Blog

Neues Theater

Augustusplatz 12 | Ortsteil: Zentrum

Der Vorgängerbau des Opernhauses, das Neue Theater, wurde zwischen 1864 und 1868 nach Entwürfen des Theaterbaumeisters Carl Ferdinand Langhans auf dem Augustusplatz erbaut. Die Bauleitung und Detailplanung hatte der Architekt Otto Brückwald inne. Mit einer Aufführung von Johann Wolfgang Goethes Iphigenie auf Tauris wurde das Neue Theater am 28. Januar 1868 feierlich eingeweiht. Der Zuschauerraum bot 2.000 Zuschauerplätze sowie 300 Stehplätze. Das Neue Theater wurde 1943 bei einem schweren Luftangriff zerstört. An der gleichen Stelle entstand zwischen 1956 und 1960 das heutige Opernhaus.

Ballett und Oper in Leipzigs Neuen Theater


Leipzig blickt auf eine lange Tradition als Opernstadt zurück, die bis ins späte 17. Jahrhundert zurückreicht. Im Jahr 1693 wurde mit dem ersten Opernhaus am Brühl nach Hamburg und Venedig das dritte bürgerliche Musiktheater Europas eröffnet. Gegenüber dem
Gewandhaus zu Leipzig auf der Nordseite des Augustusplatzes befindet sich das 1956 bis 1960 von Kunz Nierade geschaffene Opernhaus der Stadt. Der Nachkriegsbau erinnert in Ansätzen an seinen Vorgängerbau, das Neue Theater. Anders als die Bezeichnung vermuten lässt, fanden Theateraufführungen in dem Gebäude eher selten statt. Das Neue Theater diente stattdessen vorrangig dem Ballett und der Oper. Es wurde zwischen 1864 und 1868 nach Entwürfen des Theaterbaumeisters Carl Ferdinand Langhans erbaut, Sohn von Carl Gotthard Langhans, der das Brandenburger Tor in Berlin schuf. Als Hauptwerk von Carl Ferdinand Langhans gilt die Staatsoper Unter den Linden in Berlin. Die Bauleitung und Detailplanung hatte der Architekt Otto Brückwald inne, welcher auch das Festspielhaus in Bayreuth und das Hoftheater in Altenburg schuf. Die Kosten für den Bau des Neuen Theaters beliefen sich inklusive Außengestaltung und Inventar auf rund 1.670.000 Mark. Diese Summe entstammte zu Teilen dem Vermächtnis des 1861 verstorbenen Kaufmanns Friedrich August Schumann, welcher der Stadt Leipzig 60.000 Taler hinterließ, die er für den Gemeinzweck verwendet sehen wollte.

Mit der Errichtung des Neuen Theaters wurde die Bebauung der Nordseite des Augustusplatzes abgeschlossen. Das Gebäude verband zugleich den Platz mit dem dahinter gelegenen Schwanenteich mitsamt Parkanlage. Ebendiese optische Verbindung von Landschaftsgestaltung und Architektur wurde in der Literatur des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts befürwortet. Mit einer Aufführung von Johann Wolfgang von Goethes Iphigenie auf Tauris wurde das Neue Theater am 28. Januar 1868 feierlich eingeweiht. Das ursprünglich ebenfalls hier angesiedelte Schauspiel wurde kurz nach der Eröffnung wieder in das Alte Theater am Richard-Wagner-Platz verlegt, da sich das Gebäude für Theateraufführungen als ungeeignet erwies. Ein künstlerischer und zugleich musikalischer Höhepunkt war der unter der Leitung von Angelo Neumann 1877 aufgeführte vierteilige Opernzyklus „Der Ring des Nibelungen“. Dabei handelte es sich um die erste Aufführung des Werkes außerhalb des Bayreuther Festspielhauses.

Den Besucher begrüßen die Musen…


Architektonisch erinnerte das Neue Theater an
Karl Friedrich Schinkels Schauspielhaus am Gendarmenmarkt in Berlin. Es setzte sich aus einem 94 Meter langen und 50 Meter breiten Mittelbau mit zwei Flügeln zusammen. Die zum Schwanenteich ausgerichtete Gebäuderückseite des Neuen Theaters war von einer halbrunden hervortretenden Terrasse gekennzeichnet. Den Eingang des Gebäudes flankierten zwei vom Dresdner Bildhauer Ernst Hähnel, welcher auch das Leibnitz-Denkmal im Innenhof der Universität Leipzig errichtete, geschaffene große Musenstatuen. Die Hauptfassade war gekennzeichnet von einer auf rund acht Metern über dem Erdgeschoss verortete korinthische Säulenvorhalle. Auf dem Giebelfeld war die allegorische Gruppe „Die Phantasie, Kränze an die Grazien und Künste verteilend“ abgebildet, darüber befand sich eine vier Meter hohe Statue des Gottes der Musik, Apollo Musagetes. Das Foyer war mit Marmorbüsten des Dichters Roderich Bexedix sowie Richard Wagners ausgestaltet. Hier befand sich ebenfalls eine Galerie bekannter Bühnenkünstler, Dichter und Komponisten. Besonders eindrucksvoll war das gut konzipierte Raumprogramm in Form einer für die Aufführungen genutzten 700 Quadratmeter großen Bühne. Der Zuschauerraum bot 2.000 Zuschauerplätze sowie 300 Stehplätze.

Bis zu seiner Zerstörung durch einen schweren Luftangriff auf die Stadt am 4. Dezember 1943 fanden im Neuen Theater noch Aufführungen statt. Bei dem letzten Werk, welches die Zuschauer zu Gehör bekamen, handelte es sich um die vom Gewandhausorchester dargebotene „Walküre“ von Richard Wagner. 

Die Ruine des Neuen Theaters wurde 1950 abgetragen. Bis zur Errichtung des heutigen Opernhauses an der gleichen Stelle zwischen 1956 und 1960 diente das Haus Dreilinden im Stadtteil Lindenau dem Opernensemble als Interimsspielstätte. 

Teile des Tympanon-Frieses, der sich ehemals am Frontgiebel des Neuen Theaters befand, kann man heute auf der linken Seite des Opernhauses neben dem Operncafé bewundern.

Stand: 27.09.2023

Historisches Bildmaterial - Neues Theater

Naturkundemuseum Leipzig

Lortzingstraße 3 | Ortsteil: Zentrum-Nordwest

Wie eine Vielzahl der Leipziger Museen verdankt auch das Naturkundemuseum seine Gründung der Initiative von engagierten Leipziger Bürgern vor mehr als 100 Jahren. Als „Archiv der Natur“ bewahrt das Museum die Sachzeugen der Umwelt und stellt die Daten nach eingehender wissenschaftlicher Erschließung anderen Einrichtungen, wie der Universität Leipzig, zur Verfügung.

Roßmäßlers Aufruf zur Errichtung des naturkundlichen Heimatmuseums


Als Wegbereiter des Naturkundemuseums gilt der Naturwissenschaftler, Politiker und Pädagoge
Emil Adolf Roßmäßler. Als „naturwissenschaftlicher Wanderprediger“ unternahm er Vortragsreisen durch ganz Deutschland mit dem Ziel der gesellschaftlichen Beförderung durch naturwissenschaftliche Volksbildung. Unter dem Titel „Ein Vorschlag für Leipzig und seine Behörden“ verfasste Roßmäßler im „Leipziger Tagesblatt“ vom 2. Januar 1859 einen wegweisenden Artikel, in dem er zur Gründung eines „Landes-Museums für vaterländische Naturgeschichte und Industrie“ aufrief. Ziel war es, eine naturkundliche Bildungseinrichtung für alle Bevölkerungsschichten zu schaffen. Hintergrund des Appells war die Fertigstellung des Neubaus für das Museum der bildenden Künste Leipzig am 18. Dezember 1858 und Roßmäßlers Forderung eines Äquivalents für die Erforschung der Natur. Aber erst nach Roßmäßlers Tod wurde zur Umsetzung des Projektes eine Einigung erzielt. Am 2. Mai 1906 setzte die „Naturwissenschaftliche Vereinigung“ des Leipziger Lehrervereins Roßmäßlers Forderung von 1859 um und fasste den Beschluss zur Errichtung eines Naturkundlichen Heimatmuseums. Nach Jahren der Sammlungstätigkeiten wurde das Naturkundliche Heimatmuseum am 5. Juni 1912 vor mehr als 200 Gästen in einem Flügel des Gebäudes der ehemaligen dauernden Gewerbeausstellung am Tröndlinring feierlich eröffnet. Die Exposition umfasste technologische, botanische, zoologische und erdgeschichtliche Exponate. Kern der Ausstellung bildeten Objekte zum geologischen Aufbau der Leipziger Region. Dazu zählten Exponate der heimischen Flora und Fauna des Auwalds sowie aus der Eiszeit. 

Von Standortdebatten und Platzmangel


Im Jahr 1923 zog das Museum aufgrund von zunehmenden Platzproblemen in das heutige Gebäude am früheren Schulplatz. Dieses wurde 1837 bis 1839 als
II. Höhere Bürgerschule neben dem heutigen Goerdelerring erbaut. In sieben Räumen des zweiten Obergeschosses wurde 1924 die neue Dauerausstellung mit einer botanischen, geologischen und zoologischen Abteilung wiedereröffnet. Im Jahr 1939 gelangte das Museum in städtische Trägerschaft. Im Zuge der Neugestaltung des Museums von 1937 bis 1942 wurde die Dauerausstellung erneuert und um eine archäologische Abteilung erweitert. Das Treppenhaus wurde mit Gemälden des Leipziger Wandbild- und Glasfenstergestalters Emil Block gestaltet. So entstand im Jahr 1941 ein umfangreiches Freskengemälde, welches eine typische Auenlandschaft mit Pflanzen- und Tierwelt zeigt. Als Vorlage dienten zehn Lichtbilder des Auwaldes sowie verschiedene Tierpräparate. Ein weiteres Großgemälde zeigt eine Mammutherde in eiszeitlicher Landschaft. Bei den Wandgemälden handelt es sich um die einzigen beiden, noch erhaltenen Werke von Emil Block im Museum, die den Krieg überdauerten. Am 23. Februar 1947 öffnete das Naturkundliche Heimatmuseum nach erheblichen Einschränkungen im Museumsbetrieb als erstes Museum in Leipzig seine neue Dauerausstellung. In der Nachkriegszeit erfüllte es bis 1952 die essenzielle Aufgabe, die in der Aufklärung der Bevölkerung über die Nutzung von natürlichen Ressourcen in der Ernährung bestand, darunter die Pilzberatung. Aufgrund der bereits ab Mitte der 1950er Jahre eingetretenen thematischen Erweiterung der Ausstellungen wurde das Museum 1961 in „Naturwissenschaftliches Museum“ umbenannt. Im Zuge der allgemeinen kulturpolitischen Ausrichtung in der DDR sollten fortan auch aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse vermittelt werden. Davon zeugte beispielsweise die „Kosmos-Ausstellung“ von 1959. 

Nach fast zweijähriger Schließung wurde das Museum am 1. Mai 1987 im Rahmen eines Jubiläums wiedereröffnet: 150 Jahre zuvor wurde die II. Höhere Bürgerschule, in der das „Naturkundliche Heimatmuseum“ seit 1923 untergebracht ist, erbaut. Anlässlich der Wiedereröffnung wurde die Einrichtung in „Naturkundemuseum“ umbenannt. In der zweiten Etage veranschaulichte man die Geschichte der Leipziger Fließgewässer, die noch heute ihren Platz in der Dauerausstellung hat. Bis 2006 entstanden aufgrund des fortbestehenden Platzmangels und der geforderten Modernisierung des Naturkundemuseums verschiedene Konzepte an Alternativstandorten. Als neuer Standort in Erwägung gezogen wurde neben dem Stadtbad und dem ehemaligen Landratsamt (Tröndlinring 3) auch die Kongresshalle am Zoo. Aufgrund ihrer zentralen Lage und der möglichen Verknüpfung des Zoo-Besuches mit Informationen zum naturgeschichtlichen Hintergrund im benachbarten Museum erschien dieser Standort sehr attraktiv. Die Räumlichkeiten wurden aber schließlich als unpassend eingestuft und der Plan verworfen. Auch der bis 2020 geplante Umzug in die Halle 7 auf das Gelände der Leipziger Baumwollspinnerei in Lindenau scheiterte. Bis 2025 ist ein Umzug des Naturkundemuseums vom Goerdelerring in den ehemaligen Bowlingtreff am Wilhelm-Leuschner-Platz geplant. Auf rund 5.500 Quadratmetern Fläche wird soll dort die Ausstellung gezeigt werden, während die Sammlung am gegenwärtigen Standort verbleibt. 

Blick in die Dauerausstellung: Lebensechte Löwen und Bienenstock


In der ersten und zweiten Etage des im schlichten Stil des späten Klassizismus erbauten Museumsgebäudes befindet sich auf etwa 800 Quadratmetern die Dauerausstellung. Charakteristisch sind verschiedene Dioramen, welche Pflanzen und Tiere in ihrer natürlichen Umgebung abbilden. Gezeigt werden Exponate, die die Entstehung, Veränderung und zukünftige Entwicklung des Natur- und Kulturraums im Leipziger Umland veranschaulichen, darunter Präparate bereits ausgestorbener Tierarten. Schwerpunkt aller Sammlungen ist die Leipziger Tieflandsbucht. Weiterhin sind Exponate aus fernen Regionen bis zur Antarktis ausgestellt. Zu den vom Museum aufbereiteten Themen zählen die Ur- und Frühgeschichte Westsachsens, der Leipziger Auwald und der Südraum Leipzig unter dem Titel „Von der Braunkohle zum Landschaftswandel“. Ein besonderes Highlight sind lebende Bienen, die alljährlich vom Frühjahr bis zum Herbst artgerecht im Museum gehalten werden. 

Ein weltweites Alleinstellungsmerkmal besitzt das Naturkundemuseum mit den Großtier-Dermoplastiken des Präparators Hermann ter Meer. Der Niederländer lebte und wirkte zwischen 1907 und 1934 in Leipzig und gilt mit der Entwicklung seiner dermoplastischen Präparationsmethode weltweit als Begründer der modernen Tierpräparation. Das Naturkundemuseum besitzt mit 241 Präparaten die umfangreichste Sammlung von ter Meers Präparaten, die in Naturkundemuseen weltweit ausgestellt sind. Besonders berühmt sind seine Primaten- und Großkatzenplastiken. Die im Zuge seiner 27-jährigen Tätigkeit im Zoologischen Museum der Universität Leipzig entstandenen Säugetier-, Reptilien- und Vogelpräparate gelangten nach dessen Schließung im Jahr 1968 in den Besitz des Naturkundemuseums und sind seit 1977 Teil der Dauerausstellung. Im Naturkundemuseum ausgestellt ist auch der im Juli 2000 im Alter von 19 Jahren gestorbene letzte Löwe „Tamrin“ aus dem alten Raubtierhaus. Dieser wurde mit Hilfe der von ter Meer entwickelten Tierpräparationstechnik von Horst Spicale präpariert 

Das Naturkundemuseum beherbergt weiterhin eine etwa 250.000 Exemplare große Sammlung der Wirbellosenzoologie, eine mehr als 44.000 Objekte und stetig wachsende botanische sowie eine archäologische Sammlung. Im Jahr 2020 erwarb das Museum eine fast 20.000 Objekte umfassende Fossiliensammlung. Bei der einstigen Privatsammlung des geologischen Präparators Frank Trostheide handelt es sich um eine der bedeutendsten paläontologischen Sammlungen Deutschlands.

Stand: 27.09.2023

Bildergalerie - Naturkundemuseum Leipzig

Historisches Bildmaterial - Naturkundemuseum Leipzig

N’Ostalgiemuseum Leipzig

Nikolaistraße 28-32 / Steibs Hof | Ortsteil: Zentrum

Bei dem N’Ostalgiemusem als private Einrichtung handelt es sich um das drittgrößte DDR-Museum Deutschlands. Es wurde 1999 von Hans Häger aus seiner privaten Sammlung in der Stadt Brandenburg an der Havel gegründet, befand sich zwischenzeitlich auf dem Gelände des Domstiftsguts Mötzow und zog 2016 in seinen heutigen Standort in Steibs Hof nach Leipzig. Das Museum ist eines der ersten seiner Art in Deutschland und präsentiert über 40 Jahre Alltagskultur der DDR.

Aus Sammel-Hobby wird Museum


Bei dem N’Ostalgiemuseum handelt es sich um ein privates Museum, dessen Bezeichnung einem Wortspiel entstammt, wobei die Nostalgie im Kofferwort Ostalgie zusätzlich anders betont wird. Das Museum wurde 1999 von Hans Häger in der Stadt Brandenburg an der Havel gegründet. Häger hatte zuvor seit 1989 im eigenen Keller zahlreiche Alltagsgegenstände aus der DDR gesammelt. Als das Haus einem Einkaufszentrum weichen musste, bot ihm die Stadt Brandenburg ein Ausweichquartier an, damit die Sammlung auch öffentlich ausgestellt werden konnte. Da die Räumlichkeiten für die im Dezember 1999 der Öffentlichkeit vorgestellten Sammlung keine optimale Lage aufwiesen und bald zu klein für die weiter wachsende Sammlung waren, wurden die Exponate schließlich auf einen Ausflugshof, das Gelände des Domstiftsguts Mötzow vor den Toren Brandenburgs, umgesiedelt. Dort stellte Häger sie in einem einstigen unter Denkmalschutz stehenden Stallgebäude aus. Unterstützung erhielt er von seiner Enkelin
Nancy Häger, an die er seine Sammlung im Jahr 2010 übergab. Im Sommer 2016 wurde das Museum an den Wohnort von Nancy Häger nach Leipzig umgesiedelt. Seitdem befindet es sich in seinem heutigen Standort in der Nikolaistraße in Steibs Hof, unweit der Nikolaikirche.

Staunen und erleben: Von Kinderspielzeug über Mopeds zu Backmischungen…


Das N’Ostalgiemuseum zeigt auf einer Fläche von über 300 Quadratmetern mehr als 30.000 Exponate zu 40 Jahren Alltagskultur der DDR in Deutschland. Dazu zählen Haushaltsgeräte, Uhren, Radios, Kinderspielzeug, Original-Backmischungen ebenso wie Autos und Mopeds sowie ein vollständig eingerichtetes Wohnzimmer aus den 1960er Jahren. Auch ein Trabant 501 ist Teil der Ausstellung. In einem separaten Raum sind Ehrenzeichen, NVA-Uniformen und FDJ-Hemden ausgestellt. Die umfassende Sammlung machte das N’Ostalgiemuseum auch zu einem langjährigen Partner der Filmindustrie. Das ein oder andere Exponat ist auch in Kinofilmen zu sehen, unter anderem in dem Film „Russendisko“ aus dem Jahr 2012. Um den Fokus auf das Erleben, Entdecken und Bestaunen der Exponate zu legen, wurde auf Hinweis- und Erläuterungstexte bewusst weitgehend verzichtet. So sind die Besucher, die die DDR erlebt haben, eingeladen, in Erinnerungen zu schwelgen und von ihren Erlebnissen mit den ausgestellten Gegenständen zu erzählen. All diejenigen, die nicht in der DDR gelebt haben, wird die Möglichkeit geboten, sich dem „real existierenden Sozialismus“ zu nähern.

Der Fundus des N’Ostalgiemuseums wurde über Jahrzehnte kontinuierlich auf- und ausgebaut. Die ersten Ausstellungsstücke erwarb Hans Häger bei Haushaltsauflösungen und Trödelmärkten. Inzwischen wurde der Fundus durch Spenden erweitert. Im Museum kann man zudem alte DDR-Fahrzeuge ausleihen. So werden etwa Stadtrundfahrten in einem originalen 311er Wartburg mit Chauffeur angeboten. Zudem können sich Zweiradfans originale DDR-Mopeds der Marken Simson und Schwalbe stundenweise ausleihen. 

Im Eingangsbereich des Museums befindet sich ein kleines Café, dessen Name „Café 1:33“ in Anlehnung an das Mischverhältnis für Benzin und Öl bei DDR-Fahrzeugen entstand. Hier gibt es Kaffee und hausgemachten Kuchen. Neben dem täglichen Betrieb im Café finden auch ein monatlicher Oldtimerstammtisch, Autorenlesungen und Dia-Aufführungen statt.

Neben dem N’Ostalgiemuseum informieren in Leipzig ebenfalls die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ sowie das Zeitgeschichtliche Forum Leipzig zum Thema DDR aus verschiedenen Blickwinkeln.

Stand: 27.09.2023

Bildergalerie - N’Ostalgiemuseum Leipzig

Museum im Stasi-Bunker Machern

Machern | Lübschützer Teiche

Am Rande des Naherholungsgebiets Lübschützer Teiche bei Machern befindet sich die einstige als Ferienanlage getarnte Ausweichführungsstelle (AfüSt) des Leiters der Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Leipzig. Im Spannungs- und Mobilmachungsfall sollten die Tätigkeiten der Staatssicherheit Leipzig im Dienstsitz in Machern im 1968 bis 1972 erbauten Bunker fortgesetzt werden und das Ministerium für Staatssicherheit seinen Machtanspruch bewahren. Die 5,2 Hektar große, denkmalgeschützte und original erhaltene Anlage mit all seinen Bauten kann heute als Teil der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ besichtigt werden. Träger ist das Bürgerkomitee Leipzig.

Was es mit der als Ferienanlage getarnten „Affäre 5“ auf sich hatte…


Rund 30 Kilometer östlich von Leipzig bei Machern liegt die ehemalige Ausweichführungsstelle (AfüSt) des Leiters der Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Leipzig. Als Teil des Museums in der „Runden Ecke“ wird die Anlage durch das Bürgerkomitee Leipzig e.V. als bundesweit einmalige Gedenkstättenkombination aus ehemaliger Bezirksleitung für Staatssicherheit und dazugehöriger Ausweichführungsstelle betrieben.

Die 1967 vom Minister für Staatssicherheit Erich Mielke erlassene Direktive 1/67 legte alle zentralen Aufgaben und Tätigkeiten fest, die das Ministerium für Staatssicherheit im Mobilmachungs- und Ernstfall übernehmen sollte und traf hierfür die notwendigen Vorbereitungen. Die sogenannte „geheime Kommandosache“ sah neben Anweisungen zum Bau von Ausführungsstellen auch Pläne zur Festnahme, Isolierung und Überwachung Andersdenkender vor. Um eine Zerstörung oder Behinderung der Staatssicherheit zu verhindern, sollten dezentrale Ausweichobjekte errichtet werden. In diesem Zuge entstanden in allen 15 Bezirken der DDR Ausweichführungsstellen für die entsprechenden Bezirksverwaltungen der Stasi. So wurde von 1968 bis 1972 am Rande des Naherholungsgebiet Lübschützer Teiche bei Machern ein Bunker für die Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Leipzig erbaut. Getarnt als eine Ferienanlage des VEB Wasserversorgung und Abwasserbehandlung Leipzig wurde das 5,2 Hektar große Areal mit dem Decknamen „Affäre 5“ gut bewacht und vor den Augen der Öffentlichkeit verborgen. In fünf Metern Tiefe unter der Erde stand in dem ca. 1.500 Quadratmeter großen ABC-Schutzbunker alles bereit, was der Führungsstab der Leipziger Staatssicherheit im Spannungs- und Mobilmachungsfall für eine Fortsetzung der geheimdienstlichen Tätigkeiten als Schutz- und Führungsbunker benötigt hätte. In diesem Zuge hätte Leipzigs Stasi-Chef gemeinsam mit bis zu 120 Mitarbeitern und zwei Verbindungsoffizieren des sowjetischen Geheimdienstes KGB seinen Dienstsitz aus der Bezirksverwaltung in der „Runden Ecke“ nach Machern verlagert. Für diesen Fall waren die Versorgungssysteme für Wasser, Strom und Luft für die Gewährleistung eines autarken Betriebs von mindestens sechs Tagen vorgesehen. Im Zuge dieser Dezentralisierung wäre der Machtanspruch des Ministeriums für Staatssicherheit des SED-Regimes auch im Falle eines Ausnahmezustands gesichert worden.

Von der Bunkeranlage bis zur authentischen Gedenkstätte mit Museum


Die Bunkeranlage wurde bis zum Ende der DDR stets einsatzfähig gehalten. Ständig vor Ort waren der Bunkerkommandant, sein Stellvertreter und etwa sechs Wachsoldaten des Ministeriums für Staatssicherheit mit Wachhunden. Die Kernaufgabe der Ausweichführungsstelle bestand in der Aufrechterhaltung der Kommunikation und in diesem Sinne der operativen Handlungsfähigkeit im Falle eines Krieges. Aus diesem Grund wurde der Nachrichtentechnik eine besondere Stellung zuteil. Im Ernstfall war der Bunker dazu konzipiert, sämtliche Aktionen zur Niederschlagung einer Volkserhebung zu koordinieren. Die detaillierten Pläne dazu wurden nach dem Aufstand der DDR-Bürger am 17. Juni 1953 entwickelt und im Herbst 1989 durch eine Aktualisierung der Liste für die Isolierungslager in Leipzig in der Nacht vor dem 9. Oktober 1989 aktiviert. Aufgrund der zu großen Anzahl von ca. 70.000 friedlich demonstrierenden DDR-Bürger am 9. Oktober 1989 wurden die Pläne letztlich nicht umgesetzt.

Bis Dezember 1989 ahnte keiner, dass die Leipziger Staatssicherheit die unterirdische Ausweichungsstelle für den Ernstfall stets funktionsbereit hielt. Erst im Zuge der Friedlichen Revolution und den damit verbundenen neu erworbenen Kenntnissen um sämtliche Dienstobjekte der Stasi sowie aufgrund des Engagements des Pfarrers der Gemeinde Machern, Gottfried Süß, wurde die Existenz des Bunkers publik. Die neu gegründeten Bürgerkomitees Leipzig und Wurzen setzten sich frühzeitig für den Erhalt als Gedenkstätte des zunächst unter der Kontrolle des Amtes für Nationale Sicherheit stehenden Bunkers ein. Der Kreistag Wurzen übernahm den Bunker schließlich am 20. September 1990 und legte im Folgejahr die zukünftige Nutzung der Anlage als Gedenkstätte fest. Ab 1993 wurde das Bürgerkomitee Leipzig zum neuen Pächter des Areals. In den Folgejahren wurde die Bunkeranlage durch die Beseitigung von Zerstörungen sowie die Wiederbeschaffung von Einrichtungsgegenständen wieder größtenteils in den Originalzustand versetzt. Er gilt heute als einziger, nahezu vollständig erhaltene Stasi-Bunker der DDR und steht seit 1995 unter Denkmalschutz.

Mobilmachung, Isolierung, Kommunikation: Einblicke in die Vorbereitungen für „Tag X“


Seit September 1996 dient das Areal offiziell als Museumsanlage, öffentliche Führungen werden jedes letzte Wochenende im Monat angeboten. Besichtigt werden kann das 5,2 Hektar große Areal mit all seinen Bauten sowie dem 1.500 Quadratmeter großen Bunkerinneren als Kern der Anlage. Dieser kann noch weitestgehend originalgetreu mit seinen spartanisch eingerichteten Schlaf- und Arbeitsräumen, winziger Küche, bescheidenen Waschräumen, mehreren Entgiftungszonen, Waffenschränken, Schleusen und tonnenweise Technik begutachtet werden.

Anders als bei anderen der Öffentlichkeit zugänglichen Bunkeranlagen wird im Museum im Stasi-Bunker Machern genau darauf geachtet, die Geschichte nicht zu glorifizieren und damit zu verzerren. Während der Führungen durch das unterirdische Museum werden entsprechend dieser Divise Einblicke in die Mobilmachungsplanung im Bezirk Leipzig sowie die Einbeziehung der Ausweichführungsstelle in die Vorbereitungen auf diesen „Tag X“ gewährt. Dazu zählen Informationen zur Funktionsweise der Versorgungssysteme, das potenzielle Zustandekommen von Nachrichtenkontakten in der DDR sowie die von der Stasi im „Ernstfall“ entwickelten Überlebensstrategien bis hin zur Errichtung von Isolierungslagern für Oppositionelle. Zu den Ausstellungsstücken gehören Original-Bunker-Utensilien, von Funktechnik bis hin zum Folienschweißgerät, vom Schlafsack bis zum Panzerschrank.

Stand: 27.09.2023

Bildergalerie - Museum im Stasi-Bunker Machern

Magirius, Friedrich

Theologe, Kommunalpolitiker | geb. am 2. Juni 1930 in Dresden

Friedrich Magirius ist einer der prominentesten evangelisch-lutherischen Theologen, die im Zuge des politischen und gesellschaftlichen Umbruchs im Herbst 1989 in ein direktes politisches Engagement geradezu hineingezogen wurden und als besonnene Moderatoren der aufgeheizten, meinungsstarken Diskussion breiter bürgerschaftlicher Kreise besonders gefragt waren. Bis heute müsste sich jeder Veranstalter eines einigermaßen gewichtigen Dialogs in Leipzig die Frage gefallen lassen, wo denn Friedrich Magirius sei, falls er im Teilnehmerkreis nicht gleich entdeckt würde.

Karriere in der evangelischen Kirche


Friedrich Magirius kommt aus der Generation, die im jugendlichen Alter das Ende der NS-Diktatur und der Schrecken des Zweiten Weltkriegs miterlebt hat. Aufgewachsen in Radebeul in der bürgerlichen Familie eines Amtsgerichtsrats, erlebte Magirius im Februar 1945 den Untergang seiner Geburtsstadt Dresden im Bombenkrieg mit. 

Auf das Abitur folgte das Theologiestudium von 1948 bis 1950 an der Kirchlichen Hochschule Berlin-Zehlendorf in der Vier-Mächte-Stadt Berlin und von 1950 bis 1953 an der Universität Greifswald. Es folgten erste berufliche Positionen in Einrichtungen der evangelischen Kirche in Sachsen. In der weiteren Karriere des Theologen stehen seine Pfarrstellen zunächst ab 1958 in Einsiedel und anschließend an der Kreuzkirche in Dresden. Einfluss und Anerkennung erwarb sich Magirius in besonderer Weise als Leiter der Aktion Sühnezeichen in der DDR. Dieses Engagement wird bei den polnischen Nachbarn bis heute registriert und geschätzt.

1982 folgte der Wechsel nach Leipzig. Bis zum Erreichen des Pensionsalters 1995 wirkte Magirius als Superintendent des Kirchenbezirks Leipzig Ost. Von seiner Wohnung im Haus der Kirche am Nikolaikirchhof aus fiel sein Blick nicht nur ständig auf dieses Gotteshaus – Magirius nahm als Pfarrer der Nikolaikirche zusammen mit Christian Führer vor allem Einfluss auf die montäglichen Friedensgebete, die seit den frühen 1980er Jahren einen ständig steigenden Zustrom von Leipzigern erfuhren. Die aus heutiger Sicht völlig unspektakuläre Aufforderung „Nikolaikirche – offen für alle“, die als Blechschild an den Fahrradständer der Kirche montiert war, entfaltete damals eine außerordentlich mobilisierende Wirkung.

Die frühen 1980er Jahre waren eine aufgewühlte Zeit. Der Warschauer Vertrag im Osten und die NATO im Westen überboten sich als Speerspitzen der Systemkonfrontation beim Aufstellen von Mittelstreckenraketen, die atomar bestückt werden konnten und im Falle einer militärischen Auseinandersetzung von beiden deutschen Staaten nichts übriggelassen hätten. Vernunft war gefragt – ebenso wie das Herunterkühlen der politischen Temperatur.

Diplomatischer Theologe in der Nikolaikirche


Aus der konkreten Situation heraus, nahmen die Diskussionen in der Nikolaikirche im Verlauf der 1980er Jahre einen immer politischeren Charakter an. Oppositionelle, die gegen die verknöcherten Zustände in der DDR aufbegehrten, fanden hier den Diskussionsort, den sie sich wünschten und der sie in ihren Ansichten weiter bestärkte. Magirius, der zu den publizistisch immer wieder so titulierten „Kirchenoberen“ gehörte, war angesichts der aufgeheizten Situation ein gesuchter Ansprechpartner für diejenigen, die damals in Leipzig die Staatsmacht verkörperten und die aufflammenden Proteste immer weniger bändigen konnten. Ganz Theologe setzte Magirius auf Friedfertigkeit und Ausgleich, auf Diplomatie statt Konfrontation. Damit erzeugte er zugleich Widerspruch bei denjenigen Oppositionellen, die sich einen fordernderen Auftritt gegenüber den offiziellen Stellen wünschten. Denn, dass es weniger das Interesse am Gebet und theologischen Argument als vielmehr der hochkochende Hang zum Protest oder zur beabsichtigten Ausreise aus der DDR war, der montags die Nikolaikirche immer mehr füllte, sahen alle Beteiligten und Beobachter sehr schnell und eindringlich.

Aus dem Abstand von inzwischen über 30 Jahren und nach einem Sturzbach politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Veränderungen ist die Unerbittlichkeit der Diskussion, die weiterhin anhält, erstaunlich. Immerhin war es Magirius‘ Diplomatie, die der Kirche Spielräume verschaffte und bewahrte, während die Frage spekulativ bleiben muss, ob eine härtere Konfrontation zwischen Oppositionellen und Staatsmacht den widerständigen Anliegen dienlicher gewesen wäre und zeitiger zu einem Umbruch wie dem Herbst 1989 geführt hätte. Es ist wohl eher so, dass Magirius viele derjenigen schützte, die ihn bis heute mehr oder weniger hart kritisieren. Magirius selbst äußerte öffentlich: „Als Christ sitzt man immer zwischen den Stühlen“.

Die Nikolaikirche als Institution und die beiden Pfarrer Magirius und Führer als Personen gerieten 1989 immer mehr in den Strudel des Umbruchs. Aus der Forderung „Wir wollen raus“ wurde das trotzige „Wir bleiben hier“, als sich kommende Veränderungen allmählich andeuteten. Zur Herbstmesse Anfang September 1989 bekamen die in Leipzig versammelten West-Korrespondenten diejenigen Aktionen und Motive vor die Linse, die einem staunenden Publikum in West und Ost verblüffende Eindrücke vermittelten: „Da braut sich was zusammen“.

Stadtpräsident in den Jahren des Umbruchs


Als der Umbruch bereits volle Fahrt aufgenommen hatte, stieg Friedrich Magirius zum Moderator des Leipziger Runden Tisches und damit zum Steuerer des Dialogs und des Verwaltungshandelns zwischen zurückweichenden alten und den drängenden neuen Kräften auf. Die Kommunalwahl im Mai 1990 brachte ein weiteres neues Amt für ihn. Er wurde Stadtpräsident, wie das die demokratische Kommunalverfassung damals vorsah, und damit für weitere vier Jahre der diplomatisch ausgleichende Steuerer der Stadtverordnetenversammlung mit ihren aufwallenden politischen Emotionen, während der neue Oberbürgermeister
Hinrich Lehmann-Grube von Amts wegen die Stadtverwaltung führte. Beide – der Theologe aus dem Osten und der versierte Verwaltungsjurist aus dem Westen – bildeten ein nahezu ideales Gespann, um die Geschicke der gesamten Stadt in dieser aufwühlenden Zeit ausgleichend zu lenken. 

Nach dem Ausscheiden von Friedrich Magirius entfiel das Amt des Stadtpräsidenten. Geblieben ist das Engagement des Hochbetagten. Der Ausgleich mit Polen in einem nimmermüden Dialog der gegenseitigen Verständigung ist ihm eine Herzensangelegenheit. In Leipzigs Partnerstadt Krakow genießt Magirius höchstes Ansehen. Daneben kümmert er sich engagiert um das Andenken ehemaliger jüdischer Bürger der Stadt Leipzig, die in den NS-Vernichtungslagern ermordet wurden. Wenn anlässlich des jährlichen Gedenktages an die Reichspogromnacht Stolpersteine vor ehemaligen Wohnstätten Leipziger Juden geputzt werden, ist Friedrich Magirius dabei.

Die Stadt Leipzig verleiht im Mai 2022 ihrem hochverdienten Bürger Friedrich Magirius die Ehrenbürgerwürde. Sie gilt einer Jahrhundertleistung.

Stand: 15.02.2022

Bildergalerie - Magirius, Friedrich

Madonna-Graffito

Karl-Liebknecht-Straße 7 | Ortsteil: Zentrum-Süd

Das 1991 vom französischen Künstler Blek le Rat (bürgerlicher Name: Xavier Prou) geschaffene Schablonengraffito „Madonna mit Kind“ (Pour Sybille) auf der Fassade der Karl-Liebknecht-Straße 7 gilt als ältestes erhaltenes Werk dieser Art des Franzosen und zählt zu einem der sehr wenigen denkmalgeschützten Graffiti im deutschsprachigen Raum. Blek le Rat widmete das Wandbild seiner späteren Ehefrau Sybille. Es wurde im Jahr 2012 unter aufgeklebten Plakaten wiederentdeckt und von Blek le Rat restauriert. Der Künstler gilt als Vater des Schablonengraffito, die auch als Pochoir oder Stencil bezeichnet werden. 

Von der Liebesbekundung zum Kulturdenkmal


Im Jahr 1991 nahm der damals 40-jährige französische Künstler Xavier Prou, weltweit bekannt unter dem Pseudonym Blek le Rat, an einem Graffitifestival an der
Universität Leipzig teil. Dort verliebte er sich in die Organisatorin Sybille und schuf kurz darauf im September 1991 an der Fassade der Karl-Liebknecht-Straße 7 das Graffito „Madonna mit Kind“ mit dem Schriftzug „Pour Sybille“ (dt. „Für Sybille“), um ihr zu imponieren. Die Angebetete, die erst wenige Tage später von dem Werk erfuhr, war von der Aktion offenbar äußerst beeindruckt. Blek le Rat und Sybille heirateten ein Jahr später und bekamen einen Sohn. Der Franzose gilt als Wegbereiter des Schablonen-Graffiti innerhalb der Streetart, obwohl diese Technik bereits zuvor vereinzelt genutzt wurde. Nach seinem Grafik- und Architektur-Studium an der Pariser Kunsthochschule schuf er zunächst kleinformatige Motive wie Bananen, Ratten und Panzer im öffentlichen Raum. Schließlich folgten größere Schablonen, darunter Politiker, Künstler, Zentauren, Faune, Jesus und verschiedene Madonnen. Die einst romantische Liebesbotschaft zählt zu den Frühwerken des französischen Künstlers und hat heute nicht nur einen enormen kulturellen, sondern auch finanziellen Wert. Das Leipziger Wandbild entstand als Schablonengraffito nach dem Vorbild der berühmten „Madonna dei Pellegrini“ (dt. Pilgermadonna), einem zwischen 1604 und 1606 von Caravaggio in Rom geschaffenen Ölgemälde. In diesem Sinne sprühte Blek le Rat die Maria und das Jesuskind ebenso seitenverkehrt. Diese blickten ursprünglich auf zwei winzige menschliche Figuren links von der Madonna, welche allerdings nicht mehr erhalten sind.

Leipzigs Madonna zwischen Standortdebatten und Konservierungsbestrebungen


Das Graffito geriet im Laufe der Jahre in Vergessenheit und wurde erst im Jahr 2012 bei der Sanierung des 1866 erbauten Gründerzeithauses unter alten Plakaten von der Leipziger Streetart-Expertin
Maxi Kretzschmar wiederentdeckt. Um den Wert des Graffitos wissend, setzte sie sich für dessen Erhalt ein. Bei der Wiederentdeckung des Kunstwerkes handelte es sich um eine kulturgeschichtliche Sensation sowie – als Ausdruck einer deutsch-französischen Liebesgeschichte – um eine besondere Anekdote ein Jahr vor dem 50-jährigen Jubiläum zur Unterzeichnung des Élysée-Vertrages 1963. Zur Erhaltung und langfristigen Sichtbarkeit des Kunstwerkes wurden Überlegungen angestellt, das Graffito im Museum der Bildenden Künste, im Museum für Angewandte Kunst oder in der Galerie für Zeitgenössische Kunst auszustellen. Hierfür beauftragte der Hausherr und private Bauträger Horst Langner bereits eine Baufirma, das rund 300 Kilogramm schwere Stück aus der Fassade herauszuschneiden. Nachdem Maxi Kretzschmar den Kontakt zu Blek le Rat herstellte und ihm einen Brief schrieb, bat der Künstler aufgrund des besonderen emotionalen Wertes für ihn und seine Frau Sybille darum, das Graffito an seinem Platz an der Hausfassade zu belassen. Vor diesem Hintergrund entschied man sich schließlich gegen das Vorhaben eines Abtransports in ein Leipziger Museum. 

Blek le Rat reiste im Jahr 2012 nach Leipzig, um das unterdessen stark verblichene Graffito an der Fassade persönlich zu restaurieren. Bei dem Wandbild handelt es sich um sein ältestes erhaltenes Kunstwerk dieser Art. Das Graffito wurde mit einer dicken Schutzscheibe versehen, deren Kosten in Höhe von 9.000 Euro Horst Langner und die Stadt Leipzig trugen. Es wurde nach der Restaurierung am 12. April 2013 feierlich enthüllt. Seitdem ist es für die Öffentlichkeit hinter einer Glasscheibe sichtbar. Das unter Denkmalschutz stehende Kunstwerk zählt zu den wenigen denkmalgeschützten Graffiti im deutschsprachigen Raum. 

Kunst contra Vandalismus


Doch bereits wenige Tage nach der Enthüllung wurde die Glasscheibe, hinter der sich das Kunstwerk befindet, von Graffitisprayern mit Tags besprüht und später von wilden Plakatierern zugeklebt. Auch Aufkleber aus der linksautonomen Szene „zierten“ schnell das denkmalgeschützte Werk. Der Hauseigentümer kam mit den Reinigungsarbeiten kaum hinterher, so dass Blek le Rats Graffito weitere Jahre unsichtbar blieb. Im April 2022 wurden die Plakate wiederholt entfernt, die Scheibe gereinigt und der deutsche Hinweistext in die französische und englische Sprache übersetzt. Es bleibt zu hoffen, dass die bedeutende Straßenkunst auch zukünftig die belebte
Karl-Liebknecht-Straße bereichert und Passanten zum Verweilen einlädt. 

Stand: 27.09.2023

Bildergalerie - Madonna-Graffito

Mädler-Passage

Grimmaische Straße 2-4 / Neumarkt 14 | Ortsteil: Zentrum

Diese Bildsequenz ist legendär, denn sie illustriert so eindringlich wie keine andere den historischen Bogen und den kühnen, wirtschaftsgeleiteten Anspruch der Stadt Leipzig und ihrer Favoriten in der Einheitseuphorie ab 1990: Da steht ein mittelalter eleganter Herr im feinen grauen Maßanzug in einer lichtdurchfluteten Passage. Sein stolzer Blick ist leicht nach oben gerichtet, und das Lächeln strahlt eine unerschütterlich optimistische Sicht aus. Der gewinnend Auftretende heißt Jürgen Schneider und kommt aus Kronberg im Taunus. Aufnahmeort ist die Mädler-Passage in Leipzig. 

Ein Spitzenplatz im Leipziger Passagensystem


Beeindruckend sollen sie gewesen sein – die haushohen Einfahrten für die schwer bepackten Fuhrwerke der Kaufleute, um pünktlich zur Messe in die Innenhöfe der Leipziger Handelshäuser zu gelangen. Das befand zumindest der in Leipzig seinen vielfältigen Studien nachgehende
Johann Wolfgang Goethe aus Frankfurt am Main. Als die Messe später auf moderne Verkehrsmittel umsattelte, ließen sich die vorhandenen Schluchten der Fuhrwerksdurchfahrten zwischen den Handelshäusern mit Glasdächern überwölben, auf dass darunter weiterhin Handel und Wandel im nunmehr feineren Ambiente stattfinden konnte. Das zu einmaliger Dichte heranreifende Leipziger Passagensystem war geboren. Nicht genug damit, dass sich an einigen Stellen im Stadtzentrum Passagen mit weit zurückreichender Entstehungsgeschichte finden, gingen prominente Leipziger Unternehmer im frühen 20. Jahrhundert daran, neue Passagen anzulegen, also den vielfach gelobten Bezug auf die Handelsgeschichte der wohlhabenden Stadt schöpferisch aufzunehmen und neu zu interpretieren.

1911 schlug die Stunde für Auerbachs Hof, einen historischen Bau, der sich zur Grimmaischen Straße hin öffnete. Auf Initiative und mit kräftigem Kapitaleinsatz durch Kommerzienrat Anton Mädler sollte auf dem geschichtsträchtigen Grund eine neue, repräsentative Straßenfront mit Zugang zu einer Passage angelegt werden. 

Ein Industrieller wird Immobilienentwickler


Mädler führte zu dieser Zeit die Koffer- und Taschenfabrik Moritz Mädler und war damit durchaus in einer Schlüsselbranche tätig. In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg hatte das wohlhabende Bürgertum die Lust am Reisen und am Erkunden der Welt entdeckt. Das ging nur mit hochwertigem Reisegepäck – aus Leder und mit einem festen Rahmen aus stabilen Holzleisten. An bunte Rollkoffer aus Nylon dachte dieses elegante Publikum sicher nicht. 

Die Leipziger Firma Mädler war ein Star ihrer Branche. Sie beschickte Messen und Weltausstellungen, warb in anspruchsvollen Publikationen und mit prächtigen eigenen Katalogen und wickelte glänzende Geschäfte ab. Der finanzielle Grundstock für den Bau der Mädler-Passage im Herzen der Stadt war geschaffen. 1911 entstand nach Plänen von Theodor Kösser zunächst der Flügel von der Grimmaischen Straße bis zur Rotunde. Weitere gezielte Grundstückskäufe in der Nachbarschaft gestatteten 1912 den Bau des rechtwinklig zur ersten Ladenzeile zum Neumarkt führenden Passage-Abschnitts. 1914 war der Bau dann abgeschlossen. Leipzig besaß damit eine elegante, weltstädtische Attraktion mehr. Eine Passage wie diese musste keinen Vergleich mit Mailand oder Paris scheuen. Fußläufig waren viele aneinandergereihte Einzelhandelsgeschäfte erreichbar. Hinter den mit üppigem Bauschmuck umkränzten Fenstern im ersten Stock befanden sich auf 5.700 Quadratmetern Ausstellungsräume der Messebranchen Leder und Porzellan. Der Passageneingang an der Grimmaischen Straße wird von zwei lebensgroßen weiblichen Figuren flankiert, die Weintrauben und eine Vase tragen. Damit wird Bezug auf die Zweckbestimmung der Passage als Messehaus und Weinkeller genommen. Auf den berühmten Auerbachs Keller stößt man gleich wenige Meter nach Betreten der Passage. Der Treppenabgang wurde geschickt und stilsicher in die Passage einbezogen. Davor stehen seit über 100 Jahren ehrwürdig die berühmten Faustskulpturen des Bildhauers Mathieu Molitor

Willkommener Qualitätsanspruch


Auch die DDR wusste, was sie an diesem architektonischen Kleinod hat. Die Mädler-Passage war immer gepflegt und ein gern präsentierter Solitär unter den innerstädtischen Ausstellungspalästen. Unter den Läden im Erdgeschoss ragten die Hinrichs’sche Buchhandlung, ein Fotogeschäft, ein bibliophiles Antiquariat und ein Wäschegeschäft heraus. Der sächsische Daueraussteller
Meissner Porzellanmanufaktur bescherte der Rotunde ein Porzellanglockenspiel, das manche Passanten veranlasste, einige Minuten an dieser Passagengabelung zu verweilen, um zur erwarteten vollen Stunde dem hellen und klaren Klang zu lauschen, der dort ertönte.

So sehr die Mädler-Passage auch geschätzt und gehegt wurde, so groß war ebenfalls der Investitionsbedarf für das intensiv genutzte Kleinod. In diese zwiespältige Situation fiel die deutsche Einheit mit ihrem kräftigen Zustrom anlagewilliger Investoren und zielsicherer Projektentwickler. Jürgen Schneider war der stürmischste unter ihnen. Gern gab er die Saga zum Besten, dass er sich eines sonnigen Septembersonntags im Jahr 1990 Knall auf Fall in Leipzig verliebt hat und hier mit Schwung ein Immobilienimperium von besonderer Strahlkraft aufzuziehen gedenkt. Die Banken unterstützten seine hochfliegenden Pläne, die öffentliche Verwaltung glaubte in ihm den Retter sanierungsbedürftiger Bausubstanz gefunden zu haben und viele Leipziger bespöttelten das wuchernde Investitionsrevier als „Schneider-City“. Mochte er im Zentrum von Leipzig auch anpacken, was er wollte, die Mädler-Passage war immer als Krönung seiner Pläne gedacht. Zum Glück für Leipzig waren deshalb die Arbeiten in der Mädler-Passage schon weit vorangekommen und an prominenten Stellen abgeschlossen, als das Auf-Schneider-Universum am 12. April 1994 in einem dunklen finanziellen Loch mit langen Gesichtern seitens der überrumpelten Banken endete.

Stilsicher ins 21. Jahrhundert

 

Ob heutige Flaneure gelegentlich noch an Jürgen Schneider denken, wenn sie in der Mädler-Passage einen Prosecco genießen? Vielleicht, mit einem milden Lächeln. Liegt alles ja schon fast 30 Jahre zurück. Geblieben ist der hohe Anspruch des hier vertretenen Einzelhandels, geändert hat sich der Branchen-Mix. Edle Uhren, exquisite Schreibwaren, Wohnaccessoires und kulinarische Genüsse pflegen heutzutage bewusst den Appell an einen gehobenen Lebensstil. Im Kabarett Sanftwut gibt es Theater mit Lachgarantie. In der Mephisto Bar lässt sich der Strom anspruchsvoller Käufer und vorüberziehender Seh-Leute trefflich studieren. Und zu Veranstaltungen wie dem Leipziger Passagenfest oder dem Leipziger Weihnachtsmarkt ist die Mädler-Passage selbstverständlich eine feste Größe.

Stand: 25.12.2021

Bildergalerie - Mädler-Passage

Historisches Bildmaterial - Mädler-Passage

Leipziger Weinfest

Markt | Ortsteil: Zentrum

Das Leipziger Weinfest findet alljährlich über eine Woche in den Sommermonaten statt und wird vom Marktamt der Stadt Leipzig veranstaltet. Auf dem Markt bieten etwa 30 Aussteller aus ganz Deutschland und einigen europäischen Ländern ihre Weine zum Genießen an. Das ursprünglich in den späten 1990er Jahren als Promotionsveranstaltung ins Leben gerufene Weinfest hat sich mittlerweile als eine der beliebtesten und bestbesuchten Veranstaltungen etabliert. Ein abwechslungsreiches Bühnenprogramm mit Live-Musik und aufwändig geschmückte Stände und Sitzbänke runden den Weingenuss ab.

Alljährlich zur Sommerzeit verwandelt sich der Leipziger Markt vor dem Alten Rathaus im Rahmen des Weinfestes in die größte Weinstube der Stadt. Winzer aus verschiedenen Anbaugebieten in Sachsen, ganz Deutschland und Europa – von Ungarn über Österreich bis Südtirol und Frankreich – bieten an ihren aufwändig gestalteten Verkaufsständen hochwertige Weine zum Verkosten und Genießen an.

Sachsens 800jährige Weintradition


Die sächsische Weintradition reicht bis ins 12. Jahrhundert zurück, als ein Mönch aus dem
Kloster Altzella erstmals von einer Weinstraße in der Region berichtete. Bereits zu Zeiten des Bischofs Benno von Meißen soll in der Region Wein angebaut worden sein. Überlieferungen aus dem Jahr 929 n. Chr. zufolge berichteten auch die Truppen von Heinrich I. von diversen Weinstöcken im Elbtal. In einer Urkunde von 1161 wurde die Existenz von Weinbergen im Meisatal bestätigt. Das höfische Weingut Hoflößnitz rief schließlich im 17. Jahrhundert das 6.000 Hektar umfassende sächsische Weinanbaugebiet ins Leben, welches später aufgrund des Baubooms und der Reblaus fast vollständig zerstört und im Jahr 1907 offiziell als verseucht deklariert wurde. Mit dem Ende der DDR wurden in den 1990er Jahren rund 220 Hektar neu aufgerebt. Die Sächsische Weinstraße, welche zwischen Pirna und Diesbar-Seußlitz verläuft, wurde offiziell im Jahr 1992 eingeweiht. Der Weinbau in Sachsen entwickelte sich zu einem Aushängeschild für die Region mit einem vielfältigen Angebot, welches jedes Jahr zahlreiche Besucher und Weinwanderer anlockt. Heute zählt das Weinbaugebiet Sachsen als nordöstlichstes sowie kleinstes zusammenhängendes seiner Art in Deutschland. Seit der Aufrebung in den 1990er Jahren hat sich das Weinbaugebiet flächenmäßig verdoppelt und umfasst mittlerweile rund 492 Hektar Rebfläche, welche von etwa 2.500 Winzern bewirtschaftet wird.

Von der kleinen Promotionsveranstaltung zu Leipzigs größter Weinstube


Das Leipziger Weinfest startete ursprünglich als Promotionsveranstaltung eines rheinländischen Weinbauverbandes in den späten 1990er Jahren. Nachdem diese die ersten Jahre gut angenommen wurde, sollte das Format vom Veranstalter wenig später eingestellt werden. Da die involvierten Winzer von Leipzig sehr angetan waren, plädierten sie für eine Fortführung des Weinfestes durch das Marktamt der Stadt Leipzig, welches bis dahin als genehmigende Behörde involviert war. Das Marktamt übernahm die Veranstaltung in Eigenregie und öffnete das Weinfest ab 2007 für weitere Regionen und Anbieter. Zu diesem Zeitpunkt war das Fest mit acht bis elf Teilnehmern recht überschaubar. Im Jahr 2014 wurde das Konzept durch Marktamtsleiter
Walter Ebert und sein Team überarbeitet. Die Winzer warb man aktiv an. Dadurch wurde die Veranstaltung immer erfolgreicher, so dass weitere interessierte Winzer und Besucher nach Leipzig kamen und sich das Format als eine der beliebtesten Veranstaltungen etablierte. Im Pandemiejahr 2021 konnte das Weinfest als eine von wenigen größeren Veranstaltungen in Leipzig unter strengen Auflagen, mit reduzierter Teilnehmerzahl und 17 Ständen stattfinden. Waren auf dem Weinfest ursprünglich nur deutsche Winzer anwesend, sind seit einigen Jahren auch Weingüter aus Ungarn, Österreich, Südtirol und Frankreich vertreten.

Ein Glas Rotes in stimmungsvoller Atmosphäre


Eröffnet wird das Weinfest jedes Jahr von der amtierenden sächsischen Weinkönigin, welche alljährlich im Herbst vom Sächsischen Weinbauverband gewählt wird. Zu den Aufgaben der Repräsentantin des sächsischen Weinbaugebietes zählen zahlreiche Termine im Jahr, wie die Eröffnung von Weinfesten, Messen sowie Gespräche mit Presse-, Rundfunk- und Fernsehvertretern. Voraussetzung für die Wahl sind u.a. gute Kenntnisse über das sächsische Weinbaugebiet und nicht zuletzt die Freude am Wein.

An rund 30 Weinständen können neben den etwa 200 verschiedenen Weinen auch Sekte, Weintraubenliköre und Weinbrände verkostet werden. Zu den Stammgästen und langjährigen Ausstellern, die vom Weinfest nicht mehr wegzudenken sind, zählen die sächsische Kelterei Oese, das sächsische Weingut Schloss Wackerbarth und die Winzergenossenschaft Freyburg aus Sachsen-Anhalt. Mehrere Gastronomen bieten auf dem Weinfest zudem weintypische Speisen an, darunter Käseplatten und Flammkuchen. Ein tägliches Bühnenprogramm mit Live-Musik, von Rock bis Jazz, rundet die Veranstaltung ab. Die Weinfreunde können in stimmungsvoller Atmosphäre auf einer der Sitzbänke ein Glas Wein genießen. Die Besucherzahlen des sich seit Jahren auf Wachstumskurs befindlichen Weinfestes bewegen sich zwischen 25.000 und 30.000. 

Stand: 27.09.2023

Leipziger Markttage

Markt / Salzgässchen / Nikolaikirchhof | Ortsteil: Zentrum

Die Leipziger Markttage werden jedes Jahr im Herbst für 10 Tage in der Innenstadt veranstaltet. Sie fanden erstmals vom 30. September bis 10. Oktober 1976 statt. Auf 13.100 Quadratmetern boten etwa 600 Handelsleute aus Leipzig und allen Bezirken ihr vielfältiges Warenangebot an. Damals wie heute umfassen die Markttage neben dem Handelsgeschehen ein vielfältiges gastronomisches und kulturelles Angebot. Zu den Highlights zählen die Marktbühne mit einem Musikprogramm, der historische Handwerkermarkt im Salzgässchen und der Erntedankbrunnen auf dem Nikolaikirchhof.

Buntes Handels- und Messetreiben zwischen Via Regia und Via Imperii


Leipzig blickt auf eine lange Tradition als Handels- und Messestadt von internationalem Rang zurück. Bereits im Zuge der sorbischen Besiedlung im 7. Jahrhundert wurde hier unter dem Namen Lipzk „Ort bei den Linden“ ein wichtiger Handelsstützpunkt begründet. Die Verleihung des Stadt- und Marktrechts durch Markgraf
Otto der Reiche im Jahr 1165 gilt zugleich als Gründungsjahr der Stadt. An der Kreuzung der beiden europäischen Handelsstraßen Via Regia und Via Imperii gelegen entwickelte sich Leipzig zu einem wichtigen Zentrum des Handels sowie des Austauschs von Waren und Informationen zwischen den Bürgern. Nachdem Kaiser Maximilian I. der Stadt 1497 das Messeprivileg verlieh, wurden die bis dahin drei Mal jährlich abgehaltenen Märkte zu Reichsmessen erhoben und den im Umkreis von 15 Meilen liegenden Städten ein Verbot zur Durchführung von Märkten erteilt. Leipzig entwickelte sich zu einer Messestadt von europäischem Rang. Der seit 1420 überlieferte Hauptmarkt diente als Zentrum des Handels während den abgehaltenen Messen. Im Mittelalter fanden sich hier Handelsleute und Bauern aus den umliegenden Dörfern zusammen, um auf dem Wochenmarkt ihre Waren feilzubieten. Aufgrund ihrer Bedeutung für eine regelmäßige und geordnete Versorgung der Bürger und den damit verbundenen Geldeinnahmen wurden die Märkte vom Landesherrn und dem Stadtrat gefördert. Letztere wachten zugleich auch mittels Marktordnungen über das Markttreiben. Zu Zeiten der Warenmesse konzentrierte sich der „Meßverkehr“ um den Markt. Hierher brachten die Fuhrleute ihre in Kisten und Ballen verpackten Waren zum Verkauf. Vor deren Lagerung in den Speichern wurden sie an der Alten Waage registriert und der sogenannte Meßzoll bezahlt.

Herbstmarkt 1976: Von Fuhrmannskneipe, Schmöllner Mutzbraten und den „Klein-Pariser Marktmusikanten“… 


Die Leipziger Markttage fanden erstmals vom 30. September bis zum 10. Oktober 1976 statt. Ziel war es, die Versorgung der Bevölkerung mit Konsumgütern und Dienstleistungen des Handels in der Innenstadt noch attraktiver zu gestalten und bessere Einkaufsmöglichkeiten zu schaffen. Im Mittelpunkt stand die Demonstration der Leistungskraft des Handels und die Positionierung der Leipziger Markttage als Besuchermagnet über die Stadtgrenzen hinaus. Damit sollten sie sich deutlich von den bis dahin üblichen Bauernmärkten abheben. Deshalb sah ein Beschluss des Bezirkstages vom Juni 1976 im
Neuen Rathaus eine zukünftig jährliche Durchführung der Leipziger Markttage im September / Oktober vor. Neben den Leipziger Handelsbetrieben sowie sämtlichen gastronomischen Einrichtungen der Stadt waren an der Umsetzung auch rund 600 Verkäufer aus 13 Kreisbetrieben des Bezirkes mit einem umfangreichen Warenangebot beteiligt. Darunter befanden sich 65 Kooperationspartner und 42 Betriebe aus dem Bezirk, darunter die Binnenfischerei Wermsdorf, die Groitzscher Schuhfabrik sowie die Brauerei Krostitz.

Auf einer Fläche von 13.100 Quadratmetern waren im Bereich Markt, Salzgässchen, Sachsenplatz, Brühl und Hainstraße zahlreiche Verkaufsbereiche mit originellen Ständen angesiedelt. Neben Speis‘ und Trank machten die Industriewaren mit etwa 60 Prozent den größten Teil des Angebots aus. Ziel war es zudem, neue und traditionelle Verkaufsformen zu demonstrieren. So gab es etwa im Salzgässchen einen „Historischen Markt anno 1650“, während Pferdewagen, eine „Fuhrmannskneipe“, rustikale Verkaufsstände, eine Postsäule und Verkäufer in historischen Trachten für eine für das Leipzig um 1650 typische Atmosphäre sorgten. In der Reichsstraße konnten auf dem „Leipziger Künstlermarkt“ an verschiedenen Ausstellungs- und Verkaufsständen kunstgewerbliche Waren, Gemälde und Grafiken begutachtet werden. Ebenfalls in der Reichsstraße angesiedelt war der „Basar am Sachsenplatz“, wo Blumen, Textilien und Schallplatten sowie handgearbeitete Gegenstände verkauft wurden. Wenige Meter weiter konnten im „Leipziger Allerlei“ Gebrauchtwaren verschiedenster Art entdeckt werden. Auf dem „Bauernmarkt“ auf dem Markt wurden neben deftigen Speisen aus dem „Bauerndorf“ nützliche Haushaltswaren angeboten. Ein Highlight war die 185 Meter lange Verkaufsstraße „Brühl Boutiquen“, wo Produktionsbetriebe des Bezirkes in Zusammenarbeit mit dem Handel eine interessante Leistungsschau mit Verkauf darboten. Auf dem „Wirtschaftsmarkt“ auf dem Richard-Wagner-Platz wurde neben einem reichhaltigen Sortiment an Handwerkszeug und -material der berühmte Schmöllner Mutzbraten zum Verkauf angeboten. Am „Treff am Sachsenplatz“ konnten die Besucher abseits des Marktgeschehens in zahlreichen gastronomischen Einrichtungen unterschiedlicher Art verweilen. Am Naschmarkt luden Imbissbuden, darunter eine Löffelstube, sowie ein Angebot an Fisch- und Schlachtspezialitäten nach einem Marktbummel zum Verweilen ein. Zum Angebot zählten außerdem Betriebe aus dem Bezirk und deren Spezialitäten, darunter die Oschatzer Fischgaststätte, die Grimmaer Waldgaststätte und die Bornaer Bergmannsgaststätte sowie der Kaffeegarten. Angeboten wurden u.a. Delitzscher Pralinen, Torgauer Krüge und Geithainer Töpfe. Eine Kunstgewerbegalerie, Verkaufsstände des Buchhandels und des Antiquariats sowie ein Briefmarkentausch rundeten das Angebot ab.

Bestandteil der zur Tradition gewordenen Markttage war ein abwechslungsreiches Kulturprogramm am „Bauernmarkt“ und „Künstlermarkt“. Auf dem Balkon des Alten Rathauses wurde vormittags Turmmusik gespielt. Am Nachmittag sorgten auf der Podiumsbühne am Markt zahlreiche Kulturschaffende, darunter das historische Bläserquartett der Stadtwache von 1880, der Leierkastenmann Ludwig, der ambulante Händler Hermann Connewitzer, die „Leipziger Moritaten und Balladen“ sowie die „Klein-Pariser Marktmusikanten“, für Unterhaltung und eine lockere Atmosphäre. Mit einem Umsatz von insgesamt rund 4,4 Millionen Mark, dem Verkauf von 4.300 Büchern, 3.200 Schallplatten, 2.500 Paar Schuhen, 17.500 Mutzbraten, 20.600 Griebenfettstullen, 127.000 Portionen Kräppelchen, 300.000 Eilenburger Pumpernickel, 60.000 Rostbratwürsten und 84.000 Stück Kuchen war die Erstauflage der Leipziger Markttage 1976 ein voller Erfolg.

Markttage heute: Zwischen ausgelassener Stimmung auf der Marktbühne und mittelalterlichem Flair auf dem historischen Handwerkermarkt


Neben dem Handels- und Marktgeschehen gibt es ein vielfältiges gastronomisches und kulturelles Angebot. Die umfangreichen Flaniermeilen bieten Platz für rund 80 Stände. Auf dem Markt als Zentrum der Leipziger Markttage wird täglich auf der Marktbühne ein abwechslungsreiches Programm mit Live-Musik von einheimischen und auswärtigen Künstlern unterschiedlicher Genres geboten. Auch die angrenzenden Bereiche sind mit verschiedenen gewerblichen Angeboten in das Marktgeschehen eingebunden. Angelehnt an die Ursprünge der Leipziger Markttage findet im Salzgässchen der historische Handwerkermarkt mit Handwerks- und Schankhütten bei mittelalterlicher Musik statt. Auf dem Nikolaikirchhof wird traditionell am Eröffnungswochenende der Leipziger Markttage der Brunnen als Erntedankbrunnen mit Erntedankkrone gestaltet sowie mit Erntegaben, darunter Getreide, Blumen, Gemüse und Obst, festlich dekoriert. Am darauffolgenden Sonntag findet traditionell in der
Nikolaikirche der Erntedankgottesdienst statt, der allen Besuchern offensteht.

Stand: 27.09.2023

Bildergalerie - Leipziger Markttage

Historisches Bildmaterial - Leipziger Markttage

Leipziger Baumwollspinnerei

Spinnereistraße 7 | Ortsteil: Lindenau

Auf den Bergbau im Erzgebirge und die Textilindustrie in den Städten stützte sich das deutsche industrielle Kernland Sachsen anfangs vor allem. Die aufblühende Industriestadt Leipzig folgte diesem Muster und verdankte ein Gutteil ihrer Geltung im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts der florierenden Textilindustrie und ihren Vorstufen. Ein Branchenprimus genießt Weltgeltung bis heute – die Leipziger Baumwollspinnerei. Doch nicht mehr als Arbeitsstätte tausender Frauen, sondern in erster Linie als Zentrum von Künstlerateliers und Galerien. Hier steckt der industrielle Wandel förmlich in jeder Mauerritze.

Am Kanal wächst eine Fabrikstadt


Früher handelte es sich bei der Baumwollspinnerei um eine nahezu geschlossene Fabrikstadt, die sich über eine Gesamtfläche von zehn Hektar erstreckte. Den Kern bildeten die Fabrikationsstätten; am Rand der geschäftigen Stadt in der Stadt – zur Thüringer Straße hin – reihte sich für die dort Beschäftigten Wohnhaus an Wohnhaus. Die Baumwollspinnerei war ein schmuckes Kind des phänomenalen industriellen Aufschwungs der jungen Großstadt Leipzig nach 1871. Sie entstand ab 1884 auf freiem Gelände, aber in weiser Voraussicht einer kommenden, leistungsstarken infrastrukturellen Anbindung. Gegenüber vom damaligen
Bahnhof Plagwitz-Lindenau gelegen, war dem Industriebetrieb eine Anschlussbahn bis vor die Fabrikhallen ebenso sicher wie der Zugang zu den Brauchwasserressourcen des entstehenden Elster-Saale-Kanals, den heutzutage jedermann nur als Karl-Heine-Kanal kennt. 

Insgesamt vier Entwicklungsschübe ließen „die Spinne“ längs der Anschlussbahn wachsen, deren Gleise bis heute im Pflaster der innerbetrieblichen Werkstraße zu finden sind. Eigene Baumwollplantagen in der damaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika sicherten der Baumwollspinnerei den Rohstoffbezug. Damit machte sich das Unternehmen unabhängig vom Baumwollimport aus England, der bis dahin dominiert hatte.

Primus im Kreis der europäischen Spinnereien


Im Gründungsjahr 1884 drehten sich in
Lindenau, das zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht nach Leipzig eingemeindet war, 30.000 Spindeln. 1909 – am Höhepunkt der Unternehmensentwicklung – waren es 240.000. Damit stieg die Leipziger Baumwollspinnerei zur größten in Kontinentaleuropa auf. Eine klassische gemalte Fabrikansicht öffnet das Fabrikpanorama über den Kanal hinweg bis zur Spinnerei und zu weiteren Plagwitzer Unternehmen in der Ferne. Überall rauchende Schlote – so sah damals Fortschrittsgewissheit aus, und Leipzig verströmte mit seinen Großbetrieben eine Menge davon. 1928, am Vorabend der Weltwirtschaftskrise, fand sich die Baumwollspinnerei nach ihrem Aktienkapital auf Rang 21 der größten Leipziger Unternehmen. Doch mit ihren 2.290 Beschäftigten war sie die Nummer 2 der Großindustrie in der Messestadt.

1946 ging die Baumwollspinnerei in Volkseigentum über. Ihr wirtschaftlicher Rang als Exportbetrieb blieb bestehen. Allerdings ließ sich die Wettbewerbsposition im Laufe der Zeit nur unter Mühen aufrecht erhalten. Spinnereien in den Anbauländern der Baumwolle ließen sich viel kostengünstiger betreiben. Die deutsch-deutsche Währungsunion ab dem 1. Juli 1990 schuf Tatsachen: In D-Mark zu zahlende Löhne für die in Leipzig versponnene, importierte Baumwolle trieben den Betrieb in der Weltmarktkonkurrenz vollkommen ins Abseits. 1993 kam das Aus für die Garnproduktion in dem Traditionsunternehmen. Als letzter aktiver Betriebsteil bestand die Reifencordherstellung an der Alten Salzstraße bis in die frühen 1990er Jahre. Dann schwiegen auch dort die grenzwertig beanspruchten Maschinen, und ein Großbetrieb mit einst tausenden Beschäftigten verschwand aus dem Handelsregister.

From Cotton to Culture – was für ein Wandel


Ein Investor aus Köln erkannte zum Glück das in den massiven Fabrikgebäuden schlummernde Potential. Als Produktionsstätte von Wolle waren sie aus dem Marktgeschehen ausgeschieden. Als neues Domizil für Kreative eigneten sie sich dagegen vorzüglich. Der Slogan „From Cotton to Culture“ für das Spinnereigelände verdichtet den Anspruch zur Gewissheit. 24 markante Gebäude und Gebäudeteile finden sich auf dem optischen Wegweiser am Eingang zur Fabrik. Manche erwecken den Eindruck, dass hier erst vor Kurzem der letzte Zug mit Baumwollballen oder Kohle angekommen ist, andere stellen den Wandel hinter den historischen Fassaden demonstrativ heraus. Seit 2001 ist der gelernte Architekt
Bertram Schultze Geschäftsführer der Betreibergesellschaft der Spinnerei. Er ist davon überzeugt, dass niedrige Mieten die Basis für Künstler und Kreative sind, dass sie Räume anmieten und ohne Druck arbeiten können. 

Zwölf Galerien haben sich hier angesiedelt, darunter Eigen+Art von Gerd Harry „Judy“ Lybke. In mehreren Ateliers arbeiten bekannte Maler der Leipziger Schule. Es kann durchaus passieren, dass einem zwischen den Fabrikgebäuden Neo Rauch auf seinem Fahrrad entgegenkommt. Spezialgeschäfte für Künstlerbedarf stellen die materielle Basis für die neuen Werke sicher. Das SpinLab in Regie der Handelshochschule nutzt die knisternde Atmosphäre des Areals, um versponnenen Produktideen junger Innovatoren den Weg zum Pionierunternehmen zu bahnen. Und ein Ingenieurbüro, das auf vielfältige Weise den industriellen Wandel in Leipzig und drumherum begleitet, ist ebenfalls Mieter auf dem Spinnereigelände. Lofft – das Theater für Tanz, Theater und Performances bildet in der Halle 7 die jüngste Ansiedlung in der zu Kreativität einladenden Umgebung. Grelle Leuchtbuchstaben im Werbestil der 1960er Jahre weisen den Weg.

Favorit der Umgestaltung


Bundes- und Landesprominenz ist gern und häufig zu Gast in der Baumwollspinnerei. Wo sonst lässt sich so eindringlich der Wandel von einem epocheprägenden Industrieareal zu einer Heimstatt für Kreative zahlreicher Richtungen und Inspirationen ablesen?! Deshalb fiel die Wahl zur anschaulichen Präsentation einer gelungenen Transformation schon mehrfach auf die Baumwollspinnerei. Tage des Stadtumbaus sind ebenso wie der
Tag des offenen Denkmals oder der Tag der Industriekultur wie geschaffen für einen Besuch des weitläufigen Areals. Vom jährlich dreimal durchgeführten Rundgang – SpinnereiGalerien als Großereignis für Kunstinteressierte ganz zu schweigen. 

Es ist die Stärke dieses versunkenen Fabrikgeländes, dass es industriekulturell Interessierte mit authentischen Sachzeugen anzieht, während Freunde der Kunst ihren passenden Zugang zur stillen Welt der Ateliers oder zu heißen Debatten in dem dafür eingerichteten Kunstzentrum in der Halle 14 finden.

Stand: 25.12.2021

Bildergalerie - Leipziger Baumwollspinnerei

Historisches Bildmaterial - Leipziger Baumwollspinnerei

error: Dieser Inhalt ist geschützt! Es ist nicht gestattet, diesen Inhalt zu kopieren. Vielen Dank für Ihr Verständnis.