Bildlexikon Leipzig

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Kaiser-Maximilian-Denkmal

Universitätsstraße / Städtisches Kaufhaus | Ortsteil: Zentrum

Kaiser Maximilian I. ist es zu verdanken, dass Leipzig einst das Große Messeprivileg erhielt. Ihm zu Ehren wurde 400 Jahre später, am 31. August 1897, das Kaiser-Maximilian–Denkmal in der Universitätsstraße enthüllt.

Das Messeprivileg für die Messestadt


Bis ins 15. Jahrhundert hinein war Leipzig keineswegs die einzige Stadt, die Messen abhielt. Vielmehr gab es ein gleichrangiges, mehr oder minder abgestimmtes Verhältnis der mitteldeutschen Messen untereinander. Leipzig hatte somit zunächst kein höheres Messeansehen als Erfurt, Halle oder Naumburg. Mit der Gründung der
Universität Leipzig im Jahr 1409 und der Ablösung Freibergs als Finanzzentrum stieg die Bedeutung Leipzigs gegenüber den anderen Städten. Im Sommer 1458 beschloss man wohl im Rathaus, die Gleichrangigkeit mit den anderen Messen aufzubrechen. Zum Streitthema wurde die Neujahrsmesse von Halle, die es zu konkurrieren galt. Somit kam für Leipzig zu den bekannten Frühjahrs- und Herbstmessen eine dritte Messe hinzu, die Neujahrsmesse. Nach ewigem Hin und Her sowie langem Schriftverkehr wurden im Jahr 1497 alle drei Leipziger Messen zu Reichsmessen ernannt. Auf dem Reichstag zu Worms am 20. Juli 1497 verlieh Kaiser Maximilian I. Leipzig damit das bis dahin größte Messeprivileg. Darin stand unter anderem geschrieben, dass in den benachbarten Territorien keine neuen Messen mehr errichtet werden dürfen. Dies galt auch für den halleschen Neujahrsmarkt. Nur ein paar Jahre später, 1507, sprach der Kaiser ein zweites Privileg aus. Dies besagte, dass der absolute Vorrang Leipzigs nun in allen Bezirken im Umkreis von ca. 120 Kilometer galt. Das sogenannte Stapelrecht verpflichtete die Händler dazu, ihre Ware zuerst in Leipzig anzubieten. So wurden Konkurrenten wie Magdeburg und Erfurt ausgeschaltet. 

Dieser Monopolstellung verdankte Leipzig einen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Aufschwung. Auch stärkte das die Stadt als wissenschaftlichen Standort.

Der Papst Leo X. bestätigte schließlich 1514 das Reichsmesseprivileg.

Das Städtische Kaufhaus als erstes Haus der Mustermesse


Einige hundert Jahre dauerte dieser Aufschwung an. Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelten sich jedoch die Warenmessen mehr und mehr zu Mustermessen. Die Leipziger erkannten früh den Trend und die Geburtsstunde des
Städtischen Kaufhauses war gekommen. Der neue Messepalast wurde zwischen 1893 und 1901 auf dem Areal zwischen Neumarkt, Kupfergasse, Universitätsstraße und Gewandgässchen in drei Abschnitten gebaut. Bauherr war die Stadt Leipzig. Der erste Bauabschnitt widmete sich der barocken Stadtbibliothek am Gewandgässchen. Die Inbetriebnahme dieser Messeräume begann zur Michaelismesse 1894 und diente als Pilotprojekt der neuen Messeform – der Mustermesse. Die erste offizielle Mustermesse fand dann im März 1895 statt. Das positive Ergebnis führte schließlich zu einem weiteren Umbau. So begann der Abbruch des Zeughausflügels des Gewandhauses und der Umbau wurde schließlich durch den dritten Bauabschnitt am Neumarkt 1901 fertiggestellt. Damit vollzog sich der Schritt von der traditionellen Warenmesse zur zukunftsträchtigen Mustermesse, deren erstes zuhause in Leipzig das Städtische Kaufhaus war. Das neue Messehaus folgte dem Prinzip des Zwangsrundgangs. Die Messebesucher mussten dem Rundgang folgen und waren so gezwungen, an allen Händlern vorbeizugehen. 

Die Gestaltung der Fassade geschah in Anlehnung an die Barockfassade der Stadtbibliothek. Neobarocke Formen waren im Wechsel von Putzflächen und hellen Sandsteinelementen zu sehen. Die Entwürfe kamen dabei von den Architekten des Leipziger Hochbauamts Rayher, Korber und Möller.

Des Kaisers neues Denkmal


Das wohl wichtigste Detail der Fassade findet sich in der Universitätsstraße, an der Ostseite des Städtischen Kaufhauses. Mittig der Vorderseite eines hervorspringenden Gebäudeteils ist ein dreigeschossiges Denkmalensemble zu sehen. Über der Toreinfahrt ist zwischen den beiden Fenstern des ersten Geschosses eine gekuppelte Rundnische eingelassen. Hier steht das übermenschlich große Standbild des Kaisers Maximilian I. Auf der Höhe des zweiten Obergeschosses ist eine schlichte Stuckkartusche zu sehen, die die Inschrift „Erbaut 1895 und 1896 unter König Albert 400 Jahre nach der Bestätigung der Leipziger Messen durch Kaiser Max“ trägt. In der dritten Etage, unter dem Traufgesims, befindet sich eine hochovale Wandnische mit einer betongegossenen Konsolbüste des Merkur, dem Gott des Handels. Der Gebäudeteil schließt nach oben mit einem geschweiften Segmentbogengiebel ab. 

Das Hauptstück und Blickfang dieses Arrangements ist die am 31. August 1897 enthüllte Kaiserstatue aus Bronze. Dass der Leipziger Bildhauer Carl Seffner Bronze für seinen Entwurf verwendete, war zu der Zeit von Stein- und Stuckfiguren eher ungewöhnlich. Gefertigt wurde die Statue von der Dresdner Glocken- und Kunstgießerei Albert Bierling. 

Kaiser Maximilian wurde entsprechend der Mode der Zeit in eleganter Renaissancerüstung abgebildet. Er trägt einen charakteristisch kurzen Waffenrock und dazu ein schräg sitzendes Barett. Seine Brust ziert eine Kette mit dem Zeichen des Ordens vom Goldenen Vlies, dessen Souverän er war. In seiner Rechten trägt er ein zusammengerolltes, gesiegeltes Dokument, vermutlich das Messeprivileg. Seine linke Hand ruht auf dem Schwert. Mit einem leicht überheblichen Blick und hängenden Mundwinkeln blickt er auf das Treiben unter ihm. Ihm zu Füßen ist die Inschrift „Kaiser Maximilian I. / Carl Seffner 1897“ zu lesen. Diese wurde nachträglich im Jahr 1997 angebracht. Im Jahr 1989, nachdem die Statue alle Bombenangriffe und jegliche Gefahren überlebte, wurde sie zu Restaurierungszwecken abgenommen und kehrte 1995 nach einem kurzen Zwischenstopp in Wien wieder an ihren Platz zurück.

Der letzte Ritter


Kaiser Maximilian I. stammte aus dem Hause Habsburg und wurde am 22. März 1459 in der Wiener Neustadt geboren. Als einziger Erbe von Kaiser Friedrich III. heiratete er 1477 Maria von Burgund. Im Jahre 1486 wird er zunächst römisch-deutscher König, bevor er 1493 die Regentschaft seines Vaters übernahm. 1508 wurde er schließlich zum römisch-deutschen Kaiser ausgerufen.
Durch seine Vorliebe für Turniere trug er den Beinamen „der letzte Ritter“. Während er Innsbruck zu seinem bevorzugten Aufenthalt erklärte, hatte er Leipzig vermutlich nie gesehen. Kaiser Maximilian I. verstarb am 12. Januar 1519 in Wels auf einer Durchreise von Innsbruck nach Linz. 

Stand: 10.01.2024

Bildergalerie - Kaiser-Maximilian-Denkmal

Historisches Bildmaterial - Kaiser-Maximilian-Denkmal

Johanniskirche und Bach-Gellert-Gruft

Johannisplatz | Ortsteil: Zentrum-Südost

Im Frühling ist es besonders reizvoll. Dann blühen die japanischen Kirschblüten auf der Spitze des Johannisplatzes, an der sich die Prager Straße und die Dresdner Straße teilen. Diese Grünfläche ist ein besonderer Ort. Einst stand hier die Johanniskirche, die beim Bombenangriff auf Leipzig am 4. Dezember 1943 ausbrannte. Ihre Geschichte reicht bis zum Jahr 1305 zurück. Sie wird mehrmals umgebaut, das seit 1585 bestehende spätgotische Kirchenschiff durch einen Neubau im Stil des Neobarocks ersetzt. Das passiert in den Jahren zwischen 1894 und 1897. Das Besondere: Es wird eigens eine Gruft mit zwei Sarkophagen geschaffen, in der seit 1900 die sterblichen Überreste von Johann Sebastian Bach und Christian Fürchtegott Gellert ruhen. Die Entwürfe dafür stammen vom Hamburger Architekten Fritz Schumacher. Gefertigt werden sie aus französischem Kalkstein. 

Der bauliche Zustand der Gruft lässt allerdings schon kurz nach der Einweihung zu wünschen übrig. Deshalb muss sie bereits zum Bachfest 1928 instandgesetzt werden. Sie wird an die Neue Bach-Gesellschaft übergeben. Damals entstehen farbliche Ornamente an den Wänden. Mit dem Abbruch der Reste der Johanniskirche verschwindet auch die Gruft.

Pläne für ein Bach-Mausoleum scheitern


Bei Aufräumarbeiten nach dem Bombenangriff sind die Reste des Gotteshauses wohl an Ort und Stelle in der Erde verfüllt worden. Der barocke Turm bleibt allerdings stehen, wird 1956 restauriert. Es gibt sogar einen Gestaltungswettbewerb. Er sollte zunächst Teil eines geplanten Bach-Mausoleums werden. Doch die Pläne werden zu den Akten gelegt. Der Turm wird von den SED-Parteifunktionären als „hohler Zahn“ diffamiert und am 9. Mai 1963 endgültig gesprengt. Bachs Gebeine sind bereits am 28. Juli 1949 in die
Thomaskirche gebracht worden. Dort befindet sich das Bach-Grab heute noch. Gellert, der zunächst in die am 30. Mai 1968 ebenfalls gesprengte Universitätskirche St. Pauli verbracht wird, ist inzwischen auf dem Südfriedhof beigesetzt. Die Kanzel des Gotteshauses ist im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig ausgestellt. Nach dem Abriss der Kirche wird ein 80 Zentimeter dicker Mutterboden auf dem Schutt aufgebracht – es entsteht die heutige Grünfläche. 

Die Bach-Gellert-Gruft liegt noch immer verschüttet unter ihr. Das hat der Verein Johanniskirchturm nachgewiesen, der bei einer Probegrabung im November 2014 zumindest einen Teil ans Licht holt. Bereits im Oktober 2010 initiiert der Verein geoelektrische Messungen, um Lage und Zustand der Gruft näher zu erkunden. Bei der Grabung wird der gesamte Gruftbereich freigelegt. Seitdem ist klar: Die Umfassungsmauern sind erhalten geblieben. An den Wänden befinden sich nach wie vor im oberen Bereich Ornamente. „Soli-Deo-Gloria“ – „Gott allein zur Ehre“ ist noch an der Wand zu lesen. Auch der Fußboden, bestehend aus roten und blauen Fliesen, ist größtenteils noch original vorhanden. Es ist deutlich zu sehen, an welcher Stelle die beiden Sarkophage einst standen. Von ihnen sind allerdings nur noch Steinsplitter gefunden worden. Im Bauschutt liegen auch Reste der Säulen der Kirche. Ihre ursprüngliche Pracht lässt sich nach der Freilegung zumindest erahnen. Die Gruft ist vermessen und fotografisch dokumentiert, aber längst wieder unter der Erde verschwunden. Alles ist jedoch so weit vorbereitet, sie mit geringem Aufwand wieder zu öffnen.

Johannisplatz verliert städtebauliche Funktion


Mit der Sprengung im Mai 1963 hört die städtebauliche Einheit von Johanniskirche und
Grassimuseum auf zu existieren. Der Johannisplatz verliert seine ursprüngliche Funktion. Die Beseitigung des Johanniskirchturms ist der Auftakt für eine Reihe von Sprengungen, denen auch das Augusteum der Universität Leipzig und die Universitätskirche zum Opfer fallen. Vor der Kirche stand einst das Luther-Melanchthon-Denkmal, das allerdings schon Anfang 1943 als Metallspende für den Krieg demontiert und eingeschmolzen wurde.

Erläuterungstafeln am Sockel der Grünfläche


Auf dem Johannisplatz wird inzwischen an die Kirche sowie das geschichtsträchtige Areal, das als Eingang zur Ostvorstadt gilt, erinnert. Ein marode gewordenes Holzkreuz aus dem Jahr 1993, das an die Zerstörung der Johanniskirche in der Bombennacht vom 3. zum 4. Dezember 1943 erinnerte, wurde 2013 durch ein neues Kreuz ersetzt, das aus Eichenholz gefertigt wurde. Das rund 4 Meter hohe Kreuz markiert den Standort des ehemaligen Kirchturms. Auf dem Querbalken wurde der Schriftzug „Zur Erinnerung“ angebracht.

Weiterhin sind das ehemalige Grab von Johann Sebastian Bach und seiner Frau Anna Magdalena Bach sowie die spätere Gruft markiert, indem im Jahr 2016 am Steinsockel an der Grünfläche Erläuterungstafeln aus Bronze angebracht wurden. Geschaffen wurden sie vom Leipziger Bildgestalter Heinz-Jürgen Böhme. Der Verein Johanneskirchturm bemüht sich seit seiner Gründung in geeigneter Form an die Johanniskirche zu erinnern. Der Verein hofft, dass Leipzig die Bach-Gellert-Gruft eines Tages wieder freilegt und die Stadt dadurch einen besonderen touristischen und historisch wichtigen Anziehungspunkt erhält.

Stand: 10.01.2024

Bildergalerie - Johanniskirche und Bach-Gellert-Gruft

Hartinger, Anselm

Musikwissenschaftler, Historiker, Museumsleiter | geb. am 6. Juni 1971 in Leipzig

Bei besonderen Anlässen dichtet er sogar: Für die Eröffnung eines barrierefreien Zugangs zum Forum 1813 sowie zu den Servicebereichen Kasse und Shop am Völkerschlachtdenkmal hat Anselm Hartinger Friedrich Schillers Glocke in „Die Rampe“ umgedichtet und vorgetragen. Das passt zu seinem Credo: „Museum darf gern auch Spaß machen.“ Der Direktor des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig, zu dem auch das Völkerschlachtdenkmal als eine von sieben Institutionen gehört, steckt voller Ideen und Herzblut, um den Besuchern die reichhaltige Geschichte seiner Heimatstadt nahezubringen. Der gebürtige Leipziger hat einfach Spaß und Lust, seine Gäste zu inspirieren. Und schreibt auch gern Limericks.

Am 6. Juni 1971 wird er als Sohn der Literaturwissenschaftler Christel und Walfried Hartinger geboren, die an der Karl-Marx-Universität (heute Universität Leipzig) lehren. Er besucht die Leibnizschule und macht sein Abitur auf der Thomasschule, wo sich die Liebe des späteren Musikwissenschaftlers zu Johann Sebastian Bach festigt. Und wo er versucht, die Thomaner beim Fußballspielen zu besiegen.

Eine große Liebe zu Bach


An der Universität Leipzig studiert er Mittlere und Neue Geschichte sowie Historische Musikwissenschaft und einige Semester Philosophie. In den 1990er Jahren wohnt er in
Connewitz, in der Nähe der Kultkneipe Frau Krause und jobbt auch in der Connewitzer Verlagsbuchhandlung. Mit einer Arbeit über die Bach-Aufführungen und den Strukturwandel im Leipziger Kultur- und Musikleben in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts promoviert er. Seinen ersten Job bekommt er als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bach-Archiv Leipzig und ist auch für die Neukonzeption des Bachmuseums Eisenach verantwortlich. Als Dozent zieht es ihn 2006 nach Basel an die Schola Cantorum Basiliensis. 

Nach wie vor ist der bekennende Weinliebhaber mit der Schweiz sehr verbunden, hat gelegentlich Sehnsucht nach den Bergen. Er begleitet als musikwissenschaftlicher Berater die J.S. Bach-Stiftung, die in St. Gallen beheimatet ist. 2024 will er eine „Ratswahlkantate“ texten, so wie sie einst Bach komponiert haben könnte. Der Thomaskantor hat jedes Jahr zum Bartholomäustag im August eine Festmusik für den Leipziger Rat vertont. Die hypothetische Version, für die Hartinger das Libretto verfasst, wird zu den Bachtagen 2024 in St. Gallen aufgeführt. „Ich bemühe mich, die Bachwelten in Leipzig und der Schweiz zu verknüpfen.“ Er spielt Cembalo und Orgel, singt und leitet eine Zeitlang einen gemischten Chor in Engelsdorf. Viel Freude hat er einst auch beim Thomasius Consort. „Dieses Ensemble entsteht, weil ich damals in der Thomasiusstraße wohnte“, blickt er zurück. Konzerte spielte er damals beispielsweise gemeinsam mit dem heutigen Bachfest-Intendanten Michael Maul.

2012 zieht es ihn als Kurator an das Landesmuseum Württemberg in Stuttgart, wo er bis 2014 die Sammlung historischer Musikinstrumente betreut. „Wir haben ein Haus der Musik daraus gemacht.“ Danach geht er für viereinhalb Jahre in die thüringische Landeshauptstadt, wo er die Geschichtsmuseen Erfurt leitet. Doch dann kehrt er als Nachfolger von Volker Rodekamp nach Leipzig zurück, wird im April 2019 Direktor des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig

„Wir haben den Mut, uns auf einen Weg zu begeben, dessen Ende wir noch nicht kennen“, sagte Hartinger damals. Ziel sei es, das Museum bürgernäher, pluraler und attraktiver für die unterschiedlichsten Zielgruppen zu machen. Da ist das Museum inzwischen auf einem guten Weg, es wird viel mehr draußen für die Stadtgesellschaft angeboten. „Museum on tour“ – die Präsenz mit einem Lastenfahrrad und Objekten bei Stadtteilfesten ist ein Beispiel dafür. Es gibt inzwischen mehr Vorträge und Begegnungen. „Bei der Vorbereitung von Ausstellungen arbeiten wir viel mehr mit Experten aus der Bürgerschaft zusammen“, betont Hartinger. 

„… oder kann das weg?“ wird ein Projekt genannt, bei dem Sammelobjekte wie Napoleons Nachttopf, Walter Ulbrichts Küchenstuhl und Tante Martas Taufkleid, die das Tageslicht seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen haben, gezeigt werden. In vergnüglicher Weise wird in einer Ausstellung die Frage gestellt, warum Museen sammeln und worin die einzigartige Aura und Relevanz auch scheinbar alltäglichster Objekte liegen kann. Gezeigt werden auch Objekte, die dem Museum geschenkt werden – etwa in der Schau „Ehrenplatz“, bei der es um das Sportmuseum Leipzig geht. Einen Besucherbeirat gibt es auch.

Ein kritisches Nachdenken über Leipzig


Das
Schillerhaus, die Literatur-Gedenkstätte in Gohlis, ist inzwischen neu konzipiert und wird als Nachbarschaftsmuseum in Kooperation mit dem Bürgerverein Gohlis zum Begegnungsort weiterentwickelt. „Mir ist wichtig, immer wieder kritisch darüber nachzudenken, was Leipzig eigentlich ausmacht“, betont der Museumschef. Sein Ziel ist, Leipzig unter aktuellen Gesichtspunkten zu befragen. Ob Klimawandel, die Geschichte der Kohle oder die spannenden Umbrüche in den 1990er Jahren – Themen gibt es dafür zuhauf. Dabei will Hartinger möglichst unterschiedliche Perspektiven zulassen. 

Daneben ist Hartinger auch Bauherr. Etwa im Museum „Zum Arabischen Coffee Baum“, das im Herbst 2024 wiederöffnet wird. Oder im Sportmuseum, das dringend eine Dauerschau braucht. Dieses Problem wollen Hartinger und sein Team in diesem Jahrzehnt endlich lösen.

Anselm Hartinger ist auch Geschäftsführer der Stiftung Völkerschlachtdenkmal. Nach der grundhaften Sanierung des Völkerschlachtdenkmals bleibt die Herausforderung, die Bausubstanz sowie die technischen Anlagen dauerhaft zu erhalten. Dafür sind weiterhin viele Investitionen und Reparaturen nötig. Ziel ist auch, das Denkmal inhaltlich als Magnet für Touristen weiterzuentwickeln sowie die Erinnerung an die grausame Völkerschlacht bei Leipzig auf eine modernere Art und Weise wachzuhalten. So soll das Forum 1813 weiter entwickelt werden, es viel mehr Vorträge und Veranstaltungen geben.

Wenig Zeit für eigene Forschungen


Hartinger hat viele Fachbeiträge, Bücher und Artikel verfasst. Dazu gehört das 2005 erstmals in der Edition Leipzig erschienene Buch „Bach, Mendelssohn und Schumann“. Die Arbeit als Wissenschaftler ruht derzeit. „Für grundhafte, eigene Forschung habe ich momentan kaum noch Zeit“, sagt Hartinger. Als Direktor müsse er „seine Museen“ repräsentieren und inhaltlich mit seinem Team weiterentwickeln. „Das Spektrum der Themen im Stadtgeschichtlichen Museum ist riesig. Da kann ich nicht überall Experte sein. Aber ich kann mich bemühen, alle Themen zu durchdringen und mein Team bei den Forschungen unterstützen.“ Er konzentriere sich da eher auf konzeptionelle Arbeit, auch im Deutschen Museumsbund.

Stand: 10.01.2024

Bildergalerie - Hartinger, Anselm

Girardet, Georg

Jurist, ehemaliger Bürgermeister und Beigeordneter für Kultur der Stadt Leipzig | geb. am 7. September 1942 in Kempten

Er ist ein Gentleman: 17 Jahre steht Georg Girardet an der Spitze der Leipziger Kultur und prägt das Kulturleben in einer durchaus wilden Zeit, in der viele Entscheidungen getroffen und Probleme gelöst werden müssen. Während seiner aktiven Jahre im Leipziger Neuen Rathaus hat Girardet fast eine halbe Milliarde Euro in diversen Kultureinrichtungen verbaut. Der Neubau des Museums der bildenden Künste Leipzig, die Sanierung des Grassimuseums sowie der Ausbau des Zoo Leipzig sind nur wenige Beispiele. 

Girardet ist keiner, der sich zurücklehnt. „Es macht mir Spaß, nützlich zu sein“, ist eine seiner Devisen, die auch im Ruhestand noch gilt. Er lebt in Leipzig und Berlin. Und ist bei vielen Veranstaltungen an der Pleiße nach wie vor präsent. Bei einer Verabredung trifft er sich gern im Café Gloria, dem Café des Bach-Archivs, damit diesem der Erlös zugute kommt. Zum Bach-Liebhaber ist er erst in Leipzig geworden.

Als „DDR-Analphabet“ in Ost-Berlin


Georg Girardet wird am 7. September 1942 in Kempten im Allgäu geboren. Er ist der Sohn einer Essener Verleger-Dynastie und beginnt nach dem Abitur ein Jurastudium, dem die Promotion folgt. Der junge Mann wird Referent für Berufsbildung im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft (1973 bis 1977), danach Referent sowie später Kulturreferent in der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in der DDR in Ost-Berlin. Damit verbunden war für ihn ein intensiver Lernprozess, denn anfangs fühlte er sich als „DDR-Analphabet“. Seine Mutter übernimmt 1953 eine Hilfsorganisation „Der Helferbund“, die bis Mitte der 1980er Jahre Pakete mit Kleidung und Lebensmitteln an Familien in der DDR schickt. Mit zwölf Jahren beginnt er selbst einer Familie zu helfen.

Als erfindungsreicher Diplomat schafft er es in seiner Zeit bei der Ständigen Vertretung, die Mauer für die Kunst und die Künstler ein wenig zu durchlöchern. Das Gartenhaus in Ost-Berlin wird zu einem Treffpunkt für Kulturschaffende und Interessierte. Girardet hilft Künstlern, indem er sie mit Katalogen und Büchern von Kunstverlagen versorgt oder auch mal ihre Werke an Galerien und Museen im Westen vermittelt. Das ist sowohl aus Ost- als auch West-Perspektive illegal. Der Kulturreferent schmuggelt mit seinem Diplomatenausweis und seinem Volvo-Kombi mit Diplomatenkennzeichen Kunst in beide Richtungen über die Grenze am Übergang Invalidenstraße. Nie aus Eigennutz, wie er betont.

Rettung des Dokfilm-Festivals wird erste Mission in Leipzig


1985 wechselt er in den Westberliner Senat. Dort übernimmt er beispielsweise die Referatsleitung für die 750-Jahr-Feier 1987 sowie für die Veranstaltungen innerhalb des Projekts „Berlin – Kulturhauptstadt Europas 1988“. Es folgt ein Job im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft. Am 1. Dezember 1991 wählt die Leipziger Stadtverordnetenversammlung ihn als Bürgermeister und Beigeordneten für Kultur der Stadt Leipzig. Dass er diesen Posten bekommt, hat ihn selbst überrascht, sagt er. Auf Empfehlung des Galeristen und Kunsthistorikers
Klaus Werner hatte er sich überhaupt erst beworben. Eigentlich wird nach der Abwahl des Vorgängers Bernd Weinkauf im Rathaus die Devise ausgegeben, für diese Funktion „niemanden aus dem Westen“ zu nehmen. Doch seine beruflichen Erfahrungen zum einen mit der DDR-Kulturpolitik und – Kulturszene und zum anderen in der westdeutschen Kulturverwaltung auf Bundes- und Landesebene wiegen offensichtlich schwerer.

Der neue Kulturbürgermeister erweist sich als ein Glücksfall. Seine erste Mission wird die Rettung des Internationales Festivals für Dokumentar- und Animationsfilm, das abgewickelt werden soll und in eine neue Rechtsform überführt wird. Girardet, der viele Baustellen gleichzeitig bewältigen muss, erwirbt sich den Ruf als Kultur-Ermöglicher. Um den Neubau des Museums der bildenden Künste in der Katharinenstraße oder die Sanierung des Grassimuseums am Johannisplatz erwirbt er sich Verdienste.

Girardet wird in Leipzig zum Bach-Liebhaber


Beharrlich kümmert er sich darum, für das
Bachfest Leipzig samt Thomanerchor und Bach-Archiv eine Zukunft zu entwickeln. Die Skepsis des damaligen Oberbürgermeisters Hinrich Lehmann-Grube ist groß. Es wird viel diskutiert, ob Leipzig tatsächlich mit Bach genug Publikum für ein internationales Musikfestival mobilisieren kann. Girardet lässt Gutachten anfertigen, der Skeptiker Lehmann-Grube sich überzeugen. Und der Erfolg gibt Girardet recht. „Die Besucher kommen von weit her, um am authentischen Ort die Musik von Bach zu genießen“, sagte er 2000. Und macht kein Geheimnis daraus, dass er sich erst in Leipzig zum Bach-Fan entwickelt hat. „Das war kein leichter Weg. Als Achtjähriger konnte ich mit dem Weihnachtsoratorium noch nichts anfangen.“

Stolz ist er darauf, dass es gelungen ist, nach Kurt Masur für das Gewandhausorchester die Dirigenten Herbert Blomstedt und Riccardo Chailly nach Leipzig zu holen. „Das war ein Volltreffer“. Es ist die Stärke des Kulturbürgermeisters Girardet: Er gewinnt Menschen für Leipzig. Menschen, die Geld für Leipzigs Kultur ermöglichen. Das sind sowohl Politiker des Freistaates Sachsen als auch des Bundes. Es sind aber auch Privatpersonen, die Girardet bereits vor der Wende kennen und schätzen gelernt haben. Er setzt sich dafür ein, dass das Theater der Jungen Welt eine würdige Bleibe findet. Gemeinsam mit Zoochef Jörg Junhold bastelt er am Konzept des Zoos der Zukunft, bei dem spätestens mit der weltweit einzigartigen Menschenaffenanlage Pongoland sowie der Tropenerlebniswelt Gondwanaland ein großer Wurf gelingt.

Diplomatisches Geschick für Leipzigs Kultur


Oft wird ihm im damaligen Stadtrat vorgeworfen, nicht kämpferisch genug zu sein. Doch Girardet hat es immer verstanden, mit behutsamer Hand und vor allem mit diplomatischem Geschick und Beharrlichkeit die Leipziger Kultur voranzubringen.  Natürlich gibt es auch Niederlagen: So konnte er den Abbau des
Leipziger Tanztheaters am Schauspiel 1998 ebenso wenig verhindern wie die Schließung der Ballettschule der Oper Leipzig. „Das sind Einrichtungen, die nach der Wende neu entstanden sind. Doch das Geld reichte nicht“, erinnert er sich. Auch die Zukunft des Naturkundemuseums konnte er nicht klären. Das wohl wichtigste Vermächtnis der knapp 18 Jahre Georg Girardets in Leipzig ist es wohl, das Kulturbudget auf sehr hohem Niveau zu halten. Natürlich: Die Freie Szene fühlte sich nur unzureichend von ihm vertreten. „Die Kritik ist nicht ganz unbegründet. Ich habe die Entscheidungen dem Kulturamt überlassen, das viel näher an der Freien Szene dran war.“

2009 endete die Amtszeit unter den drei Oberbürgermeistern Hinrich Lehmann-Grube, Wolfgang Tiefensee und Burkhard Jung. Girardet kann durchaus zufrieden auf sein Leipziger Lebenswerk zurückblicken. Danach bleibt er aktiv in Vorständen und bei Stiftungen. Besonders wichtig ist ihm nach wie vor die Arbeit in der Ephraim-Carlebach-Stiftung sowie seine Tätigkeit als Schatzmeister im Vorstand der Gesellschaft Harmonie Leipzig, die soziale und kulturelle Projekte sowie Kultur, Kunst und Wissenschaft in Leipzig fördert. Auch im Rotary-Club, bei der Internationalen Mendelssohn-Stiftung, im Kuratorium Bach-Archiv sowie in anderen Vereinen arbeitet er mit. Girardet hat viele Auszeichnungen bekommen, darunter das Bundesverdienstkreuz erster Klasse.

Stand: 10.01.2024

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Gedenktafel für Fürst Poniatowski

Helenenstraße 24 | Ortsteil: Dölitz-Dösen

Wer das Torhaus Dölitz durchquert, entdeckt im Durchgang eine quadratische Gedenktafel aus weißem Marmor, die an eine bedeutende Persönlichkeit aus der Zeit der Völkerschlacht bei Leipzig erinnert: Fürst Józef Antoni Poniatowski. 

Der polnische Nationalheld wurde am 16. Oktober 1813 von Napoleon zum Marschall von Frankreich ernannt, auch aufgrund seiner heldenhaften Verteidigung der Pleißeniederungen im Süden Leipzigs.

In deutscher und polnischer Sprache befindet sich auf der Gedenktafel folgende Inschrift:

 

FÜRST PONIATOWSKI
ZUM MARSCHALL V. FRANKREICH AM 16. OKTOBER 1813
ERNANNT – KÄMPFTE MIT 8000 POLNISCHEN SOLDATEN
DES VIII. KORPS AUF SEITEN NAPOLEONS

 

Poniatowski nahm an der Völkerschlacht als Oberbefehlshaber der polnischen Truppen teil. An der Spitze des VIII. Korps der Großen Armee Napoleons zeichnete er sich als besonders tapfer und fähig aus. Neben den Marschällen Marmont und Macdonald hatte sein Korps am 19. Oktober den Auftrag zur Verteidigung Leipzigs erhalten, während die napoleonische Armee seit dem Nachmittag des 18. Oktober den geordneten Rückzug über Lindenau in Richtung Saale vollzog. 

Durch die vorzeitige Sprengung der Elsterbrücke an der Kleinen Funkenburg versuchte der durch zwei Schüsse verletzte Poniatowski mit seinem Pferd die hochwasserführende Elster zu überqueren. Dabei überschlug sich das Pferd und drückte ihn unter Wasser, so dass er ertrank. Man fand seinen Leichnam erst Tage später.

In Leipzig erinnert das Poniatowski-Denkmal am Poniatowskiplan an den beliebten Fürsten, der für einen eigenständigen polnischen Nationalstaat kämpfte.

Stand: 10.01.2024

Bildergalerie - Gedenktafel für Fürst Poniatowski

Bayerischer Bahnhof Gasthaus & Gosebrauerei Leipzig

Bayerischer Platz 1 | Ortsteil: Zentrum-Süd

Das Lokal wurde am 19. Juli 2000 im sanierten und denkmalgeschützten Gebäudekomplex des historischen Bayerischen Bahnhofs eröffnet. Die Idee stammte vom fränkischen Braumeister Thomas Schneider, der auf der Suche nach einem neuen Standort für seine Sudstätte in Mittelfranken für die Herstellung der Original Leipziger Gose war. Die Konzeption sämtlicher Räumlichkeiten geht auf den Architekten Rainer Hochreither zurück. Die Gaststätte und Restaurant Bayerischer Bahnhof beherbergt ca. 1.000 Sitzplätze im Restaurant sowie im angrenzenden Biergarten und bietet gut bürgerliche bayerisch-sächsische Küche an. Neben einigen hauseigenen Bieren werden jährlich ca. 3.000 Hektoliter Leipziger Gose gebraut.

Aus historischem Bahnhofsgelände wird Gastronomielandschaft


Der repräsentative, der Stadt zugewandte Portikus der einstigen Bahnhofshalle des Bayerischen Bahnhofs ist bereits von Weitem sichtbar. Zwischen 1842 und 1844 im Auftrag der „Sächsisch-Bayerischen Eisenbahn-Compagnie“ erbaut, war der Bayerische Bahnhof Ausgangspunkt der Strecke Leipzig-Hof. Im weltweit ältesten Kopfbahnhof fuhren täglich zahlreiche Personen- und Schnellzüge ein und aus. Die von den Architekten
Christian August und Eduard Pötzsch entworfene Anlage wurde zum Vorbild für spätere Bahnhofsbauten. Ihre rund einhundert Meter lange, viergleisige Bahnsteighalle war von einem auf Eichenstützen befestigten Holzdach bedeckt. An die Halle schlossen sich seitlich jeweils mehrere symmetrisch angeordnete Gebäude für die Fahrgastabfertigung und Verwaltung an, welche ebenfalls Wohnungen für das Bahnhofspersonal beherbergten. Mit der Eröffnung des Leipziger Hauptbahnhofs 1915 verkehrten die Fernzüge fortan im Neubau, die Fahrpläne des Bayerischen Bahnhofs wurden ausgedünnt und er verlor zunehmend an Bedeutung. Das Bahnbetriebswerk wurde schließlich 1952 geschlossen und der planmäßige Eisenbahnbetrieb 2001 eingestellt.

Wo einst Züge von Sachsen nach Bayern starteten, sollte zukünftig Bier unter bayerischer Patronage fließen. An einem Sommerabend im Jahr 1996 führte es den fränkischen Braumeister Thomas Schneider in einen damals von Studenten behelfsmäßig betriebenen, idyllischen Leipziger Biergarten am Bayerischen Bahnhof. Der Franke stellte zu jener Zeit in seiner Weißenburger Sudstätte Leipziger Gose her, welche erstmals Mitte des 18. Jahrhunderts in Leipzig und Umgebung ausgeschenkt worden war. Das Rezept hatte er von einem örtlichen Getränkehändler erhalten, der sich für das Wiederaufleben der Brautradition der obergärigen Bierspezialität einsetzte. Schneider braute alle paar Monate einen 35-Hektoliter-Sud Gose, welchen er nach Leipzig liefern ließ. Aufgrund der deutlich steigenden Nachfrage des Gerstensafts sowie der Tatsache, dass er nicht auf Dauer eine sächsische Bierspezialität in Mittelfranken herstellen konnte, suchte der Weißenburger Braumeister einen geeigneten Standort, um seine Sudstätte nach Leipzig zu verlagern. Vom Bayerischen Bahnhof äußerst angetan, plante Thomas Schneider mit dem Eigentümer der Bahnhofsanlage, der Deutschen Bahn AG, die Verwirklichung seines ehrgeizigen Projektes: Für 12,5 Millionen DM sollte das verfallene Gebäude des Bayerischen Bahnhofs aufwändig saniert werden und in den historischen Räumlichkeiten eine Gasthausbrauerei entstehen. Die Verhandlungen zogen sich aufgrund unterschiedlicher Zuständigkeiten bei der Deutschen Bahn AG sowie einer Vielzahl zu klärender Fragen hinsichtlich des Denkmalrechts knapp drei Jahre hin. Die Arbeiten begannen schließlich im Mai 1999. Ab sofort würde Schneider anstatt der Kleinstmengen in Franken nun vor Ort 3.000 Hektoliter Gose herstellen können, wovon die Hälfte an den Getränkehandel gehen, die andere Hälfte in der anliegenden Gaststätte ausgeschenkt werden sollte. In ca. 14 Monaten Bauzeit wurde die Bausubstanz denkmalgerecht saniert und nach historischen Vorlagen ergänzt, bevor das Lokal „Bayerischer Bahnhof Gasthaus und Gosebrauerei Leipzig“ schließlich am 19. Juli 2000 eröffnete.

Gose, Schaffner, Heizer und Kuppler: Leipziger Bierspezialitäten in Eisenbahnatmosphäre


Die Gebäude des einstigen Bahnhofkomplexes präsentierten sich fortan wieder in ihrer einstigen spätklassizistischen Eleganz. Das Innere wurde von einem italienischen Kirchenmaler als neohistorisches Capriccio mit sizilianischen Wandmalereien ausgestaltet. Die historischen Bahnhofsräume wurden weitgehend originalgetreu restauriert. Die Besucher betreten zunächst eine geräumige Empfangshalle mit einem Stück Güterwagen auf originalen Gleisen und Weichensignalen als Tischlampen. Durch die Platzierung der Gäste auf überhohen Stühlen erinnert der Blick nach draußen an den Blick aus dem Zugfenster. Der Eingangshalle schließt sich ein Arkadengang mit Glasfront und Ausblick auf den vorgelagerten Biergarten sowie die integrierte Schalterhalle an. Letztere beherbergt seit dem 16. Oktober 2019 das
Dolden Mädel Braugasthaus Leipzig mit 100 wechselnden Craft Beer Sorten und gut bürgerlicher Küche. 

Das Herzstück der Gasthausbrauerei ist die Biersiederei mit Sitz- und Stehplätzen sowie den beiden kupfernen Braukesseln. Weitere Biere aus eigener Herstellung sind der „Heizer“, ein Schwarzbier, der „Kuppler“, ein Weizenbier, sowie der „Schaffner“, ein Pils. Im ehemaligen Beamtenwohnhaus des Bahnhofs befinden sich die Gosestube und der Wintergarten. Neben der Gosestube ist der sogenannte Schalander, ein Bierverkostungsraum, untergebracht. Wo früher Bahnfahrer ihre Fahrkarten lösten, befindet sich heute der Sächsisch-Bayerische Salon mit grünweißen und blauweißen Spezialitäten von Sächsischen Quarkkeulchen bis Bayerischer Leberkäse und Fränkischer Rostbratwurst. Wo früher der Restaurantbesitzer wohnte, kann heute das Sudhaus besichtigt werden. Hier können Besucher an einigen Wochentagen dem Braumeister bei der Arbeit zusehen und auch Bierseminare besuchen. Sämtliche Räume der weitgehend vom Weißenburger Architekten Rainer Hochreither in warmen Ocker- und Brauntönen gestalteten Brauerei unterstreichen den historischen Charakter des Baudenkmals.

Seit der Fertigstellung des City Tunnels befindet sich wenige Meter unterhalb des Tresens der Gaststätte die unterirdische Station „Bayerischer Bahnhof“ mit zwei oberirdischen Ausgängen jenseits des ehemaligen Bahnhofsgeländes. Das Gasthaus umfasst insgesamt ca. 1.000 Sitzplätze, davon 600 im Gebäude und weitere 400 im Biergarten. Die Speisekarte bietet gut bürgerliche bayerisch-sächsische Küche von Hax’nsülze bis Sächsischer Sauerbraten. Neben der Leipziger Gose ist auch der Leipziger Allasch als hiesige Spezialität aus der Getränkekarte nicht wegzudenken. Seit Mai 2003 exportiert das Gasthaus und Gosebrauerei Bayerischer Bahnhof die eigens gebraute Leipziger Gose u.a. in die USA und nach Dänemark. 

Stand: 10.01.2024

Bildergalerie - Bayerischer Bahnhof Gasthaus & Gosebrauerei Leipzig

Historisches Bildmaterial - Bayerischer Bahnhof Gasthaus & Gosebrauerei Leipzig

Faust-Skulpturen in der Mädler-Passage

Grimmaische Straße 2-4 | Ortsteil: Zentrum

Sobald der Haupteingang der Mädler-Passage von der Grimmaischen Straße kommend passiert ist, fällt der Blick direkt auf die überlebensgroßen Gestalten am Treppenabgang zum Auerbachs Keller. Seit 1913 stehen hier die Faust-Skulpturen – ausdrucksvolle Statuen deutscher Literaturgeschichte.

Auf einen Tanz mit dem Teufel


Die Figurengruppen mit den 2 Meter hohen Bronzefiguren zieren den Eingang zum Restaurant Auerbachs Keller. Einst wurden sie vom Leipziger Bildhauer und Jugendstilkünstler
Mathieu Molitor entworfen. Er gewann den Wettbewerb, der vom Bauherrn der Mädler-Passage, dem Kofferfabrikanten Anton Mädler, initiiert wurde. Gegossen wurden die Figuren schließlich von der Gladenbeck AG Berlin-Friedrichshagen, bevor sie im September 1913 aufgestellt wurden. 

Die Statuen lassen sich in zwei Figurengruppen einteilen. Auf der einen Seite stehen Faust und Mephisto, die sich drei Gesellen gegenübersehen. Während Faust den Arm erhoben hat, beugt sich der mittlere Geselle nach vorn und ballt die Hand zur Faust. Scheinbar nur mühsam lässt er sich von seinen Kollegen abhalten, handgreiflich zu werden. Dieses Schauspiel gibt die Szene aus Johann Wolfgang Goethes Faust I wieder, in der Mephisto die drei Gesellen in seinen Bann zieht und der Wein aus dem Tisch läuft und Feuer fängt. Die Gesellen erwachen genau in diesem Moment aus ihrem Zauberrausch.

Ein bisschen Glück schadet nie


Der Standort der Figuren kommt nicht von ungefähr, war doch Auerbachs Keller neben dem Fassritt Fausts auch der Austragungsort für die dargestellte verwunschene Szene. So dienen die Skulpturen nicht zuletzt auch der Werbung für das Restaurant, das heute zu den berühmtesten fünf Restaurants weltweit gehört. Auffällig ist auch der linke Fuß von Faust, der von einer Vielzahl von Berührungen schon golden glänzt. Ähnlich wie in Verona die Julia-Statue, soll auch hier das Berühren des Fußes Glück bringen.

Stand: 10.01.2024

Bildergalerie - Faust-Skulpturen in der Mädler-Passage

Historisches Bildmaterial - Faust-Skulpturen in der Mädler-Passage

Etzoldsche Sandgrube – Park und Gedenkort

Prager Straße / Paulinerweg / Augustinerstraße / Russenstraße | Ortsteil: Probstheida

Auf dem obersten Plateau des mit Bäumen bewachsenen Hügels wird der Besucher mit einem schönen Blick aufs Völkerschlachtdenkmal belohnt. Mit dem Bau des Steinernen Riesen in Probstheida ist die Etzoldsche Sandgrube eng verbunden. Schließlich ist das Areal mit dem heutigen Park einst entstanden, um Sand für den Denkmalsbau zu gewinnen. Inzwischen ist der aus vielen Trümmern entstandene 12 Meter hohe Hügel in der Parkanlage ein Gedenkort. Viele Reste historischer Gebäude, darunter die bei der Umgestaltung des Augustusplatzes am 30. Mai 1968 gesprengte Universitätskirche St. Pauli, liegen unter der aufgetürmten Erde.

Sandgrube wird zur Deponie für Trümmer


Weniger als einen Kilometer ist das Areal vom Völkerschlachtdenkmal entfernt, dessen Bau im Jahre 1898 beginnt. Neben anderen Baumaterialien wird dafür auch Sand benötigt, der in der Grube ihres einstigen Besitzers Etzold ausgehoben wird. Die Grube bleibt nach dem Denkmalbau in Betrieb – liegt dann aber brach. Nach den anglo-amerikanischen Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg auf Leipzig sind viele Trümmer zu beräumen. Die Etzoldsche Sandgrube wird für diese zur Deponie. Bis in die erste Hälfte der 1980er Jahre hinein dient die Grube, die bald zum Hügel anwächst, zur Ablagerung von Bauschutt. Und bis zur
Friedlichen Revolution wissen wohl nur wenige Leipziger, dass die Grube quasi zur Grabstätte der Kirchen und anderer Kulturgüter ihrer Stadt geworden ist. Forscher wollen nach wie vor herausfinden, ob möglicherweise auch Särge mit Gebeinen dort lagern. Viele Leipziger Honoratioren sind in der Gruft unter der alten Paulinerkirche am Augustusplatz beigesetzt worden. Ihre Gebeine sind vor der Sprengung in einer Nacht- und Nebel-Aktion an einen bis heute unbekannten Ort geschafft worden. Es ist unklar, ob es der Südfriedhof ist. Die Spuren sind vom DDR-Ministerium für Staatssicherheit offenbar gut getilgt worden, viele Fragen bleiben derzeit unbeantwortet.

Kirchensprengung ist politischer Akt


Die Sprengung der Universitätskirche St. Pauli, seit 1543 Bestandteil der
Universität Leipzig, ist ein politischer Akt gewesen. Der Sakralbau ist den Machthabern der DDR, die den Karl-Marx-Platz (heute Augustusplatz) nach sozialistischen Vorstellungen umgestalten wollen, ein Dorn im Auge. Deshalb muss die Kirche ebenso verschwinden wie das zentrale Gebäude des Augusteums, das zwar beschädigt war, aber zu retten gewesen wäre. Doch die SED-Oberen forcieren die Entwicklung eines zentralen Platzes, der für politische Manifestationen, Feiern und Volksfeste geeignet ist. Die politische Neuorientierung der als Karl-Marx-Universität benannten Universität soll durch eine andere Architektur manifestiert werden.

Bis zu 26 Meter tief werden die Trümmer am Grund der Etzoldschen Sandgrube gelagert. Viele Bauten aus dem Leipziger Osten landen ebenfalls hier. Das bekannteste ist die Markuskirche, die 1973 aufgegeben und 1978 gesprengt wird. 

Nach der Friedlichen Revolution kommen die Geheimnisse der Sandgrube ans Licht. Es ist die Evangelische und Katholische Studentengemeinde, die hier eine kreuzförmige Holzstele zum Gedenken aufstellt. Das ist am 23. Mai 2003.

Klanginstallation erinnert an Kirche


Im Jahr 2010 beginnt die Stadt Leipzig, hier einen Gedenkort einzurichten. Zu diesem Zweck wird der Park neu erschlossen, auf dem Plateau entsteht eine Klanginstallation von
Erwin Stache. „Verlorene Töne“ sollen an diesen verlorenen Ort erinnern. Der Gedenkort lädt ein, das abgesenkte Oval zu betreten und die Installation selbst auszuprobieren. Wer die eingelassenen Schieferplatten berührt, erzeugt mit Trittgeräuschen zunächst den Eindruck, als würde er sich auf hohlem Boden bewegen. Stimmen von Zeitzeugen, Orgelpfeifen und Stadtgeräusche sind zu hören. Die Töne schwellen an, bis plötzlich – als Hinweis auf das plötzliche Verschwinden des Sakralbaus – alle Geräusche abrupt verstummen. Die Klanginstallation ist nur in der wärmeren Jahreszeit in Betrieb (meist April bis Oktober).

Landschaftsarchitektur und Klangkunst wirken hier auf inspirierende Weise zusammen. Der Gedenkort ist zwar von Bäumen umgeben. In Richtung Augustusplatz bleibt aber eine freie Sichtachse. Auf diese Weise gelingt es, den einstigen Standort der Universitätskirche mit dem Ort ihrer Ablagerung räumlich zu verknüpfen. An Informationstafeln wird zudem über den historisch bedeutsamen Ort informiert. Der Park an der Etzoldschen Sandgrube ist auch bei Erholungssuchenden beliebt. Er ist ein idyllischer Ort mit Wiesenflächen und einem großen Kinderspielplatz. Auch Naturfreunde kommen hier auf ihre Kosten, denn der größtenteils wild aufgewachsene Wald ist eine Fundgrube seltener Pflanzenarten, darunter der in in Sachsen seltene Weiße Schwalbenwurz. Neben Robinien und verschiedenen Ahornarten gibt es auch Eschen, Pappeln, Silberweiden und Schwarzkiefern. Die Fläche des Parks hat eine Größe von 10,2 Hektar. 

Wer die Etzoldsche Sandgrube besuchen möchte, erreicht diese u.a. mit der Straßenbahnlinie 15 (Haltestelle Russenstraße).

Stand: 10.01.2024

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Erinnerungskreuz an die Johanniskirche

Johannisplatz | Ortsteil: Zentrum-Südost

Das Erinnerungskreuz an die ehemalige Johanniskirche befindet sich auf dem Johannisplatz vor der Westseite des Grassimuseums. Es markiert den Standort des Johanniskirchturms und erinnert an den Bombenangriff auf Leipzig vom 3. zum 4. Dezember 1943. Bei diesem wurde die seit 1305 bestehende Johanniskirche schwer getroffen und brannte aus. Die Reste des Kirchenschiffs wurden am 19. Februar 1949 abgerissen. Der Kirchturm blieb vorerst bestehen und wurde 1957 sogar rekonstruiert. Den SED-Parteifunktionären mit ihrer Vision des sozialistischen Stadtumbaus war der barocke Kirchturm als christliches Symbol jedoch ein Dorn im Auge, so dass er am 9. Mai 1963 gesprengt wurde. 

Der Verein Johanniskirchturm e.V. engagiert sich seit seiner Gründung am 15. März 2003 für die Wiedererrichtung des Johanniskirchturms, der auch eine wichtige Sichtachse zur Universität Leipzig darstellt. Seit 1993 erinnert auf dem geschichtsträchtigen Areal des Johannisplatzes ein Holzkreuz an die Zerstörung der Johanniskirche. Auf Initiative des Johanniskirchturm e.V. wurde das marode Denkmal im Jahr 2013 durch ein neues Kreuz ersetzt, das der Leipziger Künstler Heinz-Jürgen Böhme aus Eichenholz fertigte. Auf dem Querbalken des rund 4 Meter hohen Kreuzes brachte er die schlichte Inschrift an: ZUR ERINNERUNG.

Stand: 10.01.2024

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Connewitzer Kreuz

Bornaische Straße, Wolfgang-Heinze-Straße, BIedermannstraße | Ortsteil: Connewitz

„Connewitzer Spitze“ – ein Sport- und Bewegungsparcours zwischen Wolfgang-Heinze-Straße, Biedermannstraße und Bornaischer Straße – im Leipziger Ortsteil Connewitz ist wohl eine Wortschöpfung der Neuzeit. Nur eine nicht mehr benutzte Gleiskurve trennt sie vom Kulturdenkmal mit dem nachgebildeten Weichbildzeichen, das dem Areal seinen Namen gab: dem Connewitzer Kreuz

Das ist leicht zu übersehen, da das „Kreuz“ mit seinem pulsierenden Leben und der starken Verkehrsbelastung durch sieben aufeinandertreffende Straßen kein zentraler Platz ist, auf dem die Menschen verweilen.

Ein Zeichen für städtische Gerichtsbarkeit


Das Kulturdenkmal hat die Zeiten überstanden. Errichtet wird es 1536 im Auftrag der Stadt Leipzig. Die achteckige, fast fünf Meter hohe steinerne Säule aus
Rochlitzer Porphyr sowie einer Sandsteintafel als Krone zeigt das Leipziger Stadtwappen sowie einen Totenkopf zu Füßen des Gekreuzigten. Geschaffen hat sie Hans Pfretzschner, der damalige Ratssteinmetz. Auf der Connewitz zugewandten Seite ist ein liegendes Kreuz abgebildet sowie die Jahreszahl der Aufstellung zu lesen. Die Säule ersetzt ältere hölzerne Kreuze, die die Stadt seit 1436 in Auftrag gegeben hat. 

Jene Weichbildzeichen zeigten damals an, dass das Gebiet der städtischen Verwaltungshoheit und Gerichtsbarkeit unterliegt. Das ist für die Kaufleute wichtig, die sich Leipzig nähern. Über die heutige Kochstraße reisen die aus dem Süden kommenden Handelsleute entlang der Via imperii – eine der bekanntesten alten Fernhandelsstraßen – zur Leipziger Messe. 1877 wird die Südstraße (heute: Karl-Liebknecht-Straße) als geradlinige Verbindung vom Kreuz zur Stadt Leipzig fertig gestellt. Im Jahr 1891 erfolgt die Eingemeindung des Dorfes Connewitz, das damals etwa 15. 600 Einwohnern hatte.

Original steht im Alten Rathaus


Solche Weichbildzeichen gab es damals übrigens an allen vier Ausfallwegen der Handelsstadt. Jenes in Connewitz bliebt als einziges davon erhalten. Das durch Umwelteinflüsse stark beschädigte „Connewitzer Kreuz“ wurde im Jahr 1994 durch eine Kopie ersetzt, für die sich benachbarte Kirchgemeinden wie jene der
Paul-Gerhardt-Kirche sowie die Sparkasse Leipzig eingesetzt hatten. Das Original befindet sich im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig im Alten Rathaus. Der Leipziger Bildhauer Markus Gläser hat es restauriert. Die Kopie des Connewitzer Kreuzes wurde am 8. September 1994 in feierlicher Form von Kulturdezernent Georg Girardet und Denkmalpfleger Wolfgang Hocquél vom Regierungspräsidium der Öffentlichkeit übergeben. An diesem Tag öffnet auch das Beratungszentrum Leipzig-Connewitz der Sparkasse an der Scheffelstraße.

Stand: 10.01.2024

Bildergalerie - Connewitzer Kreuz

Historisches Bildmaterial - Connewitzer Kreuz

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