Bildlexikon Leipzig

Sächsische Aufbaubank (SAB)

Gerberstraße 5 | Ortsteil: Zentrum-Nord

Wer baut in Zeiten der „Optimierung des Filialnetzes“ und der Schließung von Geschäftsstellen schon ein neues Hauptquartier für eine Bank? Die Sächsische Aufbaubank (SAB) unternahm 2021 genau diesen bemerkenswerten Schritt und eröffnete ihren neuen Sitz in Leipzig, und zwar in einem Gebäude, das bewusst spektakulär auftrumpfen will.

Keine Bank wie andere auch


Normalerweise wechseln Banken aus internem wirtschaftlichen Kalkül an einen neuen Standort. Im Fall der Sächsischen Aufbaubank war das anders. Nicht der spitze Bleistift der Erfolgsrechnung hinterließ für das öffentlich-rechtliche Institut in Analogie zu den vielen privatwirtschaftlichen Repräsentanten der Kreditwirtschaft eine Präferenz für Leipzig, sondern rein politische Kriterien gaben dafür den Ausschlag. Das sächsische Gesetz zur Neuordnung von Standorten der Verwaltung legte 2012 Leipzig als neuen Hauptsitz der SAB fest. Die Sächsische Aufbaubank ist die Förderbank des Freistaats. Die meisten Aktivitäten drehen sich in diesem Institut um gezielte Mittelzuteilung an Unternehmen mit Potential, nicht um Kontoführung oder Kreditgeschäfte im herkömmlichen Sinn. Klassische Bankschalter oder Geldautomaten braucht die SAB deshalb nicht.

Am 9. September 2021 fand die offizielle Eröffnung des Hauptquartiers dieses besonderen Geldhauses in Anwesenheit des halben sächsischen Kabinetts statt. Das bewusst gewählte Datum war der 30. Jahrestag des Instituts.

Ankunft auf dem einstigen Robotron-Areal


Dem Festakt ging eine lange Baugeschichte voraus. Nach der Festlegung auf Leipzig begann die übliche Grundstückssuche. Verstecken wollte sich die SAB nicht, sondern gezielt an den
Promenadenring und an das geschäftige Zentrum der Stadt heranrücken.

In der Gerberstraße wurden die Immobilien-Pfadfinder fündig. Dort erstreckte sich über fünf Büroetagen seit 1969 das Schulungszentrum des Kombinats Robotron. Erwartungsgemäß stand das quaderförmige Gebäude mit seinem 100 Metern Kantenlänge leer, denn zu schulen gab es hier schon lange niemanden mehr. Über das einstige Vorzeigekombinat Robotron der DDR-Wirtschaft war der eisige Wind des Marktzugangs hinweggefegt. Sollte die Sächsische Aufbaubank ausgerechnet hier einziehen? Sie hätte sich in understatement und Bescheidenheit üben können und entschied sich doch für die glatte Gegenstrategie.

Rasch wurde die äußerlich tintenblaue Robotron-Hinterlassenschaft 2012 abgerissen, um Platz für einen Neubau zu schaffen, der bereits im Modell dadurch auffiel, dass er nur Teile des 10.000-Quadratmeter-Areals in die direkte bürotypische Nutzung einbezog und ansonsten lässig mit einer überaus luftigen Weite spielte. Besucher spüren, hier residiert ein Institut, das es nicht nötig hat, mit penibel belegten Quadratmetern zu geizen.

Eine fast schon verschwenderische Raumnutzung


Der Entwurf für das kühne Ensemble stammt vom Londoner Büro ACME, und das ist ein recht selbstbewusstes Akronym für den Anspruch
A company makes everything. Weitere internationale Büros hätten für die SAB gern ihre visionären Vorstellungen fliegen lassen. Dass die Architekturkritik gebannt auf den umgesetzten Entwurf in Leipzig blickt, ist für die ambitionierten Baumeister von der Themse zumindest schon mal die „halbe Miete“. Und die SAB registriert ihren architektonischen Coup voller Genugtuung. Ihre Ansprechpartner finden SAB-Kunden, die als Fördermittel-Bewerber auftreten müssen, in zwei L-förmig angeordneten, vierstöckigen Bürotrakten im nordwestlichen Teil des Grundstücks. Ein reguläres L deuten die beiden Baukörper nur an, denn an die Stelle des inhärenten rechtwinkligen Knicks jedes L tritt hier ein offener Durchlass, der wie eine schmale städtische Gasse anmutet und einen Weg in Richtung Zoo Leipzig öffnet. 

Jeder der beiden Gebäudetrakte löst sich bewusst von der geradlinigen Strenge klassischer Bankgebäude, und schwingt an der Fassade wie ein riesiger, eilig aufgeschichteter Unterlagenstapel, der seiner korrekten Archivierung harrt. Durch das Innere des SAB-Hauptquartiers weht der Zeitgeist immerwährender Flexibilität: angepasst nutzbare Büros, karge Trennwände, stille Rückzugsräume, eine größere Besprechungs- oder Veranstaltungsarena und viel, viel Licht.

Löhr’s Garten als Referenzpunkt


Allerdings flutet die helle Pracht nicht unabgeblendet bis zu den Arbeitsplätzen, denn vor den Bürotrakten – es wäre verwerflich, diese stolz zur Schau getragene Raum-Verschwendung einen „Hof“ zu nennen – recken sich 251 Säulen zwanzig Meter in die Höhe. Erinnern sie an riesige Blumenstengel? Oder an überdimensionierte schlanke Pilze? Ganz oben weiten sie sich jedenfalls in eleganter Linie zu tellerförmigen Trägern, auf denen ein Dach mit der einzigen klaren Kante am Grundstücksrand des Neubaus ruht: 100 mal 100 Meter – wo der Himmel beginnt, ist das SAB-Areal exakt abgesteckt. 

Besucher sollen die Freiflächen der Bank durchschreiten. Landschaftsgärtner griffen auf einen Wechsel aus Anpflanzungen und kleinen Wasserflächen zurück. Die beschwingte Vielfalt an Natur vor den Glas- und Betonkörpern des Bank-Ensembles will die Erinnerung an Löhr’s Garten wachhalten, der sich hier als Lustgarten am historischen Leipziger Stadtrand erstreckte, ehe die gewerbliche Vereinnahmung des Geländes einsetzte. Übrigens erinnert der Namen des benachbarten Gebäudekomplexes der Sparkasse Leipzig und der Landesbank Baden-Württemberg, Löhrs Carré, noch heute an Leipzigs ersten Bürgergarten. 

Zusätzlich zu den Büroräumen und einer Kantine entstand im Innern ein Auditorium mit 200 Sitzplätzen und ein kleines Konferenz-Zentrum, in dem Fachveranstaltungen durchgeführt werden. 

Und Robotron? Mit großem Aufwand vier Wandbilder mit optimistischen Fortschrittsallegorien aus dem niedersinkenden Schulungszentrum zu retten, war die zentrale Forderung der Denkmalschützer vor der Erteilung der Abrissgenehmigung. Angeblich lässt die Raumkonfiguration des Bank-Neubaus nur die Präsentation von drei der vier Werken zu, so dass für das Wandbild von Rolf Kurth ein anderer Ort in Leipzig gesucht wird. Von der Gerberstraße her sind die drei ausgestellten Gemälde von Arno Rink, Frank Ruddigkeit und Klaus Schwabe für jedermann gut zu sehen. Auch für Betrachter ohne Anspruch auf Fördermittel.

Stand: 25.12.2021

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Dr. Helge-Heinz Heinker
Der in Leipzig-Connewitz geborene habilitierte Ökonom ist bekennender Eisenbahn- und Flugzeugfan. Er arbeitet als Wirtschaftsjournalist und ist (Mit)Autor von über 70 Publikationen, darunter eine Vielzahl von Abschnitten zur Wirtschafts- und Verkehrsentwicklung seit dem 19. Jahrhundert in der wissenschaftlichen Stadtgeschichte der Stadt Leipzig (Band 3 und 4), „Leipzig Hauptbahnhof. Eine Zeitreise“, „Boomtown Leipzig. Anspruch und Wirklichkeit“, „Wolfgang Tiefensee: Eine Biographie“ und „150 Jahre Straßenbahn für Leipzig“. Seit Mai 1999 moderiert er die Veranstaltungsreihe „Tourismusfrühstück“ sowie Kongresse, Tagungen und Fachveranstaltungen. An den Wochenenden tourt er öfters mit Touristen durch die Stadt und stellt ihnen bei der Stadtrundfahrt Leipzigs Attraktionen vor.
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