Bildlexikon Leipzig

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Altes Bach-Denkmal

Dittrichring (gegenüber Nr. 8) | Ortsteil: Zentrum

Das Alte Bach-Denkmal wurde am 23. April 1843 zu Ehren des einstigen Thomaskantors Johann Sebastian Bach vor der damaligen Thomasschule enthüllt. Heute steht die aus Sandstein gefertigte Säule auf dem Promenadenring zwischen Thomaskirche und Dittrichring und gilt als das weltweit älteste Bachdenkmal.

Ein Mann großer Werke


Ein Leipzig ohne Johann Sebastian Bach kann man sich heute nicht mehr vorstellen. Nicht umsonst gilt er als einer der wichtigsten Wegbereiter und Begründer Leipzigs als Musikstadt. Geboren am 21. März 1685 in Eisenach, zog es ihn für seine Hauptschaffensperiode nach Leipzig, wo er zwischen 1723 und 1750 als Musikdirektor und Kantor in den vier großen Kirchen wirkte. Vor allem in der Thomaskirche war er sehr aktiv und leitete dort den schon damals weltberühmten
Thomanerchor. Neben der Ausbildung von über 300 Thomanern schuf er jeden Sonntag neue Kantaten und komponierte große Werke wie die berühmte Matthäus-Passion und die Johannes-Passion. Er galt als einer der geistreichsten und größten Klavier- und Orgelspieler und dennoch nahm die Stadt seinen Tod am 28. Juli 1750 kaum zur Kenntnis. Bach wurde im vorderen Teil des Alten Johannisfriedhofs begraben und geriet schnell in Vergessenheit. Grund hierfür war der Wandel des musikalischen Geschmacks, nach dem der Barockstil als altmodisch betitelt wurde. 

Die Bach-Renaissance wird ausgerufen


Wie sehr Bach in Vergessenheit geriet, macht eine Schrift von
Robert Schumann deutlich: „Viele Stunden lang forschte ich kreuz und quer, ich fand keinen J. S. Bach. Als ich den Totengräber darum fragte, schüttelte er über die Obskurität des Mannes den Kopf und meinte, Bachs gäbs viele…“.

Schließlich waren es Vertreter der musikalischen Romantik, die Bach und seine Werke wiederentdeckten. Allen voran war hier der Komponist und spätere Gewandhauskapellmeister Felix Mendelssohn Bartholdy beteiligt. Er war es, der die Musik Johann Sebastian Bachs wieder in die Kirchen und auch auf die Bühnen brachte. Mit seiner Aufführung der Matthäus-Passion 1829 in der Berliner Singakademie löste er eine europaweite Bach-Renaissance aus. Mendelssohn gab auch den Anstoß, Bach durch ein Denkmal in seiner langjährigen Wirkstätte Leipzig zu ehren. Dafür sammelte er selbst Einnahmen aus extra dafür angesetzten Konzerten, natürlich mit Bachs Werken. Darunter war die Matthäus-Passion vertreten, die dadurch am 4. April 1841 erstmals in Leipzig wiederaufgeführt wurde. Die Erlöse der Konzerte flossen in die Umsetzung des Bach-Denkmals. 

Ein Denkmal für Bach


Mit dem Denkmal beauftragt wurde der Dresdner Akademieprofessor
Eduard Bendemann. Unterstützung erhielt er von Julius Hübner und Ernst Rietschel. Die sich nach oben verjüngende Säule aus Sandstein wurde schließlich vom Bildhauer Hermann Knaur und dem Leipziger Steinmetzmeister Friedrich Moritz Hiller realisiert. Der Mittelteil mit seinem Säulenbündel und den vier freistehenden, gewundenen Ecksäulen steht auf einem sechseckigen Sockel. Obenauf befindet sich ein Gehäuse mit vier gotischen Tabernakeln, zu jeder Himmelsrichtung eine. Die Nordseite ist geprägt von der Büste des Komponisten als Halbplastik. Zur Ostseite hin ist ein orgelspielender Genius zu sehen, der Bach als Künstler und Orgelspieler darstellt. Einen Hinweis auf den Komponisten der Kirchenmusik zeigt das Relief zur Südseite. Hier sind zwei Genien abgebildet, mit Palmenzweigen und Dornenkronen. Auf der Westseite ist schließlich ein Schüler unterrichtender Genius zu sehen, der den Lehrer- und Kantorberuf Bachs darstellt. Als Genius wird der persönliche Schutzgeist eines Mannes mit dem Ausdruck seiner Persönlichkeit bezeichnet. Bekrönt wird das Denkmal mit einer Kreuzblume. Ein schmiedeisernes Gitter mit bronzenen Zierteilen umfasst das Kunstwerk, dessen Errichtung sich im Jahr 2035 zum 200. Mal jährt. 

1843 wurde die Säule an seinem Platz, der damals unmittelbar hinter der Thomasschule lag, aufgestellt. Nach einem von Mendelssohn veranstaltetem Konzert im Gewandhaus zu Leipzig wurde es am 23. April 1843 feierlich enthüllt und der Stadt übergeben. Hier war unter anderem auch ein Enkel Bachs, ein 81-jähriger Mann, samt Familie aus Berlin angereist. 

Der Gedenkstein wurde im Laufe der Zeit mehrmals restauriert, jedoch nie beschädigt oder zerstört. Er überstand somit alle gesellschaftlichen Umbrüche und auch Bombenangriffe auf Leipzig. 

Ein Denkmal kommt selten allein


In unmittelbarer Nähe des Alten Bach-Denkmals wurde anlässlich des 200. Geburtstages Johann Sebastian Bachs ein weiteres Denkmal errichtet. Direkt vor dem Südportal der Thomaskirche steht nach einigen Jahren der Planung eine überlebensgroße Statue Bachs aus Bronze. Der Entwurf von
Carl Seffner zeigt Bach als vitalen Kantor und Komponisten vor einer Orgel stehend. Das neue Bach-Denkmal wurde am Kantaten-Sonntag am 17. Mai 1908 eingeweiht. Gemeinsam mit der dahinter liegenden Thomaskirche als Wirkstätte Bachs bot dieser Ort einen historischen Rahmen für die Errichtung des Denkmals. Nicht zuletzt deshalb, weil die vermeintlichen Überreste Bachs in der Thomaskirche unter einer bronzenen Grabplatte ruhen. Direkt gegenüber können Interessierte in das Leben und Wirken Bachs eintauchen. Im 1711 erbauten Bosehaus befindet sich heute das Bach-Museum. Bach verkehrte oft hier, da er mit dem Kaufmann Georg Heinrich Bose und seiner Familie gut befreundet war. Beide Familien musizierten gern miteinander. Im Jahr 1985 zog das Bach-Archiv ins Bosehaus und eröffnete die erste Ausstellung des Bach-Museums. 

Stand 29.11.2023

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Historisches Bildmaterial - Altes Bach-Denkmal

Apothekergarten

Linnéstraße 1 / Friedenspark | Ortsteil: Zentrum-Südost

Bei dem im Friedenspark gelegenen und am 1. Juni 2001 wiedereröffneten Apothekergarten der Universität Leipzig handelt es sich um den ältesten Apothekergarten Deutschlands. Dieser entstand aus einem im Jahr 1542 gegründeten „Hortus medicus“, einem Heilpflanzen- und Apothekergarten. Heute beherbergt er auf ca. 3.000 Quadratmetern über 300 Heil-, Gift- und Gewürzpflanzen. Der Apothekergarten dient vorrangig der Ausbildung von Studenten sowie der Weiterbildung von interessierten Apothekern, Biologen und Ärzten und ist öffentlich zugänglich.

Am Anfang war der Klostergarten: Deutschlands ältester Apothekergarten entsteht


Bei dem Friedenspark im Osten Leipzigs handelt es sich um eine grüne Oase der Ruhe nahe dem Zentrum der Messestadt. Am Rande des Parks gelegen entstanden zu Beginn der 2000er Jahre mit dem Duft- und Tastgarten und dem Apothekergarten zwei gegenüberliegende Sonderanlagen, die zum Botanischen Garten der Universität Leipzig gehören.

Die Entstehung von Deutschlands ältestem Apothekergarten reicht knapp 500 Jahre zurück. Bereits zu Gründungszeiten der Universität Leipzig um das Jahr 1409 sollen Mönche im Klostergarten Heilpflanzen kultiviert und an die noch heute existierende Löwen Apotheke geliefert haben. Der Apothekergarten wurde als sogenannter „Hortus medicus“ im Jahr 1542 gegründet. Als der Klostergarten des Dominikanerklosters St. Pauli Mitte des 16. Jahrhunderts der Universität Leipzig übertragen wurde, ging aus ihm der Botanische Garten als einer der ersten seiner Art weltweit hervor. Seit 1890 befindet sich der Apothekergarten am Rande des Friedensparks. In den darauffolgenden Jahrzehnten konnte sich die Grünanlage nicht immer uneingeschränkter Aufmerksamkeit erfreuen und wurde zum Teil über 30 Jahre nicht gepflegt. Um die Jahrtausendwende investierten die Stadt Leipzig sowie die Universität Leipzig rund 1,2 Millionen Mark in die Wiedereröffnung des Apothekergartens am 1. Juni 2001. Die Hälfte der Kosten wurde durch eine Spende des Kölner Pharma-Unternehmens Madaus AG getragen, welches durch die Herstellung von Arzneimitteln aus Pflanzen bekannt wurde. Die Bereitstellung des Grundstücks sowie die Bauplanung übernahm die Stadt Leipzig.

Noch heute erfüllt der nach historischem Vorbild angelegte Apothekergarten die gleiche Aufgabe wie vor 500 Jahren in Form der Vermittlung von Wissen über Heil- und Giftpflanzen für angehende Biologen, Mediziner und Apotheker.

Matestrauch, Sonnenhut und Tollkirsche: Von ätherisch bis hochgiftig


Umgrenzt von einer Eibenhecke und unter hohen Bäumen gelegen, beherbergt der Apothekergarten auf rund 3.000 Quadratmetern Fläche über 300 Heil-, Gift- und Gewürzpflanzen. Die Auswahl der Pflanzen erfolgte nach neuester pharmazeutischer Literatur, Inhaltsstoffen, Giftigkeitsskalen und Wirkungsprinzipien. Gezeigt werden neben den meisten der heute gebräuchlichen und systematisch nach ihrer Wirkung angeordneten Arzneipflanzen auch anerkannte Pflanzendrogen, Giftpflanzen und historisch interessante Arten. Bei der Konzeption der Grünanlage wurde Wert auf die Eingliederung des Apothekergartens in die Leipziger Tradition der Gartenkunst sowie die historischen Vorbilder gelegt. Dazu zählt u.a. die Verwendung von altdeutschen Bezeichnungen im historischen Teil der Grünanlage. Analog zu den damaligen Arzneigärten, den „Horti medici“, ist der Apothekergarten streng formal strukturiert.

Bereits beim Betreten des Gartens erfährt der Besucher auf Schautafeln Wissenswertes zu den Themen Pharmazeutik und Botanik. Im historischen Abschnitt der Anlage befinden sich diverse, bereits vor 450 Jahren in Mitteldeutschland kultivierte Nahrungs-, Arznei- und Zierpflanzen. Neben dem entsprechenden botanischen Namen ist auf einem kleinen Pflanzenschild ebenfalls die historische Bezeichnung angegeben. Formal sind die Beete um einen mittigen Brunnen angeordnet, welcher optisch an einen Blütenkelch erinnert. Letzterer versorgt einen schmalen, in Stein eingefassten Kanal mit Wasser.

Zwei Beete im Apothekergarten beherbergen diverse Giftpflanzen, darunter Schöllkraut, Pfingstrosen und Tollkirschen. Chemisch verwandte Wirkstoffgruppen der Pflanzen befinden sich meist in direkter Nachbarschaft zueinander. Auch das Gefälle der Wirkungsintensität wurde bei der Anordnung der Pflanzen berücksichtigt. So beherbergt der hintere Beetbereich Exemplare mit einem hohen Giftanteil, welcher in Richtung des vorderen Beetbereichs abnimmt. Der benachbarte Gartenteil zeigt eine Auswahl gebräuchlicher, in der modernen Pflanzenheilkunde eingesetzter Arzneipflanzen mit Hinweisen zu den jeweiligen therapeutischen Anwendungsgebieten. Die Anordnung der Pflanzen folgt deren medizinisch relevanten und chemischen Hauptwirkstoffen, darunter Bitterstoffe, Herzglykosiden, ätherische Öle und Gerbstoffe. Dazu zählen etwa Sonnenhut, Schwertlilien, Huflattich, Farn, Matestrauch oder Mariendistel. Auf Schildern an den Beeten und Tafeln an den Wegrändern erfährt der Besucher mehr zum Vorkommen, Anwendungsbereichen, Wirkweisen und Inhaltsstoffen der Pflanzen. 

Neben der Vermittlung von Wissen für Besucher mit und ohne Fachhintergrund ist der Apothekergarten auch ein Ort der Ruhe und Entspannung. Zu beiden Seiten des Weges befinden sich Bänke, welche zum Verweilen einladen.

Stand: 29.11.2023

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Historisches Bildmaterial - Apothekergarten

Asisi, Yadegar

Panoramakünstler, Architekt, Hochschullehrer | geb. am 8. April 1955 in Wien

Ein Ehren-Leipziger ist er allemal: Yadegar Asisi, der in Berlin lebt und sein Atelier in Berlin-Kreuzberg hat, ist zumindest in Leipzig und Halle aufgewachsen. Und mit der Eröffnung seines 360-Grad Panoramas „Mount Everest“ am 24. Mai 2003 in einem ehemaligen Gasometer der Stadtwerke Leipzig begann für ihn eine ungeahnte Erfolgsgeschichte, die auf ewig mit der Messestadt verbunden bleiben wird. Im heutigen Panometer in der Leipziger Richard-Lehmann-Straße 114 läutet er die Renaissance eines Mediums aus dem 19. Jahrhundert – gepaart mit moderner Technik der Gegenwart – ein. 

Leipzigs Panometer bezeichnet Asisi stets als seine „Experimentierstube“. Von hier aus beginnt der Siegeszug für weitere Panoramen in Berlin, Lutherstadt Wittenberg, Dresden und Pforzheim. Auch im französischen Rouen zeigt er ein inzwischen geschlossenes Rundbild. Neue Standorte werden 2023 in Wien und 2024 in Konstanz eröffnen. Weitere Ideen will er in den nächsten Jahren umsetzen, solange es die Gesundheit zulässt, sagt er, und ist dabei immer für eine Überraschung gut.

Familie emigriert aus dem Iran


Seine Wurzeln hat die Familie Asisi im Iran. Yadegar wird während der Flucht der Mutter mit seinen vier älteren Geschwistern aus dem Iran nach Europa in der österreichischen Hauptstadt geboren. Sein Vater, ein kommunistischer Offizier, gehört zu jenen, die der Schah von Persien hinrichten ließ. Die Familie landet in der ehemaligen DDR, wo Asisi an der TU Dresden von 1973 bis 1978 zunächst ein Architekturstudium absolviert. Als Emigrant kann er die DDR verlassen und begibt sich für ein knappes Jahr in den Iran der Revolutionszeit. Ein Jahr später kehrt er nach Deutschland zurück, um bis 1984 an der Westberliner Hochschule der Künste (inzwischen Universität Berlin) ein Studium der Malerei zu beginnen. Und wird schließlich einer der ersten, die Zeichnen mit Architekturpräsentation kombinieren. Dabei kreiert er illusionistische Räume und wendet sich Rauminstallationen zu.

Seine künstlerische Berufung findet er im Panorama. Hier kann er seine Erfahrungen als Zeichner, Maler, Architekt und Erschaffer von Illusionsräumen bündeln. So entstehen 1995 vier Panoramen für Berlin, die im Zuge der Umgestaltung zentraler Orte wie Potsdamer und Pariser Platz, Alexanderplatz und Schlossplatz gezeigt werden. Die Idee: In Rotunden wird der Masterplan anschaulich, die Berliner können über die künftige Gestaltung ihrer Stadt mitreden. Es wird ein Erfolg und die Vision geboren, in seiner alten Heimatstadt Leipzig sein erstes 360-Grad-Bild mit etwa 3.500 Quadratmetern Bildfläche umzusetzen. Das Großpanorama „Everest“ zeigt den Berg, der auf Nepali Sagarmatha („Stirn des Himmels“) genannt wird, inmitten der majestätischen Hochgebirgslandschaft des Himalayas. Das Panorama war von 2003 bis 2005 und dann wieder in einer Neuauflage 2012/2013 im Panometer zu sehen.

Klare Position voller Demut und Menschlichkeit


Asisi verblüfft mit seinen überdimensionalen Panoramabildern nicht nur Millionen Besucher, sondern bezieht darin auch klare Positionen zu Menschlichkeit, Demut sowie politischem Fehlverhalten. Sein Antikriegs-Bild „New York – 9/11“ trifft auf viel Interesse – vor allem bei jungen Leuten, was ihn in seiner Arbeit bestärkt, wie er in Interviews betont. Das Bild gestattet als Momentaufnahme einen Blick auf die Stadt New York am Morgen des 11. September 2001. Es ist 08.41 Uhr, kurz vor den Attentaten – die Betrachter sind ebenerdig als Fußgänger auf den Straßen Manhattans unterwegs. „Wenn man auf diese Stadt schaut und weiß, dass sich die Welt in den nächsten fünf Minuten verändern wird – das ist überall und jederzeit gültig“, sagt er und nennt es: „Dieses absolute Gefühl, von jetzt auf gleich kann alles vorbei sein.“

Asisi will keine Antworten anbieten. Bevor die Besucher das Rundbild erreichen, passieren sie verschiedene Installationen, die sich mit den in den Folgejahren entstandenen Kriegen weltweit auseinandersetzen. So laufen sie über gezeichnete Striche auf dem Boden, die für die namenlosen Toten stehen. Denn es sind nicht nur jene bekannten 2.996 Menschen (inklusive der 19 Attentäter), die am 11. September 2001 sterben mussten und an deren Namen im New Yorker National 11 Memorial erinnert wird. Dem Künstler ist es wichtig, die oft vergessenen Seiten des Leids zu zeigen, zu dem der „Krieg gegen den Terror“ führt.

Asisi hat bis 2023 acht 360-Grad-Panoramen im Leipziger Süden präsentiert, etwa vier Millionen Ausstellungsbesucher mit seiner Kunst erreicht. Dabei erweisen sich Naturpanoramen als besondere Renner. Wie etwa „Carolas Garten“. Die Besucher nehmen dabei auf der 15 Meter hohen Plattform die Perspektive eines Insekts ein. Sie sehen eine gigantische Biene, die eine Kamillenblüte bestäubt und Nektar sammelt. So nutzt der Künstler neben Zeichnungen auch Bildmaterial aus Elektronenmikroskopie, Makrofotografie und Stacking-Technik.

Blick vom Kirchturm auf die Völkerschlacht


Dem Gedenken an die Völkerschlacht bei Leipzig widmet Asisi das erste Leipziger Panorama: „Leipzig 1813“. Vor den Toren der wohlhabenden Handelsstadt kämpft 1813 mehr als eine halbe Million Soldaten um die Vorherrschaft in Europa, rund 100.000 Menschen sterben. Es ist aber nicht das heroisierende Schlachtengetümmel, das er zeigt. Diese Art von Darstellungen interessieren ihn nicht. Vom Turm der
Thomaskirche aus eröffnet er dem Betrachter vielmehr einen Blick auf die Straßen der Innenstadt, auf Chaos und Gedränge im Moment einer der größten Niederlagen Napoleons (2013 bis 2015). Es wird ein Erfolg – der Leipziger Stadtrat diskutiert Jahre später, ob jene Szene künftig als Ausstellung in einer etwa 30 Meter hohe Rotunde auf der Alten Messe gezeigt werden kann. Das könnte das Völkerschlachtdenkmal als „martialisches Nationaldenkmal“ kritisch reflektieren. Asisi wäre dazu bereit – ein positives Signal von der Stadt steht aber aus. 

Was in den nächsten Jahren für Panoramen folgen, ist offen. Angekündigt ist die „Kathedrale von Monet“ – ein Panorama, dass die Franzosen in Rouen nahezu „ausflippen“ ließ: Dort thematisiert er die Errungenschaften der Malerei in der Epoche des Impressionismus. Ausgangspunkt ist dabei die Gemäldeserie von Claude Monet zur Kathedrale von Rouen aus den Jahren 1892 bis 1894.

Asisi gibt Zeichenkurse


Inzwischen hat er eine neue Leidenschaft entdeckt: Yadegar Asisi gibt Zeichenkurse und produziert Filme für die Reihe „Sehen & Gestalten“, die auf Youtube abrufbar sind. Dort redet er einmal pro Woche über das Zeichnen, seine Panoramakunst, die Gesellschaft, das Menschsein und die Herausforderungen unserer Zeit. Er macht Mut und ist positiv überrascht von den vielen Reaktionen und den Menschen, die ihm ihr Leben, ihre Ängste, ihre Wünsche, ihre Gedanken erzählen. „Zukunft denken“ ist ein Lebensmotto des Künstlers.

Stand: 29.11.2023

Bildergalerie - Asisi, Yadegar

Historisches Bildmaterial - Asisi, Yadegar

Cospudener See

Städte Leipzig, Markkleeberg und Zwenkau | Angrenzende Ortsteile: Knauthain, Großzschocher, Gemarkung Lauer im Südwesten der Stadt Leipzig, Markkleeberg und Zwenkau

„Costa Cospuda“ ist sicherlich selten zu hören. Aufgrund seines Mittelmeerflairs hat der Cospudener See als der für die Leipziger sehr nahe gelegene Badesee am südlichen Stadtrand dieses Attribut verdient. Der „Cossi“, wie ihn viele liebevoll nennen, hat sich zum Publikumsmagneten entwickelt und bietet das ganze Jahr über vielfältige Reize. Den fast elf Kilometer langen asphaltierten Rundweg um den See nutzen zahllose Radfahrer, Inlineskater und Spaziergänger. Besonders an den Wochenenden wird es daher eng.

Segler und Surfer nutzen die Winde


Hauptziel der Erholungssuchenden ist die etwa 436 Hektar große Wasserfläche, die Platz für zahlreiche Wassersport- und Freizeitaktivitäten bietet. Typisch für den See sind Segler und Windsurfer, die sich den anspruchsvollen Winden von Frühjahr bis in den Herbst stellen. Zunehmend prägen Stand-Up-Paddler das Bild vom See, in dem es sich laut EU-Badegewässerrichtlinie bei sehr guter Wasserqualität schwimmen lässt. Der „Cossi“ ist ein Modellprojekt, welches eindrucksvoll beweist, wie aus einer Bergbaufolgelandschaft ein attraktiver Naherholungsort werden kann.

Der ehemalige Braunkohltagebau fördert bis zum 20. April 1990 etwa 87 Millionen Tonnen Rohbraunkohle, bevor er nach massiven Forderungen aus der Bevölkerung stillgelegt wird. Dafür hat sich auch die Bürgerinitiative „Stoppt Cospuden“ stark gemacht, die die Fläche buchstäblich dem Bagger abgerungen hat.1993 beginnt die Flutung des Restlochs mit Grundwasser und Wasser aus den Tagebauen Zwenkau, Profen und Schleenhain. Leipzig, Markkleeberg und Zwenkau eröffnen den See als Korrespondenz-Projekt der EXPO 2000, die den Wandel in den Mittelpunkt stellt und auch an verlorene Orte erinnert, die wie Cospuden, Prödel oder Lauer dem Energiehunger der DDR weichen müssen.

Pier 1 ist das Herzstück


Mit dem
Hafen Zöbigker, auch Pier 1 genannt, ist auf der Markkleeberger Seite das wassertouristische Zentrum des Sees mit skandinavisch anmutenden Gebäuden entstanden. Zahlreiche weiße Segelboote ziehen schon von Weitem die Aufmerksamkeit auf sich. Wer Lust hat, kann von hier aus mit Wassertretern, Ruderbooten und Kanus den See erkunden. In den Wassersportschulen erlernen Interessierte Tauchen, Segeln und andere Sportarten bei professionellen Anbietern wie dem Club Nautique. 

Vom Hafen aus starten die Rund- und Sonderfahrten mit den Motorschiffen MS Cospuden und MS Neuseenland, dem Charter- und Hochzeitsschiff. Von der Terrasse der Restaurants aus können Gäste den Sonnenuntergang beobachten. Einen Panoramablick haben Gäste der Außensauna ebenfalls und direkten Seezugang bietet die Sauna im See als regionale Besonderheit.

Es gibt ebenfalls einen Wasserwanderrastplatz am Oststrand samt „Cospudener Combüse“ mit Bootsverleih und kulinarischen Angeboten. Einladend ist die Strandbar Seeteufel im weißen Gebäude in Nähe eines viel zu kleinen Spielplatzes. Golfspieler finden in Sichtweite ebenfalls ihr Paradies.

Turm auf Bistumshöhe bietet schöne Aussicht


Der
Aussichtsturm Bistumshöhe, sichtbar im Südwesten des Sees, besitzt eine Höhe von 35 Metern. Bei der Stahl-Holz-Konstruktion haben sich die Architekten von Schloten und Schornsteinen einer Industrielandschaft inspirieren lassen. Erklommen werden kann der Turm, der eine gute Sicht auf den benachbarten Freizeitpark Belantis mit der Pyramide und der Achterbahn Huracan und den See selbst bietet, über eine Wendeltreppe. Auf der Shambala-Bistumshöhe gibt es eine Crêperie, in welcher kulinarische Leckerbissen zubereitet werden. Shambala steht als Ort für Gemeinschaft und Begegnungen, auch Konzerte und Lesungen werden hier angeboten. 

Auf dem Rundweg geht es auf einer kleinen Safari unter anderem vorbei an zahlreichen Gehegen, in denen Bisons, Rehe, Hirsche oder Esel zu beobachten sind. Eine Schäferin hält Ziegen und Schafe in wandernden Gattern.

Von Leipziger Seite aus erfolgt der „Eintritt“ zum See über die Kelchsteinlinie, über die auch der Bus vom Ziegeleiweg zum See fährt. Beim EXPO-Pavillon am Parkplatz beginnt die Erlebnisachse und ein weiterer Weg, der im Zuge der Neugestaltung des ehemaligen Waldgebietes Lauer auch zum Waldsee führt. Die Lauer mit ihren alten Bäumen, sumpfigen Flächen und Teichen war seit jeher ein beliebtes Ausflugsziel für die Leipziger. Zur Expo 2000 wurden sechs runde Gärten angelegt, von denen aber nur noch Reste existieren. Lediglich der von einer Hecke umschlossene Paradiesgarten ist noch gut zu erkennen. In einem Arboretum können auch Holz-Versteinerungen besichtigt werden. Verschwunden ist am Ende der Erlebnisachse auch der Wasserspielplatz, der bei Kindern sehr beliebt war.

Am Nordstrand gibt es die Hacienda Cospuden, die für größere Firmen- und Privatevents gebucht werden kann. Unterschiedliche Kioske wie „Strandblick“ oder „Beachlounge“ versorgen die Strandbesucher. Neu entstanden ist ein durch zwei Schilder separierter FKK-Bereich. Einen Hundestrand gibt es ebenfalls. Ein behindertengerechter Badesteg ermöglicht Rollstuhlfahrern den barrierelosen Zugang ins Wasser. Die Städte Leipzig und Markkleeberg wollen die Infrastruktur weiter ausbauen, etwa einen Camping-Caravan-Stellplatz einrichten und die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr verbessern.

Kanal zum Zwenkauer See bleibt Vision


Noch trennen den Cospudener See mehr als 500 Meter von seinem Nachbarn, dem
Zwenkauer See. Eigentlich sollen beide Seen über den Harthkanal und eine Harthschleuse miteinander verbunden werden. Doch es gibt Probleme mit dem Boden, der aufwändig verfestigt werden musste. Mittlerweile sind die Kosten für die Seenverbindung nahezu explodiert. Der Tagebausanierer LMBV will die Verbindung aufgeben – doch die Politik drängt weiterhin darauf und sucht Lösungen. Ob und wann der Kanal realisiert wird, ist offen.

Die Vision bleibt eine Verbindung für Paddler, die vom Leipziger Stadthafen bis hinein in den Zwenkauer See fahren können. Bislang ist das nur über einen elf Kilometer langen Wasserweg über den Floßgraben und das ehemalige Waldbad Lauer bis in den „Cossi“ hinein möglich. Um den Eisvogel bei der Brut zu schützen, ist das Befahren allerdings nur zu eingeschränkten Zeiten gestattet. Private Motorboote sind auf dem See verboten, was Naturschützer auch künftig beibehalten wollen. 

Im Sommer lädt das TH!NK? Festival, eines der größten elektronischen Musikveranstaltungen im mitteldeutschen Raum, zehntausende Musikfreunde an den Nordstrand. 

Jährlich lockt das beliebte Freizeit- und Badeparadies Cospudener See, an dem sich Sachsens längster Sandstrand befindet, über 500.000 Besucher an.

Degner, Peter

Veranstaltungsmanager, Grabredner, Impressario | geb. am 23. Januar 1954 in Leipzig; gestorben am 15. Januar 2020 in Bad Klosterlausnitz

Großen Wert legte er auf ein gepflegtes Äußeres. Dutzende verschiedene Brillen und farbige Outfits, von einer eigenen Schneiderin genäht, gehören zu den Markenzeichen von Peter Degner. Ihn behalten viele Menschen als schillernde Figur, die ihnen einst die Classic Open schenkte, in Erinnerung. Das Sommermusikfestival Leipziger Markt Musik wird ab 2024 wieder unter dem Namen „Classic Open – Leipzig ist Musik – Leipzig macht Musik“ firmieren, nachdem die Peter-Degner-Stiftung sich mit der Stadt Leipzig über die Markenrechte geeinigt hat. 

Ein Abend aus der Not geboren


Das würde den ewigen Junggesellen wohl freuen, der 1954 in Leipzig in einem christlichen Elternhaus geboren wird. Hier wächst er auf, besucht die Polytechnische Oberschule „Richard Wagner“ in der Karl-Vogel-Straße. Dort macht er Bekanntschaft mit dem weltberühmten Komponisten
Richard Wagner, dessen Büste im Musikzimmer thront. Schon im Alter von 13 Jahren steht Peter Degner das erste Mal auf der Bühne. 

1967 tritt er mit einer Spejbl-&-Hurvínek-Parodie in der Talentshow „Herzklopfen kostenlos“ des DDR-Fernsehens auf. Es folgen mehrere Auftritte, später wird er gelegentlich als Conférencier gebucht. Nach der Schule geht er zunächst im Magdeburger Modehaus Bormann in die Lehre und kommt für 18 Monate zur Nationalen Volksarmee, nach der obligatorischen Grundausbildung in eine Kulturbatterie. Er gilt als politisch unzuverlässig, wird Grabredner und hält Tausende von privaten Abschiedsreden. Und er gründet schließlich seine eigene Ein-Mann-Agentur. „Wenn mich Leute fragen, was ich beruflich mache, sage ich Blödsinn: Ein bisschen blöd, ein bisschen Sinn“, sagt Degner, der zeitlebens im Leipziger Osten wohnt, später einmal im Interview. Zu diesem Zeitpunkt hat der waschechte Leipziger schon einige Erfolge kreiert. 

Die Bühnen-Laufbahn beginnt in den frühen 1990er-Jahren mit der Veranstaltungsreihe „Treff mit P.D.“. Die Idee ist aus der Not geboren. Für einen Gastronomenball verpflichtet der Konzertmanager die Sängerin und Schauspielerin Evelyn Künneke, doch die Veranstalter sagen kurz vorher ab. Ein Abend mit ihr im Restaurant Falstaff, den er kurzerhand als Ersatz organisiert, wird trotz üppiger Eintrittspreise ein Riesenerfolg. Es folgen Treffs mit vielen anderem bekannten Künstlern, darunter Hildegard Knef, Caterina Valente, Fips Fleischer, Maximilian Schell, Gisela May.

Classic Open wird sein Durchbruch


23-mal präsentiert er schließlich im Sommer seine erfolgreiche Reihe „Classic Open“ auf dem
Markt sowie als Ausweichort auf dem Augustusplatz. „Classic Open“ ist eine mehrtägige Open-Air-Veranstaltung bei freiem Eintritt mit klassischer Livemusik sowie DVD-Aufführungen, bei der die Gäste gepflegt speisen und guter Musik lauschen können. Diesen Sommerhit hebt er 1995 aus der Taufe und betreut ihn als künstlerischer Leiter. Durch diese Veranstaltung wird er einem größeren Publikum bekannt. Als Classic Open Extra gibt es die Reihe auch am Silvesterabend. Dann wird Beethovens IX. Sinfonie live aus dem Gewandhaus zu Leipzig auf den Markt übertragen.

Legendärer Auftritt als Pavarotti


Peter Degner liebt die Selbstinszenierung. Hat immer einen Witz auf den Lippen, den er gelegentlich mehrmals erzählt. Zur Begrüßung des Publikums singt er manchmal selbst. Und er stellt es vor ein Rätsel, als bei den „Classic Open“ 1996 plötzlich Luciano Pavarotti auf dem Balkon des
Alten Rathauses erscheint. Dass er sich selbst als Pavarotti in Szene setzt, gibt er erst viele Jahre später zu. Es sind wohl die persönlichen Gesten, auch zu den Gästen, die den Charme seiner Veranstaltungen ausmachen. Der Impresario hat viele Ideen, die sich allerdings nicht alle umsetzen lassen. In Erinnerung bleibt auch ein Konzert auf dem Alten Johannisfriedhof am Grassimuseum.

Peter Degner ist durchaus ein Lebemann. Er liebt Zigarren und nimmt kaum Rücksicht auf seinen Körper. Er mag ebenfalls einfache Kost. Und sein Spruch „Man kann nur eine Bockwurst am Tag essen“ bleibt mir in Erinnerung. Eine Bäckerei benennt sogar eine Brezel nach ihm. Degner ist auf Du und Du mit den Stars und doch am liebsten volksverbunden. Seinen Fans gibt er den Rat: „Besinnt Euch auf die wirklichen Werte des Lebens“. Reich zu werden, war nie seine Motivation, schreibt er in seiner Autobiographie „… und ich dreh mich noch mal um – Vom Grabredner zum Impresario“, die 2018 im Verlag Neues Leben erschien.

In seinen letzten Lebensjahren muss er sich mit schweren gesundheitlichen Problemen herumschlagen. 2015 wird ihm ein Fuß amputiert. Es gibt zudem Streit mit der Stadt Leipzig. 2017 bezuschusst diese die Reihe, die Degner bislang auf eigenes Risiko finanziert, erstmals mit 50.000 Euro. Der Streit entzündet sich an Abrechnungsmodalitäten mit der Stadt und einem Geschäftspartner. Die Peter-Degner-Stiftung zahlt schließlich die Fördermittel zurück. Degner beteuert immer wieder, er habe niemanden betrogen. Was die Leipziger Staatsanwaltschaft schließlich bestätigt. Doch bei einer Neuausschreibung der Reihe „Classic Open“ kommt er ab 2018 nicht mehr zum Zug. „Sein Baby“ verloren zu haben, setzt ihm schwer zu. 

Rote Rosen für ein Leipziger Original


Bis an sein Lebensende bleibt er der Kulturszene der Messestadt Leipzig treu und kreiert auch neue Angebote wie „P.D. Spotlights“ im Jahr 2017. Peter Degner verstirbt am 15. Januar 2020 sieben Tage vor seinem 66. Geburtstag im thüringischen Bad Klosterlausnitz, wo er zu einer Reha-Behandlung weilt, an Herzversagen. Mit dem Chanson „Für mich soll’s rote Rosen regnen“ von Hildegard Knef, mit der er befreundet war und die er schon als junger Mann verehrte, wird der Sarg aus der Kapelle getragen. Leipzigs Stadtgesellschaft erweist in bunter Zusammensetzung ihrem Original die Ehre. Fast 1.000 Menschen sind gekommen.

Sein Grab befindet sich keineswegs in der „Künstlerecke“ des Südfriedhofs. Er ist auf dem Ostfriedhof beerdigt, wo auch schon seine Mutter Gertrud liegt. Mit ihr hat er bis zu ihrem Tod 2005 zusammengewohnt. Zudem war er zeitlebens im Leipziger Osten zu Hause. Sein Grab besteht aus einem gewaltigen weißen Marmorstein inmitten von roten Rosen. „Ich habe mich bemüht“ steht auf dem Stein. Umgeben ist es von 42 kleineren Gedenksteinen mit Namen von Künstlern und Prominenten, die er nach Leipzig geholt hat. Das ist schon etwas befremdlich, zumal dort auch Namen von Lebenden zu finden sind. Seine Eigentumswohnung in der Kreuzstraße 19 vererbte er an die Peter-Degner-Stiftung. Sie ist jetzt offizieller Stiftungssitz. Ihr Stiftungszweck ist die Förderung von Kunst und Kultur in Leipzig.

Stand: 29.11.2023

Bildergalerie - Degner, Peter

Ez-Chaim-Synagoge

Apels Garten 4 / Otto-Schill-Straße 6-8 | Ortsteil: Zentrum-West

Ein großes Foto an der Giebelwand des benachbarten Gebäudes der Sparkasse Leipzig erinnert an die einst größte orthodoxe Synagoge in Sachsen. Ez Chaim – Baum des Lebens – nennt sich die Synagoge, die wie viele andere in der Reichspogromnacht am 9./10. November 1938 von den Nationalsozialisten in Brand gesteckt wird. In Apels Garten 4, unscheinbar versteckt an einer Gasse in städtischer Hinterhof-Lage, befinden sich heute ein Lagerhaus sowie ein Parkplatz. Und es ist wohl nicht unwahrscheinlich, dass das Parkareal künftig einmal verschwindet – es mit einem Wohnhaus bebaut wird. Der Notenspur Leipzig e.V., der Bürgerverein Kolonnadenviertel und die Henriette-Goldschmidt-Schule haben sich vorgenommen, einen würdigen Gedenkort zu etablieren. Das Foto aus dem Innenraum der Synagoge auf einem Banner an der Giebelwand ist zumindest ein Anfang. Der Bürgerverein „Kolle“ hat im Juli 2021 ein Heft über die Historie des Areals herausgegeben, in dem Autor Michael Schönherr viele Details der wechselvollen Geschichte aufgreift.

Eine Synagoge für orthodoxe Juden


Ziel ist es, die Erinnerung an einen verlorenen Ort im Herzen Leipzigs wach zu halten: Die Ez-Chaim-Synagoge, die am 10. September 1922 eingeweiht wird, existiert gerade einmal 16 Jahre. Sie wird eigens für Geflüchtete aus dem Osten Europas errichtet, nachdem es dort Ende des 19. Jahrhunderts Juden-Pogrome gibt. Auf der Flucht sind damals tausende geflüchtete Juden nach Leipzig gekommen. 

In der Großen Gemeindesynagoge in der Gottschedstraße 3 (heute: Synagogendenkmal) herrschen bei der Gestaltung des Religionsunterrichts und der Tätigkeit von Rabbinern und Kantoren allerdings recht religiös-liberale Auffassungen. Die Leipziger Juden haben sich längst angepasst, die Gebete sind zwar hebräisch, die Predigt jedoch auf Deutsch. Es erklingt spätromantische Musik. Es gibt eine Orgel und einen gemischten Chor. Das lehnen viele orthodoxe Juden ab. Sie nutzen daher zunächst die Brodyer Synagoge, die der Talmud-Thora-Verein in der Keilstraße betreibt. Doch die ist spätestens seit dem Ersten Weltkrieg zu klein. Seit 1918 kommen immer mehr Juden aus Polen und Russland nach Leipzig. In der Synagoge reicht der Platz nicht mehr aus. Der Talmud-Thora-Verein beschließt daher, einen Synagogenneubau zu errichten. Möglich wird dies durch eine großzügige Spende des „Königs vom Brühl“, des Rauchwarenhändlers Chaim Eitingon.

Aus Fahrradhalle wird Synagoge


Der Verein kann am 28. Oktober 1920 ein Grundstück erwerben. Es handelt sich um eine ehemalige Turnhalle im Durchgang zwischen Otto-Schill-Straße und Zentralstraße, die ebenfalls eine interessante Baugeschichte aufweist. Das Gebäude ist zunächst eine Fahrradhalle, die erstmals 1897 auf der
Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbeausstellung Leipzig 1897 (STIGA) aufgebaut wird. Die Halle wird nach Ende der Schau von dem Fahrradgeschäft Velociped-Fabrik Paul Focke erworben und in der Dorotheenstraße 6 (heute Otto-Schill-Straße) aufgestellt. Später wird das Gebäude von der Turngemeinde Leipzig übernommen, die es in eine Turnhalle umgestalten und durch einen Anbau ergänzen lässt. Jene Turnhalle baut der Verein schließlich nach Plänen des Architekten Johann Gustav Pflaume in eine Synagoge um. 

Dabei müssen die Grundmauern der Turnhalle genutzt werden, lediglich die Vorderansicht darf repräsentativer aussehen. Diese Auflage der Baugenehmigung führt zu einigen Einschränkungen. Zuletzt muss die Zahl der Sitzplätze von zunächst geplanten 1.200 auf 905 reduziert werden. Die jüdische Religion sieht bekanntlich eine getrennte Sitzordnung von Frauen und Männern vor. Für Frauen entsteht die Empore mit 412 Sitzplätzen. Geweiht wird die Ez-Chaim-Synagoge am 10. September 1922. Gemeinderabbiner wird Ephraim Carlebach. Nahum Wilkomirski, der wegen seiner schönen Stimme auch außerhalb Leipzigs bekannt ist, wirkt als Oberkantor. 

Verein muss Abbruch nach Brandstiftung bezahlen


Zerstört wird die Synagoge in der Pogromnacht im November 1938. Aus den Akten der Feuerlöschpolizei geht hervor, dass sich der Brand etwa 5 Uhr morgens ereignete. Detailliert rekonstruieren lassen sich die Ereignisse der Brandstiftung allerdings nicht. Forscher vermuten, dass die Feuerwehrleute den Auftrag hatten, den Brand nicht auf benachbarte Gebäude übergreifen zu lassen. Vom sächsischen Innenministerium gibt es eine Anweisung, dass die Brandruine bis zum 15. November 1938 zu beseitigen sei. Da die Gemeinde dazu nicht in der Lage ist, werden die Abbrucharbeiten an ein Unternehmen übertragen. Die Rechnung muss der Verein begleichen. Das Synagogenareal wird zum Parkplatz – die Eigentümer der Fläche wechseln mehrfach.

Die Ez-Chaim-Synagoge soll künftig ein Teil des Leipziger Notenbogens sein, der die 2012 eröffnete Leipziger Notenspur ergänzt. Geplant ist ein musikthematischer Stadterkundungsspaziergang, der 17 Stationen westlich des Stadtzentrums umfasst. Acht davon sind eng mit jüdischer Geschichte verbunden. Ziel des Notenspur Leipzig e.V. ist es, den Rundgang ab 2026 anzubieten. Es soll ein Leipziger Beitrag zum sächsischen Themenjahr 2026 „Jüdisches Leben – Jüdische Kultur“ sein.

Stand: 29.11.2023

Bildergalerie - Ez-Chaim-Synagoge

Historisches Bildmaterial - Ez-Chaim-Synagoge

Friedenspark

Liebigstraße 28 | Ortsteil: Zentrum-Südost

Der Friedenspark wurde am 20. Juli 1983 auf 20 Hektar Fläche als öffentlicher Sportpark sowie Freizeit- und Erholungsort eingeweiht. Auf dem Gelände befand sich zuvor der 1846 angelegte Neue Johannisfriedhof als zweiter städtischer Friedhof mit knapp zwanzigtausend Grabstätten. Nach den schweren Beschädigungen durch Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg wurde die Friedhofsanlage schließlich am 31. Dezember 1970 für die Öffentlichkeit geschlossen. Nach Entwürfen der Landschaftsarchitektin Henriette Krahnstöver plante die Stadt unter dem Arbeitstitel „Johannispark – Park der Jugend“ eine Grünfläche mit Sport- und Freizeitanlagen und stellte diese 1983 fertig. Heute zählen zum Friedenspark diverse Sondergärten, darunter der Apothekergarten sowie der 2007 eröffnete Duft- und Tastgarten. Bemerkenswert sind der alte Baumbestand sowie die zahlreichen Blütensträucher, die den Friedenspark säumen.

Vom Friedhof zum Stadtpark


Im Südosten Leipzigs gelegen zwischen Russischer Gedächtniskirche und Universitätsgelände zählt der Friedensparks zu den bekanntesten Grünanlagen in Leipzig. Neben dem großen Eingangstor an der Nordseite des Parks und den von alten Bäumen gesäumten Hauptalleen lassen vor allem die verwitterten Wandstellengräber auf dessen einstige Funktion schließen. Diese letzten baulichen Relikte befinden sich noch heute in der südlichen Mauer und der Toranlage im Osten der Parkanlage. 

Auf dem Gelände des heutigen Friedensparks wurde im September 1846 auf zwanzig Hektar Fläche der Neue Johannisfriedhof angelegt, welcher sich bald zu Leipzigs bedeutsamstem Begräbnisplatz entwickelte. Dabei handelte es sich nach dem Alten Johannisfriedhof um den zweiten städtischen Friedhof, welcher sich im Besitz des Johannisstifts befand. Die Friedhofsanlage mit knapp zwanzigtausend Grabstätten folgte der Divise einer maximalen Belegung mit Reihengräbern, wobei die privilegierten Erbbegräbnisplätze an den Trenn- und Umfassungsmauern angesiedelt waren. Die Toranlage am östlichen Friedhofseingang stammte ursprünglich vom Johannishospital am Standort des heutigen Grassimuseums und wurde in den 1880er Jahren von Stadtbaurat Hugo Licht umgestaltet. Der Straßenname „Vor dem Hospitaltore“ erinnert noch heute an die ursprüngliche Herkunft des Portals. Im Jahr 1883 wurde nach Plänen von Hugo Licht im westlichen Teil des Areals eine Friedhofskapelle im Neorenaissance-Stil sowie seitlich angesiedelten Kolonnaden und Trauerhallen erbaut. Diese wurden im Zweiten Weltkrieg von einem Bombenanschlag schwer beschädigt, auch der Friedhof trug zahlreiche Kriegsschäden davon.

Seit dem 31. Dezember 1950 wurden keine Neubelegungen mehr gestattet und es fanden keine Begräbnisse mehr statt. Die Friedhofsanlage wurde schließlich am 31. Dezember 1970 für die Öffentlichkeit geschlossen. Die Reste der Mauern, Grüfte, Grabdenkmäler, Einfassungen und Sträucher wurden abgebrochen und zu einem Hügel aufgeschüttelt, welcher später als Rodelberg genutzt werden sollte. Dabei wurde der stadtgeschichtliche und kunsthistorische Wert vollkommen außer Acht gelassen. Umbettungen auf andere Friedhöfe wurden nur vollzogen, wenn die Angehörigen für die Kosten aufkamen. Von den etwa 120 vom Institut für Denkmalpflege nach ihrer kunst- und stadtgeschichtlichen Bedeutung ausgewählten und geborgenen Grabmälern blieben aufgrund von Vandalismus, Diebstahl, ungeschützter Lagerung und unvorsichtigem Transport im Jahr 1990 nur noch 58 übrig. Diese wurden im Lapidarium des Alten Johannisfriedhofs untergebracht. An einst auf dem Neuen Johannisfriedhof begrabene und bedeutsame Leipziger Persönlichkeiten, darunter Arwed Rossbach, Architekt der Universitätsbibliothek, der Arzt Daniel Gottlob Moritz Schreber oder die Verleger-Familien Reclam und Brockhaus, erinnert nach dem radikalen Abbruch in den 1970er Jahren heute kein Grabmal mehr. Die Art der Abräumung, auf welche das zuständige Büro des Chefarchitekten der Stadt Leipzig offenbar keinerlei Einfluss hatte, kritisierte auch die seit 1978 für die Entwurfsplanung des Friedensparks zuständige Landschaftsarchitektin Henriette Krahnstöver. Die Herausforderung bestand darin, nun ohne die zuvor vorhandenen, raumbildenden Mauern und Strauchbepflanzungen sowie unter Einbezug des großen Schuttberges auf der Nordostseite des Parks die Gestaltung vollkommen neu zu konzipieren. Unter dem Arbeitstitel „Johannispark – Park der Jugend“ beinhaltete die Planung, wie in der DDR üblich, diverse Anlagen für Sport und Freizeit. Dazu zählten Fußball-, Basketball- und Volleyballfelder, ebenso wie Areale für Kegeln, Boccia und Minigolf sowie eine Eislauf- und Rollschuhbahn für die Kinder. Um im mittigen Parkbereich großzügigen Raum für Erholung bieten zu können, wurden die Sport- und Freizeitanlagen am Randbereich gruppiert.

Park in Park: Der Friedenspark und seine Sondergärten


Am 20. Juli 1983 wurde die Anlage unter dem Namen „Friedenspark“ eingeweiht. Neben seiner Funktion als öffentlicher Sportpark sollte er auch als Freizeit- und Erholungsort für die Studenten der Universität dienen. In der neuen Parkanlage wurde dem einst rasterförmigen Grundriss bewusst entgegengearbeitet und versucht, eine landschaftliche Struktur zu etablieren. Der Friedenspark wies für diese Zeit einen bemerkenswerten Ausstattungsgrad auf. Dazu zählten mehrere Sportfelder, welche dem umfassenden Funktionsprogramm früherer Pläne entstammten, ebenso wie drei von Manfred Bellinger geschaffene Spielplätze. Auf dem einstigen Trümmerberg wurden Rutschen und eine Holzburg installiert. Besonders markant war der Einbezug von diversen Rundformen im Friedenspark. Darunter befanden sich eine runde Pergola, welche dem Schachspiel diente oder etwa ein Rundplatz mit der 1983 von Irene Markquardt aus Bronze geschaffenen Skulpturengruppe Studentinnen nahe des südlichen Parkeingangs, an dessen Stelle sich zuvor die Friedhofskapelle befand. Die Skulpturen Drei Grazien von Dieter Dietze sowie Lesende von Waleria Bukowiecka zählten ebenfalls zum plastischen Programm der bildkünstlerischen Konzeption des Friedensparks.

Zu den Sondergärten nahe des Friedensparks zählt der in unmittelbarer Nachbarschaft zum Botanischen Garten im Jahr 2001 eingeweihte Apothekergarten sowie der 2007 eröffnete Duft- und Tastgarten. Im westlichen Bereich des Parks befindet sich inmitten einer großzügigen Rasenfläche mit ungewöhnlicher Bepflanzung ein Gedenkort für die verstorbenen Kinder Leipzigs.

Nach einem Entwurf von Antje Schuhmann wurde am 6. Mai 2011 im Friedenspark eine weitere Sonderanlage eingeweiht, der Gedenkort Die Wiese Zittergras. Er erinnert an die Euthanasieopfer.

Bemerkenswert ist der alte Baumbestand des Friedensparks. Die Mehrheit der Gehölze stammt noch aus der Vorgeschichte des Neuen Johannisfriedhofs. Zu den zahlreichen Blütensträuchern, welche das 20 Hektar große Areal säumen, zählen Forsythien, Hecken- und Kornelkirschen, Haselnuss und Hartriegel. Heute konzentrieren sich die Spiel- und Sportareale an den Rändern, während die Mittelpartie des Friedensparks aus einer weitläufigen Rasenfläche besteht.

Stand: 29.11.2023

Gedenkort für die verstorbenen Kinder Leipzigs

Liebigstraße 28 | Ortsteil: Zentrum-Südost

Im Friedenspark befindet sich inmitten einer großzügigen Rasenfläche mit ungewöhnlicher Bepflanzung eine Gedenkort für die verstorbenen Kinder Leipzigs. Bei dem 45 Meter langen und sechs Meter breiten Heckengarten handelt es sich um eine Sonderanlage an der Westseite des Friedensparks. Diese beherbergt neun Wildapfelstämme sowie um eine Stahlplatte angeordnete Findlinge. Auf der Platte sind die Begriffe „Anfang“ und „Ende“ eingraviert. Das sich in der daneben befindlichen Bronzeschale sammelnde Regenwasser soll Tränen symbolisieren. Der Entwurf stammt von Antje Schuhmann, Juliane Kirchner-Jung und Detlev Lippmann. Auftraggeber des Gedenkortes ist der Förderkreis der Kinderklinik e.V. der Universität Leipzig.

Weiterhin befindet sich am Gedenkort eine steinerne Stele mit dem Namen des Gedenkortes. Auf deren Rückseite ist auf einer Stahlplatte die folgende Inschrift aufgeführt: 

Dank allen, die diesen Ort ermöglicht haben. 

Leipzig, 8. Juni 2012

Stand: 29.11.2023

Bildergalerie - Gedenkort für die verstorbenen Kinder Leipzigs

Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“

Dittrichring 22-24 | Ortsteil: Zentrum

Bei der heutigen Gedenkstätte handelt es sich um die einstige Bezirksverwaltung für Staatssicherheit in der DDR. Sie galt seit ihrer Eröffnung 1950 über fast 40 Jahre als Zentrum der Bespitzelung im Raum Leipzig. Am 4. Dezember 1989 wurde das Gebäude im Zuge der Montagsdemonstrationen von Demonstranten besetzt, die Arbeit der Stasi-Zentrale lahmgelegt und das Bürgerkomitee gebildet, welches seitdem Träger des Museums ist. Letzteres informiert in einer auf nationaler Ebene einmaligen Form über die Geschichte, Struktur und Arbeitsweise der Staatssicherheit. Zur Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ gehören weiterhin die Zentrale Hinrichtungsstätte der DDR in der Leipziger Südvorstadt sowie das Museum im Stasi-Bunker in Machern.

Überwachung aus der Ecke


Das Gelände, auf welchem sich heute die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ befindet, ist nicht nur aus gesellschaftspolitischer, sondern auch aus stadtgeschichtlicher Sicht äußerst bedeutsam. Ab dem 11. Jahrhundert wurde dort die erste Burg im Leipziger Stadtgebiet erbaut. Sie war Teil einer slawischen Siedlung, der urbs Libzi.

Im Jahr 1230 entstand hier ein Barfüßerkloster, dessen Klosterkirche mehrmals umgebaut wurde und 1876 schließlich den Namen Matthäikirche erhielt. Nach deren Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wurde sie wenig später abgetragen. Heute erinnert nur noch das unscheinbare Denkmal Matthäikirche an sie. 1909 wurde der gesamte Gebäudekomplex zwischen Thomasring und Matthäikirchhof abgerissen. Im Jahr 1950 suchte das im selben Jahr neugegründete Ministerium für Staatssicherheit der DDR Büroräumlichkeiten für die Bezirksverwaltung in Leipzig. Seine neue Zentrale fand das Ministerium im Gebäude am Promenadenring, im Volksmund bekannt als „Runde Ecke“. In ebendiesem Gebäude befanden sich zuvor bereits die Gestapo, der amerikanische Geheimdienst, die sowjetischen Sicherheitsdienste GPU und KGB sowie der Mfs-Vorläufer „K5“. Das Bauwerk wurde ursprünglich zwischen 1911 und 1913 für die Alte Leipziger Feuerversicherung erbaut. Durch den expandierenden Überwachungsapparat reichte das Areal bereits Mitte der 1950er Jahre nicht mehr aus. So wurde 1955 bis 1958 ein Anbau mit Kegelbahn und Kinosaal ergänzt und das Gebäude durch einen 1978 bis 1985 für rund 65 Millionen DDR-Mark errichteten und unmittelbar angeschlossenen Neubau auf dem Gelände des einstigen Matthäikirchhofes bis zur Großen Fleischergasse erheblich erweitert.

Der Sitz der Bezirkszentrale des Ministeriums für Staatssicherheit galt als Zentrum der Bespitzelung für die ca. 1,5 Millionen Einwohner im Raum Leipzig. Die rund 850 hauptamtlichen Mitarbeiter arbeiteten an der Überwachung des eigenen Volkes sowie an der Lenkung der inoffiziellen Handlanger. Die im Herbst 1989 regelmäßig in Leipzig stattfindenden Montagsdemonstrationen machten die Stadt zu dieser Zeit zum Mittelpunkt der Friedlichen Revolution in der DDR. Im Zentrum dieser standen Forderungen nach Freiheit, Bürgerrechten und einem demokratischen Rechtsstaat. Die Demonstrationen führten entlang des Innenstadtrings, vorbei an der „Runden Ecke“, welche als einer der Kreuzungspunkte und als Stasi-Sitz besonders verhasst bei den Demonstranten war. Im Anschluss an eine Montagsdemonstration am 4. Dezember 1989 wurde die Stasi-Zentrale mitsamt dem angeschlossenen Neubau von Aktivisten ohne Gewalt besetzt und die Arbeit der Stasi-Mitarbeiter lahm gelegt. Aufgrund der sich rapide zuspitzenden Lage beschränkte sich die Aufgabe der Angestellten der Stasi-Zentrale in den vorherigen Tagen und Nächten lediglich noch auf das Vernichten von Unterlagen. Durch die Besetzung der Stasi-Zentrale fand die Aktenvernichtung und damit die Zerstörung von Beweisen der Überwachung, ein Ende. Diese hat seit dem Herbst 1989 im großen Stil im Innenhof der Bezirksverwaltung stattgefunden. In einer der Garagen vor Ort befand sich eine Aktenvernichtungsmaschine, welche das Material zerkleinerte, mit Wasser vermengte. Die daraus entstehende sogenannte „Kollermasse“ zerstörte die Akten vollständig. Noch in derselben Nacht des 4. Dezember 1989 bildete sich das Bürgerkomitee Leipzig e.V.

„Krumme Ecke – Schreckenhaus! Wann wird ein Museum draus?“


Das im Zuge der Stasi-Besetzung1989 entstandene Bürgerkomitee ist seitdem Träger der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“. Bereits im Jahr 1990 setzte es eine zentrale Demonstrationsforderung der Friedlichen Revolution „Krumme Ecke – Schreckenhaus! Wann wird ein Museum draus?“ um und richtete in den original erhaltenen Räumen der ehemaligen Bezirksleitung im Erdgeschoss ein Museum ein, welches die Struktur, Arbeitsweise und Aktivitäten des Geheimdienstes anschaulich zeigt und erläutert. Das neugeschaffene Museum wird auch national und international als einzigartiges Fachmuseum zur Staatssicherheit im Kontext der kommunistischen Diktatur in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und der DDR geschätzt. Besonderer Wert wurde auf die Authentizität des Ortes gelegt. In diesem Zuge wurden die Fußböden, die Türen, die Heizkörper und die Gardinen original belassen, wie sie in der Behörde vorgefunden wurden. Die Ausstellung vergegenwärtigt, wie die SED ihren Überwachungsstaat aufbaute und den DDR-Bürgern ihre demokratischen Grundrechte entzog. Im Zuge des Museumsrundgangs wird die Bedeutsamkeit der Errungenschaften der Friedlichen Revolution gegen diese Diktatur bis heute hervorgehoben und bewusst gemacht.

Die in ihrer Geschlossenheit einmalige Museumssammlung umfasst rund 40.000 Objekte, von denen ein Großteil seit August 1990 in der Dauerausstellung „STASI – Macht und Banalität“ zu sehen sind. Dazu zählen Geräte zur Postkontrolle, konspirative Fototechnik, Wanzen, eine Maskierungswerkstatt sowie eine Kollermaschine für die Aktenvernichtung. Ein Teil der Ausstellung rückt die ab 1960 in Leipzig vollstreckte Todesstrafe in der DDR in den Fokus. Gezeigt wird außerdem eine Nachbildung von Räumen der einstigen Untersuchungshaftanstalt (UHA) des Ministeriums für Staatssicherheit in der Straße des 17. Juni. Es handelt sich um eine Gefängniszelle mit einem Raum, welcher der aktenkundlichen und fotografischen Erfassung der Gefangenen diente. Im ehemaligen Stasi-Kinosaal befindet sich seit 2009 die Ausstellung „Leipzig auf dem Weg zur Friedlichen Revolution“.

Auf den Spuren der Friedlichen Revolution


Bei einem Großteil der „Runden Ecke“ handelt es sich nicht um das Museum selbst, sondern um die Außenstelle Leipzigs des Stasi-Unterlagen-Archivs, welches sämtliche Unterlagen der Bezirksverwaltung sowie der dazugehörenden dreizehn Kreisdienststellen aufbewahrt. Hier können alle Betroffenen in Erfahrung bringen, ob über sie Aufzeichnungen existieren und diese vor Ort einsehen. Die Archivobjekte umfassen unter anderem Tonbänder, Akten, Fotos sowie eine Personenkartei mit über 300.000 Namen. 

Zur Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ gehört auch die Open-Air-Ausstellung Orte der Friedlichen Revolution. Diese besteht aus zwanzig Bild- und Text-Stelen, die hauptsächlich in der Innenstadt zu finden sind. Jeden Samstag um 14 Uhr findet der Stadtrundgang „Auf den Spuren der Friedlichen Revolution“ statt. Dieser startet an der Nikolaikirche, führt vorbei an markanten Punkten im Zuge der historischen Entwicklung im Jahr 1989 und endet an der „Runden Ecke“. 

Seit 2012 zählt die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ gemeinsam mit dem Museum im Stasi-Bunker in Machern zum Europäischen Kulturerbe „Eiserner Vorhang“. Zu den zwölf zum „Eisernen Vorhang“ gehörenden authentischen Stätten zählt ebenfalls die Nikolaikirche. Die Tatsache, dass Leipzig als einzige, nicht an der einstigen deutsch-deutschen Grenze liegende Stadt zu diesem Netzwerk gehört, unterstreicht ihren Symbolcharakter.

Stand: 29.11.2023

Bildergalerie - Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“

Historisches Bildmaterial - Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“

Gletschersteinpyramide

Gustav-Schwabe-Platz, Naunhofer Straße/Ludolf-Colditz-Straße | Ortsteil: Stötteritz

Der „Steinhaufen“ ist von Menschenhand aufgetürmt worden: Dennoch erinnert die Gletschersteinpyramide auf dem Gustav-Schwabe-Platz, die etwas versteckt im Schatten des Völkerschlachtdenkmals und des Wasserturms Probstheida der kommunalen Wasserwerke zu finden ist, an einen natürlichen Vorgang, der die Erdoberfläche veränderte. Riesige Gletscher sind vor gut 150.000 Jahren auf dem Gebiet der heutigen Region Leipzig abgelagert worden. Nahezu 1.000 Kilometer sind sie während der Saalekaltzeit von Skandinavien hierher gewandert. Sie bringen eine dicke Eisschicht mit, die etwa 25.000 Jahre später durch eine Erwärmung des Erdklimas zu tauen beginnt. Unter der Eisschicht formiert sich die Leipziger Tieflandbucht. Viele Findlinge und Gesteinsschutt lagern nun dort. Der Geologe Carl Friedrich Naumann von der Universität Leipzig wies die Inlandvereisung 1844 durch seine Forschungen nach.

Sechs Meter hohe Pyramide entsteht


Solche Findlinge werden Anfang des 20. Jahrhunderts im gesamten Stadtgebiet gesammelt. 1903 entsteht daraus eine sechs Meter hohe Pyramide, die aus etwa 550 Findlingen besteht. Die Fläche misst etwa 5,40 mal 5,40 Meter.

1904 wird der benachbarte Gregoryplatz mit der Findlingsmauer angelegt. Finanziert hat die Pyramide die Deutsche Credit-Anstalt sowie die Leipziger Immobiliengesellschaft, wie man heute an der an der Pyramide angebrachten Tafel lesen kann. Die 1872 gegründete Gesellschaft spielt eine wichtige Rolle beim baulichen Aufschwung der sich entwickelnden Großstadt. Sie erschließt Baugrund und stößt bei Ausschachtungen auf größere Mengen eiszeitlichen Gneis- und Granitgesteins.

Moos wird entfernt, die Fugen erneuert


Im Jahr 2000 wird die Pyramide saniert, um das besondere gesteinskundliche Kulturgut zu wahren und neu in Szene zu setzen. Die Initiative geht auf
Klaus Bente vom Institut für Mineralogie, Kristallographie und Materialwissenschaften der Universität Leipzig zurück. Nach 20 Jahren ist eine Sanierung meist erforderlich. Etwa um das Moos zu entfernen sowie gerissene Fugen zu erneuern. Das steinerne Kulturgut wird oft mit Graffiti verunstaltet – das wiederum macht regelmäßige Reinigungen notwendig.

Inschrift auf der Tafel auf der Vorderseite der Gletschersteinpyramide


In der um Jahrtausende zurückliegenden Eiszeit
haben die gewaltigen Gletscher Skandinaviens
ihre südlichen Ausläufer bis in diese Gegend erstreckt
und zahlreiche Steine aus Schweden mit sich geführt
und hier abgelagert.

Aus solchen Steinen ist im Jahre 1903
von DER ALLGEMEINEN DEUTSCHEN CREDIT-ANSTALT und
DER LEIPZIGER IMMOBILIENGESELLSCHADFT
IN LEIPZIG
in deren Feldern sie zerstreut eingebettet lagen
dies Denkmal hier am Fundort errichtet worden.

Das Denkmal steht im Schutze edler Menschen

Stand: 29.11.2023

Bildergalerie - Gletschersteinpyramide

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