Heizkraftwerk Leipzig Süd

Bornaische Straße 120 | Ortsteil: Lößnig

Es ist das „sauberste Heizkraftwerk“ der Welt. Mehr als 5.000 Besucher wollen sich von dieser Ankündigung überzeugen, mit der die Leipziger Stadtwerke für das neue Heizkraftwerk Leipzig Süd in der Bornaischen Straße 120 werben. Das wird mit einem Bürgerfest am 23. Oktober 2023 offiziell eingeweiht. Zu diesem Zeitpunkt ist es allerdings schon einige Monate am Netz. Das Heizkraftwerk ist Ende 2022 in den Dauerbetrieb gestartet – vorerst mit Erdgas. Der kommunale Energieversorger kündigt an, dass in den modernen Anlagen bereits in zwei Jahren Wasserstoff zum Einsatz kommen soll – zumindest als Beimischung. „Damit sichern wir die Energieversorgung und liefern zugleich einen wichtigen Beitrag zum Erreichen unserer Klimaziele“, sagt Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung bei der Eröffnung. Die Stadtwerke haben in das Projekt über 180 Millionen Euro investiert.

In der Anlage an der Bornaischen Straße kommen zwei moderne, hocheffiziente Gasturbinen zum Einsatz. Sie befinden sich in einem neu errichteten bronzegoldenen Gebäude. Diese Turbinen sollen das Erdgas besonders sauber verbrennen, heißt es. Garantiert seien „kaum messbare Luftschadstoffe, die weit unter dem Niveau der gesetzlich zulässigen Grenzwerte liegen“, teilen die Stadtwerke mit. Spezielle Katalysatoren sorgen dafür, die wesentlichen Emissionen von Stickstoffoxiden und Kohlenmonoxid zu reduzieren.

Turbinen können grünen Wasserstoff verbrennen


Rund 60 Meter hoch und weithin sichtbar ist der neue „Koloss von
Alt-Lößnig„. Dieser Wärmespeicher (Fassungsvermögen: rund 43.000 Kubikmeter Wasser) speichert die im Kraftwerk erzeugte, aber nicht sofort benötigte thermische Energie. Bei Bedarf wird sie ins Fernwärmenetz eingespeist. Dabei kann die Anlage laut Stadtwerken sehr schnell auf den Energiemarkt reagieren. Das Kraftwerk läuft nur dann auf vollen Touren, wenn nicht genügend Heizwärme aus Sonnen- oder Windenergie zur Verfügung steht. An kalten Wintertagen kann es den Fernwärmebedarf für ein Drittel der Leipziger Haushalte liefern. In diesen sogenannten Dunkelflauten stellt das Kraftwerk Strom und gleichzeitig Wärme bereit. 

Die Siemens-Gasturbinen sind dafür ausgelegt, von Anfang an hohe Anteile von grünem Wasserstoff zu verbrennen. Dieser wird mit Strom aus Solar- und Windkraft erzeugt. Die Herstellung ist allerdings derzeit noch sehr energieintensiv und teuer. Diese technologische Option ermöglicht es jedoch, die Strom- und Wärmeerzeugung perspektivisch vollständig auf erneuerbare Technologien umzustellen. Die Leipziger Stadtwerke wollen sich ab 2025 an einem vom Bund geförderten Entwicklungsprojekt beteiligen – gemeinsam mit dem Turbinen-Hersteller Siemens Energy und der Leipziger Hochschule für Technik Wirtschaft und Kultur (HTWK). Das kündigt Projektmanager Thomas Brandenburg bei der Eröffnung an, die wie ein Volksfest gefeiert wird. Das Unternehmen bedankt sich damit bei Anwohnern auch für die Erschwernisse der Bauphase. Wann grüner Wasserstoff im kommerziellen Betrieb genutzt werden kann, ist derzeit unklar. Das hängt von der Verfügbarkeit des klimaneutralen Gases zu wettbewerbsfähigen Preisen ab. Notwendig ist zudem, eine Wasserstoff-Pipeline zu errichten.

Kraftwerksareal hat lange Historie


Das Areal an der Bornaischen Straße hat eine lange Geschichte für die Energieversorgung Leipzigs. 1895 entsteht zwar in der Eutritzscher Straße auf dem Gelände der ersten städtischen Gasanstalt das erste Elektrizitätswerk Leipzigs. Doch um die Jahrhundertwende kommt der industrielle Aufschwung in Fahrt. Die Bevölkerung wächst rasant, in kurzer Zeit wird eine große Anzahl neuer Firmen, Verwaltungsgebäude und Wohnungen gebaut. Das Elektrizitätswerk Nord stößt an seine Grenzen. Die Erzeugerleistung reicht nicht aus, um den Strombedarf zu decken. Ein zweites Elektrizitätswerk wird daher benötigt.

Die Stadtverordneten entscheiden sich im Februar 1908 für das Gelände im Leipziger Süden, auf dem vorher einmal eine Ziegelei angesiedelt war. Ausschlaggebend ist die Nähe zu den Gleisen der Bahnlinie Leipzig-Altenburg, aber auch zum Schacht Dölitz in der Friederikenstraße. Dort wird Braunkohle gefördert, die zunächst mit Pferdewagen transportiert wird. Eine Zeitlang existiert sogar eine von der Leipziger Firma Bleichert Werke gebaute offene Drahtseilbahn als Transportmittel. Die wird aber stillgelegt als sich Beschwerden der Anwohner über eine Staubbelastung häufen. Die Kohle wird danach per Eisenbahnwaggons angeliefert. Nahe gelegen ist die Mühlpleiße, der Kondensationswasser entnommen werden kann.

Im August 1908 beginnen die Bauarbeiten, im April 1910 geht das neue Kraftwerk mit einem 75 Meter hohen Schornstein in Betrieb. 1925 wird es erweitert. Nach dem Zweiten Weltkrieg ordnet die Sowjetische Militäradministration eine weitgehende Demontage der Kraftwerksanlagen als Reparationsleistung an. Später wird die Anlage als Ernst-Thälmann-Kraftwerk ausgebaut. Im April 1963 kommt es im Maschinenhaus zu einem Großbrand, der den Totalausfall des Werkes nach sich zieht. Danach wird es wieder aufgebaut. 1994 entsteht noch ein mit Erdgas befeuerter Dampferzeuger. Das Kraftwerk wird 1996 stillgelegt, das Gelände aber weiterhin von den Leipziger Stadtwerken genutzt.

Stand: 17.12.2023

Bildergalerie - Heizkraftwerk Leipzig Süd

Gormsen, Niels

Architekt, Städteplaner, Baubürgermeister | geb. am 9. August 1927 in Rottweil; gest. am 10. Juli 2018 in Borna

In Leipzig bricht er wahrhaftig zu „neuen Ufern“ auf: Für Niels Gormsen ist nicht nur die von der Bürgerschaft initiierte Freilegung von Pleißemühlgraben und Elstermühlgraben eine Herzensangelegenheit. Schon im reifen Alter von 63 Jahren kommt der Stadtplaner von Mannheim an die Pleiße. Er folgt 1990 einer Bitte des neuen Leipziger Oberbürgermeister Hinrich Lehmann-Grube, weil in Leipzig ein Dezernent für Stadtentwicklung gesucht wird. Nach seinen Ausscheiden aus der Stadtverwaltung bleibt Gormsen hier und vor allem aktiv. Bis ins hohe Alter hinein und allen körperlichen Einschränkungen zum Trotz nimmt er als wacher Zeitgenosse am städtischen Leben teil. Selbst im Krankenbett greift er noch zum Telefonhörer, um seine Meinung kundzutun. Viele Leipziger haben ihn in Erinnerung, wie er mit über 90 Jahren im „Rolli“ zu Veranstaltungen kommt. Und dort ab und an ein „Nickerchen“ macht.

Aus Niederlage wird eine Chance


Geboren wird der deutsche Architekt und Städteplaner in Rottweil. In Königsfeld im Schwarzwald besucht er das Gymnasium. Von 1951 bis 1958 studiert Gormsen Architektur an der Technischen Hochschule Stuttgart sowie an der Königlich-Technischen Hochschule Stockholm. In Stuttgart arbeitet er als Assistent am Lehrstuhl für Städtebau. Von 1962 bis 1972 leitet er das Stadtplanungsamt von Bietigheim/Württemberg. 1973 wechselt er zur Stadt Mannheim und übernimmt dort das Amt eines Baubürgermeisters. Er gilt als anerkannter Fachmann, die Kompetenz des Parteilosen ist über alle Parteigrenzen hinweg unbestritten. Oft wird er als „Baubürgermeister mit dem grünen Herzen“ bezeichnet. Dennoch wird er 1988 nicht wiedergewählt. Die SPD erhebt Anspruch auf den Posten, um ein Parteimitglied unterzubringen.

Doch aus dieser Niederlage wird eine Chance. Der neue Leipziger Oberbürgermeister Hinrich Lehmann-Grube erfährt, dass in Mannheim ein fähiger Stadtplaner nach einer neuen Tätigkeit sucht und holt Gormsen 1990 an die Pleiße. Das wird zwar keine leichte Aufgabe. Gerade lief der legendäre Dokumentarfilm „Ist Leipzig noch zu retten?“ im DDR-Fernsehen, der ein eher düsteres Bild von der Messestadt mit vielen zum Teil unbewohnbaren Gründerzeithäusern und vielen maroden Bauten zeichnet. An der Rettung Leipzigs mitzuwirken, wird für Gormsen sowohl Herausforderung als auch ein großes Lebensglück. Mit seiner Erfahrung und viel Geschick versucht er Förderprogramme anzuzapfen, die in den Folgejahren die Sanierung eines Großteils des Denkmalbestands ermöglichen. Investoren geben sich in diesen Jahren im Neuen Rathaus buchstäblich die Klinke in die Hand, um beim Aufbau Ost mitzuwirken und freilich daran zu verdienen. Zu ihnen gehört auch ein gewisser Jürgen Schneider. Der Baulöwe, der später wegen seiner kriminellen Energie verurteilt wird, hat dennoch die Sanierung vieler Gebäude in Leipzig auf den Weg gebracht.

Gormsen ist stolz auf Projekte, die mit seiner Hilfe angeschoben und realisiert werden können. Etwa auf die neue Leipziger Messe, den Umbau des Hauptbahnhofs, das Paunsdorf-Center sowie die Initiative „Pleiße ans Licht“ mit seiner ehrenamtlichen Tätigkeit für den Neue-Ufer-Verein. Natürlich macht er sich in Leipzig nicht nur Freunde: Für „Keksrollen“-Eckhäuser und den Umbau des Hauptbahnhofs wird er damals von einigen beschimpft.

Der Höhepunkt eines Berufslebens


In seiner Amtszeit schafft er mit seinen Mitarbeitern wesentliche Grundlagen für eine geordnete städtebauliche Entwicklung der alten Messestadt nach der
Friedlichen Revolution. Leipzig beschert ihm, wie er einmal in einem Interview sagt, „den Höhepunkt des Berufslebens“. Die Stadt nennt er ein bisschen euphorisch „eine späte Liebe“. 

Nach der Pensionierung 1995 engagiert er sich für das Leipziger Neuseenland, eine Seenlandschaft, die anstelle früherer Tagebaue entsteht. Oft genug erhebt er seine Stimme, wenn wieder einmal in seinen Augen falsche Weichenstellungen im Städtebau gemacht werden. Und engagiert sich in durchaus spektakulären Aktionen, etwa um die Sprengung der Abraumförderbrücke im Tagebau Zwenkau zu verhindern und diese als Denkmal zu retten. Das klappt zwar ebenso wenig, wie der Erhalt der Kleinen Funkenburg. Interne Aufforderungen, sich als Ex-Stadtbaurat nicht öffentlich in Belange der Stadtentwicklung einzumischen, weist er zurück. „Ich bin ein freier Bürger“, sagt er. 2017 kritisiert er das Verfahren zur künftigen Gestaltung des Wilhelm-Leuschner-Platzes. In einem offenen Brief an Oberbürgermeister Burkhard Jung wirft er der Stadtverwaltung eine Missachtung des bürgerschaftlichen Engagements vor.

Bücher über den Wandel Leipzigs


Gemeinsam mit dem Fotografen
Armin Kühne publiziert er Bücher über den Wandel Leipzigs. Gormsen hat die Idee, die sanierte Stadt, mit dem Zustand der Stadt zu seiner Amtsübernahme 1990 zu vergleichen. Kühne, der Leipzig seit Jahrzehnten fotografisch detailreich dokumentiert, hat dafür genau die geeigneten Bilder. Weil sich für den Erstling kein Verlag interessiert, finanziert Gormsen die erste Auflage des Buches privat. Später werden seine Bücher zum Verkaufsschlager des Verlages Edition Leipzig.

Gormsen selbst veröffentlicht ebenfalls Skizzenbücher. Seine künstlerische Ader als Architekt verwirklicht er in unzähligen Zeichnungen. Eine von der Kongresshalle am Zoo wird sogar das Logo des gleichnamigen Fördervereins. Und er organisiert „mit Schlips und Kragen“ Radtouren, die nahezu legendär werden. Nach dem Tod seiner Frau Traute, die in Mannheim lebte, heiratet er im Januar 2017 seine langjährige Leipziger Weggefährtin Hella Müller. Er ist Gründungsmitglied und langjähriger Vorsitzender und Ehrenvorsitzender des Fördervereins Neue Ufer. Außerdem engagiert er sich als Ehrenvorsitzender der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung. Geehrt wird er sowohl mit dem Bundesverdienstkreuz als auch dem Verdienstkreuz des Freistaates Sachsen.

Vier Wochen vor seinem 91. Geburtstag stirbt er bei einem Krankenhausaufenthalt in Borna. Sein Nachlass befindet sich heute im Stadtarchiv Leipzig. Dabei handelt es sich um Skizzenbücher, Aufsätze, Vorträge, Briefe und Fotos, die von seiner Kreativität und seinem Engagement für die Stadt zeugen. Mit der Schenkungsurkunde wurde geregelt, dass der Nachlass erst nach dem 1. Januar 2029 öffentlich zugänglich und nutzbar sein wird, um private Belange der Familie und anderer Weggefährten zu schützen.

Stand: 17.12.2023

Bildergalerie - Gormsen, Niels

Fontana, Eszter

Musikwissenschaftlerin, Autorin | geb. am 21. April 1948 in Budapest

Für die Leipziger Notenspur hat sie gerade den Telemann-Soundwalk mitentwickelt, der im November 2023 präsentiert wurde: Eszter Fontana, die in Ungarn gebürtige Musikwissenschaftlerin, ist unermüdlich im Ehrenamt, um Leipzig voranzubringen. „Ich habe ein großes Herz, da passen viele rein“, sagt sie ein wenig schelmisch. Die Gesellschaft brauche das Ehrenamt, gerade jetzt. Jener Telemann-Soundwalk ist Bestandteil der Notenspuren-App, bei der der Schumann-Verein Leipzig und der Notenspur Leipzig e.V. mit dem Kulturamt der Stadt Leipzig kooperieren. Ziel ist es, interessierte Musikliebhaber auf die Spuren berühmter Komponisten und mit ihnen verbundener authentischer Orte zu schicken.

Das wiederum ist Professorin Fontana, die viele Jahre lang das Musikinstrumentenmuseum der Universität Leipzig geleitet hat, sehr wichtig. Voller Leidenschaft kann sie erzählen, um Menschen die reichhaltigen Musiktraditionen Leipzigs nahezubringen. Sie spielt Cello, tritt mit dem Leipziger Lehrerorchester auf. Wichtig ist ihr ebenfalls das Projekt „Europäische Notenspuren“. Dafür hat sie die Ausstellung „Reisende Musiker“ sowie didaktisches Material für die Arbeit in Schulen entwickelt. Hintergrund: Künstler reisen viel von Auftritt zu Auftritt. Das war schon früher so, als es noch keine Flugzeuge und keinen Intercity gab. Clara Schumann beispielsweise hat pro Jahr – so hat sie ermittelt – bis zu 9.000 Kilometer zurückgelegt. „Mit der Kutsche! Das ist eine unglaubliche Leistung mit den Reisemöglichkeiten von damals“, gerät die Professorin ins Schwärmen. Ein wichtiger Antrieb, ob nun als Wissenschaftlerin oder Ehrenamtlerin, ist stets ihre Neugier.

Internationale Preise fürs Lebenswerk


Für ihr Lebenswerk wird sie 2021 von der renommierten Amerikanischen Musikinstrumenten-Gesellschaft mit dem Curt Sachs Award ausgezeichnet. Damit würdigt die Gesellschaft die herausragenden Leistungen der Professorin um die wissenschaftliche Erforschung von Musikinstrumenten. Geehrt wird sie 2013 von der Galpin Society in Oxford mit dem Anthony Baines Memorial-Preis. Seit 2004 ist sie zudem Vorstandsmitglied der Ständigen Konferenz Mitteldeutsche Barockmusik, mittlerweile die Vizechefin. Zum Ehrenamt gehört auch die langjährige Präsidentschaft des Internationalen Verbandes der Musikinstrumentenmuseen.

Die in einer Musikerfamilie geborene Ungarin interessiert sich schon als Kind für alte Instrumente.1966 kommt sie nach Leipzig. Hier beginnt sie eine vierjährige Ausbildung als Restauratorin für Musikinstrumente am Musikinstrumentenmuseum in Leipzig. Nach dem Studium kehrt sie zurück nach Budapest, um am Ungarischen Nationalmuseum zu arbeiten. Dort leitet sie die Sammlung für Musikinstrumente und Uhren. Sie gibt auch Seminare für Restauratoren, Instrumentenbauer und Musikstudenten in Budapest. Fontana promoviert 1993 an der Franz-Liszt-Musikakademie ihrer Heimatstadt.

25 Jahre später kehrt sie zurück nach Leipzig, um ab 1995 als Direktorin das Musikinstrumentenmuseum zu leiten. Das wird eine spannende Zeit.

Die Aufgabe, die legendäre Sammlung konzeptionell ins neue Jahrtausend zu führen, neu zu erschließen und Personalprobleme zu lösen, bringt viel Arbeit. Wichtig ist ihr, die Sammlung einer breiten Bevölkerung zugänglich machen. „Ein Museum ohne Besucher ist kein Museum“ wird zu ihrem Credo. Das gelingt ihr zusehends, auch durch das von ihr entwickelte Klanglabor. Gemeinsam mit ihren Kollegen Eva-Maria Hoyer (Museum für Angewandte Kunst) und Claus Deimel (Museum für Völkerkunde) wird sie gar als Bauherrin aktiv, um die komplexe Sanierung des Grassimuseums am Johannisplatz voranzubringen. Dabei hilft ihr das technische Wissen, das sie schon als Restauratorin erworben hat.

Bei den „Wunderfindern“ für Kinder engagiert


Bis zu ihrer Emeritierung 2013 unterrichtet sie Organologie, Akustik und Paläographie an der
Universität Leipzig. Nahezu zehn Seiten lang ist die Liste ihrer Bücher und Beiträge in Sammelwerken als Autorin, Co-Autorin oder Herausgeberin. Besonders stolz ist sie, dass das als Co-Autorin verfasste Fachbuch „Historische Lacke und Beizen auf Musikinstrumenten in deutschsprachigen Quellen bis 1900“ bereits in fünfter Auflage erscheint. Der Leipziger Musikgeschichte ist die Publikation „600 Jahre Musik an der Universität Leipzig“ gewidmet. Der Begräbniskapelle des Freiberger Domes heißt ein weiteres, ihr sehr wichtiges Forschungsprojekt, dessen Ergebnisse bereits in zweiter Auflage publiziert sind.

Sie ist Gründungsmitglied des Notenspur Leipzig e.V., dort die Stellvertreterin von Werner Schneider. Eszter Fontana engagiert sich außerdem bei der Stiftung Bürger für Leipzig, vor allem beim Projekt „Wunderfinder“. Das kümmert sich mit einer individuellen Bildungspatenschaft darum, dass Kinder aus schwierigen Verhältnissen ihre Startchancen verbessern können. „Schon im Museum habe ich mich bemüht, Kindern altersgerecht Musik nahezubringen. Doch viele haben zu Hause kein Instrument oder keinerlei Berührung dazu“, erzählt sie. Auch in ihrer Heimat bleibt sie aktiv: Dort will sie mit einem Verein den ehemaligen Gasthof zum „Schwarzen Adler“ in Székesfehérvár (Stuhlweißenburg) vor den Verfall bewahren, damit dieser künftig wieder für vielfältige kulturelle Veranstaltungen genutzt werden kann.

Als Wissenschaftlerin sehr gefragt


Eszter Fontana genießt ihren Ruhestand, der alles andere als ruhig ist. Sie war bis 2002 mit einem Ingenieur verheiratet, hat zwei erwachsene Töchter. „Langeweile kenne ich nicht“, sagt sie. Und als Wissenschaftlerin ist sie nach wie vor international gefragt. So leitet Fontana eine Forschergruppe mit 25 Menschen in ganz Europa, die den Lebensweg von
Paul de Wit (1852-1925) erforscht. Der Musikverleger und Sammler hat maßgeblich dazu beigetragen, den Grundstock für das Leipziger Musikinstrumentenmuseum zu legen. Das Team hat es sich zur Aufgabe gemacht, Kenntnisse über Leben und Werk de Wits neu zu bewerten. Das Fachbuch soll im Dezember 2025 erscheinen.

Stand: 17.12.2023

Bildergalerie - Fontana, Eszter

Capa-Haus

Jahnallee 61 | Ortsteil: Lindenau

Es ist ein geschichtsträchtiger Ort: Vom Eckhaus Jahnallee 61 im Leipziger Westen geht das legendäre Bild „The Last Man to Die“ („Der letzte Tote des Krieges“) um die Welt. Es zeigt Raymond J. Bowman, der bei den letzten Kämpfen zwischen der US-Army und der deutschen Wehrmacht sein Leben verliert. Die US-Army befreit Leipzig am 18. April 1945 von der Naziherrschaft. Der amerikanische Kriegsfotograf Robert Capa (1913-1954) begleitet sie und schießt jene berühmte Serie mit Fotos. Sie entsteht bei Kämpfen zwischen der anrückenden 2. Infanteriedivision der US Army und deutschen Soldaten, die am Elsterflutbecken letzten Widerstand leisten. Das Foto mit Bowman wird im Time Magazine veröffentlicht. Heute trägt das Gebäude den Namen Capa-Haus und wird mit einer Ausstellung im Erdgeschoss zum Ort gelebter Erinnerung, in der es auch regelmäßig Veranstaltungen gibt. Möglich wird dies durch eine Kooperation des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig und des Hentrich & Hentrich Verlags, der im Erdgeschoss des Eckgebäudes Räume bezieht. Hier arbeitet die Verlegerin Nora Pester mit ihrem Team.

Bürgerinitiative kämpft für Erhalt des Hauses


Es war eine „Rettung in höchster Not“, wie
Anselm Hartinger, der Direktor des Stadtgeschichtlichen Museums, betont und ist dem Eigentümer dankbar, die Initiative zu unterstützen. Das Gründerzeithaus gegenüber vom Straßenbahnhof Angerbrücke stand jahrelang leer und war nach mehrfachem Besitzerwechsel nach der Friedlichen Revolution in einem schlechten baulichen Zustand. 2011 gab es sogar eine Abrissgenehmigung der Stadt Leipzig. In der Silvesternacht 2011/12 fängt der Dachstuhl des Nachbarhauses in der Luppenstraße Feuer – damit schien das Schicksal der Immobilie endgültig entschieden.

Es ist der Bürgerinitiative Capa-Haus, die sich um den Leipziger Kabarettisten Meigl Hoffmann, den Historiker Volker Külow, Christoph Kaufmann von der Fotothek des Stadtgeschichtlichen Museums sowie Ulf-Dietrich Braumann vom Bürgerverein Lindenau gründet, zu verdanken, dass die Rettung des Gründerzeithauses gelingt. Sie startet am 3. Januar 2012 eine deutsch-amerikanische Petition an den Oberbürgermeister der Stadt Leipzig und fordert, „dieses wichtige Gebäude im Interesse zukünftiger Generationen als Mahnmal gegen den Krieg zu retten.“ Nach vielen Presseveröffentlichungen wird die Initiative gehört. Das Bauamt der Stadt Leipzig nimmt eine erste Notsicherung vor. Im September 2012 wird das Haus an die L&S-Immobiliengruppe verkauft, die 2014 eine denkmalgerechte Sanierung des Hauses sowie der beiden Nachbargebäude startet. Es entstehen 40 Wohnungen sowie Gewerbeeinheiten.

Museum, Bürgerinitiative und Verlag vereinen Netzwerke


Die Bürgerinitiative richtet einen Ausstellungsraum „War is over“ im Erdgeschoss des Gebäudes ein, der während der Öffnungszeiten des beliebten
Café Eigler bis 2021 regelmäßig zugänglich war. Doch das Café muss als Folge der Corona-Pandemie schließen. Das Stadtgeschichtliche Museum, die Bürgerinitiative Capa-Haus sowie der Verlag Hentrich & Hentrich für jüdische Kultur und Zeitgeschichte vereinen ihre Netzwerke, um die inzwischen überarbeitete Ausstellung wiederzueröffnen und ab September 2023 im kleinen Saal regelmäßig Veranstaltungen anbieten zu können. Dafür wurde eigens die gemeinnützige Firma Capa Culture gGmbH gegründet.

Im Begegnungszentrum wird das Leben Robert Capas verdeutlicht, der erst 1946 US-Staatsbürger wird. Die Schau erinnert zudem an Capas Partnerin Gerda Taro (1910–1937). Sie war ebenfalls Kriegsfotografin und starb mit nur 26 Jahren im Spanischen Bürgerkrieg. Das Stadtgeschichtliche Museum kann nun in Lindenau einen Ort der gelebten Partizipation und der Erinnerung an Krieg, Befreiung und NS-Herrschaft anbieten. Regelmäßig am 18. April ist das Capa-Haus Schauplatz einer bewegenden Gedenkzeremonie an die Opfer des Zweiten Weltkrieges, die eine zentrale Rolle für die deutsch-amerikanischen Beziehungen im Raum Leipzig spielt. Der Bürgerinitiative Capa-Haus gelang es auch, die Identität des letzten Kriegstoten von Leipzig zu klären.

Das Capa-Haus, zwischen 1909 und 1910 nach einem Entwurf von F. Otto Gerstenberger als Miethaus in Reformstil-Architektur errichtet, diente zunächst als Wohnhaus für den Goldschmied Oskar Menzel jun. In den Räumen des heutigen Cafés befanden sich zuvor die „Konditorei und Kaffeehaus des Westens“, anschließend die Anger-Tanzbar und später die Tanzbar „Melodie“.

Stand: 17.12.2023

Bildergalerie - Capa-Haus

Historisches Bildmaterial - Capa-Haus

Asisi, Yadegar

Panoramakünstler, Architekt, Hochschullehrer | geb. am 8. April 1955 in Wien

Ein Ehren-Leipziger ist er allemal: Yadegar Asisi, der in Berlin lebt und sein Atelier in Berlin-Kreuzberg hat, ist zumindest in Leipzig und Halle aufgewachsen. Und mit der Eröffnung seines 360-Grad Panoramas „Mount Everest“ am 24. Mai 2003 in einem ehemaligen Gasometer der Stadtwerke Leipzig begann für ihn eine ungeahnte Erfolgsgeschichte, die auf ewig mit der Messestadt verbunden bleiben wird. Im heutigen Panometer in der Leipziger Richard-Lehmann-Straße 114 läutet er die Renaissance eines Mediums aus dem 19. Jahrhundert – gepaart mit moderner Technik der Gegenwart – ein. 

Leipzigs Panometer bezeichnet Asisi stets als seine „Experimentierstube“. Von hier aus beginnt der Siegeszug für weitere Panoramen in Berlin, Lutherstadt Wittenberg, Dresden und Pforzheim. Auch im französischen Rouen zeigt er ein inzwischen geschlossenes Rundbild. Neue Standorte werden 2023 in Wien und 2024 in Konstanz eröffnen. Weitere Ideen will er in den nächsten Jahren umsetzen, solange es die Gesundheit zulässt, sagt er, und ist dabei immer für eine Überraschung gut.

Familie emigriert aus dem Iran


Seine Wurzeln hat die Familie Asisi im Iran. Yadegar wird während der Flucht der Mutter mit seinen vier älteren Geschwistern aus dem Iran nach Europa in der österreichischen Hauptstadt geboren. Sein Vater, ein kommunistischer Offizier, gehört zu jenen, die der Schah von Persien hinrichten ließ. Die Familie landet in der ehemaligen DDR, wo Asisi an der TU Dresden von 1973 bis 1978 zunächst ein Architekturstudium absolviert. Als Emigrant kann er die DDR verlassen und begibt sich für ein knappes Jahr in den Iran der Revolutionszeit. Ein Jahr später kehrt er nach Deutschland zurück, um bis 1984 an der Westberliner Hochschule der Künste (inzwischen Universität Berlin) ein Studium der Malerei zu beginnen. Und wird schließlich einer der ersten, die Zeichnen mit Architekturpräsentation kombinieren. Dabei kreiert er illusionistische Räume und wendet sich Rauminstallationen zu.

Seine künstlerische Berufung findet er im Panorama. Hier kann er seine Erfahrungen als Zeichner, Maler, Architekt und Erschaffer von Illusionsräumen bündeln. So entstehen 1995 vier Panoramen für Berlin, die im Zuge der Umgestaltung zentraler Orte wie Potsdamer und Pariser Platz, Alexanderplatz und Schlossplatz gezeigt werden. Die Idee: In Rotunden wird der Masterplan anschaulich, die Berliner können über die künftige Gestaltung ihrer Stadt mitreden. Es wird ein Erfolg und die Vision geboren, in seiner alten Heimatstadt Leipzig sein erstes 360-Grad-Bild mit etwa 3.500 Quadratmetern Bildfläche umzusetzen. Das Großpanorama „Everest“ zeigt den Berg, der auf Nepali Sagarmatha („Stirn des Himmels“) genannt wird, inmitten der majestätischen Hochgebirgslandschaft des Himalayas. Das Panorama war von 2003 bis 2005 und dann wieder in einer Neuauflage 2012/2013 im Panometer zu sehen.

Klare Position voller Demut und Menschlichkeit


Asisi verblüfft mit seinen überdimensionalen Panoramabildern nicht nur Millionen Besucher, sondern bezieht darin auch klare Positionen zu Menschlichkeit, Demut sowie politischem Fehlverhalten. Sein Antikriegs-Bild „New York – 9/11“ trifft auf viel Interesse – vor allem bei jungen Leuten, was ihn in seiner Arbeit bestärkt, wie er in Interviews betont. Das Bild gestattet als Momentaufnahme einen Blick auf die Stadt New York am Morgen des 11. September 2001. Es ist 08.41 Uhr, kurz vor den Attentaten – die Betrachter sind ebenerdig als Fußgänger auf den Straßen Manhattans unterwegs. „Wenn man auf diese Stadt schaut und weiß, dass sich die Welt in den nächsten fünf Minuten verändern wird – das ist überall und jederzeit gültig“, sagt er und nennt es: „Dieses absolute Gefühl, von jetzt auf gleich kann alles vorbei sein.“

Asisi will keine Antworten anbieten. Bevor die Besucher das Rundbild erreichen, passieren sie verschiedene Installationen, die sich mit den in den Folgejahren entstandenen Kriegen weltweit auseinandersetzen. So laufen sie über gezeichnete Striche auf dem Boden, die für die namenlosen Toten stehen. Denn es sind nicht nur jene bekannten 2.996 Menschen (inklusive der 19 Attentäter), die am 11. September 2001 sterben mussten und an deren Namen im New Yorker National 11 Memorial erinnert wird. Dem Künstler ist es wichtig, die oft vergessenen Seiten des Leids zu zeigen, zu dem der „Krieg gegen den Terror“ führt.

Asisi hat bis 2023 acht 360-Grad-Panoramen im Leipziger Süden präsentiert, etwa vier Millionen Ausstellungsbesucher mit seiner Kunst erreicht. Dabei erweisen sich Naturpanoramen als besondere Renner. Wie etwa „Carolas Garten“. Die Besucher nehmen dabei auf der 15 Meter hohen Plattform die Perspektive eines Insekts ein. Sie sehen eine gigantische Biene, die eine Kamillenblüte bestäubt und Nektar sammelt. So nutzt der Künstler neben Zeichnungen auch Bildmaterial aus Elektronenmikroskopie, Makrofotografie und Stacking-Technik.

Blick vom Kirchturm auf die Völkerschlacht


Dem Gedenken an die Völkerschlacht bei Leipzig widmet Asisi das erste Leipziger Panorama: „Leipzig 1813“. Vor den Toren der wohlhabenden Handelsstadt kämpft 1813 mehr als eine halbe Million Soldaten um die Vorherrschaft in Europa, rund 100.000 Menschen sterben. Es ist aber nicht das heroisierende Schlachtengetümmel, das er zeigt. Diese Art von Darstellungen interessieren ihn nicht. Vom Turm der
Thomaskirche aus eröffnet er dem Betrachter vielmehr einen Blick auf die Straßen der Innenstadt, auf Chaos und Gedränge im Moment einer der größten Niederlagen Napoleons (2013 bis 2015). Es wird ein Erfolg – der Leipziger Stadtrat diskutiert Jahre später, ob jene Szene künftig als Ausstellung in einer etwa 30 Meter hohe Rotunde auf der Alten Messe gezeigt werden kann. Das könnte das Völkerschlachtdenkmal als „martialisches Nationaldenkmal“ kritisch reflektieren. Asisi wäre dazu bereit – ein positives Signal von der Stadt steht aber aus. 

Was in den nächsten Jahren für Panoramen folgen, ist offen. Angekündigt ist die „Kathedrale von Monet“ – ein Panorama, dass die Franzosen in Rouen nahezu „ausflippen“ ließ: Dort thematisiert er die Errungenschaften der Malerei in der Epoche des Impressionismus. Ausgangspunkt ist dabei die Gemäldeserie von Claude Monet zur Kathedrale von Rouen aus den Jahren 1892 bis 1894.

Asisi gibt Zeichenkurse


Inzwischen hat er eine neue Leidenschaft entdeckt: Yadegar Asisi gibt Zeichenkurse und produziert Filme für die Reihe „Sehen & Gestalten“, die auf Youtube abrufbar sind. Dort redet er einmal pro Woche über das Zeichnen, seine Panoramakunst, die Gesellschaft, das Menschsein und die Herausforderungen unserer Zeit. Er macht Mut und ist positiv überrascht von den vielen Reaktionen und den Menschen, die ihm ihr Leben, ihre Ängste, ihre Wünsche, ihre Gedanken erzählen. „Zukunft denken“ ist ein Lebensmotto des Künstlers.

Stand: 29.11.2023

Bildergalerie - Asisi, Yadegar

Historisches Bildmaterial - Asisi, Yadegar

Cospudener See

Städte Leipzig, Markkleeberg und Zwenkau | Angrenzende Ortsteile: Knauthain, Großzschocher, Gemarkung Lauer im Südwesten der Stadt Leipzig, Markkleeberg und Zwenkau

„Costa Cospuda“ ist sicherlich selten zu hören. Aufgrund seines Mittelmeerflairs hat der Cospudener See als der für die Leipziger sehr nahe gelegene Badesee am südlichen Stadtrand dieses Attribut verdient. Der „Cossi“, wie ihn viele liebevoll nennen, hat sich zum Publikumsmagneten entwickelt und bietet das ganze Jahr über vielfältige Reize. Den fast elf Kilometer langen asphaltierten Rundweg um den See nutzen zahllose Radfahrer, Inlineskater und Spaziergänger. Besonders an den Wochenenden wird es daher eng.

Segler und Surfer nutzen die Winde


Hauptziel der Erholungssuchenden ist die etwa 436 Hektar große Wasserfläche, die Platz für zahlreiche Wassersport- und Freizeitaktivitäten bietet. Typisch für den See sind Segler und Windsurfer, die sich den anspruchsvollen Winden von Frühjahr bis in den Herbst stellen. Zunehmend prägen Stand-Up-Paddler das Bild vom See, in dem es sich laut EU-Badegewässerrichtlinie bei sehr guter Wasserqualität schwimmen lässt. Der „Cossi“ ist ein Modellprojekt, welches eindrucksvoll beweist, wie aus einer Bergbaufolgelandschaft ein attraktiver Naherholungsort werden kann.

Der ehemalige Braunkohltagebau fördert bis zum 20. April 1990 etwa 87 Millionen Tonnen Rohbraunkohle, bevor er nach massiven Forderungen aus der Bevölkerung stillgelegt wird. Dafür hat sich auch die Bürgerinitiative „Stoppt Cospuden“ stark gemacht, die die Fläche buchstäblich dem Bagger abgerungen hat.1993 beginnt die Flutung des Restlochs mit Grundwasser und Wasser aus den Tagebauen Zwenkau, Profen und Schleenhain. Leipzig, Markkleeberg und Zwenkau eröffnen den See als Korrespondenz-Projekt der EXPO 2000, die den Wandel in den Mittelpunkt stellt und auch an verlorene Orte erinnert, die wie Cospuden, Prödel oder Lauer dem Energiehunger der DDR weichen müssen.

Pier 1 ist das Herzstück


Mit dem
Hafen Zöbigker, auch Pier 1 genannt, ist auf der Markkleeberger Seite das wassertouristische Zentrum des Sees mit skandinavisch anmutenden Gebäuden entstanden. Zahlreiche weiße Segelboote ziehen schon von Weitem die Aufmerksamkeit auf sich. Wer Lust hat, kann von hier aus mit Wassertretern, Ruderbooten und Kanus den See erkunden. In den Wassersportschulen erlernen Interessierte Tauchen, Segeln und andere Sportarten bei professionellen Anbietern wie dem Club Nautique. 

Vom Hafen aus starten die Rund- und Sonderfahrten mit den Motorschiffen MS Cospuden und MS Neuseenland, dem Charter- und Hochzeitsschiff. Von der Terrasse der Restaurants aus können Gäste den Sonnenuntergang beobachten. Einen Panoramablick haben Gäste der Außensauna ebenfalls und direkten Seezugang bietet die Sauna im See als regionale Besonderheit.

Es gibt ebenfalls einen Wasserwanderrastplatz am Oststrand samt „Cospudener Combüse“ mit Bootsverleih und kulinarischen Angeboten. Einladend ist die Strandbar Seeteufel im weißen Gebäude in Nähe eines viel zu kleinen Spielplatzes. Golfspieler finden in Sichtweite ebenfalls ihr Paradies.

Turm auf Bistumshöhe bietet schöne Aussicht


Der
Aussichtsturm Bistumshöhe, sichtbar im Südwesten des Sees, besitzt eine Höhe von 35 Metern. Bei der Stahl-Holz-Konstruktion haben sich die Architekten von Schloten und Schornsteinen einer Industrielandschaft inspirieren lassen. Erklommen werden kann der Turm, der eine gute Sicht auf den benachbarten Freizeitpark Belantis mit der Pyramide und der Achterbahn Huracan und den See selbst bietet, über eine Wendeltreppe. Auf der Shambala-Bistumshöhe gibt es eine Crêperie, in welcher kulinarische Leckerbissen zubereitet werden. Shambala steht als Ort für Gemeinschaft und Begegnungen, auch Konzerte und Lesungen werden hier angeboten. 

Auf dem Rundweg geht es auf einer kleinen Safari unter anderem vorbei an zahlreichen Gehegen, in denen Bisons, Rehe, Hirsche oder Esel zu beobachten sind. Eine Schäferin hält Ziegen und Schafe in wandernden Gattern.

Von Leipziger Seite aus erfolgt der „Eintritt“ zum See über die Kelchsteinlinie, über die auch der Bus vom Ziegeleiweg zum See fährt. Beim EXPO-Pavillon am Parkplatz beginnt die Erlebnisachse und ein weiterer Weg, der im Zuge der Neugestaltung des ehemaligen Waldgebietes Lauer auch zum Waldsee führt. Die Lauer mit ihren alten Bäumen, sumpfigen Flächen und Teichen war seit jeher ein beliebtes Ausflugsziel für die Leipziger. Zur Expo 2000 wurden sechs runde Gärten angelegt, von denen aber nur noch Reste existieren. Lediglich der von einer Hecke umschlossene Paradiesgarten ist noch gut zu erkennen. In einem Arboretum können auch Holz-Versteinerungen besichtigt werden. Verschwunden ist am Ende der Erlebnisachse auch der Wasserspielplatz, der bei Kindern sehr beliebt war.

Am Nordstrand gibt es die Hacienda Cospuden, die für größere Firmen- und Privatevents gebucht werden kann. Unterschiedliche Kioske wie „Strandblick“ oder „Beachlounge“ versorgen die Strandbesucher. Neu entstanden ist ein durch zwei Schilder separierter FKK-Bereich. Einen Hundestrand gibt es ebenfalls. Ein behindertengerechter Badesteg ermöglicht Rollstuhlfahrern den barrierelosen Zugang ins Wasser. Die Städte Leipzig und Markkleeberg wollen die Infrastruktur weiter ausbauen, etwa einen Camping-Caravan-Stellplatz einrichten und die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr verbessern.

Kanal zum Zwenkauer See bleibt Vision


Noch trennen den Cospudener See mehr als 500 Meter von seinem Nachbarn, dem
Zwenkauer See. Eigentlich sollen beide Seen über den Harthkanal und eine Harthschleuse miteinander verbunden werden. Doch es gibt Probleme mit dem Boden, der aufwändig verfestigt werden musste. Mittlerweile sind die Kosten für die Seenverbindung nahezu explodiert. Der Tagebausanierer LMBV will die Verbindung aufgeben – doch die Politik drängt weiterhin darauf und sucht Lösungen. Ob und wann der Kanal realisiert wird, ist offen.

Die Vision bleibt eine Verbindung für Paddler, die vom Leipziger Stadthafen bis hinein in den Zwenkauer See fahren können. Bislang ist das nur über einen elf Kilometer langen Wasserweg über den Floßgraben und das ehemalige Waldbad Lauer bis in den „Cossi“ hinein möglich. Um den Eisvogel bei der Brut zu schützen, ist das Befahren allerdings nur zu eingeschränkten Zeiten gestattet. Private Motorboote sind auf dem See verboten, was Naturschützer auch künftig beibehalten wollen. 

Im Sommer lädt das TH!NK? Festival, eines der größten elektronischen Musikveranstaltungen im mitteldeutschen Raum, zehntausende Musikfreunde an den Nordstrand. 

Jährlich lockt das beliebte Freizeit- und Badeparadies Cospudener See, an dem sich Sachsens längster Sandstrand befindet, über 500.000 Besucher an.

Degner, Peter

Veranstaltungsmanager, Grabredner, Impressario | geb. am 23. Januar 1954 in Leipzig; gestorben am 15. Januar 2020 in Bad Klosterlausnitz

Großen Wert legte er auf ein gepflegtes Äußeres. Dutzende verschiedene Brillen und farbige Outfits, von einer eigenen Schneiderin genäht, gehören zu den Markenzeichen von Peter Degner. Ihn behalten viele Menschen als schillernde Figur, die ihnen einst die Classic Open schenkte, in Erinnerung. Das Sommermusikfestival Leipziger Markt Musik wird ab 2024 wieder unter dem Namen „Classic Open – Leipzig ist Musik – Leipzig macht Musik“ firmieren, nachdem die Peter-Degner-Stiftung sich mit der Stadt Leipzig über die Markenrechte geeinigt hat. 

Ein Abend aus der Not geboren


Das würde den ewigen Junggesellen wohl freuen, der 1954 in Leipzig in einem christlichen Elternhaus geboren wird. Hier wächst er auf, besucht die Polytechnische Oberschule „Richard Wagner“ in der Karl-Vogel-Straße. Dort macht er Bekanntschaft mit dem weltberühmten Komponisten
Richard Wagner, dessen Büste im Musikzimmer thront. Schon im Alter von 13 Jahren steht Peter Degner das erste Mal auf der Bühne. 

1967 tritt er mit einer Spejbl-&-Hurvínek-Parodie in der Talentshow „Herzklopfen kostenlos“ des DDR-Fernsehens auf. Es folgen mehrere Auftritte, später wird er gelegentlich als Conférencier gebucht. Nach der Schule geht er zunächst im Magdeburger Modehaus Bormann in die Lehre und kommt für 18 Monate zur Nationalen Volksarmee, nach der obligatorischen Grundausbildung in eine Kulturbatterie. Er gilt als politisch unzuverlässig, wird Grabredner und hält Tausende von privaten Abschiedsreden. Und er gründet schließlich seine eigene Ein-Mann-Agentur. „Wenn mich Leute fragen, was ich beruflich mache, sage ich Blödsinn: Ein bisschen blöd, ein bisschen Sinn“, sagt Degner, der zeitlebens im Leipziger Osten wohnt, später einmal im Interview. Zu diesem Zeitpunkt hat der waschechte Leipziger schon einige Erfolge kreiert. 

Die Bühnen-Laufbahn beginnt in den frühen 1990er-Jahren mit der Veranstaltungsreihe „Treff mit P.D.“. Die Idee ist aus der Not geboren. Für einen Gastronomenball verpflichtet der Konzertmanager die Sängerin und Schauspielerin Evelyn Künneke, doch die Veranstalter sagen kurz vorher ab. Ein Abend mit ihr im Restaurant Falstaff, den er kurzerhand als Ersatz organisiert, wird trotz üppiger Eintrittspreise ein Riesenerfolg. Es folgen Treffs mit vielen anderem bekannten Künstlern, darunter Hildegard Knef, Caterina Valente, Fips Fleischer, Maximilian Schell, Gisela May.

Classic Open wird sein Durchbruch


23-mal präsentiert er schließlich im Sommer seine erfolgreiche Reihe „Classic Open“ auf dem
Markt sowie als Ausweichort auf dem Augustusplatz. „Classic Open“ ist eine mehrtägige Open-Air-Veranstaltung bei freiem Eintritt mit klassischer Livemusik sowie DVD-Aufführungen, bei der die Gäste gepflegt speisen und guter Musik lauschen können. Diesen Sommerhit hebt er 1995 aus der Taufe und betreut ihn als künstlerischer Leiter. Durch diese Veranstaltung wird er einem größeren Publikum bekannt. Als Classic Open Extra gibt es die Reihe auch am Silvesterabend. Dann wird Beethovens IX. Sinfonie live aus dem Gewandhaus zu Leipzig auf den Markt übertragen.

Legendärer Auftritt als Pavarotti


Peter Degner liebt die Selbstinszenierung. Hat immer einen Witz auf den Lippen, den er gelegentlich mehrmals erzählt. Zur Begrüßung des Publikums singt er manchmal selbst. Und er stellt es vor ein Rätsel, als bei den „Classic Open“ 1996 plötzlich Luciano Pavarotti auf dem Balkon des
Alten Rathauses erscheint. Dass er sich selbst als Pavarotti in Szene setzt, gibt er erst viele Jahre später zu. Es sind wohl die persönlichen Gesten, auch zu den Gästen, die den Charme seiner Veranstaltungen ausmachen. Der Impresario hat viele Ideen, die sich allerdings nicht alle umsetzen lassen. In Erinnerung bleibt auch ein Konzert auf dem Alten Johannisfriedhof am Grassimuseum.

Peter Degner ist durchaus ein Lebemann. Er liebt Zigarren und nimmt kaum Rücksicht auf seinen Körper. Er mag ebenfalls einfache Kost. Und sein Spruch „Man kann nur eine Bockwurst am Tag essen“ bleibt mir in Erinnerung. Eine Bäckerei benennt sogar eine Brezel nach ihm. Degner ist auf Du und Du mit den Stars und doch am liebsten volksverbunden. Seinen Fans gibt er den Rat: „Besinnt Euch auf die wirklichen Werte des Lebens“. Reich zu werden, war nie seine Motivation, schreibt er in seiner Autobiographie „… und ich dreh mich noch mal um – Vom Grabredner zum Impresario“, die 2018 im Verlag Neues Leben erschien.

In seinen letzten Lebensjahren muss er sich mit schweren gesundheitlichen Problemen herumschlagen. 2015 wird ihm ein Fuß amputiert. Es gibt zudem Streit mit der Stadt Leipzig. 2017 bezuschusst diese die Reihe, die Degner bislang auf eigenes Risiko finanziert, erstmals mit 50.000 Euro. Der Streit entzündet sich an Abrechnungsmodalitäten mit der Stadt und einem Geschäftspartner. Die Peter-Degner-Stiftung zahlt schließlich die Fördermittel zurück. Degner beteuert immer wieder, er habe niemanden betrogen. Was die Leipziger Staatsanwaltschaft schließlich bestätigt. Doch bei einer Neuausschreibung der Reihe „Classic Open“ kommt er ab 2018 nicht mehr zum Zug. „Sein Baby“ verloren zu haben, setzt ihm schwer zu. 

Rote Rosen für ein Leipziger Original


Bis an sein Lebensende bleibt er der Kulturszene der Messestadt Leipzig treu und kreiert auch neue Angebote wie „P.D. Spotlights“ im Jahr 2017. Peter Degner verstirbt am 15. Januar 2020 sieben Tage vor seinem 66. Geburtstag im thüringischen Bad Klosterlausnitz, wo er zu einer Reha-Behandlung weilt, an Herzversagen. Mit dem Chanson „Für mich soll’s rote Rosen regnen“ von Hildegard Knef, mit der er befreundet war und die er schon als junger Mann verehrte, wird der Sarg aus der Kapelle getragen. Leipzigs Stadtgesellschaft erweist in bunter Zusammensetzung ihrem Original die Ehre. Fast 1.000 Menschen sind gekommen.

Sein Grab befindet sich keineswegs in der „Künstlerecke“ des Südfriedhofs. Er ist auf dem Ostfriedhof beerdigt, wo auch schon seine Mutter Gertrud liegt. Mit ihr hat er bis zu ihrem Tod 2005 zusammengewohnt. Zudem war er zeitlebens im Leipziger Osten zu Hause. Sein Grab besteht aus einem gewaltigen weißen Marmorstein inmitten von roten Rosen. „Ich habe mich bemüht“ steht auf dem Stein. Umgeben ist es von 42 kleineren Gedenksteinen mit Namen von Künstlern und Prominenten, die er nach Leipzig geholt hat. Das ist schon etwas befremdlich, zumal dort auch Namen von Lebenden zu finden sind. Seine Eigentumswohnung in der Kreuzstraße 19 vererbte er an die Peter-Degner-Stiftung. Sie ist jetzt offizieller Stiftungssitz. Ihr Stiftungszweck ist die Förderung von Kunst und Kultur in Leipzig.

Stand: 29.11.2023

Bildergalerie - Degner, Peter

Ez-Chaim-Synagoge

Apels Garten 4 / Otto-Schill-Straße 6-8 | Ortsteil: Zentrum-West

Ein großes Foto an der Giebelwand des benachbarten Gebäudes der Sparkasse Leipzig erinnert an die einst größte orthodoxe Synagoge in Sachsen. Ez Chaim – Baum des Lebens – nennt sich die Synagoge, die wie viele andere in der Reichspogromnacht am 9./10. November 1938 von den Nationalsozialisten in Brand gesteckt wird. In Apels Garten 4, unscheinbar versteckt an einer Gasse in städtischer Hinterhof-Lage, befinden sich heute ein Lagerhaus sowie ein Parkplatz. Und es ist wohl nicht unwahrscheinlich, dass das Parkareal künftig einmal verschwindet – es mit einem Wohnhaus bebaut wird. Der Notenspur Leipzig e.V., der Bürgerverein Kolonnadenviertel und die Henriette-Goldschmidt-Schule haben sich vorgenommen, einen würdigen Gedenkort zu etablieren. Das Foto aus dem Innenraum der Synagoge auf einem Banner an der Giebelwand ist zumindest ein Anfang. Der Bürgerverein „Kolle“ hat im Juli 2021 ein Heft über die Historie des Areals herausgegeben, in dem Autor Michael Schönherr viele Details der wechselvollen Geschichte aufgreift.

Eine Synagoge für orthodoxe Juden


Ziel ist es, die Erinnerung an einen verlorenen Ort im Herzen Leipzigs wach zu halten: Die Ez-Chaim-Synagoge, die am 10. September 1922 eingeweiht wird, existiert gerade einmal 16 Jahre. Sie wird eigens für Geflüchtete aus dem Osten Europas errichtet, nachdem es dort Ende des 19. Jahrhunderts Juden-Pogrome gibt. Auf der Flucht sind damals tausende geflüchtete Juden nach Leipzig gekommen. 

In der Großen Gemeindesynagoge in der Gottschedstraße 3 (heute: Synagogendenkmal) herrschen bei der Gestaltung des Religionsunterrichts und der Tätigkeit von Rabbinern und Kantoren allerdings recht religiös-liberale Auffassungen. Die Leipziger Juden haben sich längst angepasst, die Gebete sind zwar hebräisch, die Predigt jedoch auf Deutsch. Es erklingt spätromantische Musik. Es gibt eine Orgel und einen gemischten Chor. Das lehnen viele orthodoxe Juden ab. Sie nutzen daher zunächst die Brodyer Synagoge, die der Talmud-Thora-Verein in der Keilstraße betreibt. Doch die ist spätestens seit dem Ersten Weltkrieg zu klein. Seit 1918 kommen immer mehr Juden aus Polen und Russland nach Leipzig. In der Synagoge reicht der Platz nicht mehr aus. Der Talmud-Thora-Verein beschließt daher, einen Synagogenneubau zu errichten. Möglich wird dies durch eine großzügige Spende des „Königs vom Brühl“, des Rauchwarenhändlers Chaim Eitingon.

Aus Fahrradhalle wird Synagoge


Der Verein kann am 28. Oktober 1920 ein Grundstück erwerben. Es handelt sich um eine ehemalige Turnhalle im Durchgang zwischen Otto-Schill-Straße und Zentralstraße, die ebenfalls eine interessante Baugeschichte aufweist. Das Gebäude ist zunächst eine Fahrradhalle, die erstmals 1897 auf der
Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbeausstellung Leipzig 1897 (STIGA) aufgebaut wird. Die Halle wird nach Ende der Schau von dem Fahrradgeschäft Velociped-Fabrik Paul Focke erworben und in der Dorotheenstraße 6 (heute Otto-Schill-Straße) aufgestellt. Später wird das Gebäude von der Turngemeinde Leipzig übernommen, die es in eine Turnhalle umgestalten und durch einen Anbau ergänzen lässt. Jene Turnhalle baut der Verein schließlich nach Plänen des Architekten Johann Gustav Pflaume in eine Synagoge um. 

Dabei müssen die Grundmauern der Turnhalle genutzt werden, lediglich die Vorderansicht darf repräsentativer aussehen. Diese Auflage der Baugenehmigung führt zu einigen Einschränkungen. Zuletzt muss die Zahl der Sitzplätze von zunächst geplanten 1.200 auf 905 reduziert werden. Die jüdische Religion sieht bekanntlich eine getrennte Sitzordnung von Frauen und Männern vor. Für Frauen entsteht die Empore mit 412 Sitzplätzen. Geweiht wird die Ez-Chaim-Synagoge am 10. September 1922. Gemeinderabbiner wird Ephraim Carlebach. Nahum Wilkomirski, der wegen seiner schönen Stimme auch außerhalb Leipzigs bekannt ist, wirkt als Oberkantor. 

Verein muss Abbruch nach Brandstiftung bezahlen


Zerstört wird die Synagoge in der Pogromnacht im November 1938. Aus den Akten der Feuerlöschpolizei geht hervor, dass sich der Brand etwa 5 Uhr morgens ereignete. Detailliert rekonstruieren lassen sich die Ereignisse der Brandstiftung allerdings nicht. Forscher vermuten, dass die Feuerwehrleute den Auftrag hatten, den Brand nicht auf benachbarte Gebäude übergreifen zu lassen. Vom sächsischen Innenministerium gibt es eine Anweisung, dass die Brandruine bis zum 15. November 1938 zu beseitigen sei. Da die Gemeinde dazu nicht in der Lage ist, werden die Abbrucharbeiten an ein Unternehmen übertragen. Die Rechnung muss der Verein begleichen. Das Synagogenareal wird zum Parkplatz – die Eigentümer der Fläche wechseln mehrfach.

Die Ez-Chaim-Synagoge soll künftig ein Teil des Leipziger Notenbogens sein, der die 2012 eröffnete Leipziger Notenspur ergänzt. Geplant ist ein musikthematischer Stadterkundungsspaziergang, der 17 Stationen westlich des Stadtzentrums umfasst. Acht davon sind eng mit jüdischer Geschichte verbunden. Ziel des Notenspur Leipzig e.V. ist es, den Rundgang ab 2026 anzubieten. Es soll ein Leipziger Beitrag zum sächsischen Themenjahr 2026 „Jüdisches Leben – Jüdische Kultur“ sein.

Stand: 29.11.2023

Bildergalerie - Ez-Chaim-Synagoge

Historisches Bildmaterial - Ez-Chaim-Synagoge

Gletschersteinpyramide

Gustav-Schwabe-Platz, Naunhofer Straße/Ludolf-Colditz-Straße | Ortsteil: Stötteritz

Der „Steinhaufen“ ist von Menschenhand aufgetürmt worden: Dennoch erinnert die Gletschersteinpyramide auf dem Gustav-Schwabe-Platz, die etwas versteckt im Schatten des Völkerschlachtdenkmals und des Wasserturms Probstheida der kommunalen Wasserwerke zu finden ist, an einen natürlichen Vorgang, der die Erdoberfläche veränderte. Riesige Gletscher sind vor gut 150.000 Jahren auf dem Gebiet der heutigen Region Leipzig abgelagert worden. Nahezu 1.000 Kilometer sind sie während der Saalekaltzeit von Skandinavien hierher gewandert. Sie bringen eine dicke Eisschicht mit, die etwa 25.000 Jahre später durch eine Erwärmung des Erdklimas zu tauen beginnt. Unter der Eisschicht formiert sich die Leipziger Tieflandbucht. Viele Findlinge und Gesteinsschutt lagern nun dort. Der Geologe Carl Friedrich Naumann von der Universität Leipzig wies die Inlandvereisung 1844 durch seine Forschungen nach.

Sechs Meter hohe Pyramide entsteht


Solche Findlinge werden Anfang des 20. Jahrhunderts im gesamten Stadtgebiet gesammelt. 1903 entsteht daraus eine sechs Meter hohe Pyramide, die aus etwa 550 Findlingen besteht. Die Fläche misst etwa 5,40 mal 5,40 Meter.

1904 wird der benachbarte Gregoryplatz mit der Findlingsmauer angelegt. Finanziert hat die Pyramide die Deutsche Credit-Anstalt sowie die Leipziger Immobiliengesellschaft, wie man heute an der an der Pyramide angebrachten Tafel lesen kann. Die 1872 gegründete Gesellschaft spielt eine wichtige Rolle beim baulichen Aufschwung der sich entwickelnden Großstadt. Sie erschließt Baugrund und stößt bei Ausschachtungen auf größere Mengen eiszeitlichen Gneis- und Granitgesteins.

Moos wird entfernt, die Fugen erneuert


Im Jahr 2000 wird die Pyramide saniert, um das besondere gesteinskundliche Kulturgut zu wahren und neu in Szene zu setzen. Die Initiative geht auf
Klaus Bente vom Institut für Mineralogie, Kristallographie und Materialwissenschaften der Universität Leipzig zurück. Nach 20 Jahren ist eine Sanierung meist erforderlich. Etwa um das Moos zu entfernen sowie gerissene Fugen zu erneuern. Das steinerne Kulturgut wird oft mit Graffiti verunstaltet – das wiederum macht regelmäßige Reinigungen notwendig.

Inschrift auf der Tafel auf der Vorderseite der Gletschersteinpyramide


In der um Jahrtausende zurückliegenden Eiszeit
haben die gewaltigen Gletscher Skandinaviens
ihre südlichen Ausläufer bis in diese Gegend erstreckt
und zahlreiche Steine aus Schweden mit sich geführt
und hier abgelagert.

Aus solchen Steinen ist im Jahre 1903
von DER ALLGEMEINEN DEUTSCHEN CREDIT-ANSTALT und
DER LEIPZIGER IMMOBILIENGESELLSCHADFT
IN LEIPZIG
in deren Feldern sie zerstreut eingebettet lagen
dies Denkmal hier am Fundort errichtet worden.

Das Denkmal steht im Schutze edler Menschen

Stand: 29.11.2023

Bildergalerie - Gletschersteinpyramide

Kothe, Michél

Lehrer, Politik- und Erziehungswissenschaftler, Verbandschef Völkerschlacht | geb. am 18. August 1975 in Leipzig

Hin und wieder geht er mit einem „mobilen Museum“ auf Tour in sächsische Schulen: „Geschichte muss lebendig vermittelt werden“, sagt Michél Kothe. Er ist Vorsitzender des Verbandes Jahrfeier Völkerschlacht bei Leipzig 1813 und brennt voller Leidenschaft für die Historie. Mit ihr müsse man sich kontinuierlich auseinandersetzen, um die Ereignisse zu verstehen und einordnen zu können, meint er. Erinnerungen an das blutige Gemetzel der Napoleonzeit werden im Torhaus Dölitz, das der Verband seit 2014 in Regie hat, wachgehalten. Im dortigen Zinnfigurenmuseum sind Dioramen zu sehen, die historische Szenen mittels Zinnfiguren zeigen.

Lebendig Geschichte vermitteln


Kothe und seine Mitstreiter organisieren ebenfalls historische Biwaks sowie Gefechtsdarstellungen auf den ehemaligen Schlachtfeldern im Süden der Messestadt. An den Lagerfeuern des Biwaks sitzen Gäste aus ganz Europa, die friedlich miteinander durch „Living History“ lebendig Geschichte vermitteln wollen. Über Ländergrenzen hinweg sind da viele Freundschaften entstanden, sagt Kothe. Neben Museen und Gedenkstätten, Büchern, Filmen und literarischen Aufarbeitungen in Romanen könne jenes Reenactment – also die möglichst authentische Inszenierung konkreter geschichtlicher Ereignisse – viel zum Gedenken und zur Versöhnung beitragen. „Die Kritik, dass wir Krieg spielen, ist vollkommen ungerechtfertigt“, sagt er. Kritikern entgegnet er immer, dass beispielsweise das Mittelalter und die Römerzeit völlig romantisiert seien. Auch da habe es immer wieder Kämpfe gegeben, „heute wird das Mittelalter in Form von hübschen Mittelaltermärkten und die Römerzeit mit Asterix und Obelix gezeigt“. 

Es geht dem Verband darum, Menschen für Geschichte zu begeistern und überlieferte Berichte durch das eigene Nacherleben zu überprüfen. Das Sammeln ist ein ebenso wichtiger Aspekt, werden dadurch doch historische Artefakte vor der Vernichtung und damit dem Vergessen bewahrt.

Michél Kothe ist beim Verein Preußische Infanterie 1813 dabei. „Ich bin ein Sachse in preußischer Uniform und mit französischem Vornamen“, sagt der gebürtige Leipziger, der in Alt-Paunsdorf aufgewachsen ist. Nach der Schule und Lehre als Industriekaufmann studiert er an der Universität Leipzig Politikwissenschaft, Erziehungswissenschaft und Journalistik. Mittlerweile unterrichtet er an der Leipziger Semper Fachoberschule in der Hohen Straße Geschichte und Ethik in den Klassen 11 und 12.

Ein Hobby für die ganze Familie


Zu seinem Hobby ist er über den Vater Siegfried, einen Geschichtslehrer, gekommen. Von ihm sei er quasi „rekrutiert“ worden und wie von selbst reingewachsen in die napoleonische Zeit. Am Torhaus Dölitz finden 1991 Dreharbeiten zu einem Film über die historische Stätte und die Gefechte statt. Da sieht er das Torhaus das erste Mal von innen. Im Mai 1992 entschließt er sich, aktiv mitzuwirken. Michél landet ebenfalls bei den Preußen, wie sein Vater, ein Infanterist. Der Senior hat sich inzwischen aus den aktiven Darstellungen zurückgezogen.

Michél Kothe trägt die preußische Uniform eines Premierleutnants – heute würde man Oberleutnant sagen. Dabei wird viel Wert auf eine detailgetreue Uniform gelegt. Bis zum Abstand der Knöpfe muss alles historisch korrekt sein. Als Kopfbedeckung hat er Feldmütze, Tschako oder Zweispitz zur Auswahl. Der Degen in der Lederscheide – ein Nachbau – ist natürlich nicht scharf. Kothe hat zudem die Uniform eines preußischen Unteroffiziers, eines Krankenträgers und historische Zivilkleidung in Schrank.

Mehrmals im Jahr ist er an Stätten der Napoleonischen Zeit unterwegs. Das sind meist verlängerte Wochenenden. Kothes Frau Anja und Tochter Lara sind dabei, teilen das Hobby. Seine Frau, im Biwak meist Marketenderin, lernt er bei den Darstellungen in Großgörschen kennen. Sie heiraten in Uniform nach einer Fahrt mit der historischen Kutsche von Paunsdorf zum Schloss Machern. In gewisser Weise lebt die Familie ein Abenteuerleben: Sie reisen durch ganz Europa an die geschichtsträchtigen Orte, übernachten oft in Burgen oder im Zelt. Oft sind es sieben, acht Reisen im Jahr. Alle fünf Jahre geht es ins belgische Waterloo. In dem kleinen Dorf in der Nähe von Brüssel findet am 18. Juni 1815 die letzte Schlacht Napoleon Bonapartes statt, die zu dessen Abdankung führt.

Dass die Völkerschlacht bei Leipzig eine so große Faszination auf Kothe hat, erklärt er mit der für ihn „spannenden Epoche“. Napoleon sei nicht nur Kriegsherr, auf ihn sind auch im Alltag viele Neuerungen zurückzuführen. Ein Beispiel: Die Konservierung von Nahrungsmitteln geht von Napoleon aus, der einen Wettbewerb zur Haltbarmachung von Lebensmitteln entfachte.

Unterwegs mit dem „Museum mobil“


Seit 2002 ist Kothe im Vorstand des Verbandes, seit 2007 Vorsitzender. Nach wie vor ist das „wandelnde Geschichtsbuch“ mit seinem „Museum mobil“ unterwegs, besucht Schulen und Fortbildungseinrichtungen, um die Völkerschlacht erlebbar zu machen. Er schreibt Beiträge für Bücher, darunter fürs Postkartenbuch zur Völkerschlacht vom Verein Pro Leipzig oder für einen Fotoband des Sax-Verlages. Von seiner Wohnung in Paunsdorf aus kann er abends aufs schön beleuchtete
Völkerschlachtdenkmal in der Ferne gucken.

Er wünscht sich, dass es mehr gemeinsame Veranstaltungen und Aktivitäten des Verbandes Jahrfeier Völkerschlacht bei Leipzig 1813 mit den Akteuren des Fördervereins Völkerschlachtdenkmal e.V. gibt. Militär und Denkmal seien zwar ein schwieriges Feld. Die Uniformierten wollen aber nicht nur für gelegentliche Fotos mit Touristen herhalten, sondern auch in inhaltliche Debatten einbezogen werden.

Stand: 29.11.2023

Bildergalerie - Kothe, Michél

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