Drallewatsch – Kneipenmeile

Barfußgässchen sowie u.a. Richard-Wagner-Platz, Kleine Fleischergasse, Klostergasse, Thomaskirchhof, Lotterstraße, Burgplatz | Ortsteil: Zentrum

Der Drallewatsch ist eine innerstädtische Gastronomiemeile mit ca. 30 Lokalitäten zwischen Richard-Wagner-Platz und Neuem Rathaus. Die Bezeichnung wurde 1996 durch die Gründung des gleichnamigen Vereins von einem Dutzend Leipziger Gastronomen eingeführt. Ziel war die Vermarktung der Vielfalt der Innenstadt-Lokale. Der Drallewatsch weist heute die höchste Kneipendichte Leipzigs auf. Die Kneipenmeile ist zwar in der Innenstadt auf Wegweisern ausgeschildert, die Leipziger verwenden den Begriff Drallewatsch aber nur noch selten.

Pilgerzug durch Leipzigs gastronomische Szene


Die Stadt Leipzig, die seit ihrer Gründung von durchziehenden Händlern und damit von ihrer Wirtlichkeit lebte, fand beizeiten ein besonderes Verhältnis zur Gastlichkeit. Leipzigs Wirtshausszene blickt auf eine lange Historie mit zahlreichen berühmten Persönlichkeiten zurück, die in den urigen Kneipen regelmäßig einzukehren pflegten. Das Nachtleben auf den Kneipenmeilen der Stadt ist in Ostdeutschland in dieser Form wohl einmalig. Insbesondere im Stadtzentrum und in der
Karl-Liebknecht-Straße entwickelten sich größere Kneipenmeilen. Bei der Bezeichnung Drallewatsch handelt es sich um eine ursächsische Umschreibung für ausgehen, sich mit Freunden amüsieren, etwas erleben und von Kneipe zu Kneipe ziehen.

Für den Namen entschieden sich innerhalb eines Preisausschreibens 1996 die Leser der Leipziger Volkszeitung.Von den Einheimischen wird der Name Drallewatsch inzwischen eher weniger verwendet. Sie sprechen meist vom Barfußgässchen oder dem „Bermudadreieck“. Doch egal welcher Name verwendet wird – im Areal rund um das Barfußgässchen laden rund 30 urige Kneipen, Szene-Treffs und historische Wirtshäuser zu einem ausgedehnten Bummel ein. Hier kann man das Flair der quirligen Handelsstadt und das pulsierende Nachtleben erleben.

Gegründet wurde die Kneipenmeile Drallewatsch unter Führung der Industrie- und Handelskammer zu Leipzig (IHK). Am 4. Juni 1996 fand sich im Restaurant Zills Tunnel eine Gastronomen-Runde von einem Dutzend Mitgliedern zusammen, welche nach intensiver Beratung den Beschluss zur Gründung eines eingetragenen Vereins fasste, der im Herzen der Leipziger Innenstadt eine Kneipenmeile entstehen lassen sollte. Grundüberlegung war es, ausgehend vom Richard-Wagner-Platz über die Große Fleischergasse, den Thomaskirchhof, die Burgstraße bis hin zum Burgplatz eine Bummelmeile zu etablieren. Dieses mit unterschiedlichen gastronomischen Einrichtungen bereits dicht besiedelte Areal sollte als Ausgangspunkt für eine gezielte Weiterentwicklung dieser Straßen und Plätze genutzt werden. Viele der zuvor entstandenen historischen Gaststätten, darunterdas Gasthaus Barthels Hof, Thüringer Hof und Ratskeller, befinden sich in den angrenzenden Straßen des historischen Marktes, welcher oft Ausgangspunkt für Streifzüge durch die Leipziger Innenstadt ist. Mit der Gastronomie-Meile verfolgte der Verein die Absicht, die lokale Vielfalt an sächsischen Restaurants, Bars und Kneipen touristisch zu vermarkten, gemeinsame Aktionen zu organisieren sowie den Standort auch jenseits von Geschäftszonen und ohne Laufpublikum bekannt zu machen. Trotz des bestehenden Wettbewerbs zwischen den Gastronomen des neu gegründeten Vereins sollte das gemeinsame Ziel darin bestehen, möglichst viele Gäste in die Lokale zu locken. Angesichts der prekären Lage Ende der 1990er Jahre in der Gastronomie in Form von zahlreichen Neueröffnungen und gleichzeitigem Umsatzrückgang wollten die Anlieger der Bummelmeile ihren Standort gemeinsam vermarkten sowie die Wettbewerbschancen verbessern. Die Vereinsmitglieder wurden 1998 vom Bundeswirtschaftsministerium für ihre „beispielhafte Einbeziehung der Gastronomie“ in die Innenstadt-Belebung ausgezeichnet.

Vielfalt erleben: Zwischen urigen Gasthäusern und modernen Bars


Bei einem Bummel über den Drallewatsch kann man die Atmosphäre der lebendigen Wirtshausszene erleben und einen Abstecher in deren Historie machen. Der Drallewatsch beginnt am Richard-Wagner-Platz, wo sich einst die Weinstube
Zur Neuberin in einem Fachwerkhaus aus dem 15. Jahrhundert befand und an Leipzigs Theatertradition erinnerte. Die Prinzipalin Friederike Caroline Neuber, eine Bekannte Johann Christoph Gottscheds, verbannte hier im Jahre 1737 mit ihrer Wandertruppe in einem allegorischen Spiel den Hanswurst von der deutschen Schauspielbühne. Wenig später brachte sie in Leipzig einige Stücke des damals ebenfalls oftmals hier verkehrenden Gotthold Ephraim Lessing zur Uraufführung. Die Gasthaus-Tradition wird fortgesetzt. Heute lädt am historischen Ort Wagners Restaurant und Weinwirtschaft zum Verweilen und Genießen ein.

Auch Europas zweitältestes Kaffeehaus Zum Arabischen Coffe Baum an der Ecke zur Kleinen Fleischergasse, ist ein Besuchermagnet auf dem Drallewatsch. In dem barocken Gebäude wurde erstmals 1694 Kaffee ausgeschenkt. Das Lokal erfreute sich stets der besonderen Zuneigung zahlreicher Geistesgrößen: August der Starke kehrte bei seinen Messe-Besuchen gern ein, Johann Sebastian Bach gedachte hier seiner Kaffeekantate und Johann Wolfgang Goethe, E.T.A Hoffmann, Richard Wagner und viele weitere Künstler und Literaten pflegten sich hier zu treffen und einen Kaffee oder hochgeistige Getränke einzunehmen. Ab 1833 traf sich Robert Schumann in dem Haus mit seinen Freunden regelmäßig zum Stammtisch. Auf dem Platz vor dem Kaffeehaus befindet sich der von Max Lange geschaffene Lipsia-Brunnen, auch Putten-Brunnen genannt.

Der Barthels Hof zeichnet sich durch sein besonderes Flair des einzigen original erhaltenen Durchgang-Messehofes der Stadt aus. Das dort befindliche Gastaus Barthels Hof zieht mit seinen Gaststuben „Tollhardts Zechgewölbe“, „Barthels Weinschenke“, „Webers Speisestube“ und dem idyllischen Innenhof zahlreiche Gäste an. Während hier zuvor Kaufleute und Kutscher zechten, wurde das Lokal später Treff für berühmte Professoren und Studenten ihrer Zeit. Auch die historische Gaststätte Zills Tunnel steht mit seinen rustikalen Gesellschaftsräumen mit alten Stadtansichten im Gründerzeitambiente für echte sächsische Gemütlichkeit. Hier saß einst der Komponist Karl Zöllner und dichtete sein bekanntestes Lied „Das Wandern ist des Müllers Lust“. Bereits im Jahr 1785 befand sich hier im Barfußgässchen ein Bierausschank. Im Thüringer Hof in der Burgstraße, dessen Wurzeln bis ins Jahr 1454 zurückreichen, pflegte seinerzeit  bereits Martin Luther zu speisen. Neben den altbekannten Gasthäusern haben sich rund um den Drallewatsch verschiedene Kneipen, Bars und Cafés aller Couleur angesiedelt. In den Sommermonaten sind die Freisitze vor den Lokalitäten, insbesondere im Barfußgässchen, brechend gefüllt mit Touristen, Studenten, Geschäftsleuten und Einheimischen gleichermaßen. Die direkt am Markt gelegene Kultbar SPIZZ zählt seit 1996 zu den meistbesuchtesten Bars der Stadt. Hier finden im SPIZZ-Keller wöchentlich verschiedene Events und Konzerte statt.

Neben den Gastronomie-Betrieben befinden sich auf der Gastronomiemeile auch namhafte Kultureinrichtungen wie das Bach-Museum und das Sächsische Apothekenmuseum auf dem Thomaskirchhof oder das Central Kabarett im König-Albert-Haus auf dem Markt. Einmal im Jahr verwandelt sich die Leipziger Innenstadt beim Kneipenfestival Honky Tonk für eine Nacht zum „längsten Tresen Europas“. Bei dem musikalischen Stadtevent treten in mehreren Lokalitäten zeitgleich Künstler verschiedener musikalischer Genres von Jazz, Hip Hop, Rock’n’Roll und Hardrock bis Swing, Country und Folk auf und sorgen mit ihrer Live-Musik für Festivalatmosphäre.

Stand: 17.12.2023

Bildergalerie - Drallewatsch – Kneipenmeile

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Sophie Weinhold
Die gebürtige Leipzigerin studierte in Passau und Marseille Internationales Management und besitzt ein Faible für Fremdsprachen. Neben Englisch und Französisch spricht sie fließend spanisch und italienisch. Bereits als Zwölfjährige führte sie internationale Austauschschüler durch die Stadt und begeisterte sie für Leipzigs Geschichte und Sehenswürdigkeiten. Die Liebe zu Leipzig bestimmt nach wie vor ihre Freizeitgestaltung. Ob Museumsbesuche, Konzerte oder Fahrradtouren in die Umgebung – die kreative Lokalpatriotin findet immer ausreichend Anregungen, um darüber zu schreiben.
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