Bildlexikon Leipzig

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Orpheus – Relief

Augustusplatz 8 | Ortsteil: Zentrum

Das Relief „Orpheus“ schuf der Bildhauer Johannes Hartmann 1904 anlässlich der Weltausstellung in Saint Louis. Es befindet sich heute am 1981 eröffneten Gewandhaus zu Leipzig und wurde am Eingang eines Durchgangs angebracht, der in einen kleinen Lichthof mündet. Von dort aus gelangt man zur Gewandhauskasse und zum Mendelssohn-Saal.

Stand: 27.09.2023

Bildergalerie - Orpheus – Relief

Wolff, Ann-Elisabeth

Festivalleiterin der euro-scene Leipzig | geb. am 14. März 1953 in Halle (Saale)

Theater, Theater – auch das ist Leipzig. Große Spielstätten und kleine Bühnen. Bekannte Stücke und experimentelle Performances. Immer aber: Leidenschaft und brennendes Engagement. So wie bei Ann-Elisabeth Wolff. Sie hat dem Festival euro-scene Leipzig ihren Stempel aufgedrückt. Entschlussbereit, hartnäckig, strahlkräftig.

Künstlerisch ambitioniert, von Anfang an


Die familiäre Herkunft von Ann-Elisabeth Wolff war prägend. Sie wuchs in Leipzig in einer künstlerisch ambitionierten Familie auf. Von 1971 bis 1975 studierte sie Musikwissenschaften an der damaligen
Karl-Marx-Universität. Ihren Berufseinstieg vollzog sie 1975 beim weltberühmten Leipziger Musikverlag Edition Peters. Lektorin blieb sie dort bis 1990. An dieser Stelle muss der Hinweis genügen, dass auch die Edition Peters der gewundenen, teils erratischen Geschichte vieler Leipziger Verlage folgte. Unerschütterlich Geglaubtes galt ab 1990 in der unverhofft wiedererlangten deutschen Einheits-Verlagslandschaft plötzlich nicht mehr. 

Ausgerüstet mit jeder Menge Fachwissen und professioneller, publizistischer Neugier und ausgestattet mit der nötigen Änderungsbereitschaft stieg Ann-Elisabeth Wolff um und gelangte als Stellvertreterin des Theaterwissenschaftlers und Schauspielregisseurs Matthias Renner ab 1991 an die Spitze der neu etablierten euro-scene, eines Leipziger Theaterfestivals. Mitten in den allgegenwärtigen Umbrüchen der Jahre 1990 und 1991 ging die euro-scene als Neugründung aus der Leipziger Schauspielwerkstatt hervor und nannte sich im Untertitel unmissverständlich gleich selbst Festival der europäischen Avantgarde.

Prägende Leiterin der euro-scene Leipzig


Später nahm die euro-scene explizit Bezug auf zeitgenössisches europäisches Theater und Tanz. Da war das experimentierfreudige Treffen unkonventionell agierender Bühnenschaffender längst eine bekannte Marke in der Szene in Europa, Euro-Scene eben. 

Nach dem frühen Tod von Matthias Renner im Jahre 1993 regte der damalige Leipziger Kulturbürgermeister Georg Girardet an, Ann-Elisabeth Wolff solle die Leitung des Festivals übernehmen. Im Leitungskollektiv hatte sie längst die erforderlichen Erfahrungen gesammelt. Und damit bekam die euro-scene in ihrem dritten und den folgenden fast 30 Jahren eine resolute Chefin.

Ann-Elisabeth Wolff ist keine Leiterin vom Büro aus. Sie muss raus, viel unterwegs sein, andere Festivals kennenlernen, Eintrittskarten für Aufführungen ergattern, für die es monatelang schon keine Karten mehr gibt, Kontakte knüpfen, Avantgardisten nach Leipzig locken. Und damit hatte jeder Leipziger Kulturherbst eine Konstante mit enormer Ausstrahlung, die euro-scene. Der europäische Gedanke ist ihr fest eingepflanzt. Als sich immer mehr mittel- und osteuropäische Länder anschickten, Mitglieder der Europäischen Union zu werden, gingen Einladungen nach Leipzig gezielt dorthin. Das Festival und seine Leiterin wirkten als Brückenbauer in Europa, und es gelang ihnen, viele kulturvolle Konstruktionselemente in die verbindenden symbolischen Bauwerke einzufügen.

„Ein Festival ist kein Supermarkt. Es ist ein Rausch“, versuchte Ann-Elisabeth Wolff einem auf unsicherem Terrain wandelndem Nachfrager das Geheimnis der alljährlichen Leipziger Avantgarde-Zusammenkunft zu erschließen. 

Mediale Aufmerksamkeit war dem Theater- und Tanz-Treffen und seiner Leiterin stets sicher. Die euro-scene sei eines der schrillsten europäischen Festivals, befand die Hamburger „Zeit“ und lobte – üblicherweise mit höchster Anerkennung eher geizend – die besondere Qualität der sechs besonderen Leipziger Performance-Tage in jedem November. Da war die euro-scene sehr zur Freude des aufgeschlossenen Publikums längst in der Spitzengruppe der deutschen Theater- und Tanzfestivals angekommen. Das Experimentelle, die kühne Ästhetik waren gefragt und wurden mit Beifall goutiert.

Drei markante Festival-Jahrzehnte


Festivalleiterin Wolff fand im Autokonzern
BMW, der in Leipzig ab dem Jahr 2001 mit einem neuen Werk intensiv Wurzeln zu schlagen begann und Unternehmens-Kultur besonders hochhielt, einen potenten Förderer der euro-scene. Mit diesem Engagement schmückten sich beide Seiten über zehn Jahre hinweg. Doch irgendwann fällt jeder Vorhang. 

Ein Autokonzern greift dem Festival längst nicht mehr als finanzieller Förderer unter die Arme. Diese Aufgabe müssen die Stadt Leipzig und das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus inzwischen allein stemmen.

Wichtiger noch: Im Jahr 2020 sollte Festivalleiterin Wolff den Staffelstab nach dem 30. Jahrgang der euro-scene planmäßig an Christian Watty übergeben. „Planmäßig“ bekam wegen Corona allerdings einen unverschuldet herben Beigeschmack. Festivals waren von den verordneten Einschränkungen öffentlicher Auftritte und Begegnungen mit am härtesten betroffen. Die 30. euro-scene musste abgesagt werden. Auch wenn Ann-Elisabeth Wolff ein öffentlich wirksamerer beruflicher Abschied als vor dem Start der 31. euro-scene unbedingt zu gönnen gewesen wäre, bleibt als ihr finales, fortwirkendes Verdienst doch bestehen, dass sie diesem Festival ein Gesicht, eine klare Handschrift und einen europäischen Zuschnitt gegeben hat. Nachhaltigkeit und die Arbeitswelt umschreiben den inhaltlichen und ästhetischen Kosmos, in dem das Festival weiterhin verortet werden soll.

Ann-Elisabeth Wolff und die euro-scene Leipzig nicht in einem Atemzug zu nennen, das wäre drei Jahrzehnte lang nicht gegangen. Das Festival wird deshalb wohl noch geraume Zeit vom Wirken und den Impulsen seiner langjährigen Leiterin profitieren. Sie wohnt ja mitten in der Stadt und hat es nicht weit bis zu den 12 bis 14 Theater- und Tanzstücken an den sechs Festivaltagen jedes Herbstes.

Stand: 01.04.2022

Bildergalerie - Wolff, Ann-Elisabeth

Wildpark

Koburger Straße 12 a | Ortsteil: Connewitz

Der Wildpark befindet sich im Connewitzer Holz im südlichen Auwald. Auf rund 46 Hektar Fläche können 25 einheimische Tierarten mit etwa 250 Tieren aus den Wäldern Mitteleuropas in weitläufigen, naturnahen Tiergehegen beobachtet werden. Gegründet wurde die Anlage im Jahr 1904, als ein Connewitzer Mühlenbesitzer der Stadt vier Damhirsche schenkte, für die eine artgerechte Unterbringung nötig wurde. Der Wildpark zählt zu den beliebtesten Ausflugszielen in Leipzig. Der Eintritt ist frei.

Am Anfang waren vier Damhirsche…


Die Anfänge des direkt an der
Pleiße im südlichen Auwald gelegenen Wildparks reichen bis ins frühe 20. Jahrhundert zurück. Der Mühlenbesitzer Richard Jacob aus Connewitz schenkte der Stadt Leipzig im Jahr 1904 vier Damhirsche, welche im Connewitzer Holz anständig untergebracht und eingepfercht werden mussten. In den Folgejahren wurde der Tierbestand um Rot- und Schwarzwild erweitert und die bauliche Ausstattung vergrößert. Aufgrund des hochwassergefährdeten Geländes wurde 1906 unter der Leitung des damaligen Connewitzer Revierförsters ein 55 Hektar großes Gehege auf den hochwassergeschützten Heidaer Wiesen angelegt. Aus einer einstigen Grube, die dem Lehmabbau für die Abdichtung des Wasserbeckens vor dem Völkerschlachtdenkmal diente, entstand der sogenannte Hakenteich gegenüber dem Wildschweingehege. 1911 wurde ein Schutzhäuschen erbaut und der Wildpark entwickelte sich zu einem beliebten Ausflugsziel der Leipziger. Um die gastronomische Versorgung zu gewährleisten, wurde 1922 unter dem Namen Café zum Hirschpark ein massives Gasthaus errichtet, dessen Geschäft bis zur Weltwirtschaftskrise erfolgreich lief. Nach dem Konkurs wurde es 1934 von Hermann Konrad ausgebaut und 1935 unter dem Namen Gaststätte Wildpark wiedereröffnet. Im Zweiten Weltkrieg wurden die Gaststätte und der Wildpark zum Großteil zerstört und der gesamte Tierbestand in die Freiheit entlassen. Der vom Stadtrat beschlossene Wiederaufbau des Wildparks an gleicher Stelle begann erst 1974, bevor er 1979 schließlich in viel größerem Umfang als zuvor wiedereröffnet wurde. Im Zusammenhang mit der Erweiterung des Tierbestandes entstanden auch ein Kinderspielplatz, eine Ponyreitbahn und die unmittelbar am Hakenteich gelegene Wildparkgaststätte. Im Jahr 1992 wurde ein 4.800 Quadratmeter großer Froschteich zum Feuchtbiotop erweitert und ein Ottergehege mit Teich angelegt sowie 1998 ein 500 Quadratmeter großes Luchsgehege errichtet. 1997 folgte der Bau eines 1,6 Hektar großen Wolfsgeheges. 2003 wurde ein durch das Gehege des Dam-, Rot- und Muffelwilds führender Erlebnispfad eingeweiht.

Artgerechte (Er-)haltung inmitten des Auwaldes


Auf der 42 Hektar großen Fläche können die Besucher im Wildpark etwa 25 verschiedene heimische Tierarten mit circa 250 Tieren in naturnaher Umgebung aus nächster Nähe beobachten. Der Tierbestand umfasst Damwild, Haarraubwild, darunter Iltisse, Hermeline, Baum- und Steinmarder sowie Füchse, ebenso wie Greifvögel, verschiedene Eulenarten, Kolkraben, Elche und Wisente. Auch Tierarten, die erst in letzter Zeit bei uns heimisch geworden sind, kann man sehen, darunter Waschbär, Mink oder Muffelwild. In den Vogelhütten sind Taggreifvögel wie Mäusebussarde und Habichte untergebracht. Das Hauptaugenmerk liegt auf der heimischen Fauna sowie auf in Mitteleuropa lebenden Tieren, die in der Umgebung heimisch geworden sind. Besonderer Wert wird auf eine artgerechte Haltung der Tiere gelegt. Die Gehege sind naturnah gestaltet, damit die Tiere ihre natürlichen Verhaltensweisen beibehalten und durch die weitläufigen Freigehege unter authentischen Bedingungen beobachtet werden können. Auffallend ist, dass das Areal beinahe nahtlos in den angrenzenden Auwald eingebunden ist. Neben der Versorgung von wildlebenden Tieren widmet sich der Wildpark heute auch der Erhaltungszucht seltener Tierarten, welche in freier Wildbahn beinahe ausgestorben sind. Dazu zählen beispielsweise Wisente und der Europäische Nerz. Der Wildpark nimmt am Internationalen Erhaltungszuchtprogramm für den Europäischen Nerz teil und ist im Zusammenhang mit seinem Wisentbestand im „Internationalen Wisentzuchtbuch“ gelistet. Mit seinem Tierartenbestand ergänzt sich der Wildpark sehr gut mit dem
Zoo Leipzig, der hauptsächlich exotische und vom Aussterben bedrohte Tiere aus der ganzen Welt zeigt.

Von Ponyreiten bis Klassenzimmer im Grünen: Spaß und Bildung für jedermann


Heute ist der Wildpark Anziehungspunkt für Leipziger, Auswärtige, Tierfreunde und Spaziergänger gleichermaßen. Auch Fahrradfahrer, die den Wildpark auf dem Weg zum nahegelegenen
Cospudener See im Leipziger Neuseenland durchqueren, machen gern einen Abstecher zu den Wildgehegen. Für Familien ist er eines der beliebtesten Ausflugsziele in Leipzig, nicht nur aufgrund der Tiere, sondern auch aufgrund des großzügig und originell gestalteten Spielplatzes, an dessen benachbarten Kiosk man sich stärken kann. Einen Besuch wert ist unbedingt die Haustierfarm im Wildpark Leipzig, wo die Gäste gegen Eintritt über 21 Tierarten und 44 Rassen mit rund 150 Tieren sehen können. Auch Kamel- und Ponyreiten oder Kremserfahrten durch den Auwald werden angeboten.

Herzstück des Wildparks ist noch heute die nach Entwürfen von Winfried Sziegoleit und Volker Sieg gestaltete rustikale Wildparkgaststätte. In urigem Ambiente werden deutsche Hausmannskost und saisonale Gerichte angeboten. Wem es weniger nach deftigen Speisen zumute ist, der kann aus einem großen Angebot an Kuchen und Torten des Café-Kandler wählen. Im südlichen Abschnitt des Wildparks gelegen befindet sich auch das ursprünglich als Russisches Blockhaus erbaute Teehaus. Dieses wurde vier Wochen vor der Übergabe an den Wildpark auf der Herbstmesse 1979 im Sowjetischen Pavillon als russisches Bauernhaus ausgestellt, bevor es zu einer gemütlichen Gaststube mit verschiedenen Teespezialitäten wurde. 

Der am 8. Juli 2002 gegründete Verein der Freunde und Förderer des Wildpark Leipzig e.V. kümmert sich neben der Unterhaltung und Entwicklung des Parks um ein breites Bildungsprogramm. Zu den Angeboten zählen neben Rundgängen für Schulklassen und Kindergartengruppen das extra für Schulklassen konzipierte „Klassenzimmer im Grünen“ mit Unterricht im Freien und einem hohen Erlebnis- und Anschauungswert. Im Ausstellungsraum des Wirtschaftsgebäudes finden zudem regelmäßig interessante Veranstaltungen statt. 

Stand: 27.09.2023

Bildergalerie - Wildpark

Historisches Bildmaterial - Wildpark

VINETA

Großpösna (Sachsen) | Störmthaler See

Das auf dem Störmthaler See schwimmende Kunstprojekt VINETA erinnert seit seiner Eröffnung am 3. Juni 2011 als Mahnmal für die dem Braunkohletagebau zum Opfer gefallenen Dörfer. Mit einer Traufhöhe von 15 Metern gilt die VINETA als höchstes schwimmendes Bauwerk auf einem deutschen See und dient als beliebtes Ausflugsziel. Seit der Eröffnung wird sie vom Krystallpalast Varieté Leipzig betrieben.

Kunst statt Kohle: Vom Tagebau zum Schwimmenden Mahnmal


Bis zum Anfang der 1990er Jahre war die Region im Südraum Leipzigs eine weitläufige Braunkohlelandschaft. Im Zuge des Braunkohletagebaus verschwanden zahlreiche Dörfer für immer, darunter allein im zwischen 1937 und 1996 bestehenden Tagebau Espenhain die Gemeinde
Magdeborn sowie 19 weitere Siedlungen. Als Anregung für die VINETA diente die Magdeborner Kirche. Die Gemeinde Magdeborn lag rund 12 Kilometer südöstlich von Leipzig. Der Ort wurde um 1940 um eine Siedlung für die Beschäftigten des entstehenden Braunkohlewerks Espenhain erweitert. Gegen Ende der 1960er Jahre wurden die rund 3.200 Einwohner Magdeborns schrittweise aus dem zum Abriss und zur Überbaggerung durch den Tagebau Espenhain freigegebenen Ort umgesiedelt. Dabei handelt es sich um die größte Anzahl an Einwohnern, die im Südraum Leipzigs ihre Heimat aufgrund des Braunkohleabbaus verlassen musste. Die letztliche Überbaggerung fand zwischen 1977 und 1980 statt. Heute ist ein Großteil der Fläche des ehemaligen Dorfes Magdeborn vom Störmthaler See bedeckt, der andere Teil gehört zum 1996 nach Großpösna eingemeindeten Störmthal. VINETA symbolisiert heute die einstige, das Stadtbild Magdeborns prägende Magdeborner Kirche. Vor ihrem Abriss wurde letztere am 3. September 1978 entwidmet und ihr Inventar in anderen Kirchen untergebracht, so etwa die Orgel in der Martin-Luther-Kirche Markkleeberg, drei Glocken in der Pauluskirche im Leipziger Stadtteil Grünau und der Altar in der Lutherkirche Chemnitz-Harthau.

Seit Ende der 1990er Jahre arbeitete eine Leipziger Künstlergruppe mit dem Leitnamen „Kunst statt Kohle“ an der Entwicklung von Kunstobjekten, welche eine Verbindung zwischen Geschichte und Landschaft darstellen sollten. In diesem Zuge entstanden neben den Projekten „Sirenen“, „Schmetterling“ und „Versteinerte Zeit“ auch die VINETA als schwimmendes Mahnmal in Gedenken an die rund 24.000 Menschen, die aufgrund des Espenhainer Braunkohletagebaus ihre Heimat verloren. Nach der Flutung der Tagebaulöcher entstanden der Störmthaler See und der Markkleeberger See.

Kultur- und Gedächtnisstätte am historischen Standort


Die Anregung zum Bau der VINETA stammte von der Künstlerin
Ute Hartwig-Schulz. Die erste Idee zu einer Installation in Form eines aus dem Wasser ragenden Kirchturms kam der Bildhauerin bereits 13 Jahre vor der letztlichen Umsetzung. Der Überlieferung nach versank die Stadt Vineta aufgrund ihrer unverhältnismäßigen Prachtentfaltung und Prunksucht im Zuge einer verheerenden Flut als Gottesurteil vor etwa 1.000 Jahren in der Ostsee.

Die Grundsteinlegung für den Bau der VINETA erfolgte im Jahr 2002 durch den Einbau von vier, die Ankerkette haltenden Fundamenten, in den trockenen Seegrund. Während der zunächst natürlichen Flutung des Tagebaulochs ab 2001 trug ein Hilfsponton die Ketten nach oben. Im Jahr 2003 begann die aktive Flutung des Tagebaus Espenhains, dem zukünftigen Areals des Störmthaler Sees. Nach der langwierigen Planungsphase und der Beschaffung von notwendigen Fördermitteln erfolgte 2007 die Anlieferung und der Bau des 300 Quadratmeter großen, unsinkbaren und etwa 260 Tonnen schweren Pontons, dem schwimmenden Fundament der VINETA. Von 2009 bis 2010 wurde das Kunstobjekt schließlich in Form eines 15 Meter hohen Baukörpers in Anlehnung an die Kirchturmspitze der verloren gegangenen Magdeborner Kirche errichtet und inmitten des entstandenen Störmthaler Sees verankert. Das schwimmende Kunstwerk befindet sich rund 630 Meter vom Ufer entfernt über jenem Platz, an dem zuvor das überbaggerte Gotteshaus statt.

Seit ihrer Eröffnung am 3. Juni 2011 mahnt die VINETA die ideellen und materiellen Verluste aufgrund des stetig wachsenden Energieverbrauchs der Menschen an. Im Kontrast dazu steht der in das Bauwerk integrierte Niedrigstenergieraum und die damit verknüpfte Idee einer Erweiterung der Gedanken von Erinnerung und Verlust um eine nachhaltigere Alternative in Form eines ökologischen Energieverbrauchs.

Ausflugsziel mit Seltenheitswert: Von Trauung bis Konzert


Das Ziel der Architektin Ute Hartwig-Schulz, ein Kunstwerk zu schaffen, welches sich in die Landschaft einfügt, im Inneren kulturell genutzt und als Ort der Erinnerung mit Leben gefüllt werden soll, wurde erreicht: Als höchstes freischwimmendes Denkmal auf einem deutschen See bildet die VINETA seit ihrer Eröffnung einen Veranstaltungsrahmen der besonderen Art. Auf der Insel finden alljährlich zahlreiche Trauungen, Kulturveranstaltungen wie Lesungen und Konzerte sowie exklusive Feierlichkeiten statt. Die vom Betreiber, Krystallpalast Varieté Leipzig, organisierten Events dienen in den warmen Sommermonaten als Ausgleich für das winterlastige Geschäft des Varietés. Von April bis Oktober fährt außerdem die „VINETA-Fähre“ ausgehend vom VINETA-Hafen zur schwimmenden Insel. Während der Fahrt erfahren die Gäste Wissenswertes über die Tagebau- und Seenlandschaft.

Am VINETA-Hafen befindet sich neben 2 Stegen und 30 Liegeplätzen für Segel- und Motorboote auch das für Veranstaltungen genutzte Hafengebäude. Im VINETA-Bistro am Dispatcherturm mit teils überdachtem Freisitz wird den Besuchern eine Auswahl an verschiedenen Getränken und frisch zubereiteten, regionalen Speisen angeboten. An einigen Tagen im Jahr wird frisch geräucherter Fisch aus der Region serviert.  Übernachtungsmöglichkeiten bestehen seit März 2019 im Schlafstrandkorb und im Miet-Elektro-Boot vor Ort. Am VINETA-Anleger unterhalb des Bistros sind außerdem zahlreiche Freizeitangebote wie ein Bootsverleih, Jetski, Stand-Up-Paddling, Flyboard sowie ein Beachvolleyball-Feld zu finden. Wer es weniger sportlich liebt, der kann sich am kleinen Sandstrand abkühlen und ausruhen.

Seit ihrer Errichtung trägt die VINETA als beliebtes Ausflugsziel zur Steigerung des Bekanntheitsgrades des Leipziger Neuseelands als Tourismusmagnet bei und entwickelte sich zu einem Wahrzeichen der Region. Lagovida?

Stand: 27.09.2023

Universitätsbibliothek (Bibliotheca Albertina)

Beethovenstraße 6 | Ortsteil: Zentrum-Süd

Die Universitätsbibliothek wurde von 1887 bis 1891 nach Plänen von Arwed Rossbach im Stil der italienischen Hochrenaissance erbaut. Sie gehört zu den ältesten deutschen Universitätsbibliotheken und umfasst einen Bestand von mehr als 5,5 Millionen Medieneinheiten und etwa 6.500 Zeitschriften.

Von der Bibliotheca Paulina zur Bibliotheca Albertina


In unmittelbarer Nachbarschaft zum
Bundesverwaltungsgericht erhebt sich der beeindruckende Bau der Universitätsbibliotek, auch „Bibliotheca Albertina“ genannt. Gemeinsam mit dem für das Gewandhausorchester errichteten Neuen Gewandhaus, dem Konservatorium und der Kunstgewerbeschule bildete sie das Zentrum des neu entstandenen Musikviertels. 

Die Wurzeln der Universitätsbibliothek reichen bis ins 16. Jahrhundert zurück. Im Jahr 1543 wurde die Bibliotheca Paulina als erste Bibliothek der Universität Leipzig gegründet und im Paulinerkloster auf dem Augustusplatz untergebracht. Durch den stetigen Wachstum der Buchbestände auf mehr als 250.000 Bände entwickelte sich die Universitätsbibliothek bis Ende des 19. Jahrhunderts zur umfangreichsten ihrer Art in Deutschland. Um ihrer Größe und Bedeutung gerecht zu werden, wurde im Juni 1885 ein Wettbewerb zur Gestaltung eines repräsentativen Bibliotheksgebäudes im neu entstanden Musikviertel ausgeschrieben. Durch das Handels- und Messewesen hatte sich Leipzig Mitte des 19. Jahrhunderts zur Großstadt entwickelt, so dass die Vorstädte ab 1871 für die Errichtung von repräsentativen Bauten mit einbezogen wurden. Als letztes Vorstadtviertel der Gründerzeit entstanden im Musikviertel neben imposanten Villen für das Leipziger Großbürgertum auch bedeutsame öffentliche Kultur- und Justizbauten im Stil des wilhelminischen Historismus. Die neue Universitätsbibliothek sollte gegenüber des zwischen 1882 und 1884 erbauten prachtvollen Neuen Gewandhauses in der Beethovenstraße entstehen. Der in der Dresdner Tradition Gottfried Sempers und Hermann Nicolais stehende Architekt Arwed Rossbach ging aus den 34 eingereichten Konzepten mit seinem Entwurf „Philadelphos” als Sieger hervor. Nach vierjähriger Bauzeit wurde das Bibliotheksgebäude am 24. Oktober 1891 zu Ehren des obersten Dienstherrs der Universität Leipzig sowie dem regierenden sächsischen König Albert als Bibliotheca Albertina eingeweiht. Die Universitätsbibliothek, die etwa 800.000 Bände beherbergte und rund 150 Lesern Platz bot, gilt als Rossbachs bedeutendstes Werk.

Von der Kriegsruine zum klimatisierten Bücherpalast


Kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Universitätsbibliothek durch einen Bombenangriff am 6. April 1945 zu zwei Dritteln zerstört. Besonders betroffen waren der Mitteltrakt mit dem großen Lesesaal, das repräsentative Treppenhaus sowie große Teile des Süd- und Ostflügels. Die wertvollen Buchbestände waren zuvor in Schlössern im Raum Leipzig und in den Katakomben des
Völkerschlachtdenkmals sicher untergebracht worden, so dass die Universitätsbibliothek kaum Verluste hinnehmen musste. Bereits wenige Monate nach der Zerstörung wurde das ruinöse Gebäude durch eine provisorische Sicherung wieder nutzbar gemacht und die Bücher wurden aus Raumnot zunächst im Keller gestapelt. Etwa 40.000 Bände galten als verschollen oder wurden von der Roten Armee beschlagnahmt und abtransportiert. Obwohl es seit 1956 zahlreiche Pläne für den Wiederaufbau gab, wurden die notwendigen Gelder erst ab 1990 durch die Volkskammer der DDR zur Verfügung gestellt. Ab 1992 begann die Sanierung, die das Architekturbüro HJW + Partner plante.

Bei fortlaufendem Betrieb erfolgte zunächst die Rekonstruktion des Ostflügels und die Sanierung des Treppenhauses. Das äußere Erscheinungsbild der Bibliotheca Albertina wurde unter Anpassung der inneren Struktur an die veränderten Anforderungen eines modernen Bibliotheksbetriebs vollständig wiederhergestellt. Die durch den rasant gewachsenen Buchbestand erforderlichen Erweiterungen wurden maßgeblich durch die Einbeziehung der ehemaligen Innenhöfe erreicht: Durch die Überdachung des Posthofs und des Kohlenhofs wurden zwei moderne Lesesäle mit großflächigem Areal für Freihandliteratur sowie Magazinbereichen in den darunterliegenden Stockwerken geschaffen. Nach zehnjähriger Bauphase von 1992 bis 2002 wurden die Wiederaufbau- und Sanierungsarbeiten abgeschlossen. Heute umfasst die Universitätsbibliothek als eine der ältesten Bibliotheken Deutschlands rund 960 Arbeitsplätze, einen Bestand von über 5,5 Millionen Medieneinheiten und etwa 6.500 Zeitschriften.

Italienische Kunst und Architektur trifft auf geballtes Wissen


Die Universitätsbibliothek präsentiert sich heute als monumentale Vierflügelanlage mit einer 107 Meter langen Sandsteinfassade, welche Elemente der italienischen Hochrenaissance und der barocken Schlossbaukunst Frankreichs vereint. Die mit korinthischen Kapitellen gestalteten Kolossalsäulen tragen das fünfachsige Mittelrisalit. Der Rustikasockel umfasst das Souterrain und die Hochparterre, während die Obergeschosse durch ein kantiges Gesims optisch abgesetzt sind. Das Mittelrisalit ist mit einer reich gestalteten Attika mit vier von
Arthur Trebs geschaffenen Figuren gestaltet, welche die vier Fakultäten Theologie, Philosophie, Rechtswissenschaft und Medizin verkörpern. Zwei darüber stehende Wappenhalter präsentieren das Universitätssiegel. Die zwischen den versinnbildlichten Fakultäten liegenden Reliefs stammen vom Bildhauer Adolf Lehnert, der auch die Porträtmedaillons an den Seitenrisaliten schuf. Diese zeigen Michelangelo, Albrecht Dürer, Johannes Otto von Münsterberg, den Gründungsrektor der Universität, und Caspar Borner, den ersten Bibliothekar. Unterhalb der Medaillons befanden sich einst acht überlebensgroße Statuen, welche von Werner Stein und Melchior zur Strassen geschaffen wurden. Heute sind noch die am linken Seitenrisalit befindlichen Standbilder von Friedrich dem Streitbaren, dem Gründer der Universität 1409, und dem Kurfürsten Moritz von Sachsen erhalten. Das Eingangsportal ist mit drei Rundbogenportalen, vergitterten Oberlichtern und reich ornamentierten Metalltüren gestaltet. Die drei Köpfe in den plastisch ausgearbeiteten Schlusssteinen der Eingangsbögen verkörpern die Schönheit, Weisheit und Stärke und wurden vom Berliner Bildhauer Josef Kaffsack geschaffen. In der Freimaurerei gelten diese als die drei tragenden Säulen im Ritual. 

Das Eingangsportal führt in das lichtdurchflutete repräsentative Marmortreppenhaus mit umlaufender Galerie und hohen Rundbogenarkaden. Tageslicht fällt durch das gläserne Dach, was die weißen ionischen Säulen aus Marmor und Naturstein noch strahlender erscheinen lässt. Von der breiten zweiflügeligen Haupttreppe aus, die zu den Lesesälen hinauf führt, präsentiert sich vor dem früheren Eingang zum großen Lesesaal die illusionistisch angelegte, dekorative Kuppelausmalung vom Leipziger Maler Richard Hesse im Stil des Giulio Romano. Diese wurde originalgetreu rekonstruiert, während auf die einstige polychrone Ausmalung der Wandflächen und Kuppeln verzichtet wurde. In den ehemaligen und nunmehr überdachten Innenhöfen befinden sich zwei Lesesäle als Freihandlesebereiche. Neben dem „Alten Hauptlesesaal”, der optisch an sein berühmtes kreisrundes Vorbild im British Museum in London erinnert, ist insbesondere der Lesesaal im Hof West beeindruckend: Eine spezielle Stahl-Glas-Konstruktion, die den Saal zur Decke hin abschließt, durchflutet diesen mit Licht.

Im Foyer der Bibliothek führt ein Wandelgang zum Café Alibi, welches den Studenten tagsüber zum Verweilen dient und abends häufig für Veranstaltungen genutzt wird. Im Wandelgang befindet sich eine Fotogalerie, die die Geschichte der Bibliotheca Albertina dokumentiert. Seit Mai 2021 ist der unter der Haupttreppe gelegene Schauraum „Papyrus Ebers“ Teil der Dauerausstellung. Bei dem über 18 Meter langen Papyrus Ebers handelt es sich um die längste und einzig vollständig überlieferte Schriftrolle altägyptischer Heilkunde.

Stand: 27.09.2023

Bildergalerie - Universitätsbibliothek (Bibliotheca Albertina)

Historisches Bildmaterial - Universitätsbibliothek (Bibliotheca Albertina)

Thomaskirche

Thomaskirchhof 18 | Ortsteil: Zentrum

Die 1212 als Klosterkirche für die Augustiner-Chorherren erbaute Thomaskirche zählt zu den bedeutendsten spätgotischen Hallenkirchen in Sachsen. Als Wirkungsstätte Johann Sebastian Bachs und des Thomanerchors sowie durch Martin Luthers Predigt zur Einführung der Reformation in Sachsen 1539 erlangte die Thomaskirche große Bekanntheit und gilt weltweit als bedeutendes Zentrum kirchlicher Musik. Vor dem Südportal der Thomaskirche befindet sich das von Carl Seffner 1908 errichtete bronzene Bach-Denkmal.

Vom mittelalterlichen Chorherrenstift zur spätgotischen Hallenkirche


Die Anfänge der Thomaskirche reichen bis ins 12. Jahrhundert zurück. Ausgrabungen zufolge stand an heutiger Stelle bereits eine dreischiffige Pfeilerbasilika. Im Jahr 1212 veranlasste der Wettiner Markgraf Dietrich von Meißen den Bau eines Augustiner-Chorherrenstifts, was unter den nach Unabhängigkeit strebenden Leipzigern für Proteste sorgte. Zum Zeichen des Widerstands gegen den Bau des Klosters zerstörten die Bürger nachts das, was die Kirchen- und Klosterbauherren tagsüber aufgebaut hatten. Trotz der Unwägbarkeiten wurden die 1212 beschlossenen Umbaumaßnahmen der Stiftskirche St. Thomas 1222 abgeschlossen. Der Überlieferung nach soll der Minnesänger Heinrich von Morungen anlässlich der Übergabe der Kirche eine Reliquie des Heiligen Thomas aus Indien übergeben haben. Später wurde die von der Vorgängerkirche übernommene Bausubstanz sukzessive verändert. Den Chorraum baute man im spätromanisch-frühgotischen Stil um und vergrößerte ihn, wovon der noch heute erhaltene spitzbogige Triumphbogen aus Backstein und Sandstein sowie Teile der Außenwände an der Nordseite des Chores zeugen. Nach einer erneuten Vergrößerung Mitte des 14. Jahrhunderts im hochgotischen Stil erhielt der Kirchenteil seine endgültige Ausprägung.

Das heutige Bild der Thomaskirche wird durch das zwischen 1482 und 1496 unter Leitung von Claus Roder und Konrad Pflüger neu erbaute Hallenlanghaus im spätgotischen Stil geprägt, welches das romanische Kirchenschiff ersetzte. Das Kreuzrippengewölbe aus Rochlitzer Porphyr ist noch heute im Original erhalten. Das 39 Meter lange und 25 Meter breite Kirchenschiff mit 14 Meter hohen Pfeilern erforderte durch seine Länge eine Verlegung der Stadtmauer nach Westen. In der wirtschaftlich aufstrebenden Messestadt entstand eine der bedeutendsten spätgotischen Hallenkirchen in ganz Sachsen, die am 10. April 1496 vom Merseburger Bischof Tilo von Trotha feierlich eingeweiht wurde. Seither läutet vom Glockenturm die 1477 gegossene und von Nikolaus Eisenberg gravierte Hauptglocke „Gloriosa“ – die älteste Glocke Leipzigs – als eine der insgesamt vier Glocken.

Luther und die Verkündung der Reformation


Weit über die Landesgrenzen bekannt wurde die Thomaskirche mit der hier am 25. Mai 1539 von Martin Luther gehaltenen Pfingstpredigt zur Einführung der Reformation im albertinischen Sachsen. Daran erinnert bis heute die an einer Säule im Mittelschiff neben der Kanzel angebrachte Gedenktafel zur Einführung der Reformation. Durch die veränderten gesellschaftlichen Bedingungen und gottesdienstlichen Bedürfnisse wurden 1570/71 unter der Leitung von Hieronymus Lotter steinerne Renaissance-Emporen an den Längsseiten der Kirchenschiffe errichtet und die Westseite um ein Joch hervorgezogen.

Die 1553 südlich der Thomaskirche und entlang der Stadtmauer erbaute Thomasschule zählt zu einer der ältesten in ganz Deutschland. Mit der Reformation wurde auch dem Thomanerchor zunehmende künstlerische Bedeutung zuteil und die Schule und der Chor kamen unter die Trägerschaft des Stadtrates. Bemerkenswert war, dass die Stadt Leipzig als weltliche Institution den überwiegend geistlich wirkenden Chor finanzierte.

Im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts wurden das Kircheninnere barock umgestaltet und seit 1661 mehrere Privatkapellen angebaut. Darunter befindet sich eine für das Ehepaar Wiedebach errichtete Kapelle. Apollonia von Wiedebach galt als bedeutendste Stifterin für die Stadt Leipzig und Anhängerin der Reformation. Die Nordseite der Kirche wurde nach Entwürfen von Johann Gregor Fuchs mir einem zweigeschossigen Anbau versehen. Fuchs ist auch das heutige Erscheinungsbild des 68 Meter hohen Kirchturms zu verdanken, der 1702 mit einer barocken Turmhaube und einer Laterne mit Wetterfahne, die eine von einem Stern umkreiste Sonne zeigt, bekrönt wurde. Der Chor und die Sakristei wurden 1802 unter der Leitung von Johann Friedrich Carl Dauthe instandgesetzt. 1806/07 diente die Thomaskirche zwischenzeitlich als französisches Militärmagazin und wurde während der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 als Lazarett genutzt. An diese Zeit erinnert noch heute eine am Turmumgang angekettete Kanonenkugel, die damals auf dem Dachboden einschlug. Im Zuge des Umbaus unter Johann Wilhelm Constantin Lipsius zwischen 1884 und 1889 wurde die barocke Gestaltung der Kirche weitgehend durch die Neogotik ersetzt.

Der berühmte Director musices


Das Wirken Johann Sebastian Bachs in Leipzig begründete zweifelsohne den Weltruhm des Kantorats und machte die Stadt zum Zentrum protestantischer Kirchenmusik. Bach übte zwischen 1723 und 1750 das Amt als Director musices und Kantor der Nikolaikirche und Thomaskirche aus. Dem damals noch unbedeutenden Thomanerchor verhalf er zum heutigen Weltruhm und schrieb in Leipzig seine bedeutendsten Werke, darunter das Weihnachtsoratorium, die h-Moll-Messe, die Johannes- und Matthäus-Passion und mehr als 300 Kirchenkantaten, die in der Thomaskirche uraufgeführt wurden.

Bachs Orgelklänge tönen noch heute…


Beim äußerlichen Betrachten der Thomaskirche fällt insbesondere das Dach auf. Bei dem steilen Firstwinkel von 62 Grad handelt es sich um eine architektonische Meisterleistung und um eines der steilsten Giebeldächer Deutschlands. Dank dieser Konstruktion, die auf Erfahrungen aus dem Festungsbau zurückging, wonach Feuerkugeln nicht einschlugen sondern abglitten, überstand die Thomaskirche die Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg vergleichsweise unbeschadet. Das von einem Kreuzrippengewölbe überdachte Langhaus wurde im Zuge seiner Restaurierung in den 1960er Jahren der ursprünglich hellroten Farbgebung des 15. Jahrhunderts wieder angepasst. Der gut sichtbare Knick zwischen Langhaus und Chor weist auf den romanischen Ursprung der Thomaskirche hin. Die Orgelempore, wo der Thomanerchor seinen Platz hat, ist mit zwei großen Orgeln ausgestattet. Die ältere wurde von Wilhelm Sauer zwischen 1885 und 1889 erbaut und zählt mit den 88 Registern zu seinen größten und bekanntesten Bauten. Anlässlich des Bachjahres 2000 wurde die viermanualige Bach-Orgel von Gerald Woehl ergänzt. Die Thomaskirche zählt europaweit zu den Stätten mit dem nachweislich frühesten Orgelgebrauch im Gottesdienst. Der „Orgelgesang“ wurde bereits 1384 für eine Marienmesse dokumentiert, was bestätigt, dass schon 1212 mit der Begründung des Thomasstifts eine frühzeitige Musikpflege betrieben wurde.

Kunst und Kirche


Die urspüngliche Ornamentverglasung der Thomaskirche wurde 1889 durch farbige Mosaiken ergänzt. Die fünf farbigen Fenster an der Südwand der Thomaskirche schuf der Glasmaler
Alexander Linnemann. Sie zeigen namhafte Persönlichkeiten des Protestantismus, darunter König Gustav II. Adolf von Schweden, Kurfürst Friedrich der Weise gemeinsam mit Philipp Melanchthon und Martin Luther, Kaiser Wilhelm I. und Johann Sebastian Bach. Ein weiteres Fenster aus früheren Jahren bildet Felix Mendelssohn Bartholdy und den Heiligen Thomas ab. 2009 wurde das Friedensfenster von David Schnell ergänzt. 

Seit Einführung der Reformation gehört es zu den Pflichten der amtierenden Superintendenten, sich bei ihrem Ausscheiden aus dem Amt porträtieren zu lassen und im Altarraum der Kirche neben ihre Vorgänger einzureihen. So zeigt eines der Porträts Leipzigs ersten Superintendenten Johannes Pfeffinger

1950 wurden in der Thomaskirche die Gebeine Johann Sebastian Bachs, die sich urspünglich in der zerstörten Johanniskirche befanden, in einer Gruft beigesetzt. Die von Kunz Nierade gestaltete schlichte Grabplatte an den Stufen des Altarraums ist heute Anziehungspunkt für Bachverehrer und Musikfreunde aus aller Welt. Unter den weiteren Epitaphien und Grabplatten in der Thomaskirche befinden sich neben dem Sarkophag des Markgrafs Dietrich von Wettin die Grabplatten der Kurfürstin Elisabeth von Sachsen und des Adeligen Nickel Pflugk.

Chorale Gesänge vor dem bronzenen Thomaskantor


Dem berühmten Thomanerchor kann man im Rahmen des Gottesdienstes wöchentlich freitags um 18 Uhr bei der Motette und sonnabends um 15 Uhr bei der Bachkantate lauschen. Fester Bestandteil des Leipziger Musiklebends ist das
Bachfest Leipzig, mit welchem die Stadt jährlich den berühmten Thomaskantor ehrt und damit eine Tradition fortführt, die bereits Felix Mendelssohn Bartholdy initiierte.

Stand: 27.09.2023

Bildergalerie - Thomaskirche

Historisches Bildmaterial - Thomaskirche

TBE Engelsdorf

Werkstättenstraße 6 | Ortsteil: Engelsdorf

Dieses originelle Leipziger Lokal im Ortsteil Engelsdorf muss in der Titelzeile allein mit seiner Abkürzung vorlieb nehmen. Die Entschlüsselung für TBE als Traditions- und Begegnungsstätte der Eisenbahner wäre einfach zu lang für eine Überschrift. Dafür ist der Eisenbahnbezug umso enger – mit historischem Brückenschlag. Schon am Eingang grüßten typische Versatzstücke aus der Welt der Lokomotiven und der Bahnsteige, doch eine Garantie, dass der geneigte Besucher davon noch etwas vorfinden wird, kann nicht übernommen werden. Denn alle Aus- und Einrichtungsgegenstände standen zum Verkauf, als die TBE im Januar 2022 schloss. Die Erinnerung an das verschwundene Lokal und seine besondere Rolle in Sachen Eisenbahn-Nostalgie wachzuhalten, ist jedoch allemal eine längere Reminiszenz wert.

Krönung eines Eisenbahnerdorfs


Engelsdorf ist – ohne über Gebühr idealisieren zu wollen – ein Eisenbahnerdorf im Osten von Leipzig. Mitten durch den Ortsteil verläuft die Leipzig-Dresdner Eisenbahn, die erste deutsche Fernbahn seit 1839. Die Strecke wird flankiert vom früheren Rangierbahnhof, dessen Funktion im Jahr 2017 nach Halle verlegt wurde. Zwei Haltepunkte verweisen an den Strecken nach Dresden und Chemnitz auf Engelsdorf. Das frühere Reichsbahn-Ausbesserungswerk und die baulichen Reste des Bahnbetriebswerks haben bessere Tage gesehen. Immerhin ist aber ein Betrieb im Geschäft, der im Bereich des Schienenschweißens als Marktführer auftritt. 

Viele Wohngebäude bilden eine typische Eisenbahnersiedlung, erkennbar an der Symbolik des rollenden Flügelrads an den Fassaden und den Schriftzügen der Wohnungsbaugenossenschaft dieses Berufszweigs. Aber vor allem sind es die unzähligen Eisenbahnerdynastien, die diesem Ort ihr Gepräge gaben. War der Großvater schon „bei der Bahn“, dann war es der Vater unbedingt auch und der Sohn mit großer Wahrscheinlichkeit und möglicherweise wieder der Enkel oder die Enkelin. An einem solchen Ort eine Traditions- und Begegnungsstätte der Eisenbahner einzurichten, sie bewusst nicht „Zum Stellwerk“ oder „Zur Bahnhofsklause“ zu nennen, sondern ihr vielmehr mit gewissem leicht ironischen Hintersinn einen funktionalistisch geprägten Namen, wie sie bei der Bahn schon immer beliebt waren, und die passende Abkürzung TBE zu geben, war folgerichtig – und durchaus alternativlos.

Angebahnte Erlebnisgastronomie


1999 ging die TBE an den Start. Ihr Domizil wurde das Untergeschoss der früheren Poliklinik des Reichsbahn-Ausbesserungswerks. Sehr jung war damals die 1994 mit viel Vorschusslorbeeren gestartete Bahnreform, zu deren Kennzeichen ein eintöniger Dreiklang gehörte: Privatisierung, Privatisierung, Privatisierung. Viele einst dringend benötigte Gebäude standen daraufhin leer. Der öffentlichen Verwaltung war es ausgesprochen lieb, wenn sich ein unternehmerisches Talent bereit erklärte, auf Teilflächen eine neue Nutzung zu beginnen und damit den Leerstand zu senken. So wie
Andreas Schließauf. Ihm war das Eisenbahnerlokal zu verdanken, auch wenn Skeptiker meinten, dass es schwer sein würde, mitten in schwindender Gewerbebauung und ohne umfängliche Wohnumgebung ausgerechnet mit einer Gaststätte zu beginnen.

Andreas Schließauf setzte sich durch. Ihm schwebte ja nicht die x-te Gaststätte nach Schema F vor, sondern eigentlich ein Museum mit integrierter Gastronomie. Wer regelmäßig kam, fand immer wieder etwas Neues an der üppigen Ausstaffierung mit Lokomotivschildern, Warntafeln, Modelleisenbahnen, historischen Fotos, Proviant-Automaten, Fernsprechapparaten aus der Vor-Handy-Urzeit, originalen Sitzbänken ausgedienter Eisenbahnwagen und Drucksachen über Drucksachen vor. Manches Exponat steuerten Gäste als Leihgabe bei, weil sie die TBE in ihr Eisenbahnerherz geschlossen hatten, wie zum Beispiel ein originales Zuglaufschild des „Rossiya“-Express, der auf der Transsibirischen Eisenbahn zwischen Moskau und Wladiwostok verkehrt. Waren die Ausstellungsstücke zu groß für den Innenraum, dann standen sie eben vor dem Eingang, wie die abmontierten Schriftzüge und die analogen Zuganzeiger vom Leipziger Hauptbahnhof oder aus dem nahen Reichsbahn-Ausbesserungswerk renovierte Pumpen, mit deren Hilfe die Dampfloks jahrzehntelang „atmeten“, um brav ihren harten Dienst zu verrichten. 

Fluidum vergänglicher Reisekultur


Traten die Gäste in die TBE ein, wurden sie mit dem strengen Charme des früheren Reichsbahn-Personals begrüßt. „Treten Sie doch endlich von der Bahnsteigkante“ klang zwar seltsam im Vergleich mit der weithin dominierenden „Geht-es-ihnen-gut?“-Beliebigkeit, wurde aber sofort verstanden – und eigentlich erwartet. Und dann erst die Speisekarte: Keine Position in der üppigen Menüfolge, die ohne deutliche Eisenbahn-Normierung auskam. Als Krönung die „Heizerschaufel“. Eigentlich ein herrliches Steak mit reichlich angebratenen Zwiebeln und Bratkartoffeln und serviert auf einer echten Schaufel. Das schmeckte dann nochmal so gut und hätte jeden Lokheizer nach achtstündiger Schwerarbeit satt gemacht (ungeübte Erst-Koster der deftigen Leckerei erst recht). 

Mit reiner Gastronomie ließ es Andreas Schließauf nicht bewenden. Die TBE wurde eine Station auf der Dampfbahn-Route Sachsen, die sich durch den gesamten Freistaat zieht. Außerdem tauschte der Betreiber der gastlichen Stätte nach den ersten Speisen und Getränken seine obligatorische Fahrdienstleiter-Mütze immer mal wieder gegen den drolligen Hut des DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker, den er ausgezeichnet zu parodieren verstand. Dank dieser Komposition aus Gastronomie und Begleitprogramm hätte die TBE steinalt werden können. Doch dann kam im Jahr 2020 Corona und mit der Pandemie die verordnete mehrmonatige Schließung des beliebten Treffs einer treuen Gemeinde aus Berufs- und Hobby-Eisenbahnern. Den Umsatzausfall und die Mieterhöhung durch den neuen Eigentümer des Hauses hätten nur kapitalkräftigere Unternehmer als Andreas Schließauf verkraften können, die nicht fortlaufend immer wieder vor allem in die Ausstattung der Räume investiert hätten. Wenn also Covid-19 schon lange Geschichte sein wird, werden sich viele an den traurigen Kollateralschaden TBE in Engelsdorf erinnern. Wie an die Rücklichter eines Schnellzugs, die langsam in die Nacht entschwinden.

Stand: 17.01.2022

Schneider, Werner

Physiker, Gründer der Leipziger Notenspur | geb. 1951

Fünf Minuten Dialog mit Werner Schneider überzeugen jeden Gesprächspartner, es mit einem ausgewiesenen Spezialisten für klassische Musik zu tun zu haben. Dieses Wissen über den Leitstern der Musikstadt Leipzig, Johann Sebastian Bach! Soviel exzellente, detaillierte Kenntnisse über all die anderen Komponisten und Orchesterleiter und Musikverlage! Werner Schneider muss ein Musikwissenschaftler sein. Das mit dem Wissenschaftler stimmt. Gleichwohl ist sein Fach die Physik. Die wissenschaftliche Akkuratesse dehnte Werner Schneider dann auf seine Leidenschaft, die Musik, aus, und davon profitiert die gesamte Stadt.

Beharrlich in der Spur für die Musikstadt Leipzig


Werner Schneider spricht leise, vollkommen unaufgeregt. Die hastige, gar aufdringliche Rede ist ihm fremd. Er überzeugt mit Wissen und versteht es, Interessenten für das Thema klassische Musik zu gewinnen.

Der Physiker Werner Schneider arbeitet seit 1992 an der Universität Leipzig, seit dem Jahr 2008 hat er eine Professur an der TU Dresden. Schon immer zogen sich das Interesse an der Musik und die Begeisterung für die Musik durch sein Leben. Was als privater Genuss begann, sollte spürbar auf die gesamte Stadt ausstrahlen. So entstand – inspiriert und bestärkt durch seine Ehefrau – die Idee, aus der teils hervorstechenden, teils ein wenig versteckt schlummernden Präsenz von Stätten der Musikkultur in Leipzig ein sichtbares und hörbares Ganzes zu formen, das allen Interessenten eben wie ein urbanes Gesamtkunstwerk begegnet und Zusammenhänge erschließt, Genuss mit Erkenntnis verbindet.

Die Idee der Leipziger Notenspur war geboren. Der geniale Thomaskantor Bach steht selbstverständlich weit vorn. Richard Wagner wird gewürdigt, ebenso Felix Mendelssohn Bartholdy, Clara Schumann und Robert Schumann, Edvard Grieg und viele andere. Komponistenhäuser, Ausbildungszentren, Musikverlage und Aufführungsstätten erstrecken sich über nahezu das gesamte Leipziger Stadtgebiet. In der Innenstadt sind sie nicht zu übersehen, wenige hundert Meter darüber hinaus sollen Hinweise helfen, Kulturpfade zu weisen und Interessenten behutsam zu führen.

Klassische Wegweiser würden das schaffen, doch so besonders, wie die Notenspur ihren hohen Anspruch pflegt, so ästhetisch soll die räumliche Wegweisung durch eine klangvolle Welt auf sich aufmerksam machen. Dies geschieht mit einer sanft geschwungenen Edelstahl-Intarsie, die in das Pflaster der Fußwege eingelassen ist und deren Spitze die Richtung bis zum nächsten authentischen, kulturellen Leuchtturm entlang der Notenspur anzeigt – von der Thomaskirche zum Gewandhaus, an den erhaltenen Gebäuden weltbekannter Musikverlage in Zentrumsnähe vorbei zum Schumann-Haus und wieder zurück in Richtung City mit ihren Denkmalen für berühmte Persönlichkeiten der Musikstadt Leipzig.

So wird eine beschwingte Verbindung zwischen 23 Orten hergestellt. Ein Audio-Guide unterstützt als klangvoller und hervorragend informierter Begleiter alle, die sich auf den Weg machen, also auf die Spur begeben. Die wunderbare Notenspur-Idee von Werner Schneider überzeugte rasch, doch ihre Umsetzung erforderte einen langen Atem. Mitstreiter mussten gefunden werden, Verstärker und Bekräftiger der Idee und natürlich Ermöglicher in der öffentlichen Verwaltung. Mit nimmermüder Energie, die auf den ersten Blick dem sanft auftretenden und mit wohl gesetzten Worten argumentierenden Werner Schneider vielleicht gar nicht zugetraut wird, wurde der Kampf um die Umsetzung der Notenspur-Idee geführt. Beharrlichkeit nennt Werner Schneider denn auch als die unverzichtbare Grundkonstante beim Werben und Erschließen der Lebenskraft „seiner“ Notenspur. Von seiner imaginären Vorderbühne eines Botschafters des Genusses von Klangfülle ließ er sich nicht vertreiben. Musikalisch übersetzt: Auf den Resonanzboden kommt es an.

Einer Idee Klangfülle verliehen


Eine Bürgerinitiative, die engagiert hinter der Notenspur-Idee steht, gibt es seit 2005. Vier Jahre später stellte die Stadt Leipzig erstmals Mittel für die Notenspur in ihren Haushalt ein, und seit dem Jahr 2011 schwingen sich die metallenen Notenspur-Symbole auf insgesamt fünf Kilometern Wegstrecke durch den traditionsgesättigten Leipziger Straßenraum und 300 Jahre Musikgeschichte dieser einzigartigen Kulturmetropole, die ihre Qualitäten durchaus ebenbürtig mit Wien und Paris zum Klingen bringt. Zum Starttermin waren schon mehr als 100 Mitstreiter für die Notenspur aktiv.

Längst freut sich die Stadtverwaltung, dass es die Notenspur gibt und dass die Bürgerstadt Leipzig auf herausragende Akteure wie Werner Schneider zählen kann. Großes Finale also, Tusch, Verneigung vor dem Arrangeur des musikalisch-architektonisch-historischen Kunstgenusses und – Vorhang? Mitnichten. Beseelt vom Gedanken, eine zündende Idee fortzuschreiben und ihre Wirkmächtigkeit zu steigern, ersann Werner Schneider die Folgeprojekte NotenBogen (weiter nach draußen gehen und weniger spektakuläre, aber wichtige Schaffensorte der Musikkultur erkunden), NotenRad (auf Radwegen Melodie und Rhythmus von Orten der Musikgeschichte erfahren) und NotenWeg (wandernd eine Kulturspur aufnehmen, die sich überzeugend verorten lässt). Immer wieder bedarf es des besonderen Engagements von Werner Schneider, der Stadtgesellschaft und ihren zahlreichen Besuchern etwas anzubieten und zurückzugeben. Vielleicht würde er während der ganzen Zeit lieber zu Hause sitzen und entspannt klassischer Musik lauschen? Diesem Genuss frönt Werner Schneider sowieso, steckt parallel jedoch nimmermüde Energie in seine zu einem großen Kunststück verflochtenen Projekte. Denn seit 2015 gibt es zusätzlich noch die Notenspur-Nacht der Hausmusik. Sie begann mit 60 Spielstätten und über 400 Musikern. So viele Spielstätten an einem Abend? Na klar. Die Idee dahinter: Gut bürgerlich wird in vielen Leipziger Wohnungen Hausmusik gepflegt. Warum nicht zu diesen Treffen engagierter Musikliebhaber eine jeweils überschaubare Gästeschar einladen, die sich in recht kleinen, aber kultivierten privaten Räumen ebenso am Wohlklang erfreuen können?

Europaweit gehört werden


Erstmals 2018 lud darüber hinaus das
Festival Europäische Notenspuren ein. Es trägt den Gedanken der Notenspur weit nach vorn in die Konzertsäle.

Werner Schneider einen begnadeten Netzwerker zu nennen, wäre eindeutig zu wenig. Netzwerken können auch blanke Organisationstalente. Doch ambitioniert konzipierte Strukturen mit einem künstlerischen Anspruch anzureichern und ihnen einen Klang einzupflanzen – das gelingt nur wenigen. Am 13. Juni 2018 wurde das angesehene Europäische Kulturerbe-Siegel an herausragende Leipziger Institutionen verliehen. Eine der begehrten Hinweistafeln hielt Werner Schneider in seinen Händen. Wer sonst?

Für sein Engagement für das Gemeinwohl wurde er am 4. Juli 2020 mit dem Bundesverdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Den Orden überreichte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer im Auftrag des Bundespräsidenten.

Stand: 30.03.2022

Bildergalerie - Schneider, Werner

Schiller-Denkmal

Schillerstraße – Lenné-Anlage im Promenadenring | Ortsteil: Zentrum

Das vom Leipziger Bildhauer Johannes Hartmann geschaffene Schiller-Denkmal wurde anlässlich Friedrich Schillers 109. Todestags am 9. Mai 1914 in der Lenné-Anlage des Promenadenrings eingeweiht. Das marmorne Monument wurde nach klassizistischem Vorbild mit Einflüssen des Jugendstils erschaffen und zeigt auf einer hohen Stele die Büste Schillers. Zu beiden Seiten des Postaments sind zwei überlebensgroße Sockelfiguren in Form eines Mannes und einer Frau angebracht.

Von der Porträtplakette zum marmornen Denkmal am 109. Todestag


Das Leipziger Schiller-Denkmal wurde zu Ehren des über mehrere Monate in Leipzig verweilenden Dichters und dessen Schaffen errichtet. Der Einladung eines Verehrers folgend kam Friedrich Schiller erstmals am 17. April 1785 nach Leipzig. Dort bezog er zunächst in der Petersstraße, später in der Hainstraße 5 im Gasthaus
Kleines Joachimsthal Quartier, wo er 1789 nochmals mit seiner Frau wohnte. Aus diesem Grund wurden an der Fassade zwei 1859 geschaffene Kupfermedaillons mit den Bildnissen des Ehepaares angebracht. Der Verlagsbuchhändler Georg Joachim Göschen vermittelte Schiller ein Zimmer in einem Bauernhaus im Dorf Gohlis bei Leipzig. Im heutigen Schillerhaus schrieb der Dichter seine berühmte Ode „An die Freude“, arbeitete am „Don Carlos“ und am „Fiesko“. Nach seiner Abreise am 11. September 1785 besuchte Schiller Leipzig noch einige Male für kürzere Aufenthalte, so etwa 1801 und 1804. 

Obwohl Friedrich Schillers Geburtstag nach seinem Tod 1805 seit den 1840er in der Stadt als volkstümliches Fest gefeiert wurde, setzten die Leipziger dem berühmten Dichter erst verhältnismäßig spät ein Denkmal. Anlässlich seines 100. Geburtstages wurde im November 1859 auf dem Markt temporär eine Kolossalbüste auf einem hohen Postament errichtet. Gleichzeitig erhielt auch die neu angelegte Straße zwischen Universitätsstraße und Peterstor den Namen Schillerstraße. Anlässlich des 100. Todestages des Dichters ließ der Schokoladenmanufakteur Adolph Schütte-Felsche im Mai 1905 auf dem Gelände des früheren Ausflugslokals Wasserschenke in Gohlis, wo Schiller oft einzukehren pflegte, an einem Granitstein eine von Carl Seffner geschaffene Porträtplakette Schillers anbringen, welche 1975 verloren ging.

Monumente für Schiller gehörten im 19. Jahrhundert zur Standardausstattung deutscher Städte. Als Symbolfigur nationaler Einheitsbestrebungen und Lieblingsfigur des deutschen Volkes wurde Schiller lange Zeit sogar über Johann Wolfgang Goethe gestellt. Erste ernsthafte Bemühungen um ein dauerhaftes Schiller-Denkmal in Leipzig wurden im Januar 1906 durch einen Denkmalausschuss, dessen Leiter später der bekannte Leipziger Literaturhistoriker und geistige Führer des Schillervereins Georg Witkowski war, gemacht. Der hierfür in Betracht gezogene Platz vor dem Alten Theater am heutigen Goerdelerring wurde von der Stadt abgelehnt. Im November 1911 startete der Denkmalausschuss in Zusammenarbeit mit dem Leipziger Künstler-Verein einen Wettbewerb, dessen 33 eingegangene Entwürfe im April 1912 im Neuen Rathaus ausgestellt wurden. Obwohl ursprünglich ein Denkmal des jungen Schillers, als Kontrast zum Standbild Goethes, angedacht war, wurde der Entwurf des Leipziger Bildhauers Johannes Hartmann zum Sieger auserkoren. Hartmann galt als enger Vertrauter Max Klingers und wurde durch seine Mitarbeit u.a. am Neuen Rathaus, an der Deutschen Bücherei und an dem Brunnen Badendes Mädchen unter den Arkaden des Alten Rathauses bekannt. Am 3. Juli 1912 wurde auf dem ursprünglich für das Denkmal geplanten Platz am Neumarkt eine hölzerne Probefassung aufgestellt, die im März 1913 zum fertigen Monument vollendet wurde. Im Juni wurde der Standort ein weiteres Mal mit der Probefassung getestet. Die Stadt bezuschusste die noch fehlenden 20.000 Mark und trug die Kosten für die 3.270 Mark teure Fundierung, so dass einer rechtzeitigen Fertigstellung bis zum 109. Todestags Schillers am 9. Mai 1914 nichts mehr im Wege stand.

Durch Leipzigs Grün schillert Schiller…


Hartmanns Werk aus Marmor zeigt die sich nach klassizistischem Vorbild auf hoher, schmuckloser Stele befindliche streng frontal und unbekleidete Büste Schillers. Zu beiden Seiten des Postaments sind zwei überlebensgroße Sockelfiguren angebracht, links ein Mann, rechts eine Frau. Diese Ausführung erinnert an die Trabantendenkmäler aus dem 19. Jahrhundert. Die beiden Figuren stehen symbolisch für die „Erhabenheit“ und die „Tragik“, was den Betrachter zum Infragestellen des geläufigen Dichterstandbildes anhalten sollte. Beide Sockelfiguren sollen das „Ringende als zentrales Moment des dichterischen Schaffensprozesses“ verkörpern. Ihre Nacktheit zielt auf das „allgemein Menschliche ohne antikisierende Geschlechtslosigkeit“ ab. In Hartmanns ersten Entwurf für das Monument war die weibliche Figur ursprünglich von den Hüften abwärts bekleidet gewesen.

Die beiden Figuren erinnern an das Schaffen Max Klingers, während hinter den bildnerischen Intentionen das Vorbild Max Klingers und Johannes Hartmanns, der französische Bildhauer Auguste Rodin, steht. Ausgangspunkt für Hartmanns Werk waren nicht Schillers frühere Aufenthalte in Leipzig, sondern dessen über die Zeiten gerichtete strebende Idealität, welche bereits von Ernst Rietschel, dem Schöpfer des Weimarer Doppelstandbilds, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts für alle folgenden Schiller-Rezeptionen festgeschrieben wurde. Hartmann interpretierte diese in seinem Werk durch den Ausdruck schicksalsschwerer Innenschau und einer Mystifizierung Schillers. Bei der Modellierung der Gesichter sagte sich Hartmann von der vom Stuttgarter Bildhauer Johann Heinrich Dannecker geschaffenen Bildnisbüste Schillers bewusst los: Sein Denkmal in Form eines hohlwangigen Dichters brach mit dem typischen Schillerbild des 19. Jahrhunderts. Dieser vollzogene Formenwandel im Geist des Jugendstils entsprach den veränderten Vorstellungen von Literatur um 1900 und der Entwicklung vom Bild des klassischen Dichterfürsten zum Erlebnislyriker. Insofern war das Monument, damals wie heute, schwer mit der gängigen Vorstellung eines Dichtermonuments in Einklang zu bringen. Für die marmorne Ausführung des Schiller-Denkmals war wohl der langjährige Hilfsarbeiter Max Klingers, der Steinbildhauer August Schmiemann aus Plagwitz, verantwortlich.

„Pfui Teufel“: Warum sich die Leipziger über das Denkmal empörten…


Bereits am Tag nach der Denkmalweihe empörten sich einige Bürger der Stadt in einem anonymen Schreiben mit den Worten: „Ein Paar gemeinere Gestalten konnten unsere allverehrten Stadtväter unsrem edlen Schiller wohl nicht an die Seite stellen als wie den Adam und die Eva, die da nackend sich der Jugend zeigen. Pfui Teufel noch einmal.“ Trotz der Kritik blieb das Denkmal in der Promenadenanlage an der Schillerstraße in seiner Ursprungsform erhalten. Dennoch zählte es nicht wie das
Bach-Denkmal vor der Thomaskirche oder das Goethe-Denkmal auf dem Naschmarkt zu den populären Denkmälern der Stadt. Dies lässt sich zum einen mit der Tatsache begründen, dass sich Schillers Denkmal derart als Kunstwerk geriert, dessen Platz vielmehr im Museum als unter freiem Himmel zu suchen wäre. Zum anderen fehlt es vielen Bürgern inhaltlich an lokalem Bezug. Anstatt der Vorstellungen des „Leipziger Schiller“ in Form einer historisierenden Kostümstatue wurde vielmehr eine geläuterte, abgehobene „Walhalla-Idealität“ Schillers inszeniert, welche der Denkmalserwartung widersprach.

Bei dem Leipziger Schiller-Denkmal, welches zeitgleich mit dem Dresdner Schiller-Denkmal entstand, handelt es sich um eines der letzten öffentlichen Monumente, die dem Dichter zahlreich in Deutschland gesetzt wurden. Es ist außerdem das einzige Denkmal Leipzigs, welches stärkere Einflüsse des Jugendstils zeigt.

Stand: 27.09.2023

Bildergalerie - Schiller-Denkmal

Historisches Bildmaterial - Schiller-Denkmal

Sachsenbrücke (Stahlbetonbrücke)

Anton-Bruckner-Allee 50 / Clara-Zetkin-Park | Ortsteil: Zentrum-Süd

Die Sachsenbrücke vereint gemeinsam mit der Anton-Bruckner-Allee im weiteren Verlauf als autofreie Verbindung die Stadtteile Plagwitz und Schleußig mit dem Musikviertel. Sie befindet sich inmitten des Clara-Zetkin-Parks über dem Elsterflutbecken und wurde ursprünglich im Jahr 1897 für die Sächsisch-Thüringische Industrie- und Gewerbeausstellung (STIGA) errichtet. Heute dient die Brücke als beliebter Treffpunkt für Fußgänger, Radfahrer, Künstler und Musiker gleichermaßen. 

Als sächsische Truppen und Ausstellungsgänger über die Brücke strömten…


Obgleich architektonisch eher unscheinbar mit ihren drei soliden Betonbögen und ihrem blauen Geländer, gilt die Sachsenbrücke als ein Dreh- und Angelpunkt der innerstädtischen Leipziger Parklandschaft. Inmitten des Clara-Zetkin-Parks über dem Elsterflutbecken gelegen vereint sie gemeinsam mit der Anton-Bruckner-Allee im weiteren Verlauf die Stadtteile Schleußig und Plagwitz als autofreie Verbindung. 

Der Name „Sachsenbrücke“ geht auf den Wechsel der sächsischen Truppen von der Seite Napoleon Bonapartes zu den Verbündeten während der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 zurück. Diese Bezeichnung wurde erst am 7. November 1901 amtlich. Die heutige Sachsenbrücke wurde im Jahr 1897 als erstes Bauwerk für die Sächsisch-Thüringische Industrie- und Gewerbeausstellung (STIGA) errichtet. Für letztere wurden nach Plänen des Königlich Sächsischen Baurates Arwed Rossbach neun Ausstellungshallen und zehn Pavillons im heutigen Clara-Zetkin-Park errichtet. Ziel der STIGA war es, das Gelände entlang des Elsterflutbettes zu gestalten und aufzuwerten. Etwa 3.000 Aussteller präsentierten innerhalb eines halben Jahres vor rund 2,4 Millionen Gästen unzählige Innovationen jener Zeit. Nach Ende der Ausstellung wurden die ca. 300 Gebäude abgerissen – nur die Sachsenbrücke nicht. Im Zuge der geplanten Nachnutzung des Ausstellungsgeländes und nach entsprechender Umgestaltung wurde auf dem 400.000 Quadratmeter großen Areal 1898 der König-Albert-Park, ab 1955 „Clara-Zetkin-Park“, eröffnet. Die Anton-Bruckner-Allee führt heute entlang der einstigen Hauptachse vorbei an den zwei ursprünglich für die STIGA geschaffenen und noch heute erhaltenen Teichen über die Sachsenbrücke. Über diese gelangten die Besucher der STIGA einst auf das eigentliche Ausstellungsgelände mit den weitläufigen Maschinen- und Industriehallen. In ihrer heutigen Ausführung wurde die Brücke 1928 im Zuge der Verbreiterung des Elsterflutbettes als Fußgängerbrücke fertiggestellt. Dabei handelt es sich um eine Stahlbetonbrücke mit muschelkalkverkleideten Brückenköpfen, welche heute von technischer und stadtgeschichtlicher Bedeutung ist.

Bunte Vielfalt über dem Elsterflutbecken: Die Sachsenbrücke als Freizeittreff


Im Jahr 2022 wurde die Sachsenbrücke im Rahmen des vom Bündnis „Leipzig fürs Klima“ initiierten und organisierten Projektes zum Klima-Mahnmal. In diesem Zuge wurden gemäß des vom britischen Klimaforscher Ed Hawkins 2018 entwickelten Modells sogenannte „Wärmestreifen“ („Warming Stripes“) auf die Sachsenbrücke gemalt. Dieses Modell bildet anhand eines Farbspektrums – blau für kälter und rot für wärmer – die Entwicklung der globalen Durchschnittstemperatur ab. Die an den Rändern der 70 mal 6 Meter großen Streifen angemalten Jahreszahlen verdeutlichen den rasanten Temperaturanstieg zwischen 1850 und 2021 und dienen als visueller Denkanstoß für Passanten und Radfahrer. Die Anbringung der insgesamt 172 Streifen kostete rund 20.000 Euro. Nach einem Jahr waren sie jedoch bereits verblasst.

Heute ist die Sachsenbrücke ein beliebter Treffpunkt für Spaziergänger, Radfahrer und Künstler gleichermaßen. Häufig dient die Brücke für Straßenmusiker als Bühne, während Schaulustige auf der Bordsteinkante der Brücke sitzend den Klängen lauschen oder Paddlern auf dem Elsterflutbecken zuschauen. Für eine kleine Stärkung an der Brücke sorgen Eisstände und nicht selten ein Kaffeefahrrad. Unmittelbar neben der Sachsenbrücke auf der Anton-Bruckner-Allee befindet sich der sogenannte Glücksbaum – ein Kastanienbaum mit vielen kleinen, an den Ästen befestigten Wunschzetteln. In den späten Abendstunden wird die Sachsenbrücke häufig zum Treffpunkt für Leipzigs Partyszene, wobei es in der Vergangenheit nicht selten zu gewaltsamen Auseinandersetzungen und einer entsprechend hohen Polizeipräsenz kam.

Nur wenige einhundert Meter entfernt befinden sich inmitten des Clara-Zetkin-Parks zahlreiche Freizeitattraktionen, darunter der Musikpavillon, die Parkbühne und die Galopprennbahn Scheibenholz mit idyllischem Biergarten und dem Bootsverleih Scheibenholz. Im Sommer können die Gäste auf der Pferderennbahn bei den Filmnächten Freilichtkino genießen.

Stand: 27.09.2023

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Historisches Bildmaterial - Sachsenbrücke (Stahlbetonbrücke)

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