Bildlexikon Leipzig

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Tapetenwerkfest

Lützner Straße 91 | Ortsteil: Lindenau

Zweimal im Jahr öffnen die Galerien, Ateliers und Werkstätten im Tapetenwerk ihre Türen und laden Kunstinteressierte jeweils am Freitag von 17 bis 0 Uhr zum Tapetenwerkfest sowie am darauffolgenden Samstag und Sonntag zu Frühjahrs- bzw. Herbstrundgängen ein. Dies geschieht zeitgleich an den Wochenenden, an denen auch die Leipziger Baumwollspinnerei zum Rundgang – SpinnereiGalerien einlädt. Wer Kunst, Trends, Begegnungen und Geselligkeit liebt, wird diese Wochenenden in vollen Zügen genießen.

Beim Tapetenwerkfest gibt es ein buntes Programm und die Möglichkeit, bei einem Gläschen Wein mit den anwesenden Künstlern, Galeristen und Kunsthandwerkern persönlich ins Gespräch zu kommen. Fast alle Räume, Treppenhäuser und Flure sind öffentlich zugänglich und werden für die Präsentation von Kunst genutzt. Es werden hauptsächlich neue Positionen aus Kunst, Design, Fotografie, Architektur, Buchdruck und Kunsthandwerk gezeigt. Im Innenhof können sich die Besucher stärken und mit Familie und Freunden feiern und verweilen. Auch das ZWISCHENFISCH-Café und die Werkskantine haben geöffnet.

Termine für individuelle Führungen sowie Gruppenführungen bis 20 Teilnehmer können ganzjährig beim Management des Tapetenwerks angefragt werden. Regelmäßig finden in der Halle C01 Ausstellungen und Workshops statt. Die 320 qm große Halle wird besonders von jungen Kreativen als Präsentations- und Kommunikationsraum genutzt. 

Das 1873 im Stil klassischer Gründerzeitarchitektur erbaute Tapetenwerk besitzt eine Fläche von rund 4.400 qm und produzierte bis August 2006 Tapeten, Papiere und Folien. Nach der Stilllegung der Produktion und der Übernahme durch neue Inhaber entstand der heutige kreative Produktionsstandort. Das Fabrikgelände wurde behutsam saniert, so dass der Charme der alten Industriearchitektur erhalten blieb.

Am 30. April 2007 wurde das Tapetenwerk mit dem Tapetenwerkfest 1.0 eröffnet. Am 26. April 2024 fand das Tapetenwerkfest bereits zum 31. Mal statt.

Stand: 09.05.2024

Bildergalerie - Tapetenwerkfest

Tapetenwerk

Lützner Straße 91 | Ortsteil: Lindenau

Klangvolle Namen! Die ursprüngliche Leipziger Industrie, wie sie Ende des 19. Jahrhunderts entstand und kräftig expandierte, wies manche Weltmarktfabrik auf. Namen wie Bleichert, Blüthner oder Brehmer sind bis heute geläufig. Und doch waren es tausende viel kleinerer Fabriken, die eher den Alltag und das Nachfrage-Universum der Menschen erreichten. Summarisch heißen sie bis heute oft „Hinterhofbetriebe“. Das ist überhaupt nicht abschätzig gemeint, sondern beschreibt treffend ihren Standort in einer expandierenden Metropole mit einem höchst limitierten Vorrat an Gewerbeflächen. Das Tapetenwerk reiht sich geradezu prototypisch in den Kreis der nützlichen Hersteller der sagenhaften „tausend kleinen Dinge“ ein, die meist erst dann so richtig auffallen, wenn sie mal nicht sofort zur Hand sind. Gleichwohl wäre es müßig, zu erwarten, dass heutzutage noch Tapeten aus dem Tapetenwerk kommen. Wichtigster „Output“ der kräftig umgebauten Fabrik ist vor allem eine facettenreiche Industriekultur.

Am Anfang stand der Wandschmuck


Erinnern Sie sich, wie schwungvoll ABBA-Sängerin
Agnetha Fältskog in dem Video zu „One of us“ ihre neue Wohnung tapeziert? So haben es in der sehr praktisch orientierten DDR Millionen Heimwerker ebenfalls gehalten. Ob sie beim Entfernen der Verpackungshülle von jeder Tapetenrolle einen Blick auf das Etikett des Herstellers geworfen haben, weiß kein Mensch. Hätten sie es getan, wäre auf unzähligen Rollen der Herstellervermerk VEB Tapetenwerk Leipzig aufgetaucht.

Das Werksgelände mit seinen markanten Gebäuden aus der Gründerzeit existiert bis heute. Dort wird sogar der Ursprungsname hochgehalten. Aus gutem Grund.

Die Idee einer industriellen Tapetenfertigung hatten Robert und Adolf Langhammer im Jahre 1883. Lindenau gehörte zu diesem Zeitpunkt noch nicht zur Stadt Leipzig, sondern war eines der stärksten „Industriedörfer“, die sich in einem kompakten Ring rund um die noble Messestadt gruppierten und mit einer immer dichteren Skyline aus rauchenden Schloten von sich reden machten. Dörflich war damals in Lindenau allenfalls noch die Herkunft. Auftrumpfen konnte die selbstständige Gemeinde ebenso wie das benachbarte einstige Bauerndorf Plagwitz mit modernen Fabriken, in die Höhe wachsenden Wohnbauten und einer Pferdebahn, die zuverlässig nach Leipzig verkehrte. Weil es viele wagemutige Fabrikanten dorthin zog, waren die verfügbaren Grundstücke schnell belegt oder gar vergriffen.

Reizvolle, klassische Fabrikarchitektur


So auch im Falle des Tapetenwerks. Viel Fläche zum Wachsen stand nicht zur Verfügung. Die Anordnung der einzelnen Gebäude zeigte es: Vorn die bereits sehr städtische Lützner Straße, hinten eine Ladestelle an den Industriegleisen, die eine Verbindung zum Weltmarkt bahnten. Dazwischen ein schmales Areal mit länglichen Fabrikationsgebäuden, einem Kontorhaus – alles ausgeführt in Ziegelbauweise ohne viel Putz und Zierrat – und mit beengten Verkehrsflächen dazwischen, die eher Schluchten glichen.

An dieser äußeren Gestalt hat sich bis heute wenig geändert. Vorn verläuft die lebendige Lützner Straße mit ihrer Straßenbahntrasse, hinten dehnt sich das Terrain, wo einst die Industriegleise lagen und heute der Henriettenpark zum Verweilen einlädt. Die eigentliche Veränderung steckt in den Fabrikgebäuden selbst.

Dachte zu DDR-Zeiten wahrscheinlich jeder, dort würden „ewig“ Tapeten produziert, kam nach einem gewagten Neustart unter marktwirtschaftlichen Verhältnissen schließlich doch das Aus für den Produktionsbetrieb, der einmal der zweitgrößte deutsche Tapetenhersteller war. Die neue westdeutsche Eigentümerfirma wurde insolvent und riss ihre Leipziger Firmentochter mit in den Strudel der Liquidation. Das Ende des Wandschmucks aus ornamental bedrucktem, robustem Papier war gekommen.

Fast schon ein Sehnsuchtsort der Kreativen


Zwei Architektinnen verfolgten die Idee einer industriekulturellen Umgestaltung und Wiederbelebung der früheren Fabrik und kauften im Jahr 2006 die Immobilie Tapetenwerk der Treuhand-Immobiliengesellschaft ab. Sie planten einen neuen Zuschnitt der historischen Räume für einen „Produktionsbetrieb“ der unkonventionellen Ideen, wie sie nur von besonders Kreativen stammen können. Manchmal stellt das wechselnde, matrixartige Verfahren des inspirierenden Zusammenwirkens verschiedener Berufe – neudeutsch zu Co-Working verklärt – die eigentliche Innovation dar. Im Tapetenwerk heutigen Zuschnitts sind Architekten, Künstler, Handwerker, Kulturmanager, Buchgestalter und Galerien angesiedelt, und sie leben vom intensiven, gegenseitigen Austausch, von dem alle Seiten profitieren. Wert gelegt wird auf Frei-Räume. Und eine einladende Kantine mit schmackhaften Gerichten aus gesunden, regionalen Zutaten gibt es außerdem, wo der angebahnte Gedankenaustausch oft genug weitergeht. 

Bei all diesen schöpferischen Prozessen ist das Tapetenwerk beileibe kein Kokon mit interessanten Leuten, die gern unter sich bleiben wollen, ehe ein Projekt die nötige Reife erreicht hat. Das Tapetenwerk folgt im Gegenteil dem Gedanken größtmöglicher Offenheit. Dafür stehen vor allem die Galerien, und dafür stehen die Tapetenwerkfeste, die regelmäßig zu Rundgängen einladen.

Fachleute, die sich mit der Zukunft der Arbeitswelt beschäftigen, stufen das Tapetenwerk weit oben auf der Skala moderner Ideenproduktion und einer inspirierenden Nutzung historischer Fabrikanlagen ein. Auch die Stadt Leipzig verlegt Workshops, in denen der nationale und internationale Austausch über die Zukunft umbrechender Stadtquartiere und einer gesunden Mischung aus Wohnen und Gewerbe mit auswärtigen Partnern geführt wird, gern in das Tapetenwerk.

An diesem Hotspot der Industriekultur fallen Schranken – falls sie denn überhaupt existiert haben. Besucher sind herzlich willkommen, den Produzenten kreativer Ideen über die Schulter zu schauen und vor allem die Ergebnisse des zeitgenössischen künstlerischen Schaffens am authentischen Entstehungsort in Augenschein zu nehmen. Das Tapetenwerk behauptet damit einen festen Platz in der aktuellen Leipziger Kreativszene.

Stand: 09.06.2022

Stadtgeschichtliches Museum Leipzig

Markt 1 und Böttchergässchen 3 | Ortsteil: Zentrum

Es ist die Schatzkiste und das Geschichtslabor Leipzigs: das Stadtgeschichtliche Museum. Dort können Besucher Geschichte und Geschichten erleben. Von altsteinzeitlichen Siedlungsspuren bis hin zur Gegenwart gibt es anhand originaler und herausragender Objekte viel zu entdecken. Kernstück ist dabei die „gute Stube“ Leipzigs, das Alte Rathaus mit dem historischen Festsaal. Im Mai 2022 wurde dieser nach behutsamen Eingriffen in die historische Bausubstanz sowie notwendiger Modernisierung – vor allem Verbesserungen in Brandschutz und Sicherheit – neu eröffnet.

Zum Museum gehören neben der Dauerschau im Alten Rathaus das Haus Böttchergäßchen, das für Sonderausstellungen genutzt wird. Capa-Haus, Völkerschlachtdenkmal mit dem Forum 1813, Schillerhaus, Sportmuseum, die Alte Börse sowie das Museum „Zum Arabischen Coffe Baum“ sind ebenfalls als thematische Sondereinrichtungen angegliedert.

Bach-Porträt ist wichtigstes Exponat


Seit Gründung des Museums im Jahre 1909 ist das Stammhaus das Alte Rathaus. Dort wird die Historie Leipzigs sehr kompakt dargestellt. Im ersten Obergeschoss sind rund um den Festsaal und die historische Ratsstube, in der
Johann Sebastian Bach seinen Vertrag als Thomaskantor unterschrieb, viele wertvolle Originale zu sehen. Dazu gehört das Bach-Porträt von Elias Gottlob Haußmann, welches unsere Vorstellungen vom berühmtesten Thomaskantor aller Zeiten geprägt hat. Das Bild aus dem Jahre 1746 ist für das Museum wohl das wichtigste Exponat. Aufbewahrt wird der Trauring von Katharina von Bora, der Frau Martin Luthers. Der goldene Ring mit einem Rubin gehört zu den bekanntesten Devotionalien, die es von Luther und dessen Familie überhaupt noch gibt. Auch die Amtskette des Leipziger Oberbürgermeisters aus dem Jahre 1909 ist in einer extra Vitrine zu sehen. Zu besonderen Anlässen leiht der jeweilige Rathauschef sie aus, um sie zu tragen, zum Beispiel bei der Verleihung einer Ehrenbürgerschaft. Hingucker sind die Gemäldegalerien mit Fürsten- und Stadtrichterbildnissen sowie das 25 Quadratmeter große Stadtmodell, das Leipzig im Jahre 1823 detailliert darstellt. Es wurde 1823 vom Möbeltischler Johann Christoph Merzdorf im Maßstab 1:390 gefertigt.

Ausgehend vom Festsaal gelangt der Museumsbesucher in thematisch gegliederte Bereiche. Informiert wird von der frühen Besiedlung des im Kreuzungsbereich der Via Regia und Via Imperii – zweier wichtiger Fernwege – gelegenen Areals. Ansiedlungen von Kaufleuten und Handwerkern werden zur Keimzelle der späteren Stadt. Leipzig erhält zwischen 1156 und 1170 das Stadtrecht. Der Stadtbrief – ein undatiertes, handgroßes Stück Pergament – ist als Faksimile zu sehen, das Original wird im Stadtarchiv auf der Alten Messe aufbewahrt, ebenso wie die beiden von Kaiser Maximilian I. ausgestellten Messeprivilege. Informiert wird ausführlich über die Kirche und Gesellschaft im mittelalterlichen Leipzig.

Einige auf der Seite zum Naschmarkt befindliche Räume sind derzeit in Überarbeitung. Jene Räume sollen mit Unterstützung der Hieronymus-Lotter-Gesellschaft – des Freundeskreises des Museums – 2024 wieder zugänglich sein. Dort wird dann unter anderem eine ausführliche Darstellung der Entwicklung der Leipziger Messe sowie der Blütezeit Leipzigs im 18. Jahrhundert zu sehen sein. Die wertvollen Tapeten aus Krochs Hof kehren ebenfalls zurück.

Schatzkammer mit Geist der Vergangenheit


Wer Lust hat, kann in der Schatzkammer die Geheimnisse der einstigen Stadtoberen erkunden. Über 17 enge Stufen geht es in zwei kleine Räume, die förmlich den Geist der Vergangenheit atmen. Bürgermeister und Ratsherren haben dort jahrhundertelang Urkunden und Kostbarkeiten aufbewahrt. Über eine Klappe in der Ratsstube konnten sie, falls ungebetene Gäste kamen, wertvolle Dokumente unbeobachtet verschwinden lassen. Heute können Besucher dort Teile des Kramerschatzes, wie beispielsweise Pokale, Münzen, silberne und teilweise vergoldete Löffel sowie Dokumente, bewundern. Kramer sind Kleinhändler, die, im Gegensatz zu den Kaufleuten, bis Ende des 15. Jahrhunderts im in Buden und Gewölben, den so genannten Kramen, handelten.

Nach Voranmeldung für Gruppen und zu besonderen Anlässen geöffnet ist das Verlies, das vom Naschmarkt zugänglich ist. Der Schauraum im Keller mit zwei historischen Gefängniszellen sowie der Darstellung ausgewählter Kriminalfälle bietet einen Einblick ins Rechtsgeschehenen früherer Jahrhunderte. Zu sehen sind martialische Folterinstrumente wie Daumenschrauben und Fesseleisen, die von der Grausamkeit der Gerichtsbarkeit vergangener Jahrhunderte zeugen. Der Ausstellungsteil wird derzeit überarbeitet und soll 2025 neugestaltet sein.

„Moderne Zeiten“ mit unerzählten Geschichten


Im zweiten Obergeschoss geht es um die „Modernen Zeiten“. Dort können Besucher eintauchen in glückliche und tragische Zeiten, in denen sich Leipzig mit ungeheurer Dynamik zur Großstadt von europäischer Geltung entwickelt. Dabei reicht die Zeitspanne von der Industrialisierung bis zur Gegenwart.

Wer möchte, kann mit einem Tablet durch die Ausstellung laufen und dort – wie in einer Zeitmaschine – unerzählte Geschichte(n) finden. Etwa an der Statue des Arbeiterführers August Bebel, eine der zentralen Figuren der Sozialdemokratie. Doch wie hat eigentlich Unternehmerin Julie Bebel, seine Ehefrau, dies alles erlebt? Ein weiteres Beispiel ist Bruno Vogel, der Pazifist und Autor, der das bis dahin gültige Männlichkeitsideal in Frage stellte und mit „Es lebe der Krieg“ 1925 das erste deutsche Antikriegsbuch veröffentlichte. Die Besucher können nachvollziehen, wie er zur Ikone der deutschen Schwulenbewegung wurde.

Besonders spannend: Eine stilisierte Fliegerbombe an einer Tür, die mit „Bomben auf Leipzig“ beschriftet ist. Eine Gitterrost-Treppe führt auf den Dachboden. Oben leuchtet auf einer Leinwand das brennende Leipzig. Die englische Royal Air Force fliegt im Winter 1943 immer schwerere Angriffe auf deutsche Städte. In der Nacht auf den 4. Dezember trifft es Leipzig. In einer schlichten Installation wird versucht, ein pietätvolles Gedenken an das Grauen des Krieges zu schaffen.

Präsentation der Ereignisse nach 1990 wird hinterfragt


Informiert wird auch über das Leben in der DDR – etwa am Beispiel der Küche einer Neubauwohnung in Grünau. Eintauchen können die Besucher in die Zeit der
Friedlichen Revolution im Herbst 1989. Im Bereich „Boomtown“ werden hier ausgewählte Umbrüche und Aufbrüche der folgenden Jahre vorgestellt: von den Volkskammerwahlen im März 1990, Straßenumbenennungen, Sanierungen der maroden Bausubstanz, bis zum Flughafenbau. 

Die Präsentation der Ereignisse nach 1990 wird aber bereits aus der Gegenwartsperspektive hinterfragt. Gemeinsam mit dem Kunst- und Kulturverein Krudbude wird bei einer Intervention geschaut, welche und wessen Geschichten erzählt werden und was bisher keinen Platz erhält. „Das ist ein Vorgeschmack auf unsere große Sonderschau zu den 1990er Jahren in Leipzig“, kündigt Museumsdirektor Anselm Hartinger an. Nach der Neueröffnung des Museums „Zum Arabischen Coffe Baum“ im Herbst 2024 steht die Überarbeitung der „Modernen Zeiten“ an.

Sonderschau und Kindermuseum im Haus Böttchergäßchen


Der vom Leipziger Büro der Prof. Coersmeier GmbH entworfene Neubau fürs Museum, mittlerweile als
Haus Böttchergäßchen bekannt, entstand in den Jahren 2002 bis 2004. Der Viergeschosser mit einem Staffelgeschoss beherbergt Sonderausstellungen, das Kindermuseum, die Bibliothek samt Lesesaal und Fotothek, Werkstätten, Depot sowie die Verwaltung. „Kinder machen Messe“ heißt die besonders auf den Nachwuchs zugeschnittene Erlebnisausstellung zur Geschichte der Leipziger Messe. Dort können die Kinder beispielsweise exotische Waren riechen, fühlen und wiegen oder farbenfrohe Kostüme anprobieren.

Stand: 05.01.2024

Bildergalerie - Stadtgeschichtliches Museum Leipzig

Historisches Bildmaterial - Stadtgeschichtliches Museum Leipzig

Schwabe, Uwe

Bürgerrechtler, Sammlungssachbearbeiter, Vorstand Bürgerarchiv | geb. am 4. Mai 1962 in Leipzig

Sein großer Traum ist es, zur See zu fahren. Doch der bleibt ihm in der DDR verwehrt. Als junger Mann verpflichtet sich Uwe Schwabe zwar drei Jahre bei der Nationalen Volksarmee, wo er als Schlosser Flugzeuge repariert. Doch es gibt immer wieder Ärger, da er sich dem militärischen Disziplinierungssystem nicht unterordnen kann. Ihm wird bescheinigt, für den „grenzüberschreitenden Verkehr nicht geeignet“ zu sein. Er schlägt sich in verschiedenen Jobs durch und wird eines der Leipziger Gesichter der Friedlichen Revolution. Uwe Schwabe, der Ex-Bürgerrechtler, wird für seine Verdienste während der Friedlichen Revolution vielfach geehrt. Ob mit dem Bundesverdienstkreuz Erster Klasse oder der „Goldenen Henne“: Schwabe. der Vorstandsvorsitzende des Archivs Bürgerbewegung Leipzig e.V., arbeitet heute im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig.

Ohne Scheuklappen in der Jungen Gemeinde


Geboren wird er am 4. Mai 1962 in Leipzig. Er wächst mit drei Geschwistern im Leipziger Osten auf, die Mutter ist im Dreischichtsystem tätig. Zunächst lebt die Familie in Portitz, in einem Einfamilienhaus der Großmutter. Doch das ist baufällig, die Kosten sind nicht mehr zu tragen. „Es war für mich ein Schock, von der ländlichen Idylle in die Großstadt zu kommen“, erinnert er sich. Plötzlich lebt die Familie in einer Zweiraumwohnung in einem baufälligen Haus, wie überall im Leipziger Osten. Schwabe kümmert sich um die bettlägerige Großmutter, die er pflegt. Zur Schule geht er in die 16. Polytechnische Oberschule in der Konradstraße.

Zwischen 1978 und 1980 absolviert er eine Lehre zum Instandhaltungsmechaniker beim VEB Wasserversorgung und Abwasserwirtschaft Leipzig. Anschließend wird er zur Nationalen Volksarmee eingezogen. Dort lernt er Udo Hartmann kennen, der ihn mit in die Junge Gemeinde der Nikolaikirche nimmt. „Das war für mich so faszinierend, weil ich das erste Mal erlebt habe, wie Leute offen politisch ohne Scheu, ohne Scheuklappen diskutieren“, bekennt er später. Und er begegnet Christian Führer, dem engagierten Pfarrer der Nikolaikirche. „Sein Ziel war es, offene Diskussionen zuzulassen. Und er hat uns junge Leute angeregt, uns kritisch mit vielen Themen auseinandersetzen.“ Ab 1984 engagiert Uwe Schwabe sich in der Umweltgruppe der Kirche.

Eine Anzeige wegen Umweltverschmutzung


Beruflich geht der Instandhaltungsmechaniker nach der Armee zurück an die Werkbank. Zunächst bei der Wasserwirtschaft, später beim VEB Baumaschinenkombinat Süd. 1987 hat er die Nase voll. Er wird schikaniert, weil er seinen Betrieb wegen Umweltverschmutzung anzeigt. Der Grund: Ölfässer werden mitten im Naturschutzgebiet des
Kulkwitzer Sees ohne Auffangwanne einfach auf die Wiese gestellt. Er kündigt, ist arbeitslos, nimmt Jobs wie auf dem Leipziger Weihnachtsmarkt an. Schließlich wird er Pfleger im Albert-Schweitzer-Haus, einem evangelischen Pflegeheim, und kümmert sich dort um alte Menschen, die in großen Sälen mit Bett und Stuhl leben müssen.

Auch das prägt ihn, beschleunigt die Entwicklung zum Revolutionär. Er nutzt die Möglichkeiten der geistigen Freiheit, die die Nikolaikirche den jungen Leuten bietet, ohne sich zum Glauben bekehren zu lassen. 1987 gründet er schließlich eine eigenständige Initiativgruppe „Leben“, die sich auch um Menschenrechtsfragen, Fragen des Wehrersatzdienstes oder der Wehrdienstverweigerung kümmert. Er verweigert selbst den Reservistendienst, wird daher zum einfachen Soldaten degradiert. Ab 1988 beteiligt Schwabe sich an verschiedenen Demonstrationen, organisiert etwa den Pleiße-Gedenkmarsch. Im Januar 1989 ruft er anlässlich der staatlichen Liebknecht-Luxemburg-Demo zum Gegenprotest auf. Weil er Flugblätter verteilt, wird er zehn Tage lang inhaftiert. Auch beim Leipziger Straßenmusikfestival ist er dabei.

Gründungsmitglied beim Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V.


In der Zeit der Friedlichen Revolution setzt er sich für das Neue Forum ein. Einer Partei tritt der Bürgerbewegte aber nicht bei. Ihm ist es wichtig, Erinnerungsarbeit für die Friedliche Revolution zu leisten. Deshalb gründet er mit Gleichgesinnten das
Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V.. Heute ist er Vorsitzender des Vereins, der seinen Sitz im Haus der Demokratie in Connewitz hat. Seit 1994 ist Uwe Schwabe Mitarbeiter im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig. Dort ist er Sammlungssachbearbeiter, sucht gezielt nach Gegenständen für die Wechselausstellungen und macht die Fotorecherche. Besonders spannend: Er besorgt für eine Ausstellung ein selbstgeknüpftes Netz aus der Ukraine. Frauen haben es aus Stoffresten als Tarnnetz für Panzer geknüpft. „Das war sehr abenteuerlich und für mich ein emotionaler Moment.“

Schwabe ist gefragt als Zeitzeuge. „Wir sind Präsident“ – jubiliert er 2015 in Berlin. Damals wird Joachim Gauck zum Bundespräsidenten gewählt. Schwabe ist als einer der Wahlmänner dabei. „Er ist der richtige Mann für dieses Amt.“ Nach wie vor mischt sich der ehemalige Bürgerrechtler Schwabe in Debatten ein. Etwa wenn es um ein Freiheits- und Einheitsdenkmal Leipzig geht.

Mit Gleichgesinnten gründet er 1994 den Verein Europamaidan Leipzig, der Vorträge und Bildungsgebote anbietet, aber auch Psychologen unterstützt, die sich um ukrainische Flüchtlinge kümmern. Außerdem ist er aktiv im Stiftungsbeirat der Bundesstiftung Forum Recht sowie bei der Entwicklung des Forums für Freiheit und Bürgerrechte bei der Neugestaltung des Matthäikirchhofes. Geehrt wird er mehrfach, darunter 2014 mit dem Nationalpreis der Deutschen Nationalstiftung, gemeinsam mit Pfarrer Christian Führer, Pfarrer Christoph Wonneberger und dem Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V..

Stand: 13.03.2024

Bildergalerie - Schwabe, Uwe

Schinkelportal

Augustusplatz 10 | Ortsteil: Zentrum

Die Universität Leipzig kann von einer Jahrhunderte alten Geschichte erzählen. Zu dieser gehören auch die Gebäudekomplexe und -details, die sich über die Jahre immer wieder veränderten oder neue Standorte erhielten. So erging es auch dem sogenannten Schinkelportal, das am 3. August 1836 eingeweiht wurde. Seinen Namen erhielt es von Karl Friedrich Schinkel, der das Portal entwarf.

Ein Portal, vier Standorte


Um der Universität Leipzig einen neuen Glanz zu geben, wurde in den Jahren 1832 bis 1836 ein neues Hauptgebäude am Augustusplatz errichtet – das
Augusteum. Benannt wurde es nach dem sächsischen König Friedrich August I. Zuständig für den Bau war der Stadt- und Universitätsbaudirektor Albert Geutebrück, der seine Baupläne schließlich dem Baumeister Karl Friedrich Schinkel vorlegte. Inbegriffen in diese Pläne war unter anderem ein Portal am Haupteingang des Universitätskomplexes, für welches Schinkel einen Entwurf vorbereitete. Nach diesem erarbeitete der Dresdner Bildhauer Ernst Rietschel die dafür vorgesehenen Reliefplatten aus Cottaer Sandstein und zwei weibliche Figuren mit Kronen im Haar. Diese sollten die griechischen Musen Kalliope und Polyhymnia darstellen. Erstere verkörpert die Muse der epischen Dichtung und wird mit einer Schreibtafel und Griffel dargestellt. Polyhymnia bedeutet auch „die Hymnenreiche“. Sie ist die Muse der feierlichen Musik und der Hymnendichtung. Die Figuren stehen auf zwei Pfeilern, die mit den Reliefplatten versehen sind. Zwischen ihnen ist eine Balusterbrüstung. Dieser erste Entwurf wurde schließlich am 3. August 1836 eingeweiht.

Im Jahr 1897 zog das Schinkelportal um. Grund hierfür war Arwed Roßbach und seine Umgestaltung des Augusteums. Das Portal wurde zu einem Hoftor südlich neben dem Hauptgebäude der Universität. Im Zuge dieses Umzugs wurden die Öffnung vergrößert und die heute noch erhaltenen Flügelbauten als Fußgängerdurchgänge ergänzt. An diesem Platz stand es bis 1965 und überlebte weitestgehend unbeschadet den Krieg. Lediglich die Balustrade und die beiden Statuen gingen verloren. Bis zu seinem nächsten Standort wurde es im Neubaukomplex der Universität eingelagert.

Bevor das Portal im Jahr 1981, dem 200. Geburtstag von Karl Friedrich Schinkel, einen neuen Platz bekam, wurde die sogenannte Roßbachsche Fassung im Zeitraum 1979 bis 1981 restauriert. Anschließend erhielt es zwischen dem neuen Hauptgebäude und dem Seminargebäude einen neuen Standort als freistehendes Hoftor. Die weiblichen Figuren fehlten hier jedoch weiterhin.

Zurück zu alten Mustern


Seinen vierten und bisher letzten Standort fand das Schinkelportal im Jahr 2004. Hier wurde das Tor demontiert und durch den niederländischen Architekten
Erik van Egeraat in die hofseitige Fassade des Neuen Augusteums integriert. Die Portalfunktion wurde wieder aufgenommen. Somit dient das prächtige Portal heute als Übergang vom Leibnizforum in das Augusteum. Im Verlauf der Restaurierung durch den Leipziger Bildhauer Markus Gläser entstanden auch die Balustrade mit den beiden Musenfiguren neu.

Karl Friedrich Schinkel – Begründer der Denkmalpflege


Bei dem seit 1810 im preußischen Staatsdienst tätigen Schinkel handelt es sich um den bedeutendsten Architekten des Klassizismus. Durch seine klare Formensprache wirkte er weit über Preußen hinaus. Als universeller Künstler prägte er mit Entwürfen für Bühnenbilder, Wandmalerei, Bauplastik, Möbel, Stoffen etc. einen allgemein gültigen Stil, den viele seiner Schüler weiter verbreiteten und der bis etwa 1870 nachwirkte. Schinkel wurde als einer der ersten Studenten der Berliner Bauakademie in die Baukunst eingeführt. Seine Ausbildung schloss er mit einer Italienreise (1803-1805) ab. Im Jahr 1815 stieg er zum preußischen Oberbaurat und 1831 zum Oberbaudirektor auf.

Die Leipziger Architektur beeinflusste Schinkel vor allem mit dem Augusteum und dem Schinkelportal. Weiterhin fungierte Schinkel als Gutachter für das dreigeschossige fünfzehnachsige Schützenhaus (1833/34), das sich im Bereich der heutigen Wintergartenstraße befand sowie beim Entwurf für die 1834 in der Ritterstraße 12 errichtete Deutsche Buchhändlerbörse, die von 1836 bis 1888 Sitz des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler war. Schinkel gilt auch als Begründer der Denkmalpflege, denn auf sein Engagement hin verordnete der preußische König am 4. Oktober 1815 die Genehmigungspflicht für Veränderungen an öffentlichen Denkmälern und Gebäuden.

Stand: 25.04.2024

Bildergalerie - Schinkelportal

Historisches Bildmaterial - Schinkelportal

Sächsisches Apothekenmuseum

Thomaskirchhof 12 | Ortsteil: Zentrum

Selbst zu Karl May gibt es eine Verbindung. Seine Romanfigur Kara Ben Nemsi hat im Buch „Durch die Wüste“ von 1881 eine homöopathische Reiseapotheke von Willmar Schwabe dabei, mit deren Hilfe er mehrere Kranke heilt. Ob der Schriftsteller und der Apotheker sich gekannt haben, ist nicht genau belegt. Zumindest die Centralapotheke am Leipziger Thomaskirchhof kennt May. Er hat ganz in ihrer Nähe gewohnt und sich dort mit großer Wahrscheinlichkeit Anregungen geholt.

Eine solche homöopathische Hausapotheke mit ihren mehr als 200 verschiedenen Wirkstoffen ist im Sächsischen Apothekenmuseum zu sehen. Dieses ist im Haus der ehemaligen Homöopathischen Central-Apotheke untergebracht und erzählt auf rund 100 Quadratmetern Episoden aus der sächsischen Apotheken-Geschichte und der Pharmazie.

Werben für den Apothekerberuf


Die Leipziger Apotheken-Historie startet 1409 mit der
Löwen-Apotheke, der ersten in Sachsen, die von einem aus Prag eingewanderten Heilkundigen eröffnet wird. Die Centralapotheke gilt als die erste rein homöopathische Apotheke Deutschlands.

Das Sächsische Apothekenmuseum wurde am 17. Juli 1999 eröffnet. Betrieben wird es vom Sächsischen Apothekerverband, der mit der Dauerausstellung auch gezielt Nachwuchs werben will. „Das Museum richtet sich nicht nur an Fachbesucher. Schließlich hat jeder ein Verhältnis zur Apotheke, zu Medikamenten und besitzt seine Erfahrungen mit Krankheit und Therapie“, sagt Susanna Seufert, die das Museum leitet. Erklärtes Ziel sei es, möglichst vielen Menschen das Berufsbild des Apothekers nahezubringen.

Ein Buch zum „Heilen der menschlichen Blödigkeit“


Gezeigt wird, wie sich die Ansprüche an die Apotheken im Laufe der letzten 150 Jahre verändern. Zu sehen sind Apotheker-Hilfsmittel wie Zäpfchenpressen, Drogenmühlen, Pillenbretter, Waagen, Mörser, Reibschalen und Spatel oder ein Infundier-Tisch aus dem Jahr 1894, mit dem einst im städtischen
Krankenhaus St. Jacob Kräuter ausgekocht wurden. Ältestes Exemplar der Sammlung ist ein Kräuter-Buch von 1672, das Tipps zum „Heilen der menschlichen Blödigkeit“ parat hat. Das ist allerdings kein Psychiatrie-Lehrbuch. „Blödigkeit steht in jener Zeit einfach für Krankheit“, erklärt Seufert. Ein Thema ist die erste Leipziger Arzneitaxe aus dem Jahr 1669. Das ist ein für alle Apotheken der Messestadt gültiger Preiskatalog mit einem ungewöhnlich großen Angebot von 2.950 Mitteln. Die mussten die Apotheker auch vorrätig haben. Selbst heute merkwürdig anmutende Arzneimittel wie geriebenes Einhornpulver. Das wird bis ins 18. Jahrhundert hinein verkauft. Erst dann stellt sich heraus, dass es sich in Wahrheit um Narwal-Stoßzähne handelt. 

Auch ein handgeschriebenes Rezepturen-Buch gibt es. Darin sind die geheimsten Mischungen aufgelistet. Glanzstück der Ausstellung ist eine Plastik vom weisen König Salomo, die sich einst an der gleichnamigen Apotheke befand, die 1470 ihr Privileg erhielt. Die Salomoapotheke wechselte mehrmals ihren Standort. Zuletzt am Peterskirchhof 7 angesiedelt, wurde sie 1983 endgültig geschlossen.

Leipzig als Zentrum der Homöopathie


Ein Raum ist
Samuel Hahnemann, dem Erfinder der Homöopathie, sowie dem bereits erwähnten Willmar Schwabe gewidmet, der Leipzig zu einem Zentrum dieser Naturheilmethode macht. Die Museumsbesucher erfahren zudem interessante Geschichten über Persönlichkeiten wie die Leipziger Apothekerfamilie Linck, deren 1757 erbautes Sommerdomizil Lincks Gartenhaus im Hinterhof der Seeburgstraße 45 noch heute existiert. Bei Führungen und Sonderaktionen, etwa bei der Museumsnacht Leipzig-Halle, ist es auch möglich, dass Interessierte sich beim Tabletten pressen ausprobieren können.

Eine typische DDR-Apotheke


Ausgestellt sind Inventar und Arzneimittel aus der
Falken-Apotheke Leipzig von 1982, die sich in der Ernst-Thälmann-Straße 99 (heute: Eisenbahnstraße) befand. In deren ehemaligen Räumen befindet sich seit ein paar Jahren das Szenelokal Kulturapotheke Leipzig. Für die Museumsgäste wird mit der Falken-Apotheke eine typische DDR-Apotheke im Grundriss erlebbar. Gezeigt wird allerdings nicht nur der Verkaufsraum, sondern das zum Funktionieren notwendige „Hinterland“. In verschiedenen ausziehbaren Schränken sind beispielsweise Betäubungsmittel, Gifte, ätherische Öle oder Krankenpfleger-Zubehör zu sehen. Ein Highlight ist das Schaudepot mit Medikamenten der DDR und einer für die 1960er Jahre typische Einrichtung. Es gibt ein Arzneimittelbuch. Ziel ist es, alle DDR-Arzneien zu zeigen. Das ist möglich, weil aus sich auflösenden Apotheken oder dem Nachlass von Verstorbenen immer noch „Neuzugänge“ eintreffen.

Im Museum gibt es inzwischen einen Audioguide, mit dessen Hilfe interessante Episoden aus der Apothekengeschichte zu hören sind. Die reicht weit zurück: Die Pille als älteste Arzneiform ist bereits im alten Mesopotamien und im alten Ägypten bekannt. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich neue Formen und Herstellungstechniken entwickelt. Das Sächsische Apothekenmuseum bietet viel Wissenswertes rund um Tabletten, Kapseln und Dragees, um Tees, Tropfen und Tinkturen, um Salben Gele und Pflaster.

Einen Besuch wert ist auch das Restaurant Bachstüb’l im Erdgeschoss des Gebäudes, das viele Jahre unter dem Namen Centralapotheke existierte. Im Lokal befindet sich noch die Schrankwand aus dem Geschäftsraum der ehemaligen Homöopathischen Central-Apotheke.

Stand: 03.03.2024

Robert-Schumann-Denkmal

Universitätsstraße (hinter der Moritzbastei am Promenadenhügel am Roßplatz) | Ortsteil: Zentrum

Leipzig ist bekannt für die zahlreichen Musiker und Komponisten, die hier gewirkt haben. Einer von ihnen ist Robert Schumann. So kommt es nicht von ungefähr, dass in Leipzig das erste Denkmal weltweit für den berühmten Komponisten aufgestellt wurde. Eingeweiht wurde das Robert-Schumann-Denkmal am 8. April 1875 hinter der damaligen 1. Bürgerschule, die 1796 auf den Fundamenten der Moritzbastei errichtet wurde. Im Zweiten Weltkrieg fiel sie 1943 einem Bombenangriff zum Opfer.

Leben und Wirken eines begnadeten Künstlers


Der Komponist und Musikschriftsteller Robert Schumann wurde am 8. Juni 1810 in Zwickau geboren. Nachdem er im Mai 1828 für ein Studium der Rechte nach Leipzig kam, entschloss er sich schnell, sein Leben der Musik zu widmen. Einfluss darauf nahm der Musikpädagoge
Friedrich Wieck, durch welchen er auch seine spätere Frau, die Pianistin Clara Wieck, kennenlernte. In seiner Zeit in Leipzig, die bis in den Dezember 1844 reichte, gründete er die Zeitschrift „Neue Zeitschrift für Musik“, die bis heute besteht. Auch lehrte er am Konservatorium von Felix Mendelssohn Bartholdy und komponierte in dieser Zeit knapp zwei Drittel seiner Kompositionen oder führte sie erstmals auf. Ab 1833 traf er sich regelmäßig mit seinen Davidsbündlern zum Stammtisch im Lokal Zum Arabischen Coffe Baum. Später zog er nach Dresden und anschließend für seine letzte Stelle als Städtischer Musikdirektor nach Düsseldorf. Hier starb er am 29. Juli 1856 nach längerer Krankheit.

Heute wie damals das gleiche Denkmal


Knapp 20 Jahre nach seinem Tod wurde ihm zu Ehren das erste Denkmal überhaupt errichtet. Die Initiative kam dabei von einem Kunstfreund, der unbekannt bleiben wollte. Er trat unter dem Pseudonym Curt Falkenau auf. Heute ist bekannt, dass es sich um den Juristen
Philipp Curt Friedler handelte. Entworfen wurde das Denkmal vom Leipziger Architekten Bruno Leopold Grimm. Er entwarf eine übermannshohe, schlichte Säule, die nur durch einen angedeuteten Sockel gegliedert wurde. Dieser Obelisk ist vierseitig und rund drei Meter hoch. Er wurde aus grauem poliertem Syenit gefertigt. An einer Seite befindet sich ein Medaillon mit einem Durchmesser von 0,49 Metern. Heinrich Natter schuf es aus Bronze und stellte darauf den lebensgroßen Kopf Schumanns im Seitenprofil dar.

Das Denkmal wurde am 8. April 1875 eingeweiht. Knapp 100 Jahre später, im Jahr 1974, verschwand das Medaillon, das schon 1913 erstmals erneuert wurde. Aus Anlass des 125. Todestages Schumanns wurde im Jahr 1981 ein Neuguss vom Leipziger Bildhauer Rolf Nagel gefertigt. Um dem Original treu zu bleiben, nahm er bildliche Vorlagen zur Hand. Unterhalb des Medaillons ist die Inschrift „R. SCHUMANN“ zu lesen.

Das Denkmal finden Interessierte heute in den Promenadenanlagen südlich der Moritzbastei. Den Standort für das Denkmal schlug zur damaligen Zeit Otto Wittenberg vor, der in Leipzig über 40 Jahre als Ratsgärtner und Gartendirektor wirkte.

Stand: 25.04.2024

Bildergalerie - Robert-Schumann-Denkmal

Reclam-Museum

Kreuzstraße 12 / Inselstraße 20 | Ortsteil: Zentrum-Ost

Die Erfolgsgeschichte beginnt mit Faust. Nahezu jeder kennt Reclams Universal-Bibliothek, deren Ursprung in Leipzig liegt. Deshalb hat der Verein Literarisches Museum um Vereinschef Hans-Jochen Marquardt dem Verleger Anton Philipp Reclam ein eigenes Museum gewidmet. Den Grundstock dafür bildet die Privatsammlung Marquardts. Zu finden ist das kleine, aber feine Museum im Souterrain des Gebäudes Inselstraße 20 (Eingang Kreuzstraße 12). Das Haus gehört dem Schulträger Rahn Education, der dem Verein mietfrei zwei Räume bereitstellt. Zugleich hat die Schulgesellschaft eine große Regalwand gesponsert. Gleich gegenüber an der Ecke Inselstraße/Kreuzstraße liegt der frühere Gebäudekomplex des Reclam-Verlags. Im Museum werden gelegentlich Lesungen und andere Veranstaltungen angeboten. Oft ist das aus Kostengründen allerdings nicht möglich, denn ins Museum dürfen maximal 30 Personen hinein.

Reclam im Gedächtnis Leipzigs bewahren


„Unser Ziel ist es, den Namen Reclam im kulturellen Gedächtnis der Stadt Leipzig zu bewahren und zu pflegen“, sagt Marquardt. Wie lange das in einem eigenen Museum gelingt, ist offen. Der inzwischen betagte Germanist, Kleist-Forscher und Kulturwissenschaftler sucht einen Nachfolger, der das kleine Museum einmal übernimmt. Er reist zweimal die Woche aus Halle/Saale an, um es zu öffnen. Ein wenig Unterstützung gibt es vom Verein, zu dessen Mitgliedern auch der Verlag als Körperschaft gehört. Der Vereinsname knüpft an den von Reclam 1828 gegründeten Verlag Literarisches Museum an, der 1837 in Verlag Philipp Reclam jr. umbenannt wird. Derzeit laufen die Verhandlungen, die Sammlung dauerhaft in einer städtischen Einrichtung zu bewahren. 

Ein nächstes Highlight steht am 1. Oktober 2028 an. Dann jährt sich die Gründung des Verlages in der Grimmaischen Gasse 4 zum 200. Mal. Dessen erstes Domizil ist ein Haus gegenüber dem Löwenbrunnen neben dem heutigen Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig. Deshalb hat sich der Verein (24 Mitglieder in aller Welt) vorgenommen, dort eine Gedenktafel anzubringen.

Verleger Reclam gelingt Geniestreich


Es war ein Geniestreich: Der Verleger
Anton Philipp Reclam und sein Sohn Hans Heinrich Reclam haben die Neuregelung des Urheberrechts 1837 genutzt. Vom 10. November 1867 an waren Werke von Autoren, die vor dem 9. November 1837 gestorben waren, ‚gemeinfrei‘. Für die Verlage bringt dies den Vorteil, dass sie keine Tantiemen mehr zahlen müssen. Darauf hat sich Reclam akribisch vorbereitet, der mit „Faust I“ sogleich das erste Heft der künftigen Reihe in einer Auflage von 5.000 Exemplaren herausbringt. An diesem Tag legt er bereits 52 weitere Hefte vor, darunter 25 zwischen März 1865 und April 1867 gedruckte Shakespeare-Dramen. Das ist der Start für Reclams Universal-Bibliothek. Zuerst wird im März 1865 „Romeo und Julia“ (später Nr. 5 der Reihe) produziert. Vom historischen Heft 1 sind weltweit noch drei Exemplare bekannt. Eins ist in der Ausstellung des Stadtgeschichtlichen Museums im Alten Rathaus zu sehen. Bis heute sind in der Universal-Bibliothek des Verlags nahezu 30.000 Titel erschienen.

Eine Leidenschaft für das Sammeln


„Mich hat fasziniert, wie Literatur für wenig Geld weiten Teilen der Bevölkerung zugänglich gemacht wurde“, begründet Marquardt seine Sammelleidenschaft. Der Verlag hat sein früheres Stammhaus in Leipzig im März 2006 geschlossen. Nach wie vor gibt er die älteste noch existierende deutschsprachige Taschenbuchreihe heraus. Das Museum zeigt alle in Leipzig erschienenen Titel der Reihe im Wandel der Zeit. Auch die Nachfolge-Reihe steht im Museum. „Die Stuttgarter Reihe konnte ich leider nicht sammeln, da kam ich zu DDR-Zeiten einfach nicht ran“, bedauert er. Tausende Exemplare hat er aber inzwischen ebenfalls erworben. 

Marquardt besitzt sämtliche Titel der Leipziger Universal-Bibliothek von deren Gründung 1867 bis 1990 und damit deutlich mehr als die Deutsche Nationalbibliothek, die als Deutsche Bücherei erst 1913 gegründet wird und damals zunächst rückwirkend ab 1912 sammelt.

Die Sammlung Marquardts umfasst aber nicht nur die Universal-Bibliothek, sondern ist viel umfangreicher. Dazu gehören auch Zeitschriften, die Reclam einst herausgibt. Eine heißt „Leipziger Locomotive“ – ein Volksblatt für tagesgeschichtliche Unterhaltungen – und wird nach anderthalb Jahren verboten. „Ich gucke weiterhin nach wie vor nach Besonderheiten.“

Bücherautomat und Feldbücherei aus den Weltkriegen


Ein Hingucker ist der Nachbau eines Bücherautomaten, den der Reclam-Verlag der Ausstellung als Leihgabe beisteuert. Von 1912 an können Leser sich aus diesem Automaten, der auf Bahnhöfen, auf Schiffen, in Krankenhäusern oder Kasernen steht, Bücher von Reclams Universal-Bibliothek ziehen. Der Automat ist voll funktionstüchtig. Unikate wie eine Blechkassette als „Wochenendbücherei“ der 1920er-Jahre sowie tragbare Feldbüchereien aus beiden Weltkriegen sind ebenfalls zu sehen. 

Die Feldbücherei hatte fünf verschiedene Füllungen mit deutschsprachiger Literatur, Regelbücher für Karten- und Brettspiele sowie humoristische Ausgaben, um von den Schrecken des Krieges abzulenken. Erschienen sind auch Tarnschriften. Das sind Bücher, die nur wie Reclam-Hefte aussehen. Sie sind von Kriegsgegnern, beispielsweise in England, hergestellt und mit dem Flugzeug abgeworfen worden. Darin konnten die Soldaten lesen, wer schuld am Krieg war. 1936 gibt ein vermeintlicher Dr. med. Wohltat eine Anleitung fürs Vortäuschen von Krankheiten heraus, damit junge Männer schon nach der Musterung nicht zum Militär müssen. Der Verlag kann nichts dagegen machen. Es ist jedoch ein Beleg für die Berühmtheit der Reihe.

Marquardt hat viele Unikate. Darunter die handschriftliche Freigabe des Druckes von Hermann Hesse für seine Erzählung „In der alten Sonne“ sowie viele Briefe. Ebenso zu sehen: Die Festschrift zum 100. Geburtstag des Verlages, bei der Thomas Mann im Alten Theater die Festrede hält. Zu sehen ist auch eine Ausgabe mit falsch gedrucktem Sowjetstern, deren Einband ausgetauscht werden musste. Eingestampft wird das Buch des rumänischen Autors Petru Dumitriu, von dem 1960 nahezu 15.000 Hefte seines Romans „Familienschmuck“ vernichtet werden, weil er in den Westen geflohen ist. Dort erscheint der Roman ebenfalls. Die Reclamhefte liegen zu jenem Zeitpunkt bereits auslieferungsfertig da. Davon gibt es nur noch ein Exemplar – und das befindet sich im Museum. Aufdrucke wie VEB Reclam wurden nur bei zehn Ausgaben verwendet. „Der Verlag war von der Sowjetischen Militäradministration keineswegs als Kriegsverbrecher eingestuft, durfte daher nach geltendem DDR-Recht nicht enteignet werden“, erklärt Marquardt. Ernst Reclam hatte sogar eine Lizenz, hätte daher in der DDR bleiben können. 1948 geht er jedoch nach Stuttgart, um dort den Verlag Philipp Reclam jun. Stuttgart aufzubauen. Das Leipziger Unternehmen wird teilenteignet und als „Verlag mit staatlicher Beteiligung“ weitergeführt. 1992 wird der Leipziger Reclam-Verlag dann reprivatisiert.

Marquardt steckt bei den Führungen voller Geschichten, die durchaus Stoff für ein Buch bieten. „Ich werde mich aber zur DDR-Zeit nicht in einem Buch äußern, weil ich mich selbst als befangen betrachte“, erklärt er. Sein Vater Hans Marquardt hat ab 1961 viele Jahre den Reclam-Verlag geleitet. „Von ihm stammt aber keins der Hefte“, so der habilitierte Wissenschaftler, den die Sammelleidenschaft 1967 gepackt hat.“

Stand: 10.03.2024

Pleißenburg

Burgplatz | Ortsteil: Zentrum

Das Neue Rathaus ist mit seinem 114,7 Meter hohen Turm nicht mehr wegzudenken aus Leipzigs Kulisse. Dass das riesige Gebäude einer Burg ähnelt, obwohl es mitten in der Innenstadt steht, kommt nicht von ungefähr. Es wurde der ehemaligen Pleißenburg nachempfunden, die im 13. Jahrhundert an diesem Standort erbaut wurde. Ihre Geschichte ist von zahlreichen bedeutenden historischen Ereignissen geprägt.

Die Ursprünge der Pleißenburg


Die erste dort ansässige Burganlage wurde im 13. Jahrhundert von
Markgraf Dietrich von Meißen erbaut. Dieser ließ um Leipzig drei sogenannte Zwingburgen gegen die Leipziger Bürger errichten, die sich gegen die Machtübernahme des Meißner Herrschers wehrten. Eine von ihnen befand sich in südlicher Richtung und wurde zunächst „markgräfliches Schloss“ und schließlich „Pleißenburg“ genannt. Der Name führte von ihrer Lage am damaligen Pleißemühlgraben her. Es dauerte nicht lange, bis die Bürger im Jahr 1224 die Burgen stürmten. Dabei blieb nur die Pleißenburg erhalten. Später wurde sie von den sächsischen Markgrafen zur Burg ausgebaut. Die Pleißenburg war unter anderem Schauplatz der Leipziger Disputation. Hier führten der katholische Theologe Johannes Eck mit den Reformationsführern Martin Luther, Andreas Karlstadt und Philipp Melanchthon vom 27. Juni bis 15. Juli 1519 ein akademisches Streitgespräch.

Lange galt die Pleißenburg als größtes Bauwerk der Stadt Leipzig. Im Jahr 1547 wurde sie jedoch im Zuge des Schmalkaldischen Kriegs schwer beschädigt. Kurfürst Moritz von Sachsen beauftragte kurzerhand den Leipziger Bürgermeister Hieronymus Lotter zum Bauherrn. Er sollte ein neues Bauwerk errichten. Die neu gebaute Burg galt zu der damaligen Zeit als modernste Anlage, sie sollte vor Feinden und vor allem möglichen Herrschaftsübernahmen schützen.

Mehr als eine Burg


Nach ihrer Rolle als Festung diente die Pleißenburg in vielerlei Hinsicht. So wurde unter anderem ab 1764 ein Flügel von der neu gegründeten
Zeichnungs-, Mahlerey- und Architektur-Academie unter Adam Friedrich Oeser genutzt. Auch Johann Wolfgang Goethe ist hier als Schüler ein- und ausgegangen. Ihre Tradition setzt heute die Hochschule für Grafik und Buchkunst fort. Auch der Turm, der damals eine Höhe von 52 Meter maß, wurde umfunktioniert und zur Sternwarte der Universität Leipzig ausgebaut. Im 19. Jahrhundert wurden Teile der Pleißenburg als Kaserne genutzt. Neben Soldaten zogen aber in dieser Zeit auch eine Dampfbäckerei und Getreidetürme ein. Auch die katholische Kirche nutzte die Räumlichkeiten. So fand im Jahr 1831 die Christmette zu Weihnachten hier statt, bei der auch die Gebrüder Strasser, eine Gesangsgruppe aus dem Zillertal, teilnahmen. Hier gaben sie ihr zu dieser Zeit noch unbekanntes Lied „Stille Nacht, Heilige Nacht“ zum Besten. Damit begeisterten sie alle Bürger so, dass das Lied von Leipzig aus bekannt wurde.

Die Festung der Verwaltung


Nach der Reichsgründung im Jahr 1871 wuchs die Stadt schnell an. Mehr Einwohner erforderten jedoch auch eine größere Verwaltung, so dass der Entschluss gefasst wurde, das Rathaus zu vergrößern. Es wurde sich für das Grundstück der Pleißenburg entschieden, so dass diese am 21. April 1897 schließlich abgerissen wurde. Die Grundsteinlegung für das Neue Rathaus der Stadt Leipzig erfolgte am 19. Oktober 1899. Unter dem Stadtbaudirektor
Hugo Licht wurde das Neue Rathaus als eines der imposantesten Gebäude der Stadt errichtet. Es ist der alten Pleißenburg nachempfunden, jedoch ist lediglich der Turmstumpf von der alten Burg noch übriggeblieben. Am 7. Oktober 1905 wurde das Neue Rathaus eingeweiht und es erfolgte der Umzug der Verwaltung vom Alten Rathaus hierher. Das Gebäude beherbergt fast 700 Räume auf einer Grundfläche von 10.000 m². Auch im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude noch einmal teilweise zerstört. Jedoch konnten die Schäden schnell behoben werden.

Auf Teilen des Areals der ehemaligen Pleißenburg entstand nach deren Abriss um 1900 der Burgplatz. Fast 100 Jahre später, 1995, wurde dort unter dem Platz eine Tiefgarage errichtet. Zuvor gruben Archäologen die Grundmauern der Pleißenburg aus. Die später neu entstandene Plasterung des Burgplatzes markiert die Umrisse der Mauern mit dunkleren Steinen.

Vom Weinlager zur Hochzeitslocation


Im 14. Jahrhundert wurden unter der Pleißenburg Keller angelegt, die sogenannten Kasematten. Diese blieben auch nach dem Neuaufbau im 16. Jahrhundert erhalten und dienten als Lagerung für Wein. Sogar den der Bau des Neuen Rathauses überstanden die alten Kellergewölbe. Seit 2017 stellen die Kasematten einen Ort der Eheschließung dar. Jeden zweiten Freitag im Monat sind hier Zeremonien für bis zu 90 Personen möglich. Eine Ausnahme im Datum stellt das Pfingstwochenende dar, an dem jährlich das
Wave-Gotik-Treffen in Leipzig stattfindet. Um die Trauungen umsetzen zu können, wurden drei Gewölbetonnen umgerüstet. Die erste Tonne stellt die Garderobe dar, von der aus es weiter in den Trauungsbereich geht. Das dritte Gewölbe wurde mit Sanitäranlagen versehen. Alle anderen Keller blieben unverändert und wurden abgesperrt.

Stand: 16.04.2024

Philippuskirche

Aurelienstraße 54 | Ortsteil: Lindenau

Die zwischen 1907 und 1910 nach Plänen des Architekten Alfred Müller erbaute Philippuskirche befindet sich im Leipziger Stadtteil Lindenau am Karl-Heine-Kanal. Die neobarocke Fassadengestaltung mit markantem Kirchturm steht im Kontrast zum im gemäßigten Jugendstil gestalteten Innenraum. Nachdem die Philippuskirche seit 2002 gemeindlich kaum mehr genutzt wurde, wurde das Gebäudeensemble im Jahr 2012 dem Berufsbildungswerk (BBW) Leipzig zur Nutzung übertragen. Nach einer umfangreichen Umgestaltung des denkmalsgeschützten Gebäudeensembles eröffnete am 1. März 2018 in den Räumlichkeiten Leipzigs erstes Integrationshotel mit Biergarten. Der Kirchsaal wurde zu einem kulturellen, multifunktionalen Veranstaltungszentrum umfunktioniert.

Gemäßigter Jugendstil in neobarocker Hülle


Der markante, 62,5 Meter hohe Kirchturm der Philippuskirche mit neobarocker Kuppel ragt bereits von Weitem sichtbar über die Dächer des Stadtteils Lindenau und prägt diesen optisch. Nach dem starken Wachstum der Gemeinde Lindenau im Jahr 1906 gründete man im südlichen Teil die „Philippusgemeinde“. Bereits ein Jahr später wurde ein Wettbewerb zum Bau eines entsprechenden Gebäudekomplexes, bestehend aus Kirche, Pfarr- und Gemeindehaus, an der Aurelien-/ Helmholtzstraße ausgeschrieben. Den Bauzuschlag erhielt der Leipziger Architekt Alfred Müller, welcher bereits durch den Bau der Michaeliskirche bekannt wurde. Der ungewöhnliche und zugleich interessante Entwurf sah für das Gebäudeensemble einen Winkelbau vor, dessen Blickpunkt der an der Ecke platzierte, knapp 63 Meter hohe Kirchturm mit geschwungener, neobarocker Haube einnahm. Die beiden Gebäudeschenkel werden von dem rückwärtigen Gemeindehaustrakt verbunden. Trotz des auf den ersten Blick sehr massiv wirkenden Baus, erscheinen die Baumassen bei näherem Hinsehen Dank ihrer geschickten Gliederung sehr ausgewogen und harmonisch.

Gegenüber der niederländisch geprägten neobarocken Fassadengestaltung der Philippuskirche ließ Alfred Müller den Innenraum im gemäßigten Jugendstil gestalten. Eine Besonderheit stellt hier der nur äußerlich kreuzförmig erscheinende, überkuppelte Hauptraum dar. Hierbei orientierte sich Müller an der liturgischen Anordnung des Wiesbadener Programms aus dem Jahr 1891, welches einen Zentralraum forderte, in welchem sich die Gemeinde um Altar, Orgel und Kanzel herum „auf Augenhöhe“ versammelte. Die pneumatisch betriebene Jehmlich-Orgel, die Kanzel und der Altar wurden stufenförmig hintereinander angeordnet, während sich das Gestühl in halbkreisförmig ansteigenden Reihen um die liturgische Mitte gruppiert und auf gleicher Ebene wie die Kanzel und der Altar liegt. Dieser barocken Tradition entsprechend orientierte sich bereits George Bähr beim Bau der Dresdner Frauenkirche. Bei der Philippuskirche handelt es sich in Leipzig und der Region um den einzigen, nach diesem Prinzip entwickelten Sakralbau. Der reich geschmückte Innenraum der Kirche verfügt weiterhin über Messinglampen, welche sowohl mit Strom als auch mit Gas funktionieren. Nach drei Jahren Bauzeit von 1907 bis 1910 wurde die Kirche mit 730 Plätzen am 16. Oktober 1910 geweiht. Während der Kirchweihe spielte Paul Gerhardt auf der von ihm mitentwickelten Jehmlich-Orgel. Im Jahr 1999 vereinigten sich die Gemeinden der Philippuskirche und der Heilandskirche zur Kirchgemeinde Lindenau-Plagwitz. Seit 2002 fanden die Gottesdienste ausschließlich in der Heilandskirche statt.

Aus 100-jährigem Pfarrhaus wird modernes Integrationshotel


Nachdem die Philippuskirche über ein Jahrzehnt nicht mehr für Gottesdienste genutzt wurde, übertrug man das Gebäudeensemble im Jahr 2012 dem Berufsbildungswerk (BBW) Leipzig zur Nutzung. Das BBW plante für das denkmalgeschützte Gebäudeensemble eine Umgestaltung zum PHILIPPUS Leipzig Inklusionshotel mit Gastronomie und Freisitz direkt am Karl-Heine-Kanal. Die Idee dazu stammte ursprünglich aus Hamburg, wo 1993 Eltern von behinderten Kindern das Stadthaushotel in Altona gründeten. Entsprechend des „Philippus-Projektes“ begann unter der Leitung von Wolfgang Menz Anfang 2015 der Umbau der neobarocken Kirche zu einem 3-Sterne-Hotel. Ausgeführt wurde das Projekt vom Architekturbüro RKW. Ziel war es, die seit 2002 gemeindlich nicht mehr genutzte Philippuskirche zu einem multifunktionalen Veranstaltungsort umzuwandeln, ohne diese zu entweihen. Für die Umsetzung des Projektes stellte der Mitgliedsbetrieb des Diakonischen Werks insgesamt 4,2 Millionen Euro zur Verfügung, weitere 250.000 Euro wurden von der Fernsehlotterie „Aktion Mensch“ beigesteuert. Dabei handelte es sich um ein Förderprojekt der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Zu den Festangestellten sollten mindestens 40 Prozent Behinderte zählen.

Die Eröffnung von Leipzigs erstem Integrationshotel fand am 1. März 2018 statt. Zur Verfügung stehen seitdem 28 Doppel- und ein Einzelzimmer in den Kategorien „Klassik“ mit etwa 18 Quadratmetern und „Komfort“ mit circa 25 Quadratmetern mit Ausblick auf den Karl-Heine-Kanal. 28 der insgesamt 29 Räume sind barrierefrei. Zum PHILIPPUS Leipzig Inklusionshotel gehören eine Catering-Abteilung mit gastronomischer Versorgung der Hotelgäste sowie die Philippuskirche. Das neue Konzept umfasst die drei „Bs“ Beherbergung, Bewirtung und Botschaft. Teil der regelmäßig stattfindenden Veranstaltungen ist seit 2014 auch die Benefizreihe verschiedener musikalischer Stilrichtungen namens „Konzerte am Kanal“ im Kirchsaal.

Frisch gezapftes Philippus-Bräu und Flammkuchen im einstigen Kirchgarten


Um die Eingriffe in den denkmalgeschützten Bestand auf ein Minimum zu reduzieren, wurde an der Westseite des Pfarrhauses neben dem Eingang ein gläsernes Foyer mit gläsernem Außenfahrstuhl geschaffen. Im Souterrain der Kirche entstanden eine Küche, Seminar- und Besprechungsräume, während der Kirchsaal in ein kulturelles, multifunktionales Veranstaltungszentrum umgewidmet wurde, in welchem u.a. Hochzeiten, Theateraufführungen, Firmen- und Geburtstagsfeiern sowie an jedem letzten Freitag im Monat ein Gottesdienst stattfinden. Der ehemalige Gemeindesaal wurde zum Frühstücks- und Seminarraum mit unmittelbarem Gartenzugang umfunktioniert. Im Jahr 2019 waren die umfangreichen Sanierungsarbeiten im Inneren der Kirche abgeschlossen. Anschließend wurde das Ensemble mit moderner Technik ausgestattet sowie die mehr als 100 Jahre alte Jehmlich-Orgel fachmännisch überholt.

Den idyllischen Kirchgarten funktionierte man zum Philippus-Biergarten mit 40 Plätzen um. Er wird vom Inklusionshotel betrieben. Gelegen zwischen Philippuskirche und Karl-Heine-Kanal ist dieser von Donnerstag bis Sonntag geöffnet und wird in den Sommermonaten zur Kulisse von Live-Musik und Theatervorführungen. Der Freisitz ist ebenfalls barrierefrei. Neben einem kleinen Imbissangebot, darunter saisonale Speisen, Flammkuchen und Brotzeitplatten, werden verschiedene warme und kalte Getränke sowie frisch gezapftes Philippus-Bräu angeboten. Der Biergarten verfügt zudem über eine kleine Bootsanlegestelle.

Stand: 28.09.2022

Bildergalerie - Philippuskirche

Historisches Bildmaterial - Philippuskirche