Gohliser Schlösschen in Leipzig

Menckestraße 23
Ortsteil: Gohlis-Süd

Das Gohliser Schlösschen wurde zwischen 1775 und 1780 vom Ratsbaumeister Johann Caspar Richter als bürgerlicher Sommerlandsitz erbaut und gehört zu den einzigartigen sächsischen Kleinoden und Höhepunkten der Rokoko-Architektur in Leipzig. Besonders sehenswert ist der von Adam Friedrich Oeser 1771 ausgemalte Festsaal mit dem Deckengemälde „Triumph der Psyche“. Bei dem Schlossgarten mit zentralem Zierbrunnen handelt es sich um den letzten erhaltenen Garten der einst berühmten Leipziger Gartenkultur des Barocks. Heute finden im Gohliser Schlösschen kulturelle Veranstaltungen wie Konzerte, Theateraufführungen, Ausstellungen sowie Hochzeiten statt.

Vom Sommerlandsitz zum Rokoko-Schlösschen


Die Geschichte des Gohliser Schlösschen reicht über 250 Jahre zurück, als Leipzig noch von einem übelriechenden Wassergraben umgeben war, welcher für schlechte Luft und eine Mückenplage sorgte. Um dem zu entkommen, zog es viele Leipziger in den lauen Sommermonaten hinaus aufs Land in das 20 Minuten entfernte Dorf Gohlis mit weitaus frischerer Luft. Die reicheren Bürger leisteten sich hier ein Sommerhaus. Im Jahr 1755 beauftragte der Leipziger Kaufmann und Ratsbaumeister Johann Caspar Richter den Dresdner Oberlandbaumeister und Begründer des Barocks, Christoph Knöbel, mit dem Bau eines Sommerlandsitzes im Dorf Gohlis. Die Entwürfe dafür werden Friedrich Seltendorff und Johann Christoph Knöffel zugeschrieben. Auch George Werner, der bedeutendste Baumeister des Leipziger Spätbarocks und Rokoko, soll um 1755/56 am Bau des Schlösschens mitgewirkt haben. Da Leipzig zwischen 1756 und 1763 im Siebenjährigen Krieg von preußischen Truppen besetzt wurde, mussten die Innenausbauten zunächst unterbrochen werden. Noch bevor es mit dem Bau weiterging, verstarb Richter. Seine Witwe heiratete wenig später den Geschichtsprofessor der Universität Leipzig, Johann Gottlob Böhme, der das Schlösschen 1780 vollenden ließ. Mit der malerischen Ausgestaltung des Salons wurde der damals prominenteste Leipziger Maler, Adam Friedrich Oeser, beauftragt. Zwischen 1781 und 1792 lebte der Justizrat Johann Hieronymus Hetzer im Schloss. Als Liebhaber der Künste machte er das Schlösschen zum „Musenhof am Rosental“. In dieser Zeit wurde das damals noch vor den Stadttoren gelegene Gohliser Schlösschen als geistiges Zentrum angesehen. In den prunkvollen Gemäuern verkehrten angesehene Bürger, darunter der Verleger Georg Joachim Göschen, der Schriftsteller Christian Gottfried Körner und der Dichter Friedrich Schiller.

Im Jahr 1793 wurde das Gohliser Schlösschen an die Stadt Leipzig übereignet unter der Bedingung, für dessen Erhalt und Verschönerung zu sorgen. Während der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 wurde das Schloss geplündert und diente als Militärhospital. 1832 wurde das Areal an die Familie des Halberstädter Domherrn Karl Wilhelm Rudolf von Alvensleben verkauft und 1864 vom Leipziger Kaufmann Christoph Conrad Nietzsche erworben, der auch die Renovierung des gesamten Schlosses veranlasste. 1906 erwarb die Stadt Leipzig das Schloss zurück. Nach einer durch den Stadtrat Friedrich August Hauptmann und den damaligen Oberbürgermeister Carl Friedrich Goerdeler initiierten Sanierung und einem teilweisen Umbau 1934/35 wurde das Gohliser Schlösschen schließlich als „Haus der Kultur“ der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Durch Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg musste das Areal umfassend saniert werden, bevor zwischen 1950 und 1985 Teilbereiche des Schlösschens vom Bach-Archiv Leipzig genutzt wurden. Im Jahr 2003 übernahm der Freundeskreis „Gohliser Schlösschen“ e.V. zunächst den Veranstaltungsbetrieb und wurde 2005 schließlich zum Betreiber.

Sächsisches Kleinod zwischen Parthe und Rosental


Der fünfachsige Haupttrakt des Gohliser Schlösschens besteht aus einer etwa 40 Meter langen Dreiflügelanlage, die sich zwischen Poetenweg und Menckestraße befindet und im Süden von der Parthe begrenzt wird. Das prächtige schmiedeeiserne Tor zur Menckestraße gehörte einst zur bürgerlichen barocken Gartenanlage Gerhards Garten und wurde um 1936 an die heutige Stelle versetzt. Zur Hofseite hin ist das Gebäude eingeschossig gebaut, zur Gartenseite in Richtung Rosental zweigeschossig. Der Bau wird von einem Mansardgeschoss mit Dacherkern und zahlreichen Schmuckelementen des Rokokos abgerundet, welche dem Schlösschen eine vornehme Eleganz verleihen. Den Mitteltrakt schmückt ein 56 Meter hoher, markanter Turmaufbau mit Uhr und Zwiebelhaube. Die Wetterfahne mit den Initialen „C R“ und der Jahreszahl 1756 erinnert an das Baujahr und den einstigen Bauherrn, Caspar Richter. Der Turm war ehemals ein Sichtpunkt, auf den eine der 13 strahlenförmig verlaufenden Alleen des von August dem Starken im Rosental geplanten Schlosses 1707 ausgerichtet war. 

Barocke Atmosphäre im Oesersaal erleben


Durch den langen Zeitraum zwischen Errichtung und Ausbau des einstigen Landhauses präsentiert sich die Inneneinrichtung des Gohliser Schlösschens heute im Stil des 18. Jahrhundert mit bürgerlichem Inventar aus der Zeit um 1900. Sie ist weniger vom Rokoko, sondern mehr vom Klassizismus geprägt. Auf jeder der drei Etagen im Mittelbau befindet sich ein Saal. Das Treppenhaus und die Zimmer neben den imposanten Sälen sind eher schlicht gehalten. Der als Memorial gestaltete Steinsaal im Erdgeschoss ist mit einem klassizistischen Denkmal mit Urne und Schrifttafel in Gedenken an die Bauherren Richter und Böhme ausgestattet. Er ist von der Gartenanlage aus begehbar und wird für Trauerfeiern im würdigen Rahmen genutzt. Im Geschoss darüber befindet sich der imposante Festsaal, der von Adam Friedrich Oeser malerisch ausgestaltet wurde. Das von ihm geschaffene, illusionistische Deckengemälde „Lebensweg der Psyche“ wurde, ebenso wie die Landschaftsgemälde an den Wänden, im Zuge der Restaurierung in den späten 1990er Jahren wiederhergestellt. Im Türbereich befinden sich zusätzlich zwei abendliche Phantasielandschaften, die ebenfalls von Oeser geschaffen wurden. Durch die deckenhohen Fenster im Saal dominiert ein helles, angenehmes Licht, welches mit den zarten Pastelltönen harmoniert und die heitere Stimmung des Rokokos verkörpert. Der Oesersaal wird heute für kulturelle Veranstaltungen und Konzerte sowie für standesamtliche Trauungen genutzt. Im Obergeschoss des Gohliser Schlösschens ist eine Bibliothek mit verglasten Wandschränken untergebracht.

Spaziergang durch den letzten erhaltenen Bürgergarten des Barocks


Der Schlossgarten wurde einst als kleiner Rokokogarten angelegt und später zum englischen Landschaftspark umgestaltet. Dabei handelt es sich um den letzten erhaltenen Bürgergarten der einst berühmten Leipziger Gartenkultur des Barocks. Heute befindet sich hier neben dem zentralen Zierbrunnen das von Adam Friedrich Oeser konzipierte Gellert-Sulzer-Denkmal aus dem Jahr 1935. Dabei handelt es sich um einen klassizistischen Stein, der an den berühmten Dichter Christian Fürchtegott Gellert und den Schweizer Theologen und Philosophen der Aufklärung, Johann Georg Sulzer, erinnert. Er trägt die Inschrift: „Durch Weisheit und Tugend unvergesslich“. Außerdem befindet sich das Friedrich-August-Denkmal zu Ehren des sächsischen Kurfürsten Friedrich August III. im Schlossgarten, welches um 1936 vom Königsplatz an die heutige Stelle versetzt wurde. Am Wasserbecken befinden sich die vom Dresdner Bildhauer Pierre Coudray geschaffenen Skulpturen des römischen Gottes Vertumnus und seiner Frau, der Göttin Pomona. Unweit des Hauptgebäudes gibt es zwei Anbauten. Das westliche Gebäude beherbergte einst die Orangerie, in dem östlichen befanden sich die Kegelbahn und das Billardzimmer. Hier ist heute ein Café untergebracht.

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Altes Rathaus in Leipzig

Markt 1
Ortsteil: Zentrum

Das Alte Rathaus befindet sich am Markt. Es ist eines der bedeutendsten Bauwerke der deutschen Renaissance und ein Wahrzeichen Leipzigs. Es wurde 1556 als erstes Renaissance-Rathaus in Deutschland von Hieronymus Lotter errichtet und diente bis 1905 als Sitz der Stadtverwaltung. Heute beherbergt das Alte Rathaus das Stadtgeschichtliche Museum Leipzig.

Vom Tuchhaus zum „schönsten Renaissancebau nördlich der Alpen“

Das Alte Rathaus dominiert mit seiner 87 Meter langen Fassade beinahe die gesamte Ostseite des Marktes. Mittels eines Durchgangs unterhalb des Rathausturms, in dem sich der Eingang zum heutigen Stadtgeschichtlichen Museum befindet, gelangt man zur Rückseite des Baus. Hier befindet sich der Naschmarkt mit der Alten Handelsbörse. Im Norden wird es durch das Salzgässchen begrenzt, im Süden durch die Grimmaische Straße.

Das Alte Rathaus blickt auf eine fast 500-jährige Historie zurück und spiegelt die Leipziger Stadtgeschichte wider. Im 19. Jahrhundert wurde es auch als „schönster Renaissance-Bau nördlich der Alpen“ bezeichnet. Das Gebäude entstand ursprünglich auf den Grundmauern eines alten Handelshauses der Tuchherren und seines gotischen Vorgängerbaus aus dem Jahr 1480. Nach nur neun Monaten Bauzeit wurde der imposante Renaissance-Bau 1556/57 nach Plänen des damaligen Bürgermeisters Hieronymus Lotter errichtet. Mit dem Tod des Baumeisters Paul Speck übernahm Anfang 1557 Paul Widemann die Arbeiten. Den Baumeistern lag zu dieser Zeit weder etwas an einer wohl proportionierten Abstimmung des Baus noch an einer streng gegliederten, symmetrischen Fassade mit horizontalem Abschluss. Durch die Überbauung der Vorgängerbauten entstand eine asymmetrische Teilung der Rathaus-Fassade, welche noch heute in Form eines Knicks zu erkennen ist. Diese unregelmäßige Aufteilung lässt sich insbesondere an der zur Ostseite des Markts gerichteten Schaufassade erkennen: So hat der Rathausturm seinen Platz nicht wie gewöhnlich in der Mitte der Fassade, sondern wurde stattdessen im Goldenen Schnitt mit asymmetrisch aufgeteilten Zwerchgiebeln links und rechts entworfen.

Das Alte Rathaus wird baulich verändert – Besonderheiten und Merkwürdigkeiten

1564 erhielt das Alte Rathaus zusätzlich einen hölzernen Laubengang und einen Altan unmittelbar über dem Turmportal, welcher zu besonderen Anlässen von den Ratsherren betreten wurde. Im Zuge von Renovierungsarbeiten 1599 wurde am Rathausturm eine Schlaguhr vom Annaberger Uhrmacher Georg Werner angebracht. Im selben Jahr wurde über dem Altan ein kleiner Pfeiferstuhl geschaffen, auf dem die Stadtpfeifer zu Festlichkeiten spielten. Der Ratssaal diente seinerzeit für Staatsempfänge, Handwerkerfeste und für Gerichtsverhandlungen, woran der noch heute erhaltene Richterstuhl erinnert.

Im Zuge einer ersten Restaurierung des Alten Rathauses 1672 wurde unter dem Hauptgesims eine das Gebäude umlaufende und später vergoldete lateinische Schrift angebracht, bei der es sich um die weltweit längste Inschrift dieser Art handelt. Sie beinhaltet eine Huldigung an den Landesherrn sowie den ersten Vers aus dem 127. Psalm. Im Jahr 1703 erhielt der Rathausturm zur Nord-, Süd- und Ostseite jeweils eine prunkvolle astronomische Uhr. Das größte Ziffernblatt an der Marktseite zeigt zusätzlich die Mondphasen an. 1744 wurde der Rathausturm von Christian Döring erhöht und mit einer barocken Turmhaube bekrönt. Durch die wachsende Einwohnerzahl und die zunehmenden administrativen Aufgaben mit Beginn des 20. Jahrhunderts wurden Überlegungen angestellt, das Alte Rathaus zugunsten eines neuen, größeren Rathauses abzureißen. Durch die Mehrheit von nur einer Stimme wurde 1904 vom geplanten Abriss abgesehen. Stattdessen wurde der Sitz der Stadtverwaltung 1905 in das Neue Rathaus verlagert.

Aus Alt mach Neu: die Scharenbergsche Sanierung

Sein heutiges Erscheinungsbild verdankt das Alte Rathaus im Wesentlichen der umfassenden Sanierung unter der Leitung des Stadtbaurats Otto Wilhelm Scharenberg zwischen 1906 und 1909. Dabei sollte das Bauwerk im Wesentlichen originalgetreu rekonstruiert und ausgebessert werden. Im Erdgeschoss auf der Marktseite wurde anstelle der vorherigen hölzernen Verkaufslauben ein steinerner Arkadengang aus rotem Rochlitzer Porphyr geschaffen. In die einzelnen Kaufgewölbe unter den Arkaden zogen kleine Geschäfte ein, während der Festsaal fortan für öffentliche Veranstaltungen genutzt wurde. Das Alte Rathaus wurde zum Stadtgeschichtlichen Museum umfunktioniert, welches am 11. Dezember 1911 eröffnete. Im Durchgang vom Markt zum Naschmarkt wurden 1909 zwei Zierbrunnen aufgestellt. Der Brunnen „Badender Knabe“ stammt von Carl Seffner. Johannes Hartmann schuf den Brunnen „Badendes Mädchen“, der sich in einer Fassadennische links neben dem Durchgang zum Markt befindet. 

Durch die Bombenangriffe auf Leipzig im Zweiten Weltkrieg wurde das Alte Rathaus 1943 stark beschädigt, wobei der Turm und das Dachgeschoss des Gebäudes vollkommen ausbrannten. Mit dem Wiederaufbau und der Restaurierung von 1946 bis 1950 unter dem verantwortlichen Architekten Walter Gruner war das Alte Rathaus eines der ersten historischen Gebäude der Stadt, das instandgesetzt wurde. Aus dieser Zeit stammt auch der charakteristische ockerfarbene Anstrich.

Ein Blick hinter die geschichtsträchtigen Gemäuer


Während die Fassaden im Zuge des Umbaus zwischen 1906 und 1909 weitgehend ihr Aussehen von 1557 behielten, kam es im Inneren des Alten Rathauses zu größeren Umgestaltungen. Das erste Stockwerk wird beinahe vollständig vom früheren 43 Meter langen Festsaal, der früheren Ratsdiele, eingenommen. Hier kann heute eine Gemäldegalerie mit Bildnissen sächsischer Kurfürsten begutachtet werden. In das Gestühl darunter wurden Porträts Leipziger Stadtrichter eingebaut, welche um 1800 von Anton Graff geschaffen wurden. Die vier Prunkkamine aus dem Jahr 1610 stammen von Friedrich Fuß. Im Festsaal ist auch das 25 Quadratmeter große Stadtmodell ausgestellt, welches 1823 von Johann Christoph Merzdorf geschaffen wurde. Hierbei handelt es sich um ein einzigartiges Exponat von kulturgeschichtlichem Wert, welches die mittelalterliche Stadtstruktur Leipzigs vor Beginn der industriellen Revolution zeigt. 

Im Durchgang vom Festsaal zur benachbarten Ratsstube hängt ein Porträt von Hieronymus Lotter. In der Ratsstube selbst unterzeichnete Johann Sebastian Bach 1723 seinen Anstellungsvertrag als Thomaskantor. Der Raum unmittelbar neben der Ratsstube ist exklusiv Bach und seinem Schaffen gewidmet. Hier befindet sich auch das nachweislich einzige authentische Porträt des Thomaskantors, welches von Elias Gottlob Haussmann im Jahr 1746 geschaffen wurde. Im Nebenraum wird die Leipziger Musiktradition erlebbar gemacht und ist der Kirchenmusik vor Bach und der frühen Geschichte des Gewandhausorchesters gewidmet. Hier sind Raritäten wie die Gründungsurkunde der Gewandhauskonzerte von 1781, ein Modell des ersten Gewandhaussaales im Maßstab 1:25 sowie das Dirigentenpult aus dem einstigen Konzertsaal ausgestellt. Sehenswert sind auch das Landschaftszimmer mit Malereien aus dem Spätbarock, die Schatzkammer sowie das Tapetenzimmer aus Kochs Hof, welches 1749 von Benjamin Calau geschaffen wurde.

Einen Besuch wert ist das Restaurant „Altes Rathaus“, das sächsische Küche und zahlreiche Bierspezialitäten anbietet. Hier sitzt man entspannt unter den Rathaus-Arkaden und genießt den Blick auf das Markt-Getümmel.

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Alte Handelsbörse in Leipzig

Naschmarkt 2 |
Ortsteil: Zentrum

Die Alte Handelsbörse ist das älteste, noch erhaltene Versammlungsgebäude der Leipziger Kaufmannschaft und zugleich der älteste Barockbau der Stadt. Sie wurde 1678 auf Initiative Leipziger Kaufleute errichtet, diente 200 Jahre lang als repräsentativer Versammlungs- und Handelsort und wird seit 1962 für kulturelle Veranstaltungen genutzt.

Vom Holzstand zum barocken Handelshaus


Die Alte Handelsbörse befindet sich auf dem Naschmarkt, welcher vom Salzgässchen, der Grimmaischen Straße und der Westseite des Alten Rathauses begrenzt wird. Sie gehört heute zum Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig.
Leipzig blickt auf eine jahrhundertelange Handelstradition zurück und galt mit der Leipziger Messe einst als eine der bedeutendsten Metropolen des weltweiten Handels. Zahlreiche Kaufleute ließen sich in der Stadt nieder und begründeten ihren Reichtum. Einige Fernhandelskaufleute kamen aus italienischen und flandrischen Handelsstätten mit weitaus prunkvolleren Börsen als dem hölzernen Stand nahe der Alten Waage auf dem Markt. Die Leipziger Kaufleute, die auch einen großen Einfluss auf die Politik und architektonische Entwicklung hatten, fanden die heimischen Bedingungen im nach dem Dreißigjährigen Krieg stark verschuldeten Leipzig beschämend. Schließlich wurden Forderungen nach einem städtischen Versammlungsgebäude für die Abwicklung größerer Börsengeschäfte, welches mit dem europäischen Handel mithalten könne, laut. Die Initiative der 30 Handelsherren wurde vom Stadtrat am 6. Mai 1678 bewilligt und noch im selben Monat der Grundstein für die Börse gelegt. Die Entwürfe für den Bau stammten vermutlich vom Dresdner Oberlandbaumeister Johann Georg Starcke. Das zweigeschossige Gebäude wurde 1679 unter der Leitung des Ratsmaurermeisters Christian Richter errichtet und bereits vor dessen Vollendung am 13. Oktober desselben Jahres von der Kaufmannschaft genutzt. Zu diesem Zeitpunkt ließ sich noch nicht erahnen, dass hier das erste Leipziger Bauwerk im barocken Stil und nicht nach dem bisher üblichen streng geometrischen antiken Vorbild entstehen sollte.

Tauschen, wettbieten und verhandeln in internationaler Atmosphäre


Die Räumlichkeiten im Erdgeschoss wurden ab 1682 für den Messewarenhandel an auswärtige Kaufleute vermietet, während der prunkvoll ausgestaltete Börsensaal im Obergeschoss erst 1687 fertiggestellt und fortan für Wechsel- und Geldgeschäfte genutzt wurde. Die Händler tauschten bei einem „guten Umtrunk“ Informationen über Handelswege, Preise und Risiken zu Absatzmärkten aus. Die Börse diente auch als Auktionshaus zur Versteigerung von Grundstücken, Häusern und beschlagnahmten Handelswaren. Kurfürst Friedrich August I. ließ 1699 im Erdgeschoss ein Kreditinstitut nach italienischem Vorbild einer „Banco di Depositi“ einrichten, wo die Händler ihr Geld zu wechselnden Zinsen anlegen, auswärtige Währung umtauschen und Kredite aufnehmen konnten. Die Bankfunktion der Börse wurde 1706 mit der Neuordnung des sächsischen Finanzwesens durch den Kurfürsten beendet.

Nach Vollendung der mit dekorativen Blumen- und Früchtegirlanden verzierten, lichten Fassade wurde die barocke Pracht des Bauwerks erkennbar. Trotz einer zwischenzeitlichen Erweiterung der Börse 1816 durch einen Vorbau, erwies sich das Gebäude als zu klein für das stark wachsende Messeaufkommen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Deshalb wurde die Börse im selben Jahr nach Plänen der Baumeister Johann Carl Friedrich Dauthe und Friedrich Weinbrenner umgebaut, erweitert und der Vorbau wieder entfernt.
Daraufhin wurde von 1883 bis 1886 am Tröndlinring 2 die Neue Börse errichtet. Mit ihrer Fertigstellung wurde das Gebäude auf dem Naschmarkt fortan als Alte Börse bezeichnet. Durch Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg wurde die Neue Börse 1943 vollkommen zerstört und, im Gegensatz zur ebenfalls völlig ausgebrannten Alten Börse, nicht wieder aufgebaut. Dabei gingen die prunkvolle Stuckdecke des schweizerischen Baumeisters und Stuckateurs Giovanni Simonetti und die Deckenmalereien von Johann Heinrich Am Ende im prunkvollen Börsensaal unwiederbringlich verloren. Gut zwölf Jahre nach der Zerstörung begann 1955 der Wiederaufbau der Alten Börse, die 1962 in vereinfachter Form wiederhergestellt wurde. Die heutige charakteristische Farbgebung wurde 1994 ergänzt. Seitdem wird sie für kleinere Kongresse und verschiedene kulturelle Anlässe genutzt. Auch die Internationale Ostereierbörse Leipziger Eierlei findet hier seit über 25 Jahren statt.

Die Rathausfrage


Durch die zunehmenden administrativen Aufgaben infolge des starken Einwohnerwachstums Ende des 19. Jahrhunderts plante die Stadt ein neues, größeres Rathaus. 1877 beschloss der Stadtrat den Abriss der Alten Börse zugunsten eines größeren Rathauses. Aus Kostengründen wurde der Beschluss 1883 wieder verworfen. Zwischenzeitlich gab es die Idee, einen kleineren Neubau des Rathauses zu entwickeln, der mit der Alten Handelsbörse und dem Alten Rathaus verbunden werden sollte. Auch dieser Plan wurde nicht umgesetzt und die Alte Börse diente den Stadtverordneten von 1887 bis zur Fertigstellung des Neuen Rathauses 1905 als Sitzungssaal.

Wenn sich Barock und Renaissance vereinen… 



Der pavillonartige Bau der Alten Handelsbörse erstrahlt heute in historischem weißen Gewand und mit zahlreichen vergoldeten Schmuckelementen. Das Gebäude weist durch seinen streng rechteckigen Bau mit fünf Fensterachsen in der Breite und sieben Fensterachsen in der Länge charakteristische Elemente der Renaissance auf. Von dem kleinen, von einer weißen Sandsteinbalustrade umfassten Vorhof, führt eine doppelseitige Treppenanlage zum oberen Stockwerk mit dem Börsensaal. Über dem Giebel des schmalen Eingangsportals sind zwei geflügelte Knaben abgebildet, die das vergoldete Relief des Leipziger Stadtwappens tragen. Damit bekundete man früher, dass es sich um eine offizielle städtische Institution handelt.

Die Alte Handelsbörse vereint gestalterische Elemente des italienischen und niederländischen Barocks, was ihre Einmaligkeit in der Leipziger Architektur betont. Die Fensterbrüstungen der Fassaden werden von plastischen, vergoldeten Girlanden nach niederländischem Vorbild geschmückt. Der gerade Dachabschluss weist Elemente der italienischen Architektur auf. Auf den vier Ecken der umlaufenden Balustrade wurden die zwei Meter hohen Figuren der römischen Gottheiten Apollo, Venus, Merkur und Minerva platziert. Dabei handelt es sich um originalgetreue Kopien der einst vom Bildhauer Hans Caspar Sandtmann 1683 erbauten und im Zweiten Weltkrieg zerstörten Sandsteinfiguren.

Mittelalterliches Treiben zwischen jungem Goethe und Löwenbrunnen


Auf einem hohen Sockel vor der Alten Börse befindet sich das Goethe-Denkmal. Das 1903 von Carl Seffner geschaffene Bronzestandbild zeigt den jungen Johann Wolfgang von Goethe im Zeitkostüm mit kaum 20 Jahren und erinnert an seine fast dreijährige Studienzeit in Leipzig. An der Grimmaischen Straße auf dem Naschmarkt befindet sich der 1918 nach Plänen von Hugo Licht neugestaltete Löwenbrunnen. Dabei handelt es sich um den ältesten noch funktionierenden Brunnen der Stadt.
Alljährlich zur Adventszeit verwandelt sich das Areal vor der Alten Handelsbörse zum mittelalterlichen Weihnachtsmarkt „Alt Leipzig“. Dort kann man historischen Handwerkern bei der Arbeit zusehen und Leckereien wie Heurekaner und warmen Met probieren.

Bildergalerie - Alte Handelsbörse in Leipzig

Historisches Bildmaterial - Alte Handelsbörse in Leipzig

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