Bildlexikon Leipzig

Bosehaus

Thomaskirchhof 15-16 Ortsteil: Zentrum

Das Bosehaus zählt zu den ältesten Gebäuden am Thomaskirchhof. Georg Heinrich Boseließ es zwischen 1709 und 1711 im Stil des Barock umbauen. Bekanntheit erlangte das Bosehaus durch die freundschaftliche Nachbarschaftsbeziehung der Familie Bose und der Familie Johann Sebastian Bachs, die in der gegenüberliegenden Thomasschule lebte. Das Gebäude ist seit 1985 Sitz des Bach-Museums und des Bach-Archivs Leipzig.

Als die Dielen noch unter Johann Sebastian Bach knarzten… 


Das Bosehaus gegenüber der Thomaskirche zählt zu den schönsten erhaltenen Bürgerhäusern des frühen 18. Jahrhunderts. Das Grundstück, auf dem es steht, gehörte im 13. Jahrhundert zum Areal des Thomasklosters. Da es sich um ein kleineres Bürgerhaushandelte, wurde dem erstmals 1558 erwähnten Gebäude in der Vergangenheit nur wenig Bedeutung zuteil. Nach mehreren Besitzerwechseln ließ Peter Hofmann 1585 bis 1586 anstelle des alten Hauses ein neues errichten. Dabei entstand das Vorderhaus im Stil der Renaissance. Das Haus wurde 1709 von Georg Heinrich Bose, einem angesehen Leipziger Handelskaufmann und Besitzer einer Gold- und Silberwarenmanufaktur, zum Kaufpreis von 8.000 Talern erworben. Im Besitz der weit verzweigten Familie Bose befanden sich auch groß angelegte Barockgärten, welche zu den berühmtesten der ganzen Stadt zählten. Im Jahr 1711 ließ Bose das Gebäude durch den Maurermeister Nikolaus Rempe zu einem großzügigen Kaufmannshaus im Stil des Barock umbauen. Dabei wurden die Seitenflügel und das Hintergebäude neu errichtet. Die Fassade des Vorderhauses wurde mit einem zweigeschossigen Erker ausgebaut. Im hinteren Hofquerflügel wurde 1717 der Sommersaal als repräsentativer Festsaal mit Wandspiegeln, Musikgalerie und einem beweglichen Deckengemälde von Adam Friedrich Oeser eingerichtet. 

Das Bosehaus erlangte insbesondere durch seinen berühmten Nachbarn Johann Sebastian Bach Berühmtheit. Als Thomaskantor wohnte Bach von 1723 bis 1750 in der gegenüberliegenden Thomasschule, die 1902 abgebrochen wurde. Die Familien Bose und Bach pflegten trotz beträchtlicher sozialer Unterschiede ein freundschaftliches Nachbarschaftsverhältnis.

Eine besondere kulturhistorische Bedeutung wurde dem Gebäude unter seinem Besitzer Johann Zacharius Richter zuteil, welcher das Bosehaus 1745 erwarb. Der Schwiegersohn von Georg Heinrich Bose machte es mit der „Richterschen Sammlung“ zum Domizil einer der bedeutendsten Leipziger Kunstsammlungen. Diese umfasste ca. 400 Gemälde, darunter Werke von Rembrandt, Tizian und Rubens, etwa 1.000 Handzeichnungen sowie tausende Kupferstiche. Richters Sohn Johann Thomas Richter erweiterte die Sammlung und machtesie 1764 der Öffentlichkeit zugänglich. Zwischen 1763 und 1773 wurde das Richtersche Haus zum Treffpunkt einflussreicher Zeitgeister, darunter die „Societät von Gelehrten, Schöngeistern, Künstlern und Kunstförderern“. Zu den namhaften Besuchern der Sammlung zählten Johann Wolfgang GoetheChristoph Martin WielandJean Paul und Moses Mendelssohn. Goethe beschreibt in „Dichtung und Wahrheit“, wie sehr er von der Sammlung beeindruckt war. Nach dem Tod seines Bruders Johann Thomas übernahm Johann Friedrich Richter die Sammlung bis zu ihrer Versteigerung 1810.

Ansbacher Bierhallen im Konzert- und Künstlerhaus


Im Jahr 1859 erfuhr das Bosehaus unter seinem neuen Besitzer Johann Ludwig Beck eine umfassende bauliche Veränderung im neuen Zeitgeschmack und unter funktionellen Gesichtspunkten. Die Eingangshalle wurde für Verkaufszwecke mit zwei großen Läden zum Thomaskirchhof hin eingerichtet. Um mehr Platz für Wohnraum zu erlangen, wurde das vierte Obergeschoss hinzugefügt und das hintere Quergebäude erhielt zur Hofseite hin eine Erweiterung über alle Geschosse.

1893 eröffnete der holländische Instrumentensammler Paul de Wit im zweiten Geschoss des Vorderhauses das Musikhistorische Museum, dessen wichtigste Exponate sich heute im Besitz des GRASSI Museums für Musikinstrumente der Universität Leipzig befinden. Mit der kostbaren Sammlung rückte das Bosehaus erneut in den Fokus der Öffentlichkeit. Neben zahlreichen historischen Musikinstrumenten beherbergte das Museum Notenhandschriften, Gemälde und Briefe von Instrumentenbauern und Komponisten. Bis zu de Wits Tod 1925 war das Haus Treffpunkt für Verleger, Künstler und Instrumentenmacher.

Neben seiner Funktion als Wohnhaus und Museum wurde das Bosehaus seit den 1880er Jahren zudem als Veranstaltungsort genutzt. Es war Standort für verschiedene Gaststätten und Spielorte der leichten Muse, darunter die „Ansbacher Bierhallen“. 1910 kam das Bosehaus in den Besitz von Friedrich Wilhelm Reinhardt, dem Direktor der Riebeck-Brauerei in Reudnitz. Reinhardt etablierte in dem Haus mit großem Erfolg das „Konzert- und Künstlerhaus Oberpollinger“. Seit Mitte der 1920er Jahre traten die „Seidel-Sänger-Singspiele“ im Bosehaus auf. Von 1960 bis 1961 wurde im hinteren Quergebäude ein Anbaufür das 1954 gegründete Kabarett „Leipziger Pfeffermühle eingerichtet, welches bis 2007 hier seine Spielstätte hatte. 1973 erfolgte die Einweihung einer kleinen Bach-Gedenkstätte in der Eingangshalle des Bosehauses. Zwischen 1983 und 1985 wurde das Bosehaus unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten saniert und entsprechend der vierflügeligen Hausanlage von 1711 originalgetreu rekonstruiert. Die Umbauarbeiten wurden anlässlich Bachs 300. Geburtstags 1985 fertiggestellt. Im selben Jahr zog auch das Bach-Archiv Leipzig, welches bis dahin seinen Sitz im Gohliser Schlösschen hatte, in das Bosehaus ein und eröffnete hier das „Johann Sebastian Bach-Museum Leipzig“. Damit wurde das Bosehaus zum authentischen Ort und anschaulichen Zeugen, in dessen Gemäuern der große Komponist und Thomaskantor seinerzeit verweilte und musizierte.

Barockes Flair am Thomaskirchhof


Das Bosehaus hat mit seinem zweigeschossigen Kastenerker und der gelben Fassade das typische Aussehen eines barocken Leipziger Bürgerhauses. Über dem gewölbten Erdgeschoss befinden sich zwei Obergeschosse. Ein dreietagiges Mansarddach schließt das Haus nach oben hin ab. Über eine rundbogige Durchfahrt gelangt man in eine geschlossene geometrische Hofanlage mit Fassadenbemalung im Zeitgeist des Barock. Im einst im Stil der Renaissance entstandenen Vorderhaus befindet sich eine zweischiffige, kreuzgratgewölbte Eingangshalle mit toskanischen Säulen und einem Rundbogenportal aus Rochlitzer Porphyrtuff. Das von der Halle abgehende gewölbte Treppenhaus beherbergt eine moderne, geradläufige Treppenanlage mit Sandsteinstufen. Der Südflügel erhielt einen Durchgang zu einem kleinen Garten und zum historischen Sommersaal im zweiten Obergeschoss des Hinterhauses. Der im Stil des Barock rekonstruierte Saal wird heute von einem neuen Deckengemälde des Leipziger Malers Wolfgang Peuker geschmückt, das das verlorengegangene Oesersche Gemälde ersetzt. Angeregt von barocker Plafondmalerei zeigt es eine Allegorie mit Wolkenhimmel. Eine Besonderheit ist die Echokammer, eine Öffnung in der Saaldecke zur darüberliegenden Galerie mit Balustradengeländer. Diese kann mit Hilfe eines beweglichen Holzdeckels geöffnet und geschlossen werden und sorgt heute bei Konzerten für einzigartige Echoeffekte. Im ersten Obergeschoss des Bosehauses ist heute das Bach-Museum untergebracht, im zweiten Obergeschoss befindet sich das Bach-Archiv Leipzig.

Das alljährlich im Juni stattfindende „Bachfest Leipzig“ lockt Bachfans aus der ganzen Welt in die Musikstadt. Bei einem abwechslungsreichen Programm aus weltlichen und kirchlichen Konzerten, Open-Air-Veranstaltungen, Kammerkonzerten und Jazz-Interpretationen wird der berühmte Thomaskantor geehrt.

Bildergalerie - Bosehaus

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Sophie Weinhold
Die gebürtige Leipzigerin studierte in Passau und Marseille Internationales Management und besitzt ein Faible für Fremdsprachen. Neben Englisch und Französisch spricht sie fließend spanisch und italienisch. Bereits als Zwölfjährige führte sie internationale Austauschschüler durch die Stadt und begeisterte sie für Leipzigs Geschichte und Sehenswürdigkeiten. Die Liebe zu Leipzig bestimmt nach wie vor ihre Freizeitgestaltung. Ob Museumsbesuche, Konzerte oder Fahrradtouren in die Umgebung – die kreative Lokalpatriotin findet immer ausreichend Anregungen, um darüber zu schreiben.
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