Bildlexikon Leipzig

Thüringer Hof

Burgstraße 19 | Ortsteil: Zentrum

Der „Thüringer Hof“ ist Leipzigs älteste Traditionsgaststätte. Seinen heutigen Namen erhielt der Gasthof 1838 vom aus Thüringen stammenden Gastwirt Friedrich Pietzsch. Besondere Bekanntheit erhielt der Thüringer Hof durch die geistige Elite, die ihrerzeit in den Gemäuern verkehrte, darunter Martin Luther, Robert Schumann und Friedrich Gottlob Klopstock. Im Traditionshaus werden thüringische, fränkische und sächsische Spezialitäten serviert.

Über 500 Jahre Historie: Leipzigs ältestes Traditionsgasthaus


Begrüßt wurden die Gäste einst in der Vorhalle mit dem Wandspruch „Wo einst die Ritter rüstig gezecht, Da zecht’s sich noch heutigen Tages nicht schlecht! Frisch fröhlicher Sang durchhallt das Gewölbe, Die Zeiten sind andre, der Durst ist derselbe!“ Der Thüringer Hof galt einst als volkstümlichste Biergaststätte der Stadt. Seine Geschichte reicht bis ins Jahr 1454 zurück. 

1519 kam Martin Luther nach Leipzig, besuchte auch den Thüringer Hof und hielt seine berühmte Disputation mit Johannes Eck in der benachbarten Pleißenburg, auf deren Grundmauern sich heute das Neue Rathaus befindet. Dieses Ereignis wird heute im Thüringer Hof als Lutherspektakel in Szene gesetzt. Keine andere Leipziger Gaststätte – außer Auerbachs Keller – weist derartig bleibende geschichtliche Spuren auf. 

Das ursprüngliche Gebäude des Thüringer Hofs wurde 1454 von Dietrich von Buckendorf erbaut. 1466 eröffnete die Gaststätte erstmals unter dem Namen „Studentenburse“. 1515 wurde Dr. Heinrich Schmiedeberg, Professor und Kanzler des Bistums Naumburg sowie Freund Martin Luthers, Eigentümer des Gasthofs. Im Jahr 1552 verlieh Herzog Moritz Curfürst von Sachsen dem Wirtshaus ein vom Künstler Lucas Cranach geschaffenes Hauswappen. Zwischen 1561 und 1606 befand sich der Thüringer Hof im Besitz von Erasmus von Könneritz und dem Freiherrn von Pflugk. Im Jahr 1813 wurde das Gasthaus Zeuge von Napoleons Flucht aus Leipzig durch die Burgstraße nach der verlorenen Völkerschlacht bei Leipzig 1813. Seinen heutigen Namen „Thüringer Hof“ erhielt es 1838 vom aus Thüringen stammenden Gastwirt Friedrich Pietzsch, auch bekannt unter dem Namen „Tigerwirt“, der auch Inhaber des „Goldenen Tigers“ am Brühl war.

Geistige Elite in „Grimpe-Stube“, „Burgverlies“ und „Lutherhalle“


1858 wurde Johann August Grimpe neuer Eigentümer. Nach der Übernahme des Gasthauses 1877 durch seinen Sohn Georg Grimpe, einem der populärsten Bürger der Stadt, erhielt der Thüringer Hof durch die neue, originelle Gestaltung, seine Bekanntheit und erfuhr seine Blütezeit. Das Gasthaus bot in etwa 17 Räumlichkeiten Platz für rund 1.200 Gäste. Die „Luther-Halle“, die „Grimpe-Stube“, der „Karzer“, das „Refektorium“, die „Vordere Wolfsschlucht“ und „Hintere Wolfsschlucht“, die „Cantorei“, das „Burgverlies“ und die „Gute Stube“ sowie die nach Richard Wagner, Johann Sebastian Bach und Theodor Körner benannten Zimmer verliehen dem Thüringer Hof sein individuelles Flair. Nach der baulichen Einbeziehung des Freihauses wurden die Gasträume um die großzügige „Lutherhalle“, den überdachten Hof „Staubfreier Garten“ und den „Freyhaus-Saal“ erweitert. 

Das Geschichtsinteresse von Georg Grimpe und die Tatsache, dass er größten Wert auf Historie legte, traf genau den Zeitgeschmack. Der Gastwirt ließ einige bedeutsame Begebenheiten aus der Stadtgeschichte vom Künstler Adolf Lehnert in einem geschnitzten Wandrelief darstellen. Stolz präsentierte er den Gästen außerdem einen Originalbrief von Martin Luther, den der Reformator an den vormaligen Hausbesitzer Dr. Heinrich Schmiedeberg, zu welchem er ein freundschaftliches Verhältnis pflegte, schrieb.

Aus alt wird neu: Historische Bausubstanz im neuen Gewand


Durch den Erwerb der beiden Nachbargrundstücke Nummer 19 und 23 durch Georg Grimpe im Jahr 1888 wurde der Thüringer Hof zu einer volkstümlichen Großgaststätte mit legendärem Ruf. Es erfolgte eine umfassende Rekonstruktion sowie eine prunkvolle Ausgestaltung mit Architekturmalerei, kunstvollen Wand- und Deckenvertäfelungen, Bleiglasfenstern und Kunstschmiedearbeiten. Nach dem Kauf des Thüringer Hofes mit Grund und Boden durch die Würzburger Hofbräu AG im Jahr 1911 wurde die Gaststätte ein Jahr später von Andreas Hermann und dessen Frau als Pächter übernommen. Seit diesem Jahr ist der Thüringer Hof Spezialausschank der Würzburger Hofbräu AG. Zwischen 1930 und 1933 wurde die Lutherstube im Restaurant unter Einbeziehung des Pflugkschen Freihauses ausgebaut. Dank den beiden Pächterfamilien Hermann und Börner sowie der Würzburger Hofbräu AG entwickelte sich die Lutherhalle zu einem besonderen und einzigartigen Anziehungspunkt. Der Raum wurde mit diversen künstlerischen Motiven aus dem Leben und Wirken von Martin Luther ausgestaltet: Ein großes Rundbogenfenster mit Glasgemälde zeigte den Reformator auf dem Reichstag zu Worms, während in den Kunstverglasungen von acht weiteren Fenstern Städtebilder aus Luthers Zeit illustriert waren. Der Raum war außerdem mit zwölf an den Steinpfeilern angebrachten Plastiken in Form von Charakterköpfen bedeutender Frauen und Männer aus Luthers Zeit ausgestaltet. 

Durch einen schweren Bombenangriff im Jahr 1943 wurde der traditionsreiche Gebäudekomplex des Thüringer Hofes beinahe vollkommen zerstört. Zwischen 1948 und 1949 begann der Wiederaufbau des Gasthauses im Erdgeschoss, wobei einige Überreste und Details der alten Bausubstanz gerettet und in den Neubau integriert werden konnten. Im Jahr 1952 wurde Robert Sauer Pächter des Thüringer Hofes, bevor dieser 1972 durch die Gaststättenorganisation Gastronom Leipzig übernommen wurde. 1993 startete nach Abriss des alten Gebäudes der Wiederaufbau sowie die gesamte Rekonstruktion. Am 4. Mai 1996 wurde der Thüringer Hof nach dreijähriger Bauzeit wiedereröffnet.

Schlemmen wie zu Luthers Zeiten


Die Thüringer Hof zu Leipzig GmbH lädt heute als junges thüringisch-sächsisches Unternehmen zum Speisen und Verweilen ein. Begrüßt werden die Gäste an der Hausecke des Thüringer Hofes von einer fröhlichen, bronzenen Gambrinusfigur. Gemeinsam mit riesigen, schmiedeeisernen Auslegern und Kandelabern, dem historischen Eingangsportal und der dem Original nachempfundenen historischen
Handschwengelpumpe aus dem Jahr 1984 zählt diese zu den Wahrzeichen des Gasthauses. Neben der thüringischen Küchentradition werden auch sächsische und fränkische Spezialitäten angeboten. Die wohl bekannteste Speise des Thüringer Hofes ist das „Luthergericht“. Dabei handelt es sich um gepökeltes Eisbein mit hausgemachtem Sauerkraut und Thüringer Klößen. Neben frisch gezapftem Pils und Schwarzbier sind auch Thüringer Edelobstbrände und Spezialitäten wie der Leipziger Allasch nicht aus der Getränkekarte wegzudenken. 

Das Herzstück des Thüringer Hofes, der Luthersaal, bietet Platz für 200 Gäste und präsentiert sich mit eindrucksvollem Kreuzgewölbe und Säulenverkleidung in dunklem Eichenholz, gemütlichen Nischen, schmiedeeisernen Lüstern und Wandbildern des Leipziger Malers Emil Block, die Städtemotive aus Luthers Zeiten zeigen. Diese Motive dienten auch als Vorlage für ehemalige Bleiglasfenster in der Lutherhalle. In diesem Raum spüren die Gäste noch immer den Zeitgeist, als berühmte Persönlichkeiten, Akademiker der Universität, Bischöfe und studentische Burschenschaften in dem Haus verkehrten. 

Der glasüberdachte Innenhof des Restaurants mit 40 Plätzen stellt mit seinen üppigen Grünpflanzungen einen neuzeitlichen Kontrast zum restlichen, historischen Ambiente des Thüringer Hofes dar und erinnert an eine Orangerie. Hierbei handelt es sich um einen beliebten Ort für einen Kaffeeklatsch mit frischem Blechkuchen, einem Stück Eistorte oder kleineren Veranstaltungen. 

Stand: 27.2.2024

Bildergalerie - Thüringer Hof

Historisches Bildmaterial - Thüringer Hof

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Sophie Weinhold
Die gebürtige Leipzigerin studierte in Passau und Marseille Internationales Management und besitzt ein Faible für Fremdsprachen. Neben Englisch und Französisch spricht sie fließend spanisch und italienisch. Bereits als Zwölfjährige führte sie internationale Austauschschüler durch die Stadt und begeisterte sie für Leipzigs Geschichte und Sehenswürdigkeiten. Die Liebe zu Leipzig bestimmt nach wie vor ihre Freizeitgestaltung. Ob Museumsbesuche, Konzerte oder Fahrradtouren in die Umgebung – die kreative Lokalpatriotin findet immer ausreichend Anregungen, um darüber zu schreiben.
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