Das Ägyptische Museum der Universität Leipzig präsentiert seit 2010 im Krochhochhaus die älteste ägyptologische Lehrschausammlung einer deutschen Universität. Auf zwei Etagen und 500 Quadratmetern werden rund 7.000 altägyptische Ausstellungsstücke aus vier Jahrtausenden gezeigt. Im Jahr 1870 wurde an der Universität Leipzig ein Lehrstuhl für Ägyptologie eingerichtet und der Bestand an ägyptischen Sammlungsobjekten wuchs, so dass diese mit Beginn des 20. Jahrhunderts in einem Museum untergebracht wurden. Einen wertvollen Beitrag für die Erweiterung der Sammlung leistete der Ägyptologe Georg Steindorff durch zahlreiche Grabungskampagnen.
An Anfang war der Holzsarg: Ein Stück Altes Ägypten inmitten von Leipzig
Die Entstehung des Ägyptischen Museums begann mit der Einrichtung des Lehrstuhls für Ägyptologie an der Universität Leipzig im Jahr 1870. Als Begründer der ägyptischen Universitätssammlung gilt der Philologe und Professor für Archäologie an der Universität Leipzig, Gustav Seyffarth. Er besuchte die bedeutendsten ägyptischen Sammlungen in Europa, fertigte Kopien ägyptischer Texte an und leistete einen entscheidenden Beitrag für den Aufbau der heutigen Sammlung. Das Ägyptische Museum verdankt Seyffarth den 2,12 Meter langen Zedernholzsarg des Hed-bast-iru, den die sächsische Landesregierung im Jahr 1842 auf sein Anraten für 289 Taler in Triest käuflich erwarb. Dieses Exponat gilt noch heute als Herzstück der Leipziger Sammlung. Die Nachfolge von Gustav Seyffarth übernahm der Ägyptologe Georg Ebers, der 1870 sein Professorenamt an der Universität Leipzig antrat. Internationale Bekanntheit wurde ihm durch den Erwerb eines knapp 19 Meter langen ägyptischen Papyrus während einer seiner Reisen nach Ägypten 1872/73 zuteil. Dabei handelt es sich um eine rund 3.500 Jahre alte medizinische Sammelschrift aus 879 Einzeltexten, die heute in einem Schauraum der Universitätsbibliothek ausgestellt ist.
Von der Lehrsammlung zum Museum
Am 1. Oktober 1893 wurde der heutige Namenspatron des Ägyptischen Museums, Georg Steindorff, zum außerordentlichen Professor in Leipzig berufen und erhielt 1904 den Lehrstuhl für Ägyptologie. Steindorff erweiterte den Sammlungsbestand durch eigene Funde aus Grabungskampagnen. Die Ausstellungsfläche von 166 Quadratmetern wurde bald zu knapp für neue Funde, Schenkungen und Ankäufe, so dass zwischen 1912 und 1915 ein Kreuzgangflügel an der Südseite des Johanneums angebaut wurde. Dort richtete Steindorff das Ägyptische Museum ein. Besonderen Fokus legte er auf die Beschaffung von Gebrauchsgegenständen aus dem Alten Ägypten, darunter Kosmetikutensilien. Unter seiner Leitung gelangten im Zuge mehrerer Grabungskampagnen in der Nekropole Giza ab 1903 zahlreiche Reliefs, Privatstatuen und Grabbeigaben nach Leipzig. Bei Grabungsarbeiten 1909 im Tempelkomplex des Pharaos Chephren, des Erbauers der zweitgrößten Giza-Pyramide, wurden Bruchstücke von zerschlagenen Königsstatuen zutage gefördert, welche im Ägyptischen Museum in Leipzig und anderen Museen ausgestellt wurden. Als besonderes Meisterstück des Museums galt ein aus sieben Gneis-Fragmenten zusammengesetztes Chephren-Gesicht. Im Zuge von Georg Steindorffs Grabungskampagne in Abusir im Jahr 1910 erhielt das Ägyptische Museum frühdynastische Steingefäße und kleinere Exponate aus Kupfer und Elfenbein. Nach Ausgrabungen im unterirdischen Aniba in den Jahren 1912/14 und 1930/31 durch Steindorff und sein Team wurde der Museumsbestand um nubische Töpferware sowie Kult- und Alltagsgegenstände ergänzt. Hinzu kam eine Schenkung aus dem Museum of Fine Arts Boston. Dabei handelte es sich um Ausgrabungsstücke aus dem obernubischen Ort Kerma im heutigen Sudan. Weitere Objekte des Ägyptischen Museums entstammten Schenkungen aus dem In- und Ausland, darunter die Grabausstattung des Totenpriesters Herischef-hotep aus Abusir von der Deutschen Orient-Gesellschaft.
Trotz seiner Konvertierung zum Christentum erfolgte 1934 Steindorffs Emeritierung. Ab 1941 wurden zahlreiche Leipziger Exponate zum Schutz vor Bombenangriffen ausgelagert. Eine Vielzahl an Objekten wurde 1943 auf Schloss Mutzschen und nach Technitz bei Döbeln geschafft. Die größten Exponate blieben jedoch in den Ausstellungsräumen und fielen dem Bombenangriff vom 4. Dezember 1943 zum Opfer, darunter die Opfertafel des Seschem-nefer aus Giza. Auch die sich im Keller des Johanneums befindlichen Ausstellungsstücke wurden zerstört. Andere als verschollen geltende Museumsstücke waren, wie sich später herausstellte, in die Sowjetunion gelangt. Am 12. Mai 1976 wurde das Ägyptologische Institut mitsamt der Dauerausstellung im Erdgeschoss des Wohn- und Geschäftshauses Schillerstraße 6 wiedereröffnet. Die rund 4.000 Jahre altägyptische Kultur widerspiegelnde Exposition wurde 2003 für sieben Jahre in ein Interim in der Burgstraße verlagert.
Streifzug durch altägyptische Kulturgeschichte im einstigen Bankkaufhaus
Im Jahr 2010 fand das 2008 umbenannte „Ägyptische Museum – Georg Steindorff“ seine neue und repräsentative Heimstätte in den Art-Déco-Räumlichkeiten des ehemaligen Bankhauses von Hans Kroch, dem repräsentativen Krochhochhaus am Augustusplatz. Seit der feierlichen Eröffnung präsentiert sich dort auf den zwei unteren Etagen des ersten Leipziger Hochhauses eine deutschlandweit einmalige Schau- und Lehrsammlung aus rund 7.000 altägyptischen Exponaten in überzeugender Konzeption. Eine besondere Anforderung an das Konzept der Exposition bestand in der Gestaltung der unter Denkmalschutz stehenden Räume im ersten Obergeschoss des Gebäudes und in der großen Ausstellungshalle. Auf über 500 Quadratmetern wurde ausreichend Platz geboten, um nahezu den gesamten Bestand zu präsentieren. Die ehemalige Schalterhalle des Bankhauses Kroch – die heutige Ausstellungshalle – beherbergt altägyptische Plastiken und Skulpturen sowie an den Wänden umlaufend die wichtigsten Reliefs. Zu sehen sind Exponate vom Alten Reich um 2540 v. Chr. bis in die Spätantike. Besonders eindrucksvoll ist das aus zehn Dienerfiguren sowie zwei Darstellungen des Grabherrn bestehende Skulpturenensemble „Djascha“. Neben weiteren Einzel- und Gruppenstatuen aus der 5. Dynastie bildet dieses nahezu vollständige Grabzusammenhänge ab.
Das benachbarte „Direktorenzimmer“ beherbergt einen einmaligen Fundkomplex in Form des gesamten Grabensembles eines Priesters aus dem frühen Mittleren Reich um 1970 v. Chr. Dieses besteht aus zwei ineinander geschachtelten Särgen und einem kompletten Beigabensortiment. In den beiden Seitenkabinetten auf der Geschossebene 1 sind Funde aus der prä- und frühdynastischen Periode des Alten Ägypten ausgestellt. Gegenüber befindet sich eine Übersicht über die Schriftentwicklung im Vorderen Orient. Das im Jahr 1842 aufgekaufte und somit erste altägyptische Sammlungsstück des Museums ist der Zedernholzsarg des Hed-bast-iru. Im angrenzenden ehemaligen, holzgetäfelten Besprechungsraum des Bankhauses erfährt der Besucher mehr über die nubischen Funde des Museums. Zu den bedeutenden Exponaten des Raumes zählen zwei filigrane Bronze-Gefäßständer aus dem Neuen Reich, die weltweit ihresgleichen suchen. Im zweiten Obergeschoss befindet sich ein großes Modell des Pyramiden- und Totentempelkomplexes des Pharao Sahure aus der 5. Dynastie um 2496 bis 2483 v. Chr. Dieses wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts von der Berliner Firma Gebrüder Stegemann geschaffen. Im benachbarten Schaumagazin wird eine Vielzahl archäologischen Grabungsmaterials mit themengebundenen Vitrinenabschnitten, etwa zur Keramikentwicklung im Alten Ägypten sowie Totenfigurinen und Göttern, gezeigt. Den Abschluss der Gesamtkonzeption bildet ein Raum zum Totenkult der Alten Ägypter. Dieser beherbergt u.a. einige in ihrer Wicklung und Verzierung vollständig erhaltene Mumien und ein Sargensemble.
Stand 26.09.2023