Capa-Haus

Jahnallee 61 | Ortsteil: Lindenau

Es ist ein geschichtsträchtiger Ort: Vom Eckhaus Jahnallee 61 im Leipziger Westen geht das legendäre Bild „The Last Man to Die“ („Der letzte Tote des Krieges“) um die Welt. Es zeigt Raymond J. Bowman, der bei den letzten Kämpfen zwischen der US-Army und der deutschen Wehrmacht sein Leben verliert. Die US-Army befreit Leipzig am 18. April 1945 von der Naziherrschaft. Der amerikanische Kriegsfotograf Robert Capa (1913-1954) begleitet sie und schießt jene berühmte Serie mit Fotos. Sie entsteht bei Kämpfen zwischen der anrückenden 2. Infanteriedivision der US Army und deutschen Soldaten, die am Elsterflutbecken letzten Widerstand leisten. Das Foto mit Bowman wird im Time Magazine veröffentlicht. Heute trägt das Gebäude den Namen Capa-Haus und wird mit einer Ausstellung im Erdgeschoss zum Ort gelebter Erinnerung, in der es auch regelmäßig Veranstaltungen gibt. Möglich wird dies durch eine Kooperation des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig und des Hentrich & Hentrich Verlags, der im Erdgeschoss des Eckgebäudes Räume bezieht. Hier arbeitet die Verlegerin Nora Pester mit ihrem Team.

Bürgerinitiative kämpft für Erhalt des Hauses


Es war eine „Rettung in höchster Not“, wie
Anselm Hartinger, der Direktor des Stadtgeschichtlichen Museums, betont und ist dem Eigentümer dankbar, die Initiative zu unterstützen. Das Gründerzeithaus gegenüber vom Straßenbahnhof Angerbrücke stand jahrelang leer und war nach mehrfachem Besitzerwechsel nach der Friedlichen Revolution in einem schlechten baulichen Zustand. 2011 gab es sogar eine Abrissgenehmigung der Stadt Leipzig. In der Silvesternacht 2011/12 fängt der Dachstuhl des Nachbarhauses in der Luppenstraße Feuer – damit schien das Schicksal der Immobilie endgültig entschieden.

Es ist der Bürgerinitiative Capa-Haus, die sich um den Leipziger Kabarettisten Meigl Hoffmann, den Historiker Volker Külow, Christoph Kaufmann von der Fotothek des Stadtgeschichtlichen Museums sowie Ulf-Dietrich Braumann vom Bürgerverein Lindenau gründet, zu verdanken, dass die Rettung des Gründerzeithauses gelingt. Sie startet am 3. Januar 2012 eine deutsch-amerikanische Petition an den Oberbürgermeister der Stadt Leipzig und fordert, „dieses wichtige Gebäude im Interesse zukünftiger Generationen als Mahnmal gegen den Krieg zu retten.“ Nach vielen Presseveröffentlichungen wird die Initiative gehört. Das Bauamt der Stadt Leipzig nimmt eine erste Notsicherung vor. Im September 2012 wird das Haus an die L&S-Immobiliengruppe verkauft, die 2014 eine denkmalgerechte Sanierung des Hauses sowie der beiden Nachbargebäude startet. Es entstehen 40 Wohnungen sowie Gewerbeeinheiten.

Museum, Bürgerinitiative und Verlag vereinen Netzwerke


Die Bürgerinitiative richtet einen Ausstellungsraum „War is over“ im Erdgeschoss des Gebäudes ein, der während der Öffnungszeiten des beliebten
Café Eigler bis 2021 regelmäßig zugänglich war. Doch das Café muss als Folge der Corona-Pandemie schließen. Das Stadtgeschichtliche Museum, die Bürgerinitiative Capa-Haus sowie der Verlag Hentrich & Hentrich für jüdische Kultur und Zeitgeschichte vereinen ihre Netzwerke, um die inzwischen überarbeitete Ausstellung wiederzueröffnen und ab September 2023 im kleinen Saal regelmäßig Veranstaltungen anbieten zu können. Dafür wurde eigens die gemeinnützige Firma Capa Culture gGmbH gegründet.

Im Begegnungszentrum wird das Leben Robert Capas verdeutlicht, der erst 1946 US-Staatsbürger wird. Die Schau erinnert zudem an Capas Partnerin Gerda Taro (1910–1937). Sie war ebenfalls Kriegsfotografin und starb mit nur 26 Jahren im Spanischen Bürgerkrieg. Das Stadtgeschichtliche Museum kann nun in Lindenau einen Ort der gelebten Partizipation und der Erinnerung an Krieg, Befreiung und NS-Herrschaft anbieten. Regelmäßig am 18. April ist das Capa-Haus Schauplatz einer bewegenden Gedenkzeremonie an die Opfer des Zweiten Weltkrieges, die eine zentrale Rolle für die deutsch-amerikanischen Beziehungen im Raum Leipzig spielt. Der Bürgerinitiative Capa-Haus gelang es auch, die Identität des letzten Kriegstoten von Leipzig zu klären.

Das Capa-Haus, zwischen 1909 und 1910 nach einem Entwurf von F. Otto Gerstenberger als Miethaus in Reformstil-Architektur errichtet, diente zunächst als Wohnhaus für den Goldschmied Oskar Menzel jun. In den Räumen des heutigen Cafés befanden sich zuvor die „Konditorei und Kaffeehaus des Westens“, anschließend die Anger-Tanzbar und später die Tanzbar „Melodie“.

Stand: 17.12.2023

Bildergalerie - Capa-Haus

Historisches Bildmaterial - Capa-Haus

Picture of Mathias Orbeck
Mathias Orbeck
Der in Leipzig-Connewitz geborene und aufgewachsene Journalist ist leidenschaftlicher Radfahrer und Naturliebhaber. 35 Jahre lang arbeitete der Lokalpatriot als Redakteur und Reporter bei der Leipziger Volkszeitung. Inzwischen als freier Autor tätig, gilt sein Interesse nach wie vor Leipzigs Historie sowie den schönen Seiten seiner Heimatstadt, deren Attraktionen er gern Gästen zeigt.
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