Er wird geliebt und gehasst. Mit seiner Musik bewegt Richard Wagner die Menschen, als Mensch und mit seinen politischen Ansichten irritiert er sie eher. Unbestritten ist jedoch: Der Schöpfer unvergleichlicher Musikdramen wie „Tristan“ und „Parsifal“ gehört zu den größten Genies des 19. Jahrhunderts. Die Grundlagen für die Entwicklung seiner Persönlichkeit werden in Sachsen gelegt, vor allem in Leipzig und Dresden.
Eine Dauerausstellung „Der junge Wagner 1813 bis 1834“ in der Alten Nikolaischule, seinem einstigen Schulgebäude, widmet sich Jugend, Ausbildung und dem Frühwerk Wagners. In der Alten Nikolaischule befindet sich auch die Richard-Wagner-Aula. Um jene klassizistisch gestaltete Aula wurde das Gebäude der Nikolaischule 1827 erweitert. In ihr dürfte der junge Richard daher Musikunterricht gehabt haben. Möglicherweise wird dort auch sein außergewöhnliches musikalisches Talent erkannt. Die Aula ist heute der einzige authentisch erhaltene Ort der Erinnerung an das Wirken des jungen Wagners in Leipzig. Weder sein Geburtshaus am Brühl noch das Alte Theater, die Aufführungsstätte vieler Werke, gibt es noch. Getauft wird Richard Wagner in der Thomaskirche. Die Kulturstiftung Leipzig sieht die Ausstellung über den jungen Wagner als eine notwendige Ergänzung des Wagnermuseums in Bayreuth, das den Fokus auf den reifen Komponisten legt.
Stiefvater ist ein Multitalent
Geboren wird Richard am 22. Mai 1813 in Leipzig auf dem Brühl im Gasthof „Zum Roten und Weißen Löwen“. Eine 1937 von Fritz Zalisz geschaffene Gedenktafel für das Geburtshaus von Richard Wagner erinnert heute noch daran.
Sein Vater Friedrich, ein Polizeiaktuar und leidenschaftlicher Theaterliebhaber, verstirbt ein halbes Jahr nach Richards Geburt am Lazarettfieber, das er sich offenbar während der Völkerschlacht bei Leipzig zugezogen hat. Die Mutter Johanna Rosine Wagner heiratet am 28. August 1814 den Schauspieler, Lustspieldichter und Porträtmaler Ludwig Geyer. Der Stiefvater ist ein Multitalent, sichert mit Porträtaufträgen des Dresdener Hofes und des bayerischen Königs den Lebensunterhalt. Daher kann auch Johanna Rosine mit ihren sieben Kindern zu Ludwig Geyer nach Dresden ziehen.
Geyer, der auch Sänger ist, führt ein gastliches Haus. Dort verkehrt häufig der Komponist Carl Maria von Weber, der im Dezember 1816 nach Dresden berufen wird. Durch ihn wird Richard, der bis zu seinem 14. Lebensjahr den Familiennamen Geyer führt, inspiriert, die Musikerlaufbahn einzuschlagen. Vor allem der „Freischütz“ wird für ihn zum Schlüsselerlebnis. Stiefvater Ludwig Geyer stirbt schließlich am 30. September 1821. Richard kommt zunächst in die Obhut seines Onkels Karl Geyer in Eisleben. Als der nach einem Jahr wieder heiratet, geht die Zeit Richards in Eisleben zu Ende. Er wird Schüler in Dresden an der Kreuzschule. Weihnachten 1827 kehrt er mit der Mutter nach Leipzig zurück. Ab 21. Januar 1828 beginnt die Ausbildung an der Nikolaischule.
Die Dauerausstellung stellt zwar das Wirken des jungen Wagners in Leipzig in den Mittelpunkt. Es werden aber auch andere Stationen seiner Jugend beleuchtet. Bevor er als 21-jähriger Leipzig im Juli 1834 verlässt, ist er ein ausgebildeter Komponist und Dirigent, der bereits auf eine erstaunliche Zahl von Kompositionen verweisen kann.
Wagner ist ein fauler Schüler
Dabei ist Richard Wagner ein schlechter Schüler, wie er selbst in seinen Erinnerungen schreibt. „Ich verließ Dresden und die Kreuzschule, und kam nach Leipzig. Auf der dortigen Nikolaischule setzte man mich nach Tertia, nachdem ich auf der Dresdner Kreuzschule schon in Sekunda gesessen, dieser Umstand erbitterte mich so sehr, daß ich von da an alle Liebe zu den philologischen Studien fahren ließ. Ich ward faul und liederlich.“ Durch die Zurückstufung, heißt es in der Ausstellung, ist sein Verhältnis zur Nikolaischule von Anfang an gestört.
Zu Ostern des Jahres 1830 verlässt Wagner die Nikolaischule und wechselt in die Thomasschule. Auch dort wird ihm mangelndes Interesse vorgeworfen. Am 23. Februar 1831 lässt Wagner sich ohne Schulabschluss an der Universität Leipzig als „Student der Musik“ immatrikulieren. Auch dort betrachtet er die Philosophie- und Ästhetikvorlesungen meist als Nebensache.
Sein Hauptinteresse gilt in den Jahren 1828 bis 1832 musikalischen Studien sowie dem turbulenten Treiben der Studenten. Großen Einfluss haben die Gewandhauskonzerte und die Schätze der Bibliothek seines Onkels Adolf Wagner im Königshaus am Markt. Die Leipziger Unruhen von 1830 – eine Folge der Pariser Julirevolution – haben ebenfalls Auswirkungen auf die geistige und politische Entwicklung des jungen Mannes. „Mit einem Schlage wurde ich Revolutionär“, so Wagner, der sich an den durch Studenten und Handwerksgesellen ausgelösten Unruhen beteiligt.
Begeisterung für Beethoven geweckt
Im Alten Gewandhaus hört der junge Wagner das erste Mal Ludwig van Beethoven und begeistert sich ebenfalls für Wolfgang Amadeus Mozart. Vom Gewandhausmusiker Gottlieb Müller erhält er Harmonielehre, anfangs heimlich. Und manchmal geht der junge Wagner dort auch nur widerwillig hin und ist undiszipliniert. Dennoch vermittelt Müller Richard wichtige handwerkliche Grundlagen, die diesen in die Lage versetzen, eigene Musikstücke zu komponieren. Von Thomaskantor Theodor Weinlig, der seine musikalische Begabung fördert, bekommt er ab Spätsommer 1831 ein knappes halbes Jahr lang Unterricht auf dem Gebiet des Kontrapunkts. Wagner besucht zudem Garten- und Freiluftkonzerte in verschiedenen Lokalen der Leipziger Vorstädte.
Die Ausstellung will vor allem eins zeigen: Ein junger Mann hat unter sehr schwierigen Bedingungen seinen Weg gesucht und gefunden. Und stellt dabei das lange vernachlässigte Frühwerk des Komponisten in den Mittelpunkt. Ganz im Sinne des Werbeslogans „Richard ist Leipziger“. Dafür steht seit 2013 auch das Richard-Wagner-Denkmal von Stephan Balkenhol im Promenadenring. An den reiferen, erfolgreichen Künstler erinnert zusätzlich die Richard-Wagner-Büste hinter dem Opernhaus am Schwanenteich.
Die Dauerausstellung „Der junge Wagner 1813 bis 1834“ entsteht in Regie von Konzertpianist Rolf-Dieter Arens, langjähriger Rektor der Hochschule für Musik „Franz Liszt“ in Weimar. Der Leipziger Maler und Grafiker Heinz-Jürgen Böhme hat sie gestaltet und konzipiert, ebenso wie die von der Kulturstiftung Leipzig herausgegebene Begleitbroschüre. Die Schau verfügt über 13 Hörstationen, die die Stationen Wagners vertiefen und auch das Leipzig seiner Zeit aufleben lassen. Etwa das damalige Gewandhaus. Es gibt auch einen Audioguide mit Führungen in Englisch, Französisch, Russisch, Italienisch, Polnisch und Tschechisch. Die Dauerausstellung ist ebenso wie die Alte Nikolaischule Teil der Leipziger Notenspur, die auf einem Rundgang authentische Wirkungsstätten berühmter Komponisten bündelt. Sie hat fünf Tage in der Woche geöffnet und kann auch während der jährlichen Museumsnacht Halle und Leipzig besucht werden.
Stand: 06.05.2024