Selbst zu Karl May gibt es eine Verbindung. Seine Romanfigur Kara Ben Nemsi hat im Buch „Durch die Wüste“ von 1881 eine homöopathische Reiseapotheke von Willmar Schwabe dabei, mit deren Hilfe er mehrere Kranke heilt. Ob der Schriftsteller und der Apotheker sich gekannt haben, ist nicht genau belegt. Zumindest die Centralapotheke am Leipziger Thomaskirchhof kennt May. Er hat ganz in ihrer Nähe gewohnt und sich dort mit großer Wahrscheinlichkeit Anregungen geholt.
Eine solche homöopathische Hausapotheke mit ihren mehr als 200 verschiedenen Wirkstoffen ist im Sächsischen Apothekenmuseum zu sehen. Dieses ist im Haus der ehemaligen Homöopathischen Central-Apotheke untergebracht und erzählt auf rund 100 Quadratmetern Episoden aus der sächsischen Apotheken-Geschichte und der Pharmazie.
Werben für den Apothekerberuf
Die Leipziger Apotheken-Historie startet 1409 mit der Löwen-Apotheke, der ersten in Sachsen, die von einem aus Prag eingewanderten Heilkundigen eröffnet wird. Die Centralapotheke gilt als die erste rein homöopathische Apotheke Deutschlands.
Das Sächsische Apothekenmuseum wurde am 17. Juli 1999 eröffnet. Betrieben wird es vom Sächsischen Apothekerverband, der mit der Dauerausstellung auch gezielt Nachwuchs werben will. „Das Museum richtet sich nicht nur an Fachbesucher. Schließlich hat jeder ein Verhältnis zur Apotheke, zu Medikamenten und besitzt seine Erfahrungen mit Krankheit und Therapie“, sagt Susanna Seufert, die das Museum leitet. Erklärtes Ziel sei es, möglichst vielen Menschen das Berufsbild des Apothekers nahezubringen.
Ein Buch zum „Heilen der menschlichen Blödigkeit“
Gezeigt wird, wie sich die Ansprüche an die Apotheken im Laufe der letzten 150 Jahre verändern. Zu sehen sind Apotheker-Hilfsmittel wie Zäpfchenpressen, Drogenmühlen, Pillenbretter, Waagen, Mörser, Reibschalen und Spatel oder ein Infundier-Tisch aus dem Jahr 1894, mit dem einst im städtischen Krankenhaus St. Jacob Kräuter ausgekocht wurden. Ältestes Exemplar der Sammlung ist ein Kräuter-Buch von 1672, das Tipps zum „Heilen der menschlichen Blödigkeit“ parat hat. Das ist allerdings kein Psychiatrie-Lehrbuch. „Blödigkeit steht in jener Zeit einfach für Krankheit“, erklärt Seufert. Ein Thema ist die erste Leipziger Arzneitaxe aus dem Jahr 1669. Das ist ein für alle Apotheken der Messestadt gültiger Preiskatalog mit einem ungewöhnlich großen Angebot von 2.950 Mitteln. Die mussten die Apotheker auch vorrätig haben. Selbst heute merkwürdig anmutende Arzneimittel wie geriebenes Einhornpulver. Das wird bis ins 18. Jahrhundert hinein verkauft. Erst dann stellt sich heraus, dass es sich in Wahrheit um Narwal-Stoßzähne handelt.
Auch ein handgeschriebenes Rezepturen-Buch gibt es. Darin sind die geheimsten Mischungen aufgelistet. Glanzstück der Ausstellung ist eine Plastik vom weisen König Salomo, die sich einst an der gleichnamigen Apotheke befand, die 1470 ihr Privileg erhielt. Die Salomoapotheke wechselte mehrmals ihren Standort. Zuletzt am Peterskirchhof 7 angesiedelt, wurde sie 1983 endgültig geschlossen.
Leipzig als Zentrum der Homöopathie
Ein Raum ist Samuel Hahnemann, dem Erfinder der Homöopathie, sowie dem bereits erwähnten Willmar Schwabe gewidmet, der Leipzig zu einem Zentrum dieser Naturheilmethode macht. Die Museumsbesucher erfahren zudem interessante Geschichten über Persönlichkeiten wie die Leipziger Apothekerfamilie Linck, deren 1757 erbautes Sommerdomizil Lincks Gartenhaus im Hinterhof der Seeburgstraße 45 noch heute existiert. Bei Führungen und Sonderaktionen, etwa bei der Museumsnacht Leipzig-Halle, ist es auch möglich, dass Interessierte sich beim Tabletten pressen ausprobieren können.
Eine typische DDR-Apotheke
Ausgestellt sind Inventar und Arzneimittel aus der Falken-Apotheke Leipzig von 1982, die sich in der Ernst-Thälmann-Straße 99 (heute: Eisenbahnstraße) befand. In deren ehemaligen Räumen befindet sich seit ein paar Jahren das Szenelokal Kulturapotheke Leipzig. Für die Museumsgäste wird mit der Falken-Apotheke eine typische DDR-Apotheke im Grundriss erlebbar. Gezeigt wird allerdings nicht nur der Verkaufsraum, sondern das zum Funktionieren notwendige „Hinterland“. In verschiedenen ausziehbaren Schränken sind beispielsweise Betäubungsmittel, Gifte, ätherische Öle oder Krankenpfleger-Zubehör zu sehen. Ein Highlight ist das Schaudepot mit Medikamenten der DDR und einer für die 1960er Jahre typische Einrichtung. Es gibt ein Arzneimittelbuch. Ziel ist es, alle DDR-Arzneien zu zeigen. Das ist möglich, weil aus sich auflösenden Apotheken oder dem Nachlass von Verstorbenen immer noch „Neuzugänge“ eintreffen.
Im Museum gibt es inzwischen einen Audioguide, mit dessen Hilfe interessante Episoden aus der Apothekengeschichte zu hören sind. Die reicht weit zurück: Die Pille als älteste Arzneiform ist bereits im alten Mesopotamien und im alten Ägypten bekannt. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich neue Formen und Herstellungstechniken entwickelt. Das Sächsische Apothekenmuseum bietet viel Wissenswertes rund um Tabletten, Kapseln und Dragees, um Tees, Tropfen und Tinkturen, um Salben Gele und Pflaster.
Einen Besuch wert ist auch das Restaurant Bachstüb’l im Erdgeschoss des Gebäudes, das viele Jahre unter dem Namen Centralapotheke existierte. Im Lokal befindet sich noch die Schrankwand aus dem Geschäftsraum der ehemaligen Homöopathischen Central-Apotheke.
Stand: 03.03.2024