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Alte Handelsbörse in Leipzig

Naschmarkt 2 | Ortsteil: Zentrum

Die Alte Handelsbörse ist das älteste, noch erhaltene Versammlungsgebäude der Leipziger Kaufmannschaft und zugleich der älteste Barockbau der Stadt. Sie wurde 1678 auf Initiative Leipziger Kaufleute errichtet, diente 200 Jahre lang als repräsentativer Versammlungs- und Handelsort und wird seit 1962 für kulturelle Veranstaltungen genutzt.

Vom Holzstand zum barocken Handelshaus


Die Alte Handelsbörse befindet sich auf dem Naschmarkt, welcher vom Salzgässchen, der Grimmaischen Straße und der Westseite des Alten Rathauses begrenzt wird. Sie gehört heute zum Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig.
Leipzig blickt auf eine jahrhundertelange Handelstradition zurück und galt mit der Leipziger Messe einst als eine der bedeutendsten Metropolen des weltweiten Handels. Zahlreiche Kaufleute ließen sich in der Stadt nieder und begründeten ihren Reichtum. Einige Fernhandelskaufleute kamen aus italienischen und flandrischen Handelsstätten mit weitaus prunkvolleren Börsen als dem hölzernen Stand nahe der Alten Waage auf dem Markt. Die Leipziger Kaufleute, die auch einen großen Einfluss auf die Politik und architektonische Entwicklung hatten, fanden die heimischen Bedingungen im nach dem Dreißigjährigen Krieg stark verschuldeten Leipzig beschämend. Schließlich wurden Forderungen nach einem städtischen Versammlungsgebäude für die Abwicklung größerer Börsengeschäfte, welches mit dem europäischen Handel mithalten könne, laut. Die Initiative der 30 Handelsherren wurde vom Stadtrat am 6. Mai 1678 bewilligt und noch im selben Monat der Grundstein für die Börse gelegt. Die Entwürfe für den Bau stammten vermutlich vom Dresdner Oberlandbaumeister Johann Georg Starcke. Das zweigeschossige Gebäude wurde 1679 unter der Leitung des Ratsmaurermeisters Christian Richter errichtet und bereits vor dessen Vollendung am 13. Oktober desselben Jahres von der Kaufmannschaft genutzt. Zu diesem Zeitpunkt ließ sich noch nicht erahnen, dass hier das erste Leipziger Bauwerk im barocken Stil und nicht nach dem bisher üblichen streng geometrischen antiken Vorbild entstehen sollte.

Tauschen, wettbieten und verhandeln in internationaler Atmosphäre


Die Räumlichkeiten im Erdgeschoss wurden ab 1682 für den Messewarenhandel an auswärtige Kaufleute vermietet, während der prunkvoll ausgestaltete Börsensaal im Obergeschoss erst 1687 fertiggestellt und fortan für Wechsel- und Geldgeschäfte genutzt wurde. Die Händler tauschten bei einem „guten Umtrunk“ Informationen über Handelswege, Preise und Risiken zu Absatzmärkten aus. Die Börse diente auch als Auktionshaus zur Versteigerung von Grundstücken, Häusern und beschlagnahmten Handelswaren. Kurfürst Friedrich August I. ließ 1699 im Erdgeschoss ein Kreditinstitut nach italienischem Vorbild einer „Banco di Depositi“ einrichten, wo die Händler ihr Geld zu wechselnden Zinsen anlegen, auswärtige Währung umtauschen und Kredite aufnehmen konnten. Die Bankfunktion der Börse wurde 1706 mit der Neuordnung des sächsischen Finanzwesens durch den Kurfürsten beendet.

Nach Vollendung der mit dekorativen Blumen- und Früchtegirlanden verzierten, lichten Fassade wurde die barocke Pracht des Bauwerks erkennbar. Trotz einer zwischenzeitlichen Erweiterung der Börse 1816 durch einen Vorbau, erwies sich das Gebäude als zu klein für das stark wachsende Messeaufkommen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Deshalb wurde die Börse im selben Jahr nach Plänen der Baumeister Johann Carl Friedrich Dauthe und Friedrich Weinbrenner umgebaut, erweitert und der Vorbau wieder entfernt.
Daraufhin wurde von 1883 bis 1886 am Tröndlinring 2 die Neue Börse errichtet. Mit ihrer Fertigstellung wurde das Gebäude auf dem Naschmarkt fortan als Alte Börse bezeichnet. Durch Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg wurde die Neue Börse 1943 vollkommen zerstört und, im Gegensatz zur ebenfalls völlig ausgebrannten Alten Börse, nicht wieder aufgebaut. Dabei gingen die prunkvolle Stuckdecke des schweizerischen Baumeisters und Stuckateurs Giovanni Simonetti und die Deckenmalereien von Johann Heinrich Am Ende im prunkvollen Börsensaal unwiederbringlich verloren. Gut zwölf Jahre nach der Zerstörung begann 1955 der Wiederaufbau der Alten Börse, die 1962 in vereinfachter Form wiederhergestellt wurde. Die heutige charakteristische Farbgebung wurde 1994 ergänzt. Seitdem wird sie für kleinere Kongresse und verschiedene kulturelle Anlässe genutzt. Auch die Internationale Ostereierbörse Leipziger Eierlei findet hier seit über 25 Jahren statt.

Die Rathausfrage


Durch die zunehmenden administrativen Aufgaben infolge des starken Einwohnerwachstums Ende des 19. Jahrhunderts plante die Stadt ein neues, größeres Rathaus. 1877 beschloss der Stadtrat den Abriss der Alten Börse zugunsten eines größeren Rathauses. Aus Kostengründen wurde der Beschluss 1883 wieder verworfen. Zwischenzeitlich gab es die Idee, einen kleineren Neubau des Rathauses zu entwickeln, der mit der Alten Handelsbörse und dem Alten Rathaus verbunden werden sollte. Auch dieser Plan wurde nicht umgesetzt und die Alte Börse diente den Stadtverordneten von 1887 bis zur Fertigstellung des Neuen Rathauses 1905 als Sitzungssaal.

Wenn sich Barock und Renaissance vereinen… 



Der pavillonartige Bau der Alten Handelsbörse erstrahlt heute in historischem weißen Gewand und mit zahlreichen vergoldeten Schmuckelementen. Das Gebäude weist durch seinen streng rechteckigen Bau mit fünf Fensterachsen in der Breite und sieben Fensterachsen in der Länge charakteristische Elemente der Renaissance auf. Von dem kleinen, von einer weißen Sandsteinbalustrade umfassten Vorhof, führt eine doppelseitige Treppenanlage zum oberen Stockwerk mit dem Börsensaal. Über dem Giebel des schmalen Eingangsportals sind zwei geflügelte Knaben abgebildet, die das vergoldete Relief des Leipziger Stadtwappens tragen. Damit bekundete man früher, dass es sich um eine offizielle städtische Institution handelt.

Die Alte Handelsbörse vereint gestalterische Elemente des italienischen und niederländischen Barocks, was ihre Einmaligkeit in der Leipziger Architektur betont. Die Fensterbrüstungen der Fassaden werden von plastischen, vergoldeten Girlanden nach niederländischem Vorbild geschmückt. Der gerade Dachabschluss weist Elemente der italienischen Architektur auf. Auf den vier Ecken der umlaufenden Balustrade wurden die zwei Meter hohen Figuren der römischen Gottheiten Apollo, Venus, Merkur und Minerva platziert. Dabei handelt es sich um originalgetreue Kopien der einst vom Bildhauer Hans Caspar Sandtmann 1683 erbauten und im Zweiten Weltkrieg zerstörten Sandsteinfiguren.

Mittelalterliches Treiben zwischen jungem Goethe und Löwenbrunnen


Auf einem hohen Sockel vor der Alten Börse befindet sich das Goethe-Denkmal. Das 1903 von Carl Seffner geschaffene Bronzestandbild zeigt den jungen Johann Wolfgang von Goethe im Zeitkostüm mit kaum 20 Jahren und erinnert an seine fast dreijährige Studienzeit in Leipzig. An der Grimmaischen Straße auf dem Naschmarkt befindet sich der 1918 nach Plänen von Hugo Licht neugestaltete Löwenbrunnen. Dabei handelt es sich um den ältesten noch funktionierenden Brunnen der Stadt.
Alljährlich zur Adventszeit verwandelt sich das Areal vor der Alten Handelsbörse zum mittelalterlichen Weihnachtsmarkt „Alt Leipzig“. Dort kann man historischen Handwerkern bei der Arbeit zusehen und Leckereien wie Heurekaner und warmen Met probieren.

Bildergalerie - Alte Handelsbörse in Leipzig

Historisches Bildmaterial - Alte Handelsbörse in Leipzig

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Sophie Weinhold
Die gebürtige Leipzigerin studierte in Passau und Marseille Internationales Management und besitzt ein Faible für Fremdsprachen. Neben Englisch und Französisch spricht sie fließend spanisch und italienisch. Bereits als Zwölfjährige führte sie internationale Austauschschüler durch die Stadt und begeisterte sie für Leipzigs Geschichte und Sehenswürdigkeiten. Die Liebe zu Leipzig bestimmt nach wie vor ihre Freizeitgestaltung. Ob Museumsbesuche, Konzerte oder Fahrradtouren in die Umgebung – die kreative Lokalpatriotin findet immer ausreichend Anregungen, um darüber zu schreiben.
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