Handschwengelpumpen

Stadtgebiet | Ortsteil: Zentrum und verschiedene Ortsteile

Zum Zweck der städtischen Wasserversorgung wurden zwischen 1886 und 1904 die ersten Handschwengelpumpen in Leipzig gebaut. Als eine der wenigen deutschen Städte ließ Leipzig ab der Hälfte des 19. Jahrhunderts die gusseisernen Gehäuse öffentlicher Handschwengelpumpen mit Schmuckelementen künstlerisch gestalten. Es gab fünf Grundtypen: die Vogelkäfigpumpe, die Delphinpumpe, die gotische Pumpe, die Pumpe mit dem großen Löwen und die Pumpe mit dem kleinen Löwen. Von den knapp 300 Pumpen sind heute nur noch rund 50 in Leipzig erhalten und stehen unter Denkmalschutz.

Von der städtischen Wasserversorgung zum Zierobjekt


Die Handschwengelpumpen an einigen Leipziger Straßenecken zeugen noch heute von einer früheren Art der Wasserversorgung mittels beschwerlicher Eimertransporte zwischen Pumpe und Wohnung anstelle des Wasserhahns. Die Versorgung der Stadt Leipzig mit Trinkwasser erfolgte einst ausschließlich durch die naheliegenden Flüsse sowie die Grundwasser- und Schachtbrunnen. Im Mittelalter existierten in der Stadt zwei Brunnenarten: die Röhrenbrunnen, welche das Wasser aus Quellen über Holzröhren gewannen, ebenso wie Schöpf- und Zierbrunnen. Ab der Hälfte des 16. Jahrhunderts entwickelten sich die Pumpen technisch weiter. Der ursprünglich offene Brunnenschacht des Schöpfbrunnens sowie des ebenfalls offenen Wasserkastens des Röhrenbrunnens wurde fortan durch das über ihm befindliche Pumpengehäuse geschützt. Das Pumpengehäuse, der Pumpenkolben und der Handschwengel bestanden aus Holz, die Ventile aus Lederscheiben und das Pumpengestänge zum Teil aus Kupfer.

Waren die Pumpen früher für die Menschen lebenswichtig, dienen sie heute vor allem der Zierde. Zwischen 1886 und 1904 entstanden in der prosperierenden Stadt die ersten Handschwengelpumpen. Bereits ab der Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die hölzernen durch gusseiserne Pumpen ersetzt und neue Standorte für die Brunnen geschaffen. Um die Jahrhundertwende entstanden insgesamt 282 öffentliche Handschwengelpumpen in der Innenstadt sowie verteilt im gesamten Stadtgebiet mit dem Zeitgeschmack entsprechenden, teilweise kunstvollen Brunnengehäusen. Die Pumpen wurden nach den Schmuckelementen der Gehäuse benannt. Zu dieser Zeit unterschied man in Leipzig fünf verschiedene Typen: die Vogelkäfigpumpe, die Delphinpumpe, die von neogotischer Ornamentik geprägte gotische Pumpe als älteste gusseiserne Pumpe, die Pumpe mit dem großen Löwen und die Pumpe mit dem kleinen Löwen. Die Pumpen wurden noch bis zur flächendeckenden zentralen Wasserversorgung 1927 gebaut. Als im Zuge der Bombenangriffe 1943/44 vielerorts die Wasserversorgung zusammenbrach, wurden die Brunnen kurzzeitig reaktiviert.

Gusseiserne Kolosse am Straßenrand: Von Delphin bis Vogelkäfig


Bis Mitte 1984 befand sich in der Burgstraße unmittelbar vor dem Restaurant
Thüringer Hof eine gotische Pumpe, welche aufgrund von geplanten Restaurierungsarbeiten durch die VEB Wasser- und Abwasserbehandlung Leipzig demontiert wurde. Heute steht sie wieder am alten Platz. In der Innenstadt kann man alle Pumpentypen bewundern, darunter auch restaurierte und funktionstüchtige Vogelkäfigpumpen, zum Beispiel in der Magazingasse sowie im Peterssteinweg an der Ecke zur Münzgasse. Insbesondere in den äußeren Stadtbezirken gibt es noch zahlreiche Delphinpumpen. Eine solche Pumpe befindet sich noch auf dem Mittelstreifen der August-Bebel-Straße stadteinwärts zwischen Kurt-Eisner-Straße und August-Bebel-Straße. In der Bürgerstraße sowie in der Erich-Ferl-Straße ist noch eine durch eine Krone als oberen Abschluss des Pumpengehäuses gekennzeichnete kleine Löwenpumpe zu sehen. Demgegenüber sind die gotische und die Vogelkäfigpumpe durch stilisierte Hauben und Kuppeln als oberen Abschluss gekennzeichnet. Die Pumpe mit dem kleinen Löwen ist mit einem sitzenden Löwen aus getriebenem Zinkblech bekrönt, während auf der Pumpe mit dem großen Löwen ein halb aufgerichteter, sich mit den Vorderpfoten auf das Stadtwappen stützender Löwe abgebildet ist. Die Pumpe mit dem großen Löwen gibt es ausschließlich in Leipzig, während die anderen vier Typen in mehreren Städten vertreten sind. Die aus Meißen stammende Delphinpumpe war durch zwei einen Dreizack umschlingende Delphine gekennzeichnet. Da von vielen Handschwengelpumpen die charakteristischen Figuren fehlen, sind die meisten Pumpentypen als solche heute kaum mehr erkennbar.

Von den knapp 300 öffentlichen Handschwengelpumpen sind heute nur noch etwa 50 erhalten. Obwohl diese als Markenzeichen Leipzigs gelten und unter Denkmalschutz stehen, sind viele vom Verfall bedroht. Von den bereits restaurierten Pumpen spenden nur noch wenige Wasser. An einigen Stellen lässt sich noch von einer speziellen steinernen Grundplatte entnehmen, dass dort früher eine Pumpe war und sich eventuell darunter noch eine Brunnenstube befindet. Die historischen Pumpen haben heute eher eine dekorative Aufgabe. Im Waldstraßenviertel und in Gohlis gibt es kaum Pumpen, da dort einst das Großbürgertum lebte und die Häuser im Zuge der heutigen Bebauung ab 1850 direkt an die zentrale Wasserversorgung angeschlossen wurden. Da dies im weniger wohlhabenden östlichen Stadtteil zu teuer war, mussten die Bewohner hier noch länger den Weg zur Pumpe zurücklegen.

Die Idee der Handschwengelpumpen und der damit verbundenen Erfrischung haben die Wasserwerke Leipzig mit dem Konzept Trinkbrunnen in Leipzig wieder aufgegriffen und nahmen am 12. Juli 2017 in der Petersstraße den ersten öffentlichen Trinkbrunnen in Betrieb. Es handelte sich um den Wiener Brunnen des Wiener Künstlers Hans Muhr, der von 1999 bis 2012 an der Hainstraße stand und dann dem Neubau des Geschäftshauses Hainspitze weichen musste. Seitdem stellten die Wasserwerke weitere Trinkbrunnen auf. Die praktischen Durstlöscher befinden sich inzwischen auch vor der Tourist-Information Leipzig (Katharinenstraße 8), am Augustusplatz nahe dem Gewandhaus zu Leipzig und am Skatepark Grünau

Stand: 26.09.2023

Picture of Sophie Weinhold
Sophie Weinhold
Die gebürtige Leipzigerin studierte in Passau und Marseille Internationales Management und besitzt ein Faible für Fremdsprachen. Neben Englisch und Französisch spricht sie fließend spanisch und italienisch. Bereits als Zwölfjährige führte sie internationale Austauschschüler durch die Stadt und begeisterte sie für Leipzigs Geschichte und Sehenswürdigkeiten. Die Liebe zu Leipzig bestimmt nach wie vor ihre Freizeitgestaltung. Ob Museumsbesuche, Konzerte oder Fahrradtouren in die Umgebung – die kreative Lokalpatriotin findet immer ausreichend Anregungen, um darüber zu schreiben.
error: Dieser Inhalt ist geschützt! Es ist nicht gestattet, diesen Inhalt zu kopieren. Vielen Dank für Ihr Verständnis.