Bildlexikon Leipzig

Deutsche Nationalbibliothek in Leipzig

Deutscher Platz 1 Ortsteil: Zentrum-Südost

Die Deutsche Nationalbibliothek wurde 1912 als zentrale Archivbibliothek des gesamten deutschen Schriftguts im In- und Ausland gegründet. Gemeinsam mit ihrem zweiten Standort in Frankfurt am Main umfasst der Bestand derzeit mehr als 39 Millionen Objekte, was sie zur größten Bibliothek Deutschlands macht.

Die Entstehung des kollektiven Gedächtnisses der Nation 


Die Deutsche Nationalbibliothek wird durch eine ovalflächige Grünfläche mit doppelreihiger Lindenumpflanzung von den zwei gegenüberliegenden Nachbarbauten, dem Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie und dem Biotechnologisch-Biomedizinischem Zentrum, auch Biocity Leipzig, getrennt.

Die Initiative für den Bau der Deutschen Nationalbibliothek, ehemals Deutsche Bücherei, ging im Jahr 1909 vom Börsenverein der Deutschen Buchhändler aus.
Leipzig hatte sich Ende des 19. Jahrhunderts zur weltweit bedeutendsten Stadt für Handelsmessen und das Buchgewerbe entwickelt. Bereits im 18. Jahrhundert waren alle der Buchbranche angehörenden Institutionen in der Buchstadt ansässig. Aus diesem Grund lag die Entscheidung nahe, die Deutsche Bücherei 1912 ebenfalls in Leipzig anzusiedeln. Letztere nahm am 1. Januar 1913 ihren Betrieb zunächst provisorisch als Buchhändlerbörse auf, da sich der Neubau der Bibliothek durch Uneinigkeiten zum Standort verzögerte. Seitdem machte es sich die Deutsche Bücherei zur Aufgabe, das deutschsprachige Schriftgut aus dem In- und Ausland vor Ort lückenlos zu sammeln, zu archivieren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. 

Das imposante Hauptgebäude wurde zwischen 1914 und 1916 nach Plänen des Dresdner Architekten Oskar Pusch unter dem Baumeister Karl Schmidt und dem Leipziger Baurat Karl Julius Baer auf dem Deutschen Platz auf rund 4.000 Quadratmetern errichtet. Durch die Luftangriffe auf Leipzig im Zweiten Weltkrieg 1943 blieb die Deutsche Bücherei aufgrund der Brandschäden zunächst bis November 1945 geschlossen. Als Folge der deutschen Teilung nach dem Zweiten Weltkrieg entstand in Frankfurt am Main 1946 die Deutsche Bibliothek als zweiter Standort für die Archivierung deutschsprachiger Literatur. Beide Einrichtungen in Leipzig und in Frankfurt am Main wurden mit der Wiedervereinigung des Landes 1990 wieder zu einer Institution zusammengefasst und tragen seit 2006 den Namen „Deutsche Nationalbibliothek“. 

Goethe, Bismarck und Gutenberg gaffen von historistischen Mauern


Die architektonische Gestaltung der Deutschen Nationalbibliothek entstand im Zuge der baulichen Erweiterungen und vereint verschiedene Stilepochen auf einem Areal: Vom Historismus der Gründerzeit über die Neue Sachlichkeit, den geradlinigen Bau der DDR-Moderne und den Zweckbau des Bücherturms bis hin zur Reform-Architektur der Gegenwart. Besonders charakteristisch ist das 1916 fertig gestellte Hauptgebäude im Stil der Frührenaissance. Der 120 Meter lange, konkav geschwungene Bau wirkt ebenso massiv wie elegant und besitzt neben den in die Fassade eingezogenen Rundturm-Vorsprüngen zu beiden Seiten ein reich geschmücktes Portal. Der bauplastische Schmuck hebt den kulturellen Anspruch seines Bauherrn hervor: Eine monumentale Freitreppe führt zu den drei Eingangstüren und flankierenden Fenstern hinauf, die beide mit vergoldeten, schmiedeeisernen Gittern verziert sind. Über den Türen begrüßen den Besucher die vom Dresdner Bildhauer Fritz Kretzschmar geschaffenen steinernen Gaffköpfe von Johann Wolfgang Goethe, Otto von Bismarck und Johannes Gutenberg. Diese stehen sinnbildlich für die Kunst, den Reichsgedanken und die Druckkunst. Oberhalb des Eingangsportals verteilen sich zwischen den Fenstern des 1. Stockwerks sechs allegorische Figuren, welche von Adolf Lehnert, Felix Pfeifer und Johannes Hartmann stammen. Sie stehen allegorisch für den Handel und die Wissenschaft und verkörpern Technik, Kunst, Justiz, Philosophie, Theologie und Medizin. Die Runderker tragen das sächsische und das Reichswappen. An der Fassade zu beiden Seiten der Figuren sind zwei Inschriften angebracht. Während die linke aus Friedrich Schillers Gedicht „Der Spaziergang“ stammt, handelt es sich bei der rechten um den Spruch von Minister Karl Friedrich Vitzthum von Eckstädt anlässlich der Grundsteinlegung des Bauwerks. Die reich gestaltete Fassade wird mit der vom Schlossermeister Hermann Kayser geschaffenen, schmiedeeisernen Uhr mit den goldenen Schriftzeichen vom Leipziger Buchkünstler Walter Tiemann oberhalb des Eingangsportals komplettiert.

Ein Blick hinter die Fassaden des achtgeschossigen Hauptgebäudes zeigt die reiche Innengestaltung der Bibliotheksräume. Die Wand im Eingangsbereich ist mit einem Glasmosaik von Max Seliger ausgestaltet. Das wertvollste Objekt ist das vom Jugendstilmeister Ludwig von Hofmann im großen Lesesaal geschaffene Gemälde „Der Brunnen des Lebens“. 

Der Weg zur größten Bibliothek Deutschlands


Die Deutsche Bücherei wurde zwischen 1934 und 2011 aufgrund des täglich um tausende Bücher wachsenden Bestands bereits vier Mal erweitert und um angrenzende Bauten ergänzt. Von 1934 bis 1936 wurde die Ostseite der Deutschen Bücherei erstmals in traditioneller Bauweise erweitert. Es entstanden zusätzliche Magazinflächen und der „Kleine Lesesaal“, der heutige Lesesaal für Naturwissenschaften.1959 wurde mit dem zweiten Erweiterungsbau an der Nordwestseite begonnen. Unter der Leitung von Gerhart Helmer entstand bis 1963 ein zusätzlicher Gebäudekomplex, welcher die ursprünglichen Planungen in seiner Gesamtkonzeption abrundete. 

Zwischen 1976 und 1982 entstand mit dem Bau der Büchertürme neben dem Hauptgebäude der dritte Erweiterungsbau der Deutschen Bücherei. Die vom Architekten Arnd Schultheiß konzipierten 55 Meter hohen und fensterlosen Türme mit weißgrauer Betonfassade beherbergen in fünf Magazinsegmenten, 14 Geschossen und neun Zwischengeschossen rund fünf Millionen Bände. Die Gleitschalungsbauweise orientiert sich nicht am historischen Gebäudeensemble, sondern an den Punkthochhäusern auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Aus einem europaweit ausgeschriebenen Architekturwettbewerb für einen vierten Erweiterungsbau ging im Jahr 2002 die Stuttgarter Architektin Gabriele Glöckler hervor. Dem Konzept „Umschlag. Hülle. Inhalt“ folgend entstand von 2007 bis 2011 ein Gebäude in Form eines stilisierten, liegenden Buchs aus Glas und Aluminium, welches alle Gebäudekomplexe zu einem Ensemble mit 240 Metern Fassadenlänge zusammenführt. Auf sechs über- und drei unterirdischen Stockwerken sind neben Magazinen und einem Lesesaal die Ausstellungsfläche des bereits 1884 gegründeten Deutschen Buch- und Schriftmuseums angesiedelt. Im Innenhof des Gebäudes wurde für das Deutsche Musikarchiv ein neuer Lesesaal entworfen und eingeweiht. 

Zusätzlich zur deutschsprachigen Literatur als eigentlichem Sammlungsgebiet der Bibliothek, gibt es auch eine Reihe von besonderen Sammlungen, die den Auftrag der Bibliothek ergänzen und abrunden. Dazu gehört die zwischen 1933 und 1945 aus Deutschland verbannte Exilliteratur, welche besonders intensiv gepflegt wird. In einem gesonderten Lesesaal wird Literatur zu den Themengebieten Holocaust, Shoah, Antisemitismus und Rassismus bereitgestellt.

Bildergalerie - Deutsche Nationalbibliothek in Leipzig

Historisches Bildmaterial - Deutsche Nationalbibliothek in Leipzig

Sophie Weinhold
Sophie Weinhold
Die gebürtige Leipzigerin studierte in Passau und Marseille Internationales Management und besitzt ein Faible für Fremdsprachen. Neben Englisch und Französisch spricht sie fließend spanisch und italienisch. Bereits als Zwölfjährige führte sie internationale Austauschschüler durch die Stadt und begeisterte sie für Leipzigs Geschichte und Sehenswürdigkeiten. Die Liebe zu Leipzig bestimmt nach wie vor ihre Freizeitgestaltung. Ob Museumsbesuche, Konzerte oder Fahrradtouren in die Umgebung – die kreative Lokalpatriotin findet immer ausreichend Anregungen, um darüber zu schreiben.