Grabpyramide der Familie von Eberstein

Zeumerstraße 5 | Ortsteil: Schönefeld-Abtnaundorf

Geheimgänge gibt es in der Grabpyramide zwar nicht, um das einzigartige Bauwerk neben der Gedächtniskirche Schönefeld in der Zeumerstraße ranken sich dennoch viele Geschichten. Selbstverständlich handelt es sich nicht um die letzte Ruhestätte eines Pharaos. Die Familien Schneider und von Eberstein sind hier bestattet.

Clara Hedwig von Eberstein, die am 10. Oktober 1900 stirbt, wird als Letzte ihrer Familie in der Familiengruft in Form einer ägyptischen Pyramide begraben. Diese lässt die für Schönefeld und Leipzig wichtige Persönlichkeit, die viel Gutes tat, bereits 1883 in der Nähe der Gedächtniskirche errichten. Gegenüber der Grabpyramide steht eine Bank, auf der die kinderlose Clara Hedwig von Eberstein oft sitzt. Die Pyramide soll eigentlich für die Ewigkeit verschlossen bleiben. Doch es kommt anders.

Eine Baronesse mit viel Unternehmergeist


Baronesse Clara Hedwig von Eberstein wird am 2. November 1817 als Tochter des Rittergutsbesitzers
Franz Botho und seiner Frau Marianne von Eberstein geboren. Sie wohnt zeitlebens auf dem Rittergut, welches sich seit 1794 in Familienbesitz befindet. Nach dem Tod der Eltern lebt die ledige Baronesse allein. Ihre Geschwister sind tot, sie bleibt kinderlos. Trotz eines starken Rückenleidens besitzt sie einen ausgeprägten Unternehmergeist. Durch Grundstücksgeschäfte in Zeiten der Industrialisierung schafft sie es, das Familienvermögen zu vergrößern.

Sie macht sich schon zu Lebzeiten als Stifterin einen Namen. Trotz ihres Wohlstandes führt die Baronesse ein recht anspruchsloses Leben. Ihr größtes Hobby ist das Reisen. Das führt sie unter dem Schutz von Regierungsbeamten und Missionsgesellschaften in zahlreiche Länder in Europa und am Mittelmeer. Sie besucht das nördliche Afrika, Indien und Brasilien. Viele ihrer mitgebrachten Andenken vermacht sie später dem Völkerkundemuseum, dem Kunstgewerbemuseum oder dem Leipziger Verein für die Freunde der Erdkunde. 1871 bis 1876 lässt sie das Schloss Schönefeld bauen. Und gründet die nach ihrer Mutter benannte Mariannenstiftung, die mittellose Töchter höherer Staatsbeamter und Militärs versorgt. Sie ist sehr vermögend, aber auch sehr sozial eingestellt.

Im Jahr 1883 lässt sie auf dem Areal der ehemaligen Gaststätte Jägerhaus eine Gruft mit aufgesetzter Pyramide als Grabstätte für sich und ihre bereits verstorbenen Angehörigen errichten. Die werden vom Friedhof Schönefeld umgebettet. Aus fast schwarzen Syenit-Blöcken wird die Pyramide nach den Plänen des Architekten Constantin Lipsius geformt. Zwei bronzene Löwen flankierten damals den Eingang in die Gruft. Was aus diesen geworden ist, kann nur vermutet werden. Wahrscheinlich wurden sie gestohlen.

Vandalismus in verwahrlostem Gelände


Zu DDR-Zeiten verwahrlost das Gelände, das bei der Enteignung der Mariannenstiftung am Ende des Zweiten Weltkrieges wohl vergessen wird, nach und nach. Die Pyramide im „Niemandsland“ wird nach dem Tode ehemaliger Angestellter, die das Gelände bis dahin weiter pflegten, dem Verfall preisgegeben. 1975 wird das Areal Volkseigentum. Die evangelisch-lutherische Gedächtniskirchgemeinde Schönefeld will dort eigentlich einen Kindergarten errichten, doch das Gelände wird an einen Privatmann zu Erholungszwecken verpachtet. Für die Öffentlichkeit bleibt es damit unzugänglich.

Bei Schönefelder Jugendlichen, so wird bei Führungen erzählt, gilt es damals als Mutprobe, von oben aus in die Gruft zu gelangen. Der Vandalismus macht vor den Särgen nicht Halt, einige werden aufgebrochen und sterbliche Überreste mitgenommen. Die Volkspolizei hat sich trotz verschiedener Anzeigen nur zögerlich darum gekümmert. Das für die Entwicklung Schönefelds so wichtige Patronat der Familie von Eberstein ist offiziell kein Thema. In den Fugen der Gesteinsblöcke siedelten sich viele Pflanzen an, aus denen teilweise Bäume entstanden sind. Dadurch wird das Bauwerk massiv geschädigt.

Kirchgemeinde rettet und saniert Grabpyramide


2008 geht das Areal offiziell in den Besitz der Kirchgemeinde über, die es erhalten will, und zunächst Erkundungsarbeiten unternimmt sowie wildwachsende Bäume fällen lässt. Dadurch wird die Pyramide erst wieder sichtbar, die Schäden am Bauwerk erkennbar. Der vermauerte Zugang der Grabpyramide wird im November 2008 auf Initiative der Paul-Benndorf-Gesellschaft und ihres Vorsitzenden 
Alfred E. Otto Paul geöffnet, Müll beseitigt, die Reste der Bestattungen und Teile der Särge geborgen.

Ab 2011 beginnt die umfangreiche Sanierung des Monumentes. Dabei werden die Natursteinblöcke abgenommen und – nach der Abdichtung des Ziegelmauerwerks – wieder befestigt. Eine Sanierung im Inneren ist nicht notwendig. Von den Grufttüren sind inzwischen Repliken angefertigt worden. Nach Abschluss der Sanierungsarbeiten 2024 bestattet die Kirchgemeinde die Gebeine unter einer Grabplatte. Auf Särge wird jetzt verzichtet.

Die Grabpyramide ist bei Führungen, etwa am Tag des offenen Denkmals, zugänglich. Die Besucher staunen immer wieder über die Ausmaße des Raumes mit fünf mal sieben Metern Grundfläche und acht Metern Höhe. Und über die Lebensgeschichte der Baronesse, die endlich in der Erinnerung der Schönefelder angekommen ist.

Stand: 05.10.2024

Bildergalerie - Grabpyramide der Familie von Eberstein

error: Dieser Inhalt ist geschützt! Es ist nicht gestattet, diesen Inhalt zu kopieren. Vielen Dank für Ihr Verständnis.