern weiter, etwa in Vorträgen bei Tagungen und Konferenzen. Sehr am Herzen liegt ihr der jüdische Sport, über den sie auch forscht. So begleitet sie ein Jugendprojekt mit der U-15-Mannschaft für den 1. FC Lokomotive Leipzig, bei dem die Historie des aus dem VfB Leipzig hervorgegangenen Vereins aufgearbeitet wird. Da werden jährlich Stolpervereine verlegt. „Der jüdische Sport in Leipzig ist ein Thema für mich, das ich weiterführen möchte.“ Viel Raum nimmt ihre Arbeit für das Friedrich-Ludwig-Jahn-Museum in Freyburg (Unstrut) ein. Dort arbeitet sie seit 2017 als Vizepräsidentin mit daran, die Sammlung zu erhalten. Der Verein ist Träger des Museums.

Gerlinde Rohr nimmt sich mehr Zeit für das aktive Sporttreiben, um bis ins hohe Alter fit zu bleiben. Seniorenwettkämpfe macht sie aber nicht mehr. Sie trainiert beim SSC Leipzig, ist Übungsleiterin einer allgemeinen Sportgruppe. Und dreht gerne ihre Runden auf Inlinern und Skiern. Und will natürlich auch Zeit für die beiden Töchter und ihre Familien mit drei Enkeln haben.

Stand: 30.06.2025

Bildergalerie - Rohr, Gerlinde

Rodekamp, Volker

Historiker, Volkskundler, Wissenschaftler | geb. am 24. August 1953 in Bielefeld

Liebe auf den ersten Blick ist es wohl nicht. Ein paar Vorbehalte hat Volker Rodekamp schon, als er im Juni 1996 Direktor des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig wird. Zu seinem Wirkungsbereich gehört das Völkerschlachtdenkmal, das er 1992 zum ersten Mal sieht. Und als furchterregend und sperrig empfindet, wie er sagt. Plötzlich gehört er zu den Bauherren, die diesen monströsen Klotz sanieren und ihm zu einer neuen Identität verhelfen sollen. Fast 23 Jahre arbeitet Volker Rodekamp schließlich im Dienst der Leipziger Historie. Und publiziert fleißig Beiträge über die facettenreiche Geschichte der alten Handels- und Messestadt Leipzig. Nach wie vor ist er in verschiedenen Gremien und Stiftungen aktiv.

Ein ausgeprägtes Interesse für Geschichte


Geboren wird Volker Rodekamp am 24. August 1953 in Bielefeld. Dort wächst er auf, geht zur Schule und macht am Max-Planck-Gymnasium 1973 ein neusprachliches Abitur und das große Latinum. Als Kind liest er viel Entdecker-Literatur, um die Welt zu erkunden, und entwickelt als Schüler ein ausgeprägtes Interesse für Geschichte. An der Universität Braunschweig studiert er zunächst Volkswirtschaftslehre, erkennt aber schnell, dass ihm dies keine Freude bereitet. Nach zwei Semestern wechselt er an die Universität Münster, um sich seinen Leidenschaften zu widmen. Er studiert  Ethnologie, Volkskunde und Publizistik. An der Universität promoviert er 1980 auch. Seinen ersten Job nimmt er anschließend als Volontär am Rheinischen Freilichtmuseum Kommern an. Museumsprojekte machen ihm seitdem viel Spaß.

Er bewirbt sich in Minden, wo er als 28-Jähriger im Jahr 1983 die Leitung des Museums für Geschichte, Landes- und Volkskunde übernimmt. Dort versucht er, mit frischen Ideen die Strukturen zu verändern und das Museum aus dem Dornröschenschlaf zu wecken. Rodekamp gelingt dies gut, so dass ihm drei Jahre später die Leitung des Kulturamtes übertragen wird. In Minden fühlt er sich mit seiner Familie zwar wohl, wird aber von seinem Freund, einem gebürtigen Leipziger, angesprochen, etwas für die Einheit Deutschlands zu tun. Familiäre Kontakte in den Osten Deutschlands hat Rodekamp nicht.

Neubau des Museums wird ein Meilenstein


1995 sucht das Stadtgeschichtliche Museum Leipzig einen neuen Direktor. Er bewirbt sich und bekommt den Job, sich um die Entwicklung des 
Alten Rathauses, das Völkerschlachtdenkmal sowie um Schillerhaus und Co. zu kümmern. Im Juni 1996 tritt er seinen Posten als Direktor an, die Ehefrau und die beiden Söhne folgen später. Vorher ist er oft hier, um die künftige Entwicklung des Museums bereits zu beeinflussen.

Ein Meilenstein wird der Neubau des Stadtgeschichtlichen Museums, das mit dem Haus Böttchergäßchen gute Bedingungen bekommt. Eingeweiht wird der 22 Meter hohe funktionale Museumsneubau im März 2004. Magazine, Werkstätten, ein Sonderausstellungsbereich, Bibliothek und Fotothek, ein Kindermuseum sowie Arbeitsräume für die Mitarbeiter sind nun unter einem Dach vereint. Endlich ist es möglich, museale Abläufe zu optimieren, umfangreiche konservatorische Arbeiten durchzuführen und neue Ideen im „Geschichtslabor“ zu entwickeln.

„Die Sammlungen des Museums sind großartig und ungewöhnlich für ein Stadtmuseum. Doch die konservatorische Pflege vieler Exponate war bedenklich“, sagte er damals. Es gibt zwölf Magazine an verschiedenen Standorten, an denen die Objekte unter teilweise widrigen Bedingungen gelagert worden sind. Die „treusorgende Verwaltung des städtischen Schatzes“ wird zur Herausforderung, kann aber im neuen Haus konservatorisch und wissenschaftlich besser organisiert werden. Zugleich beginnt sein Team damit, das Wissen des Museums digital verfügbar zu machen. Im Alten Rathaus kann die Dauerausstellung zum alten Leipzig erweitert und überarbeitet werden.

Rodekamp prägt mit seiner Handschrift viele Ausstellungen. Er ist wortgewandt, improvisiert gern und benötigt kein Papier, um eine Rede zu halten. Dabei verkündet er oft seine Leidenschaft für die neue Heimatstadt Leipzig, in der er mehr als die Hälfte seines Berufslebens verbringt. Das Ergebnis der Arbeit Rodekamps und seines Teams: Das Museum ist ein lebendiger und barrierefreier Ort in der Stadtgesellschaft geworden. Im Dezember 1996 ist es gelungen, die Hieronymus-Lotter-Gesellschaft als Fördergesellschaft des Museums zu gründen.

Völkerschlachtdenkmal wird „demokratisch umarmt“


Ein Kraftakt wird die Sanierung des Völkerschlachtdenkmals. In den 1990er-Jahren wird – angeregt durch den ehemaligen Nikolaikirchenpfarrer
Christian Führer – diskutiert, das Völkerschlachtdenkmal kontrolliert verfallen zu lassen. Doch engagierte Bürger setzen sich für das Denkmal ein. „Eine Restaurierung allein wäre nicht gelungen“, konstatiert Rodekamp. Deshalb musste das „oft ideologisch missbrauchte Denkmal“, das in dieser Zeit oft Demonstrationsziel von Antidemokraten um den Hamburger Neonazi Worch ist, sich neu erfinden. Es entstehen Initiativen wie das Festival Courage zeigen. Im Juli 1999 beschließt der Stadtrat mit einer „Leipziger Erklärung“, das Völkerschlachtdenkmal „demokratisch zu umarmen“, wie Rodekamp gegenüber der Leipziger Volkszeitung sagt, und im Sinne europäischer Versöhnung und gemeinsamer Geschichte zu entwickeln.

2001 entsteht die Stiftung Völkerschlachtdenkmal, um den Sanierungs-Kraftakt transparent und unabhängig vom städtischen Haushalt zu stemmen. Dadurch lassen sich Drittmittel besser einwerben. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, das sanierte Denkmal hat sich zum beliebten Ausflugsziel entwickelt „Dass wir das mit vielen Partnern in zwei Jahrzehnten geschafft haben“, sagt Rodekamp, „ist eine wahnsinnige Erfolgsgeschichte. Und darauf bin ich ebenso stolz wie auf die Wertschätzung des Denkmals über die Grenzen der Stadt hinaus.“

2010 bis 2014 leitet Rodekamp als Präsident den Deutschen Museumsbund. Nicht umgesetzt ist bis heute die Eröffnung eines modernen Sportmuseums. Das bedauert Rodekamp sehr. Mit Gerlinde Rohr, der damaligen Chefin des Sportmuseums, kann er zumindest einige Akzente setzen – etwa bei der Entwicklung der Sportroute Leipzig, die nach und nach umgesetzt wird. Das ist ein gutes Beispiel für sein Credo: Rodekamp hat stets dafür plädiert, aus dem Refugium Museum „auszubrechen“ und sich in vielfältiger Form in den Alltag der Menschen einzubringen.

Eine neue Aufgabe am Kyffhäuser-Denkmal


Ende März 2019 beendet Rodekamp seinen Dienst als Museumschef. „Gemessen an der Geschichte Leipzigs ist das eine kurze Zeitspanne, die aber unglaublich prägend war“, betont Oberbürgermeister
Burkhard Jung beim Empfang im Alten Rathaus und spricht sogar von einer Ära. Zwei Jahre nach seinem Abschied bei der Stadt kümmert sich Rodekamp noch als Geschäftsführer der Stiftung Völkerschlachtdenkmal um die weitere Entwicklung des Areals. Im „Unruhestand“ betreut er weitere Projekte. Etwa bei der Leibniz-Gemeinschaft in Berlin. Dort sitzt er im Senatsausschuss Evaluierung, der große deutsche Forschungsmuseen in ganz Deutschland bewertet. Nach acht Jahren lief diese Tätigkeit im Senat im Oktober 2025 allerdings aus. Eine Wiederwahl ist laut Satzung nicht noch einmal möglich.

Seit 2021 ist Rodekamp zudem wissenschaftlicher Berater der Stiftung Kyffhäuser. Für die Kyffhäuser Burganlagen hat er ein Entwicklungskonzept erarbeitet. Momentan entsteht dort ein neues Besucherinformationszentrum. „Da kann ich viele Erfahrungen, die ich in Leipzig gesammelte habe, für die künftige Entwicklung des Kyffhäuser-Denkmals weitergeben“, so Rodekamp.

Stand: 28.07.2025

Bildergalerie - Rodekamp, Volker

Lübbe, Enrico

Regisseur, Schauspielintendant | geb. am 9. April 1975 in Schwerin

Sein Name bleibt ewig mit Alfons Zitterbacke verbunden. 1986 schlüpft Enrico Lübbe als Elfjähriger in die Rolle des DDR-Kinderbuchhelden, dessen Abenteuer das DDR-Fernsehen in einer sechsteiligen Serie verfilmt. Damals konnte er sich wohl nicht vorstellen, als Intendant das Schauspiel in Leipzig zu leiten. Der Film hat durchaus seinen Lebensweg geprägt. Es bleibt zwar der einzige, da die DDR keine Kinderstars will und die jungen Schauspieler nur einmal besetzt. Doch Enrico Lübbe merkt, dass er diesen Beruf nicht erlernen will. Eigentlich möchte er Kulturjournalist werden.

Geboren wird Enrico Lübbe am 9. April 1975 als Sohn eines Kfz-Schlossers und einer Sekretärin in Schwerin. Dort wächst er auf, besucht die Polytechnische Oberschule „Georgi Dimitroff“. Er ist musisch begabt, lernt am Schweriner Konservatorium Akkordeon und Klavier spielen. Nach dem Abitur am Goethe-Gymnasium verschlägt es ihn nach Leipzig. An der Universität Leipzig studiert er 1993 bis 1999 Kommunikations-, Medien- und Theaterwissenschaft.

Nach Hospitation erste Regiearbeit in Leipzig


Um einen Kulturbetrieb „von innen“ zu erleben, hospitiert er 1995 am Schauspiel Leipzig. Und wird vom damaligen Intendanten
Wolfgang Engel prompt gefragt, ob er nicht Regieassistent werden möchte. Er sagt zu und unterstützt Engel beispielsweise bei großen Inszenierungen wie dem „Faust“. In seiner Studienzeit arbeitet Lübbe zudem als Journalist für Radiosender wie MDR 1 und Deutschlandfunk. Und er hat sogar erwogen, in Moskau für eine deutsch-russische Zeitung zu arbeiten. Doch er entscheidet sich fürs Theater.

Sein Debüt als Regisseur gibt Lübbe 1998 mit dem Teenager-Drama „Disco Pigs“ von Enda Walsh. Zwei Jahre später wird er fester Hausregisseur am Schauspielhaus. 2005 wechselt er ans neue theater Halle. 2008 zieht es ihn nach Chemnitz, um am dortigen Städtischen Theater Schauspieldirektor zu werden. Regelmäßig ist er als Gastregisseur an vielen deutschen Bühnen erfolgreich, darunter am Berliner Ensemble, Deutschen Theater Berlin, am Schauspiel Frankfurt sowie am Bayerischen Staatsschauspiel München und am Volkstheater Wien.

An der Bühne in Chemnitz bleibt er bis 2013, da seine Bewerbung in Leipzig erfolgreich ist. Darüber ist er sehr erfreut: „Ich habe viele emotionale Bindungen an Leipzig seit meinem Studium“, bekennt er. Deshalb habe ihn die neue Aufgabe gereizt. Das Schauspiel, welches damals als Centraltheater firmiert, ist in einer schwierigen Phase. Viele Inszenierungen des Vorgängers Sebastian Hartmann sind beim Publikum nicht angekommen. Oft bleiben viele Stühle in den Vorstellungen leer. Langjährige Ensemblemitglieder wollen weg. Und auch zwischen Stadtverwaltung und Hartmann stimmt die Chemie nicht.

Auf dem Weg zum progressiven Stadttheater


Lübbe schafft es, das Schauspielhaus besser auszulasten. Sein Regiedebüt als Intendant gibt er mit der Lessing-Tragödie „Emilia Galotti“. Seitdem inszeniert er am eigenen Haus zwei Stücke pro Jahr. Besonders wichtig ist 2015 das Stück „Die Schutzflehenden/Die Schutzbefohlenen“ von Aischylos/Elfriede Jelinek, das in die Zeit der großen Flüchtlingswelle passt. Es folgen Großprojekte wie „Die Massnahme / Die Perser“ von
Bertolt Brecht und Hanns Eisler sowie Aischylos.

Dauerbrenner werden aber auch Komödien wie „Der Gott des Gemetzels“ und „Der nackte Wahnsinn“. Die Liste der Inszenierungen ist inzwischen lang. Sein persönlichstes Stück ist 2022 das Märchen „Das kalte Herz“ nach Wilhelm Hauff. „Das hat auch etwas mit meiner DDR-Biographie zu tun und ist auch eine emotionale Geschichte“, sagt er.

Anders als in Berlin, München oder Hamburg gibt es in Leipzig, neben dem Theater der Jungen Welt für ein jüngeres Publikum, nur ein Schauspiel-Theater. Daraus ergibt sich eine Verantwortung für den Spielplan. Lübbe und sein Team setzen daher seit 2013 das Konzept eines progressiven Stadttheaters um. Dabei wird viel Wert auf eine ästhetische Vielfalt der aufgeführten Werke gelegt. Der Anspruch ist, für die unterschiedlichsten Menschen der Stadt recht unterschiedliche Angebote zu machen. Deshalb werden verschiedene Regisseure für die Inszenierungen eingeladen.

Mit der Diskothek entstand eine Spielstätte, die sich ausschließlich der Gegenwartsdramatik widmet. In der alten Baumwollspinnerei in Plagwitz betreibt das Schauspiel die Residenz. Diese versteht sich als Koproduktions- und Veranstaltungsort für frei produziertes performatives Theater. Und ist eine Förderung der Freien Szene aus eigenem Schauspiel-Etat.

Leipzig wird wieder Theaterstadt


Es ist Lübbes Verdienst, dass aus der Musikstadt Leipzig, in der es das Schauspiel nie leicht hatte, wieder eine Theaterstadt wird. Das gelingt mit einem Spielplan, den er so vielfältig wie möglich gestaltet. Die Vorstellungen im Großen Haus sind fast durchweg sehr gut besucht, oft auch ausverkauft. 2024 haben die Spielstätten des Schauspielhauses Leipzig mit knapp 132.000 Besuchern eine Auslastung von 82 Prozent. Das Besondere: Das Publikum ist in allen Spielstätten sehr gemischt. Junges Publikum zieht es nicht nur in die Residenz oder die Diskothek. Es kommt ebenso ins Große Haus. Und das ältere Publikum interessiert sich auch dafür, was an den kleinen Spielstätten gespielt wird. Vielen bleiben die Silvester-Specials in guter Erinnerung, bei denen seit dem Jahreswechsel 2013/2014 bis zu den Corona-Einschränkungen das ganze Haus bespielt wird. 2025 wird das Silvester-Event mit Bands, Catering und Aufführung auf Wunsch des Publikums wieder aufgenommen.

Viele Auszeichnungen für Schauspiel Leipzig


Seit Lübbe Intendant ist, erhält das Schauspiel Leipzig zahlreiche Einladungen zu renommierten Festivals im In- und Ausland. Dazu gehören das Berliner Theatertreffen, die Mülheimer Theatertage, der Heidelberger Stückemarkt, die Ruhrfestspiele Recklinghausen sowie die Biennale in Venedig. Ein großer Erfolg: 2017 erhält das Schauspiel Leipzig den Martin-Linzer-Theaterpreis für die herausragende künstlerische Gesamtleistung eines deutschsprachigen Theaterensembles, der damals erstmalig von der Fachzeitschrift „Theater der Zeit“ vergeben wird. 2022 folgt der Deutsche Theaterpreis „DER FAUST“. Für seine Leistungen im Bereich Partizipation und Inklusion wird das Schauspiel wiederholt ausgezeichnet. Erste Anregungen für Audiodeskription holt Lübbe sich bei einem Gastspiel am Volkstheater Wien. In Leipzig wird das Angebot professionalisiert, später auch mit Hilfe von Fördermitteln um Gebärdensprache ergänzt. Da steckt viel Energie drin, sagt er.

„Ich hätte in Leipzig niemals so erfolgreich arbeiten können ohne mein fantastisches Team, das mir auf vielen Gebieten den Rücken freigehalten hat“, betont Lübbe, der seit einigen Jahren ebenfalls ein erfolgreicher Opernregisseur ist. So inszenierte er beispielsweise an der Staatsoper Hannover die deutsche Erstaufführung von Manfred Trojahns „Orest“, „Wozzeck“ von Alban Berg an der Oper Erfurt, Richard Strauss’ „Elektra“ an der Oper Bonn sowie Richard Wagners „Tristan und Isolde“ an der Oper Leipzig.

2025 bespielt das Schauspiel Leipzig den agra-Messepark. Die Halle 4, ehemals Kultursaal der agra-Landwirtschaftsausstellung der DDR, ist ein Interimsquartier. Die Große Bühne wird vom April bis Oktober 2025 umgebaut. Unter dem Titel „ag(o)ra“ beschäftigt sich das Ensemble mit der Geschichte und Geschichten dieses Areals. „Das läuft sehr erfolgreich und kommt gut beim Publikum an.“

Lübbe ist für 190 Mitarbeiter verantwortlich, 25 davon sind fest engagierte Schauspieler. 2027 zieht er als Intendant in Leipzig einen Schlussstrich. Er möchte neue Dinge probieren, eine Weile mit seiner Frau, einer Lehrerin, sowie den beiden Kindern im Ausland verbringen. Wohin es ihn verschlägt, ist derzeit noch unklar. Auf jeden Fall will er frei arbeiten, dabei auch die Verbindungen nach Deutschland nicht kappen. So kann er sich vorstellen, auch künftig in Leipzig wieder einmal eine Oper oder ein Schauspiel zu inszenieren.

Stand: 11.09.2025

Bildergalerie - Lübbe, Enrico

Kucharski-Huniat, Susanne

Langjährige Kulturamtsleiterin der Stadt Leipzig | geb. am 1. Februar 1958 in Leipzig

26 Jahre lang hat sie die Leipziger Kulturszene geprägt wie keine andere. Im Februar 1994 übernimmt Susanne Kucharski-Huniat das Leipziger Kulturamt. Davor attackiert sie noch als Stadtverordnete von Bündnis 90/Die Grünen den damaligen Kulturdezernenten Georg Girardet heftig, weil es mit der Sanierung des Hauses der Volkskunst – heute Theater der Jungen Welt – am Lindenauer Markt nur schleppend vorangeht. Später kümmert sie sich als „Bauherrin“ selbst um städtische Kulturimmobilien, die saniert werden müssen. Und erlebt all die Schwierigkeiten, die sich dabei ergeben können.

Geboren wird Susanne Kucharski-Huniat am 1. Februar 1958 in Leipzig. Sie wächst in Gohlis auf, geht dort zur Polytechnischen Oberschule. Ihre Begeisterung für Literatur und das Lesen führen zu ihrem Berufswunsch. Sie absolviert eine Lehre zur Buchhändlerin beim Leipziger Kommissions- und Großbuchhandel (LKG) und anschließend ein berufsbegleitendes Studium an der Fachschule für Buchhändler in Leipzig-Leutzsch.

Mit 21 Jahren lernt sie den Leipziger bildenden Künstler Günther Huniat, ihren späteren Ehemann, kennen. Durch ihn erhält sie Zugang zu Künstlerkreisen, zu Studentengruppen, zu Menschen mit den unterschiedlichsten Berufen und aus dem westlichen Ausland. Plötzlich findet sie sich inmitten verschiedener künstlerischer und politischer Aktionen wie dem „Leipziger Herbstsalon“ wieder. Die kritische Haltung gegenüber dem DDR-Regime wird immer stärker. Mit der Ausbürgerung von Wolf Biermann und dem Weggang anderer Künstler wankt ihr Weltbild.

Buchhändlerin wird Sekretärin in der Jüdischen Gemeinde


Sie beendet ihre Tätigkeit im LKG, nachdem sie dort zunehmend zum Büchereinpacken ans Fließband „abkommandiert“ wird. Eine neue Anstellung als Buchhändlerin findet sie zunächst nicht. Sie arbeitet als Lichtpauserin, kann schließlich in einer Buchhandlung samt Galerie in der Erich-Ferl-Straße (heute Wurzener Straße) arbeiten. Ab Mai 1988 wird sie Sekretärin bei der
Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig. Das hat der Autor und Kabarettist Bernd-Lutz Lange vermittelt. „Die Arbeit in der Jüdischen Gemeinde hat mich ungemein bereichert und bis heute Auswirkungen auf mein Leben“, bekennt sie später.

9. Oktober 1989 wird Schlüsselerlebnis


Ab Ende September 1989 nimmt sie an den
Leipziger Montagsdemonstrationen teil. Der 9. Oktober 1989, auch „Tag der Entscheidung“ und Tag der Friedlichen Revolution genannt, wird zum Schlüsselerlebnis für sie. Der friedliche Protest Tausender lässt sie hoffen, dass nach der Zeit des immer gegen etwas sein zu müssen nun für sie eine Zeit des sich für etwas einsetzen zu können kommt. Sie engagiert sich politisch, baut den Kreisverband Leipzig der Grünen Partei der DDR mit auf. Im Herbst 1990 wird sie Geschäftsführerin der Fraktion Grüne/Unabhängiger Frauenverband der ersten frei gewählten Stadtverordnetenversammlung und rückt 1992 als Stadtverordnete nach. Die Fraktion vereint sich später mit dem Bündnis 90, sie bleibt als Geschäftsführerin im Amt. Susanne Kucharski-Huniat fällt als engagierte und kritische Stadtverordnete auf. Die Kultur liegt ihr besonders am Herzen.

Wechsel von der Politik in die Verwaltung


1993 bewirbt sie sich auf die frei gewordene Stelle der Leitung des Kulturamtes. Anfang 1994 wird sie vom Hauptausschuss in diese Funktion gewählt und beginnt unverzüglich mit der Arbeit. Es ist eine spannende Zeit, in der Leipzig im Auf- und Umbruch ist. Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage in der Stadt mit vielen Arbeitslosen ist ihr diese Zeit in guter Erinnerung. Sie ist dankbar, dass ihr der damalige Leipziger Oberbürgermeister 
Hinrich Lehmann-Grube und der Kulturbeigeordnete Georg Girardet so viel Gestaltungsraum ermöglicht haben. Und erweist sich dabei als ebenso authentisch wie entscheidungsfreudig.

Im Kulturamt hat sie herausfordernde Aufgaben, wie Bauherrin für die städtischen kulturgenutzten Gebäude. Der Sanierung des Theaterhauses am Lindenauer Markt folgen beispielsweise das Gohliser Schlösschen, das Grassimuseum, das Thomas-Alumnat, das Kulturhaus Anker und das Alte Rathaus. Bei der neu gegründeten Stiftung Völkerschlachtdenkmal wird sie erste Geschäftsführerin.

Eine Gedenkstätte als Sternstunde


Dass sie als Leiterin des Kulturamtes als ein erstes großes Projekt die Errichtung des 
Synagogendenkmals am Standort der ehemaligen Großen Gemeindesynagoge der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig verantwortet und realisieren kann, bezeichnet sie als Sternstunde ihrer Tätigkeit. Gemeinsam mit ihrem damaligen Fraktionskollegen Helmut Warmbier hat sie 1993 den Antrag zur Errichtung der Gedenkstätte gestellt. Die Einweihung erfolgt 2001 im Rahmen der 4. Jüdischen Woche, die sie mit initiiert hat und die seit 1995 alle zwei Jahre als städtische Veranstaltung mit vielen Partnern stattfindet.

„Sie möchte mehr mit der Stadtgeschichte wuchern“, sagt Susanne Kucharski-Huniat bei ihrem Amtsantritt und freut sich, dass in ihrer Amtszeit viele Lücken der Erinnerungskultur in Leipzig geschlossen werden können. Weitere Denkmale werden errichtet oder aufgewertet, ein Haus- und Gedenktafelprogramm gestartet. Der Etat für die Leipziger freie Kulturszene steigt von 1 Millionen DM im Jahr 1995 auf über 10 Millionen Euro im Jahr 2020.

Mehr als 20 Jahre vertritt sie Leipzig im Kulturforum des Städtenetzwerkes Eurocities und macht dort viele positive Erfahrungen – auch als Leiterin einer internationalen Arbeitsgruppe. Dabei kommt sie viel in Europa herum und kann auf Leipzig aufmerksam machen.

Anfang 2020 beendet Susanne Kucharski-Huniat ihr aktives Berufsleben. Für ihre Heimatstadt engagiert sie sich weiterhin, nun in Ehrenämtern. Dazu gehört ihre Arbeit im Vorstand der Europäischen Stiftung der Rahn Dittrich Group für Bildung und Kultur.

Stand: 12.05.2025

Bildergalerie - Kucharski-Huniat, Susanne

Hoffmann, Meigl

Kabarettist, Schauspieler, Autor | geb. am 18. Juni 1968 in Leipzig

Auf dem Dachboden seines Elternhauses findet Mike „mit seiner Bande“ Stahlhelm, Koppel, Patronentasche, die von der US-Army stammen. Großeltern und Eltern erzählen schon vorher, wie die Amerikaner im April 1945 Leipzig vom Nationalsozialismus befreien und gut drei Monate bleiben. Dann übernimmt die Rote Armee. Die gelten in den offiziellen DDR-Geschichtsbüchern als Befreier, wie es der spätere Kabarettist und Schauspieler Meigl Hoffmann aus der Schule kennt. Die Geschichten um die Amerikaner fesseln den Jungen, der später mit einer Bürgerinitiative wesentlich dazu beiträgt, das Capa-Haus in der Jahnallee vor dem Abriss zu bewahren und in einer Ausstellung an die Befreiung Leipzig durch die US-Army zu erinnern.

Ein Punker rebelliert gegen das System


Geboren wird Mike Hoffmann am 18. Juni 1968 in Leipzig. Als Sohn der Leichtathletin
Wilfriede Hoffmann wächst er in der Lortzingstraße in Nähe des Rosentals auf. Er geht zur Leibniz-Schule am Nordplatz. 1985 bis 1987 absolviert er eine Lehre als Maschinen- und Anlagenmonteur in Schkeuditz. Das ist eher Zufall – eigentlich will er Sportreporter werden oder Archäologie studieren. Doch die Mutter ist 1974 im Westen geblieben und will die Familie nachholen. Da ist für Meigl trotz guter Noten weder das Abitur noch ein Studium drin.

Er definiert sich als Punker. Meigl gründet mit Freunden das Lehrlingskabarett Mutanfall. Dieser Name ist bewusst an die Leipziger Punkband Wutanfall angelehnt. Er rebelliert gegen das DDR-System, stellt nach dem Abschluss der Lehre einen Ausreiseantrag, der allerdings erst im Herbst 1989 bewilligt wird. Am 5. Oktober 1989 – vier Tage vor dem entscheidenden Tag der Friedlichen Revolution in Leipzig – siedelt er nach Frankfurt/Main über. Dort lebt seine Mutter. Er bekommt einen Job im Jazzlokal Mampf als eine Art Hausdichter.

Viele eigene Kabarettbühnen entstehen


Doch es hält ihn dort nicht. Am 9. November 1989 fällt die Mauer, schon Weihnachten 1989 kehrt er in seine Heimatstadt zurück. Er schlägt sich als Anstreicher und Möbelträger durch. Dann kann er die Kneipe
„Goldenes Herz“ in Gohlis übernehmen, in der er eine Bühne für Jazz und Kabarett aufbaut. Nach einem Jahr ist allerdings Schluss – die Kneipe wird verkauft, er herausgedrängt. Er wechselt über eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ins Kulturzentrum Werk 2 in Connewitz, wo der Betrieb gerade abgewickelt wird. Dort beaufsichtigt er Arbeiter, die den Betrieb abwickeln, und baut in „Dor Feixer“ (heute Gaststätte ConnSTANZE) eine kleine Bühne auf. 1992 gründet Meigl Hoffmann mit zwei Schulfreunden das Kabarett Gohglmohsch. Das spielt im König-Albert-Haus am Markt, später eine Zeitlang im Kosmos-Haus in der Gottschedstraße. 1999 löst sich das Ensemble auf. Meigl Hoffmann tritt beim Kabarett academixer auf.

2007/08 erfolgt eine Neuauflage des Kabaretts Gohglmohsch, bevor er mit Karsten Wolf zunächst in der Marktgalerie 2009 das Leipziger Central Kabarett ins Leben ruft. Das Kabarett zieht nach einem Jahr schließlich ins König-Albert-Haus, wo gemeinsam mit Hendrik Dantz eine Firma gegründet wird. 2018/19 steigt Meigl aus. Das Central Kabarett hat bis heute seine Spielstätte im König-Albert-Haus.

Fortan ist er Darsteller und Autor in der Leipziger Pfeffermühle. Anfang 2025 konzentriert er sich mehr auf Tourneen und die Arbeit als freier Künstler mit verschiedenen Solo-Programmen. Denn er lebt mit seiner Frau in der Schweiz, die dort als Ärztin arbeitet. Er tritt inzwischen häufig in der Schweiz auf. Gemeinsam mit dem Pianisten Karsten Wolf erwirbt er 2016 die Traditionsgaststätte Waldschänke in Zwickau. Dort tritt er vorher oft auf, beide wollen das Lokal vor der Schließung bewahren.

Auf den Spuren von Robert Capa


Leipzig ist aber nach wie seine Heimatstadt, für deren Historie er sich sehr interessiert. Daher auch das Engagement fürs 
Capa-Haus, dessen Geschichte er ausfindig macht. Das beginnt mit einem Zufall. Im Dezember 1988 sieht er im „Sno’Boy“, einem Untergrundmagazin, fünf Fotos von Robert Capa, die amerikanische Soldaten in Leipzig zeigen. Von diesem von Peter Hinke herausgegebenen Kunstmagazin gibt es 35 Exemplare. Die Capa-Bilder sind illegal aus dem „Giftschrank“ der Deutschen Bücherei abfotografiert worden. Er ist wie elektrisiert und will wissen, wo die Fotos gemacht wurden und wer darauf zu sehen ist. Bis das klarer wird, vergeht allerdings noch fast ein Vierteljahrhundert. Er nimmt Kontakt zum Amerikanischen Generalkonsulat auf, trifft später US-Veteranen der 69. Infanteriedivision der US-Army.

Hoffmann sucht das Gebäude, von dem das Foto mit dem letzten Toten gemacht wurde. Er sucht vor allem nach einem markanten Metallgeländer mit Jugendstilornamenten am Balkon. Und glaubt, es in der Jahnallee 61 gefunden zu haben. Das Gebäude steht leer und ist in einem katastrophalen Zustand. Es gibt bereits eine Abrissgenehmigung der Stadt. Mit einem Freund steigt er in das Haus ein, in dem die Decken zum Teil bis zum Keller durchgebrochen sind und selbst die Holztreppen wackeln. „Ich bin instinktiv in die zweite Etage hoch“, erzählt Hoffmann. Aus dem Fenster der Mittelwohnung sieht er links das Straßenbahndepot, gegenüber die Gastankstelle und rechts die Zeppelinbrücke – und erkennt dann beim Zusammenfügen der Details zuhause, dass alles wie auf den Bildern von Robert Capa ist. Nur der Balkon ist vorher abgerissen worden. Christoph Kaufmann, damals Leiter der Fotothek im Stadtgeschichtlichen Museum, hat ebenfalls recherchiert – und die Bestätigung in den Bauakten gefunden.

Bürgerinitiative rettet Capa-Haus


Er beginnt, gemeinsam mit anderen Enthusiasten, für den Erhalt des Gebäudes zu kämpfen. Eine Bürgerinitiative Capa-Haus entsteht.  Die Eigentümer der unter Denkmalschutz stehenden Immobilie wechseln. Am Silvesterabend 2011/12 brennt auch noch der Dachstuhl. Der Bürgerinitiative gelingt es, den Namen des toten Soldaten auf dem Foto,
Raymond J. Bowman aus Rochester, Monroe County, New York zu ermitteln. Und sie holen Bowmans Kameraden Lehman Riggs, der mit ihm gemeinsam das Maschinengewehr bediente, im Frühjahr 2012 nach Leipzig. Dieser ist damals 92 Jahre alt.

Die Bürgerinitiative interessiert den Immobilienmakler Horst Langner aus Franken für die Geschichte. Dieser erwirbt das Haus und saniert es. Gut zehn Millionen Euro investiert Langner in die denkmalgerechte Sanierung. Im heutigen „Palmengarten-Palais“, wie es offiziell heißt, sind Eigentumswohnungen entstanden. Bekannter ist es aber als Capa-Haus geworden. Im Erdgeschoss entstand zunächst das Café Eigler samt kleinem Museum, das an die Ereignisse aus dem April 1945 erinnert. Doch das Café muss 2021 schließen.

Heute wird das Erdgeschoss des Capa-Hauses gemeinsam vom Stadtgeschichtlichen Museum, der Bürgerinitiative Capa-Haus sowie dem Verlag Hentrich & Hentrich für jüdische Kultur und Zeitgeschichte betrieben. Die Ausstellung „War is over“ ist überarbeitet, im kleinen Saal finden regelmäßig Veranstaltungen statt. Vom „Sno’Boy“ kann Meigl Hoffmann sogar ein Exemplar ergattern, das nun als Leihgabe in der Bibliothek des Stadtgeschichtlichen Museums ist. Gerettet hat Hoffmann ebenso das berühmte Schild „Nikolaikirche – offen für alle“, das er dem Zeitgeschichtlichen Forum übergeben hat.

Als Künstler auf vielen Bühnen unterwegs


Als vielseitiger Kabarettist, Schauspieler und Autor ist Meigl Hoffmann weiterhin über die Stadt Leipzig hinaus unterwegs und hat sich einen Namen gemacht. Die Bühne des leidenschaftlichen Spötters ist da, wo er sich gerade befindet. Für sein unkonventionelles Lebenswerk bekommt Hoffmann unter anderem den Berliner Preis „Der Eddi“. Seit 2020 ist er ebenfalls regelmäßig im LVZ-Fußball-Podcast „Die Rückfallzieher“ mit
Guido Schäfer zu hören. Und vielleicht schreibt er seine Erlebnisse mal in einem Buch auf – interessanten Stoff aus seinem Leben gibt es genug.

Stand: 17.09.2025

Bildergalerie - Hoffmann, Meigl

Börner, Ronald

Bauingenieur, Bauleiter | geb. am 24. März 1951 in Leipzig

Schon als Junge ist er im Winter auf dem Hang zum Völkerschlachtdenkmal gerodelt oder hat mit seinen Freunden dort gespielt. Damals konnte sich Ronald Börner sicherlich nicht vorstellen, dass er einmal die Sanierung des Kolosses leiten wird. Doch sein Planungsbüro überträgt dem Bauingenieur diese anspruchsvolle Aufgabe. Immerhin hat der Marienbrunner sie schon vorher bei der Sanierung der Leipziger Universitätsbibliothek mit seinen Leistungen überzeugt.

Schon als Kind am Völkerschlachtdenkmal


Geboren wird Ronald Börner am 24. März 1951 in Brandenburg/Havel. Als Zehnjähriger zieht er mit den Eltern nach Marienbrunn, geht dort in die 30. Oberschule, die damals gerade eingeweiht wird. Als Kind spielt er oft am Völkerschlachtdenkmal und in den 
Etzoldschen Sandgruben. Vom Großvater, einem Kaufmann aus Dresden, hört er viel über das Denkmal, dessen Bau diesen in der Jugend fasziniert. Nach der 10. Klasse beginnt Börner eine Lehre als Baufacharbeiter beim volkseigenen Bau- und Montagekombinat (BMK) Süd.

Dort ist er beteiligt an den Bauarbeiten fürs Kraftwerk Lippendorf und für das Robotron-Gebäude in der Gerberstraße, das inzwischen abgerissen wurde. Dort befindet sich seit 2021 das Gebäude der Sächsischen Aufbaubank (SAB). Er spezialisiert sich auf Montagebau.1969 wird Börner zur Nationalen Volksarmee einberufen. Danach arbeitet er als Monteur. Sein Betrieb delegiert ihn zur Arbeiter- und Bauernfakultät in Freiberg, um das Abitur nachzuholen. 1973 lernt er seine spätere Frau Heidrun kennen. Börner studiert konstruktiven Ingenieurbau an der Bauhochschule in Leipzig (später Technische Hochschule). Nach dem Abschluss kehrt er zurück ins BMK Süd, um dort als Technologe und Bauleiter zu arbeiten. Nach der Friedlichen Revolution 1989 wird das volkseigene Kombinat umstrukturiert. Daran wirkt Börner aktiv mit und wird im Montagebau Grimma schließlich Marketingleiter.

Der Wiederaufbau der Universitätsbibliothek


1991 fragt ihn das neugegründete Architekturbüro HJW & Partner, ob er die Leitung für den Wiederaufbau der 
Universitätsbibliothek übernehmen wolle. Die Bibliotheca Albertina in der Beethovenstraße ist damals in einem maroden Zustand. Ein Teil des Gebäudes ist eine Ruine, in der schon die Bäume wachsen. Damals sind nur ein kleiner Lesesaal sowie Arbeitsräume unter widrigen Bedingungen nutzbar. Börner reizt diese Aufgabe. „Ich wollte wieder die Nähe zum konkreten Bauen“, blickt er zurück. Als Bauleiter erstellt er beispielsweise das Konzept, koordiniert die Arbeiten und überwacht den Ablauf.

Für das Architekturbüro und die Bauausführenden wird es eine Herausforderung, eine moderne Bibliothek bei laufendem Betrieb in das alte Gemäuer zu integrieren und zu erweitern. Auch für die Beschäftigten der Bibliothek. Börner betreut „nebenbei“ noch andere Baustellen, etwa den Umbau des Kulturhistorischen Museums in Magdeburg für die Ottonen-Ausstellung.

Seit 1998 folgen erste, kleinere Aufgaben am Völkerschlachtdenkmal. 2004 wird ihm die Mammutaufgabe übertragen, als Bauleiter die Sanierung des Denkmals zu koordinieren. Dass es dazu kommt, ist ohnehin nur dem Engagement der Leipziger Bürgerschaft zu verdanken. 1998 gründen diese einen Förderverein mit dem Ziel, den fortschreitenden Verfall des Leipziger Wahrzeichens aufzuhalten und es instand zu setzen. Sie können die Politik überzeugen, die Aufgabe anzugehen.

Am Denkmal sind selbst Kriegsschäden nur notdürftig repariert. Fugen sind undicht. Dadurch kann Regen ins Denkmalsinnere eindringen. Netze verhindern, dass Steinbrocken auf die Besucher fallen. Selbst das Plateau ist damals eine Stolperfalle. Zu DDR-Zeiten wird nur das Nötigste repariert. Das Denkmal ist dennoch eine technische Meisterleistung. Erstmals wird hier in großem Stil Beton verbaut. „Da steckt sehr viel deutsche Ingenieurskunst drin, das verfolgte beim Bau des Denkmals die ganze Welt!“, betont der Bauingenieur.

Die große Herausforderung Sanierung


In die Jahre gekommen, wirkt das Anfang der 1990er Jahre von einer Patina aus Ruß, Dreck und Kohlestaub überzogene Denkmal schon rein äußerlich auf viele abschreckend. Trotzdem lieben die Leipziger ihr Denkmal, das sie ihren Gästen gerne zeigen und mit ihnen auf die Aufsichtsplattform steigen. Fachlich gesehen ist der Ruß nicht das Problem. Die Denkmalschutzbehörde wollte die Schicht, so erklärt Börner, allerdings beibehalten. Doch Börner findet ein für die Steine schonendes Reinigungsverfahren, bei dem das Strahlgut vorher im Wasser „aufgemischt“ wird. Bei geringerem Druck entstehen Risse in der Schmutzschicht. Der gelöste Schmutz kann so vom Untergrund einfach abgewaschen werden. Und Börner kann die Behörde überzeugen.

Saniert wird das Denkmal in verschiedenen Abschnitten. Das Besondere: Das notwendige Gerüst wird abschnittsweise von oben nach unten versetzt. Nach der grundlegenden Entscheidung des Büros erstellt Börner das Gerüstkonzept „Wir haben verschiedene Varianten untersucht. Ich war auch in Dresden, um mir die Ideen beim Bau der Frauenkirche anzuschauen“, erklärt Börner. Die Aufgabe ist gewaltig: So müssen neben der Außenhülle allein ca. 40 Kilometer Fugen abgedichtet sowie die Feuchte-Schäden im Inneren des Denkmals beseitigt werden.

Anders als bei der Universitätsbibliothek macht er für das Denkmal viele Ausschreibungen für die Bauleistungen. Dabei sind Steinmetzarbeiten, wie das Verfüllen der Fugen, abhängig vom Wetter und der Jahreszeit. „Es ist eine Herausforderung, Fachfirmen zu finden, die das auch in guter Qualität können.“

Überzeugungsarbeit für moderne Ausstattung


Die Millionenbeträge sind nur für die Sanierung des eigentlichen Baukörpers bewilligt. Das bringt Bauleiter Börner und die Arbeitsgemeinschaft oft in eine Zwickmühle. Da muss viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Wenn das Gerüst schon mal in der Stifterkuppel hängt, ist es sinnvoll, gleich die Haustechnik zu erneuern. Die Stadt als Bauherr akzeptiert vieles nicht, um Kosten zu sparen. Und Börner gibt zu, dass hin und wieder ein wenig getrickst wurde. „Wir wussten, wenn das Plateau wieder geschlossen ist, kommt keine Leitung mehr ins Denkmal hinein.“ Deshalb wurden vorsichtshalber und vorausschauend unterm Plateau gleich Kabel und Leerrohre verlegt. Das musste im Budget verankert werden. Ebenfalls wird ein Beleuchtungskonzept angeregt, für das eigentlich kein Geld vorhanden ist, aber ein internationaler Wettbewerb ausgeschrieben wird. Doch die Sieger-Firma wirft nach der Ausschreibung das Handtuch. Deshalb hat ein kleines Team um Börner die Beleuchtungsideen umgesetzt, die jetzt viele Leute allabendlich begeistern.

Börner liegt es ebenso am Herzen, das Denkmal barrierefrei zu erschließen. Für Blinde- und Sehbehinderte entsteht sogar ein Modell. Seit 2016 ist er im Rentenalter. Danach vollendet der Bauingenieur beispielsweise noch die Sanierung des Wasserbeckens. Bis Ende 2025 ist er im Minijob beschäftigt, Unterlagen und Dokumente rund um die Sanierung zu archivieren sowie mögliche Gewährleistungen zu organisieren.

Börner ist Marienbrunner mit Leib und Seele. Deshalb arbeitet er im Vorstand des Vereins der Freunde von Marienbrunn mit. Und ist sehr an der Historie seines Stadtteils interessiert, die er seinen Gästen gerne erklärt. Etwa die Geschichte der Marienquelle, eines versteckten Kleinods. Börner reist viel, um sich andere Gartenvorstädte und Werksiedlungen anzuschauen. Darüber verfasst er auch Texte für die Website des Vereins. Eines der nächsten Projekte des Vereins ist die denkmalgerechte Gestaltung des Arminushofes – des Zentrums der Gartenvorstadt Marienbrunn – mit dem Amt für Stadtgrün und Gewässer.

Stand: 28.07.2025

Bildergalerie - Börner, Ronald

Dabdoub, Mahmoud

Fotograf, Dolmetscher, Zeitzeuge | geb. am 5. August 1958 in Baalbeck (Libanon)

„Die Straße ist mein Atelier“ – einen besseren Titel als im Februar 2025 im Zeitgeschichtliches Forum Leipzig kann es für eine Ausstellung mit Fotos von Mahmoud Dabdoub eigentlich gar nicht geben. Denn dieser beschreibt, was seine Arbeit ausmacht. Wie der deutsch-palästinensische Fotograf zur Kamera greift und Momente aus dem Alltag festhält, die viele andere gar nicht wahrnehmen. So hat er sich das graue Leipzig und seine Menschen erschlossen, die der damals 23-Jährige bei seiner Ankunft 1981 in der DDR trifft. Nach Leipzig kommt er zum Studium. Er ist geblieben und hat sich seinen fotografischen Blick für das Alltägliche bewahrt.

Aufgewachsen im Flüchtlingslager


Geboren wird Mahmoud Dabdoub am 5. August 1958 in Baalbeck, einer Provinzhauptstadt im Libanon. Die Familie stammt eigentlich aus Galiläa, das gesamte Dorf wird von Israelis im Jahr 1948 zerstört. Mahmoud wächst im Flüchtlingslager Al Jalil bei Baalbeck auf. Schon dort beginnt er zu zeichnen und zu malen, fertigt sogar Anschauungstafeln wie Landkarten für den Schulunterricht an. Es ist der Versuch, aus dem tristen Leben im Lager auszubrechen.

In den Ferien arbeitet er als Botenjunge für einen Fotografen, um ein bisschen Geld für Schulmaterial zu verdienen. 1976 kann er in Beirut das Abitur machen, beginnt anschließend seine Arbeit im palästinensischen Kulturbüro in Beirut. Als er 18 Jahre wird, darf er manchmal die Kamera seines Bruders benutzen und fängt an, Schnappschüsse zu machen. Sein erstes Foto zeigt eine von Schüssen zerlöcherte Wand mit einem beschädigten Kinderporträt. Um 1980/81 entstehen erste Reportagen, die die Lebenswirklichkeit palästinensischer Flüchtlinge abbilden. „Es war nicht einfach, eine Kamera zu bekommen. Das Geld brauchten wir für Brot, nicht für Kunst“, erinnert er sich. Sein Bruder, der seit 1977 einige Jahre in West-Berlin arbeitet, entdeckt schließlich eine Kamera der Marke Praktika aus DDR-Produktion auf einem Flohmarkt. Die schenkt er bei einem Besuch im Libanon dem jüngeren Bruder.

Eine erste Ausstellung im Herder-Institut


Der Maler
Ismael Schamout, für den Mahmoud Dabdoub als Assistent tätig ist, vermittelt ihm schließlich ein Stipendium für ein Studium in der DDR. Er kommt am 11. September 1981 in Leipzig an, bekommt eine Unterkunft im Studentenwohnheim in der Straße des 18. Oktobers. Wie alle ausländischen Studenten, lernt er zunächst Deutsch am Herder-Institut. Eigentlich will er Maler und Grafiker werden, sieht die Fotografie als reines Hobby. Als er im Chemielabor des Herder-Institutes schließlich Fotos aus Palästina entwickelt und seinen Freunden zeigt, überreden sie ihn, in einer Foto-AG mitzumachen. Daraus entwickelt sich seine erste Ausstellung, die er auf den Fluren des Institutes zeigt. „Und damit änderte sich mein ganzer Lebensplan“, sagt er später in Interviews.

Mahmoud Dabdoub wird geraten, sich an der Hochschule für Grafik und Buchkunst für ein Fotografie-Studium zu bewerben. Er hat Glück, einen der raren Studienplätze zu ergattern und trifft auf Lehrer wie Arno Fischer, Evelyn Richter und Helfried Strauß, die ihn fördern. 1987 bekommt er seinen Abschluss als Diplomfotograf, ist seitdem freiberuflich mit der Kamera unterwegs.

Voller Neugier durchstreift Dabdoub seine neue Heimat mit der Kamera. Um wirklich anzukommen, muss er die ihm unbekannte Gesellschaft gründlich erkunden. Dabei entstehen eindrucksvolle Bilder. Die Menschen lassen sich damals ohne Scheu fotografieren. „Es ist wichtig, wie man mit Menschen umgeht. Vor allem mit Respekt und einem Lächeln“, sagt er. „Ich war damals ständig und überall mit der Kamera unterwegs. In meinem Archiv lagern allein aus den Tagen der DDR 1.400 Filme.“ Einen Teil der Bilder veröffentlicht er im Buch „Neue Heimat Leipzig“, das im Lehmstedt-Verlag veröffentlicht wird. Später erscheint „Alltag in der DDR“ im Passage Verlag mit neuen Bildern. Im Archiv Bürgerbewegung Leipzig werden die Negativfilme von Mahmoud Dabdoub seit 2014 kontinuierlich digitalisiert. Weitere Publikationen und Ausstellungen sind vorgesehen.

Ein Reisender zwischen den Welten


Dabdoub ist ebenfalls ein Reisender zwischen den Welten. So kehrt er oft in den Libanon zurück. Versteht sich als „eine Brücke zwischen Orient und Okzident“, wie er selbst sagt. 1989 erreicht er für seine Serie „Palästinenserlager im Libanon“ eine Ehrenmedaille bei einer Fotoschau in Hamburg. Weitere Preise für Bilder aus dem Libanon und Palästina folgen. 2003 erscheint das Buch „Wie fern ist Palästina?“, in dem er den Alltag in Flüchtlingslagern zeigt, am selben Tag auch „Alltag in der DDR“ im Passage Verlag mit neuen Bildern. Den Erfolg kann er nicht genießen, weil am ersten Buchmessetag im März 2003 der Krieg im Irak beginnt. „Meine Freude war futsch, weil Menschen sterben müssen.“ „Land der verletzten Zedern“ heißt schließlich eine Publikation über den Libanonkrieg 2007.

Keine Bilder von den Montagsdemonstrationen


Obwohl er während der 
Friedlichen Revolution in Leipzig lebt, gibt es vorn ihm keine Bilder von den Montagsdemonstrationen. Er hat sich damals nicht getraut, die Demos zu fotografieren, wie er später bekennt. Da ist vor allem die Angst, seine Aufenthaltsgenehmigung zu verlieren und ausgewiesen zu werden.

Dafür hält er am 9. November 1989 in Berlin die ersten Stunden nach der Grenzöffnung fest. An diesem Tag ist er zufällig in Berlin. Er kehrt gerade von der Eröffnung einer Ausstellung zurück, die im Westteil zu sehen ist. Mitgerissen vom Jubel hält er die Kamera hin. Doch leider hat er nur noch drei ORWO-Filme dabei. Die haben jeweils 36 Bilder, wie in analogen Zeiten üblich. Am nächsten Morgen fotografiert er auf dem Westberliner Ku’damm feiernde Ost-Berliner in einem Lada-Taxi. Es entsteht eine schwarz-weiße Fotoserie. „Sie ist eines der wichtigsten Werke in meinem Leben“, bekennt er später. Im Nachhinein bedauert er, nicht länger geblieben und die Ereignisse rund um die Mauer dokumentiert zu haben.

Wie es für ihn nach der deutschen Einheit weitergeht, bleibt zunächst unklar. Er stellt sich auf die neue Arbeitssituation ein, fotografiert unermüdlich weiter. 2000 erhält er die deutsche Staatsbürgerschaft. Mit seiner Familie lebt er in Connewitz. Die drei Töchter sind inzwischen erwachsen. Auch für die Stadtverwaltung und das „Amtsblatt“ fotografiert er eine Zeitlang.

Bilder einer menschenleeren Stadt


Der Freiberufler widmet sich auch dem Corona-Virus und den Folgen für die Gesellschaft.  „Augen in der Pandemie“ heißt eine Publikation im Jahr 2021, in der er von Masken verdeckte Gesichter fotografiert. „Menschenleer: Leipzig – Fotos einer Stadt im Lockdown“ heißt ein weiterer Bildband (2021), den er gemeinsam mit 
Armin Kühne und Andreas Koslowski erarbeitet.

Der Fotograf hat noch einige Projekte vor. Er muss auch arbeiten, weil die Rente nicht ausreicht. Er bewahrt noch ORWO-Filme auf, will diese auch künftig bei verschiedenen Lichtsituationen nutzen. Eine Idee wäre, zu Fuß 24 Stunden lang mit der Kamera durch Leipzig zu streifen. Darüber hinaus ist er als Dolmetscher tätig und ist auch als Zeitzeuge in Schulen im Einsatz, wo er über seine Arbeit als Fotograf erzählt. „Die Straße ist mein Atelier“ heißt, wie auch die Ausstellung im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig, das neue Buch von Mahmoud Dabdoub, welches zur Buchmesse 2025 erschien.

Stand: 18.03.2025

Bildergalerie - Dabdoub, Mahmoud

Eberle, Friedhelm

Schauspieler | geb. am 21. September 1935 in Oberhausen

Viele ältere Menschen erkennen ihn an der markanten Stimme. 45 Jahre lang ist Friedhelm Eberle fest am Schauspiel Leipzig engagiert. Von Hamlet über Faust, König Lear bis zu Othello hat er dort alle großen Rollen gespielt, die sich ein Schauspielerherz nur wünschen kann. Er spricht Hörspiele und dreht Filme. Das Publikum schätzt das Ehrenmitglied des Schauspielhauses für seine Hinwendung zum künstlerischen Wort. Fast 90 Jahre alt, hat Friedhelm Eberle seine Erinnerungen im Buch „Dem schönen Ziele zu“ veröffentlicht. Das ist im April 2025 im Leipziger Passage-Verlag erschienen.

Nach der Schlosserlehre folgt das Theater


Geboren wird Friedhelm Eberle am 21. September 1935 in Oberhausen. Im Ruhrgebiet wächst er auf und geht dort zur Volksschule. Der Vater, der im Krieg bleibt, ist Schlosser. Die Mutter Hausfrau. Daher ist es keineswegs naheliegend, dass er sich einem künstlerischen Beruf zuwendet. „Ein Lehrer, der spürte, dass ich empfänglich war, hat mich mit Literatur wie
Theodor Storm und Gottfried Keller versorgt. Und er gab mir Friedrich Schillers ‚Räuber‘ zu lesen“, erinnert er sich. Die Räuber haben ihn verfolgt, er hat dieses Stück immer wieder gelesen, im nach dem Krieg wiedereröffneten Stadttheater Oberhausen gesehen… So entsteht der heimliche Wunsch, selbst auf der Bühne zu stehen. Doch zunächst geht er in eine Schlosserlehre. Der junge Mann nimmt privat Schauspielunterricht. Doch seine Leistungen in der Lehre nehmen ab, so dass die Familie schon seinen Rausschmiss befürchtet. Die Familie bittet ihn, zunächst die Lehre zu beenden. Nach der Gesellenprüfung nimmt er wieder privaten Unterricht.

Der Weg in den Osten Deutschlands


Eberle folgt seinem Schauspiellehrer nach Basel, damit der Unterricht für ihn weitergeht. Dann absolviert er die Prüfung in Düsseldorf. Der Lehrer ist inzwischen an die Volksbühne in Ostberlin gewechselt. Er vermittelt für Friedhelm Eberle ein Engagement in Plauen, später folgt Erfurt. Von dort zieht es Eberle 1962 nach Leipzig ins Theaterkombinat von
Karl Kayser. Gemustert für die Armee wird er auch, einberufen allerdings nicht – vermutlich wegen der vielen Westverwandtschaft und der vielen großen Rollen am Theater.

Der umstrittene Generalintendant Kayser, mit dem sich Eberle oft zofft, ist von 1958 bis 1990 im Amt. Durch seinen Einfluss sind seit 1964/65 auch Gastspiele im Westen möglich. „Für mich war es etwas Besonderes, dass ich bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen im Festspielhaus den Hamlet und den Faust spielen konnte“, erinnert er sich. Schon als 16-Jähriger habe er dort viele große deutsche Schauspieler wie Ernst Deutsch oder Gustaf Gründgens erleben dürfen.

Als Dozent an der Theaterhochschule Leipzig unterrichtet er 38 Jahre lang „Künstlerisches Wort“. Dort wird er 1994 zum Professor berufen. Vor der Kamera steht Eberle auch: So spielt er in den 1970/80er-Jahren den Hauptmann Reichenbach in der Krimiserie „Polizeiruf 110″ des DDR-Fernsehens. Er ist Synchronsprecher, hat sogar kurioserweise mal Bruno Ganz seine Stimme geliehen.

Nach den Vorstellungen nimmt er nachts sehr viele Hörspiele auf. Ein Freund hat einmal einen alten Mitschnitt ausgegraben, da hat er sich selbst nicht erkannt. Ob Tragödie, Komödie oder Gegenwartsstück – er kommt in jedem Genre zurecht. Für sein Wirken erhält er den Kunstpreis der Stadt Leipzig sowie den Nationalpreis der DDR.

Mit dem Gewandhausorchester auf Tour


Er gehört zu jenen, die im Herbst 1989 für eine humane DDR und Reisefreiheit auf die Straße gehen. Auch an jenem legendären 9. Oktober 1989, der als entscheidender Tag der 
Friedlichen Revolution in die Weltgeschichte eingeht. Bis zum Ausscheiden des Intendanten Wolfgang Engel im Jahr 2007 ist er in Leipzig fest engagiert.

Schon in den 1980er Jahren hat Eberle das Musiktheater für sich entdeckt, begleitet Kurt Masur und das Gewandhausorchester bei Gastspielen durch die Welt. 2006 ist er mit Masur in Israel. Nach dem Abschied vom Schauspielhaus ist Eberle weiterhin in Film und Fernsehen zu sehen, verfasst eigene musikalisch-literarische Programme und Stücke. Seinen letzten Fernsehauftritt hat er in der Verfilmung des Buches „Der Turm“ von Uwe Tellkamp im Jahr 2012. Seine letzte große Arbeit ist „Der Theatermacher“ von Thomas Bernhard in einer eigenen Fassung.

Der Schauspieler ist keiner, der zur Ruhe kommen will. Keiner, der in sich ruht, höchstens in seinen Rollen. Nach wie vor hält er sich fit. Er trainiert regelmäßig an den Geräten bei Kieser in der Leipziger Innenstadt und spielt Tennis. Und ist auch noch mit dem Auto unterwegs. „Wenn ich aufhöre zu arbeiten, werde ich alt“, hat der Gohliser einmal gesagt. „Pläne mache ich keine, ich lasse alles auf mich zukommen“, so Eberle. Er freut sich, engagiert zu werden. Doch er nimmt längst nicht mehr jede Rolle an. Rollen können klein sein, betont er, müssen aber einen künstlerischen Anspruch haben. „Nur das Gesicht zeigen – das will ich nicht“. Deshalb tritt er auch nicht in Soaps auf.

Eine bedeutende Theaterkarriere


Friedhelm Eberle blickt auf eine bedeutende Theaterkarriere zurück. Dies wird auch in seinen Lebenserinnerungen deutlich, die sich durchaus wie ein deutsch-deutsches Geschichtsbuch lesen. Offen und ehrlich gesteht er, warum er bei seinen zahlreichen Gastspielen nicht im Westen geblieben ist. Zunächst spielt die Familie eine große Rolle. 60 Jahre lang ist er mit der Opernsängerin
Sigrid Kehl zusammen, davon 25 Jahre verheiratet. Die Sopranistin ist am 18. Dezember 2024 gestorben. Eberle hat drei Kinder.

Es gibt aber noch einen zweiten Grund, warum er nie im Westen geblieben ist. Er habe so seine Zweifel, ob ein Theater im Westen ihn mit so vielen Rollen verwöhnt hätte, wie das Schauspiel Leipzig. „Ich durfte ja alles hier spielen – vom Hamlet angefangen, Othello bis zu König Lear“, sagt er. Und die vielen Perestroika-Stücke und viele Gegenwartsstücke gehören ebenfalls zu den angenehmen Lebenserinnerungen. Wie im Buch „Dem schönen Ziele zu“ nachzulesen ist.

Stand: 29.04.2025

Bildergalerie - Eberle, Friedhelm

Forchner, Ulrich

Karikaturist, Grafiker, Illustrator, Porträtzeichner | geb. am 1. Dezember 1949 in Krossen-Tauchlitz (Thüringen)

Ein schwarzer oder weißer Hut, ein roter Schal und natürlich das Skizzenbuch samt schnellem Zeichenstift sind Ulrich Forchners Markenzeichen. Seit mehr als 50 Jahren ist er in Leipzig als freischaffender Künstler unterwegs. Um die 15.000 Menschen soll der Grafiker und Karikaturist schon porträtiert haben. Dazu gehören Politiker und Künstler, aber ebenso Leute wie „du und ich“. Nach wie vor ist der Zeitchronist mit seiner spitzen Feder präsent. So bietet der Absolvent der Hochschule für Grafik und Buchkunst seine Dienste als Porträtzeichner bei Hochzeitsfeiern und Firmenfeiern an.

Geboren wird Ulrich Forchner am 1. Dezember 1949 in Krossen-Tauchlitz in Thüringen. In Gera wächst er als Sohn eines Lehrers sowie einer Tarifeurin beim Kraftverkehr auf, besucht dort die Polytechnische Oberschule. „Ich wollte nicht in einer Fabrik arbeiten, sondern mich mit der Natur und Grünanlagen beschäftigen“, erzählt er. Deshalb beginnt er eine Lehre in Leipzig-Markkleeberg, um Landschaftsgestalter zu werden. Gezeichnet hat er schon als Kind. 

Von der Grünanlage in die Hochschule


Wie der Zufall es will, wird Ulrich Forchner zur Pflege der Grünanlage vor der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig eingeteilt. Neugierig geworden schaut er sich das Gebäude näher an und landet gleich in einer Vorlesung, bei der es um die Malerei der Renaissance geht. Er fasst den Entschluss, sich an der Hochschule zu bewerben und Grafiker zu werden. Zunächst wird er jedoch zum Grundwehrdienst bei der Nationalen Volksarmee einberufen, die ihn in Halle/Saale stationiert. Von dort aus bewirbt er sich an der Hochschule, an der er dann von 1970 bis 1975 Buchkunst studiert. Ursprünglich sollte es Malerei sein, doch da wird er zu seinem Bedauern abgelehnt. An der Hochschule trifft er Menschen, die ihn ganz besonders beeinflusst haben. Dazu gehört der Leipziger Maler
Werner Tübke, den er verehrt. „Er war ein Gigant, er gehört zu meinen Vorbildern“, sagt Forchner. Aber auch Dietrich Burger, Walter Schiller und Albert Kapper zählt er auf.

Die Berliner Harald Kretzschmar und Herbert Sandberg haben in Leipzig Vorlesungen gehalten, über sie ist die Karikatur als „Seitenlinie“ an die Leipziger Hochschule gekommen. Bereits im ersten Studienjahr schickt Forchner seine Zeichnungen ans Satireblatt „Eulenspiegel“ oder „Das Magazin“. Mit Christina Forchner, seiner ersten Frau, baut er ein Atelier in Mölkau auf.

Für die DDR-Lebensmittelindustrie entstehen ab 1978 ebenfalls Zeichnungen. Die Absatzleiter suchen schon in der Hochschule nach neuen Talenten, die ihre Produktverpackungen ansehnlicher gestalten, damit diese auch auf dem Westmarkt ankommen. Forchner steuert den Entwurf für die Süßwaren von Bambina bei. Die sind bekannt durch das lachende Mädchen und die beiden grasenden Kühe. Doch auch für Creck und Sonni-Schlecks sowie für Eierteigwaren aus Waren an der Müritz entwirft Forchner Lebensmittelverpackungen.

Der studierte Diplomgrafiker gestaltet außerdem Plakate und illustriert Bücher. Er lernt Bernd-Lutz Lange kennen und bekommt Kontakt zum Kabarett academixer, für das er ebenfalls wie für die Leipziger Pfeffermühle Programmhefte und einzelne Plakate gestaltet. Bei einer Ausstellung karikiert er sogar SED-Politbürogrößen wie Kurt Hager.

Hinter der Mauer wird es ihm zu eng


Im Jahr 1988 wird es ihm in Leipzig zu eng. „Eine Frau war der Grund. Ich wollte unbedingt die Mona Lisa sehen“, erzählt er schmunzelnd. Das Eingesperrtsein, die Mauer, habe ihn regelrecht „angekotzt“, wie er sagt. Gemeinsam mit seinem Freund
Andreas J. Mueller nutzt er eine Ausstellung zu DDR-Karikaturen in Bergisch-Gladbach (Nordrhein-Westfalen) zur Flucht. Kabarettisten wie Gerhard Polt und Dieter Hildebrandt, die er aus Leipzig kennt, helfen, dass er in Bayern ansässig wird.

Fünf Jahre bleibt Forchner in München. Dort arbeitet er als Zeichner bei der Bild-Zeitung und der Süddeutschen Zeitung. Doch er will zurück nach Leipzig, da hier viele seiner Freunde leben. Inzwischen alleinerziehender Vater von Sohn Lucas, hat er es trotz toller Aufträge am Schliersee in Bayern schwer. 1993 kehrt der freischaffende Künstler heim. Er muss neue Wege gehen, um sein Einkommen zu sichern.

Als Porträtzeichner bei Festen


Fortan arbeitet er als Porträtzeichner bei Festivitäten und porträtiert die Gäste einer Feier in Minutenschnelle. Das kann sehr anstrengend werden, wenn er beispielsweise bei Hochzeiten neun Stunden und länger festlich gestimmte und manchmal mächtig beschwipste Gäste auf ein Blatt Papier bannt. „Da ist ein Höchstmaß an Konzentration nötig“, erzählt er. Bei Hochzeiten bietet er ein gebundenes Hochzeitsbuch an, zu dem ein Aquarell von der Lokalität mit Hochzeitsauto, Torte, Sägebock und mit weiteren Details gehören.

Mit seiner dritten Frau Conny, die er seit der Schule kennt, lebt Ulrich Forchner in Gohlis. Eine Zeitlang fertigt er lokalpolitische Karikaturen für die Leipziger Volkszeitung. Für den Sachsen-Sonntag greift Forchner seit 1993 zu seinen Stiften. Er pflegt Freundschaften, zum Beispiel beim Gosestammtisch in der Gastwirtschaft Lutherburg und an einem der ältesten Stammtische Leipzigs namens Gogelmosch, den es seit 1984 gibt. Und hat ebenfalls viel Freude daran, zu illustrieren. Einige seiner Bilder sind in Büchern wie „Die Oma im Schlauchboot“ von Erich Loest, weitere im Buch „Liederliches Leipzig“ von Bernd-Lutz Lange zu finden.

Karikaturen von vielen Prominenten


In mehr als 40 Länder von Frankreich bis Brasilien hat er bislang Studien- und Malreisen unternommen. Allein die Reiseskizzen machen vier Regalmeter aus. Und viele Prominente, darunter
Angela Merkel, Kurt Biedenkopf, Gina Lollobrigida sowie Mario Adorf und Gloria Gaynor karikiert. Davon besitzt er nur noch Fotos, die Originale hat er jeweils den Prominenten geschenkt. Auch in Gaststätten sind tausende Zeichnungen entstanden. Vom Zoo kommt er schon als Kind nicht los, ist dort immer wieder mit dem Zeichenstift unterwegs.

Für seine Arbeiten hat er verschiedene Preise bekommen. Dazu gehören der „Silberne Hut“ des internationalen Cartoonfestivals Knokke-Heist (Belgien) im Jahr 1980 sowie die „Goldene Plakette“ des International Salon for Anti-War-Cartoon in Kragujewac (Jugoslawien) im Jahr 1985. Einen „bronzenen Satyr“ holt er im Jahr 1988 in Greiz.

Einige der Arbeiten des Karikaturisten, Illustrators, Cartoonisten, Grafikers sowie Plakatgestalters sind in Museen ausgestellt. Dazu gehören jene in Greiz, Hannover, Leipzig, Basel (Schweiz), Lahti (Finnland) und Jerusalem (Israel). Zu seinem Schaffen entstand ein reich bebilderter Katalog. „Ulrich Forchner – Mein Zeichnerleben“ erschien 2010 im Druckhaus Verlag Gera. Pläne hat er noch viele. Dazu gehört eine Arbeit über das Barockschloss Crossen mit seinen großen Sälen, das ihn schon als Kind begeistert hat.

Stand: 20.06.2025

Bildergalerie - Forchner, Ulrich

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