Wurzen

Wurzen | PLZ 04808

Mit einer über 1050 Jahre alten Geschichte zählt Wurzen zu den ältesten Ansiedlungen Sachsens. Die zwischen Leipzig und Dresden liegende Stadt fand ihre erste urkundliche Erwähnung bereits im Jahr 961. Neben der historischen Altstadt mit Renaissance- und Barockgebäuden sowie der ein oder anderen Jugendstilfassade zieht Wurzen vor allem als Geburtsstadt von Joachim Ringelnatz viele Besucher an.

Von Bischöfen und Seemännern


Nach der ersten Erwähnung Wurzens in der Urkunde von
Otto I. als civitas vurcine erlangte die Stadt immer mehr Bedeutung. Dies lag nicht zuletzt an ihrer Lage am Übergang der Via Regia über den Fluss Mulde und deren Kreuzung mit einer wichtigen Straße zwischen Halle und Prag. Gegen Ende des 10. Jahrhunderts wurden die Meißener Bischöfe auf Wurzen aufmerksam. Durch den Bischofssitz erreichte die Stadt vor allem im 15. und 16. Jahrhundert einen Höhepunkt ihrer Entwicklung. Mit den Bauaufträgen für das Schloss, die Stadtkirche und die Erweiterung des Doms prägt diese Zeit bis heute das Stadtbild.  

Als Wurzen im Jahr 1838 an das deutsche Eisenbahnnetz angeschlossen wurde, baute man über die Mulde die erste Eisenbahnbrücke Deutschlands. Heute ist diese die älteste Eisenbahnbrücke in Deutschland, die noch in Betrieb ist. Mit der Brücke kam auch der Aufschwung Wurzens zur Industriestadt. Vor allem Lebensmittel- und Textilindustrie siedelten sich hier an.

Als Chefzeichner für die Wurzener Tapeten- und Teppichwarenfabrik kam 1875 Georg Bötticher nach Wurzen. Mit seiner Frau Rosa Marie Bötticher bekam er drei Kinder. Der jüngste Sohn wurde am 7. August 1883 als Hans Gustav Bötticher geboren, der später als Joachim Ringelnatz bekannt wurde. Nach dem Umzug der Familie 1888 nach Leipzig, verbrachte er seine Jugendzeit in der Großstadt, bevor er dann mit 18 Jahren Schiffsjunge wurde. Damit erfüllte sich Bötticher seinen Traum von der Seefahrt. Ab 1909 trat er schließlich als Vortragskünstler im Münchener Simplicissimus auf, einer Künstlerkneipe, wo er Erich Mühsam und Frank Wedekind kennenlernte. Zu Beginn des ersten Weltkrieges meldete er sich zur Kriegsmarine und bekam einen Außenposten bei Cuxhaven. Schon während dieser Zeit schrieb und dichtete er und wurde nach Kriegsende durch die humoristischen Gedichte über den Seemann „Kuddel Daddeldu“ bekannt. Mit 26 Jahren gab er sich schließlich selbst das Pseudonym Joachim Ringelnatz und erlangte deutschlandweite Anerkennung als Künstler, Kabarettist und Maler. Dies änderte sich jedoch mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933. Er bekam Auftrittsverbot und seine Bücher wurden verbrannt. Ringelnatz verstarb schließlich am 17. November 1934 in einem Mietquartier am Berliner Sachsenplatz.

Lang lebe Ringelnatz


Um den gebürtigen Wurzener Joachim Ringelnatz zu würdigen, gründete sich 1992 der Joachim-Ringelnatz-Verein. Dieser machte es sich zur Aufgabe, das
Ringelnatz-Geburtshaus zu sanieren und zu einer Begegnungsstätte zu machen. Heute kann das 1678 erbaute Barockgebäude besichtigt werden. Die kleine Dauerausstellung „Vom Crostigall nach überall“ bietet dabei Einblicke in Ringelnatz‘ Leben und Wirken.

Auch das Kulturhistorische Museum Wurzen besitzt eine Ringelnatz-Sammlung. Hier liegen Handschriften, Bücher, Fotografien und Gemälde aus. Auch seltene Bild-Ton-Aufnahmen des Dichters können Interessierte bestaunen. Das Museum befindet sich in einem der bedeutendsten Renaissancegebäude der Stadt, das 1666 erbaut wurde. Die umfangreiche Dauerausstellung wartet mit einmaligen Sachzeugen aus der reichen Stadt- und Kulturgeschichte. Auch viele Einzelstücke konnten hier gesichert werden. Dazu zählt der Pestkarren von 1607, Napoleons Tasse aus dem Jahr 1813 und eine Handdruckspritze von 1803. Ebenfalls ist hier der Seesack von Ringelnatz ausgestellt.

Die Zeitzeugen der Bischofresidenz Wurzen


Der
Dom St. Marien ist eine der ältesten Sakralbauten Sachsens. 1114 wurde er durch Bischof Herwig von Meißen eingeweiht. Der Dresdner Professor Georg Wrba schuf 1931/32 die einheitliche Ausstattung, darunter die expressive Kreuzigungsgruppe, die Kanzel, die Domherrenstühle und den Taufbrunnen. Außerdem beherbergt der Dom eine Jehmlich-Orgel.

Nördlich des Domes befindet sich das Bischofsschloss. Zwischen 1491 und 1497 wurde es als Übergangswerk von mittelalterlicher Wehrburg zum gotischen Renaissanceschloss errichtet. Dies ist am Schlossgraben und der einstigen Zugbrücke erkennbar. Auch die beiden Türme verleihen dem Schloss noch heute seinen Charakter. Bis 1581 diente es als Residenzschloss der Bischöfe von Meißen. Bevor es ab 2003 ein Restaurant und schließlich das Schloss Hotel Wurzen beherbergte, war es Sitz des Amtsgerichts und des Polizeireviers.

Auf Entdeckungstour durch Wurzen


Die Altstadt ist geprägt von Renaissance- und Barockhäusern. Für Flair sorgen die historisch anmutenden Laternen. Die sogenannten Kandelaber sind in Wurzen hergestellt und schmücken den sonst eher schlicht gehaltenen Marktplatz. Hier ist auch der
Ringelnatzbrunnen zu finden. Er wurde anlässlich des 100. Geburtstags von Joachim Ringelnatz im Jahr 1983 errichtet. Der Brunnen ist auch die Endstation des Ringelnatz-Pfads. Der Rundgang auf den Spuren von Ringelnatz führt auf 13 Stationen durch die Altstadt. Die Stelen sind jeweils mit einem Portrait des Dichters und einem Gedichtauszug versehen. Seit 2016 zieren außerdem Skulpturen verschiedener Künstler die Stationen. Auf dem Weg kommt man an den Sehenswürdigkeiten der Stadt vorbei. So auch an der Mitte des 13. Jahrhunderts errichteten Stadtkirche St. Wenceslai. Nachdem sie bereits zweimal dem Feuer zum Opfer fiel, wurde sie zwischen 1673 und 1689 als dreischiffige Hallenkirche neu aufgebaut. Aus dieser Zeit stammt auch die barocke Haube. Bei der Renovierung von 1975 bis 1996/97 wurde das Kirchenschiff vom Altarraum getrennt und eine neue Eule-Orgel im Turm eingeweiht. Daneben beherbergt der 52 Meter hohe Turm eine restaurierte Türmerwohnung. Nachdem der letzte Türmer bis 1911 hier wohnte, ist die Wohnung heute für die Öffentlichkeit zugänglich.

Besonders prägend für die Stadtgeschichte sind auch die imposanten Mühlentürme. Sie sind die Türme der ehemaligen Krietschwerke, in denen Kekse und Biskuits hergestellt wurden. Auch heute sind hier noch zwei Unternehmen ansässig, die Nahrungsmittel produzieren. Unter anderem verlassen Wurzener Erdnussflips, Brezeln und feines Gebäck die Gebäude.

Das grüne Herz der Stadt ist der Stadtpark im Norden. Der Volkspark aus der Gründerzeit dient als Ort der Entspannung und Erholung und wurde 1879 vom Kommerzienrat Juel initiiert. Der angelegte Teich mit einer Fontäne sowie die Grotte prägen den 16 Hektar großen Park. Ein beliebtes Fotomotiv ist der mittelalterliche Rundturm aus Bruchsteinen mit Zinnkranz. Der 1888 errichtete Turm wird auch Mäuseturm genannt. Auch der Alte Friedhof am Bahnhof ist heute eine Parkanlage. Im Jahr 1930 schuf Georg Wrba hier das Kriegerdenkmal auf dem „Alten Friedhof“, das an die 700 Wurzener erinnert, die im Ersten Weltkrieg gefallen sind. Ergänzend bietet der Stadtwald einen Ort der grünen Erholung. Sollte es einmal höher hinausgehen, dann ist man auf dem Wachtelberg richtig. Er ist mit 148,5 Metern die höchste Erhebung der Stadt. Einen weiten Blick über das Muldental bietet der Bismarckturm, der 1908 dort errichtet wurde. Der Wachtelberg ist umgeben vom Naturschutzgebiet Wachtelberg-Mühlbachtal. Das Gebiet ist das älteste Flächennaturdenkmal Deutschlands für bedrohte Pflanzen und steht seit 1911 unter Schutz.

Stand: 28.09.2023

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