Bildlexikon Leipzig

Pester, Nora

Verlegerin, Politikwissenschaftlerin | geb. am 3. Mai 1977 in Leipzig

Sie ist Verlegerin des einzigen Verlages, der sich auf jüdische Kultur und Zeitgeschichte spezialisiert hat: Die gebürtige Leipzigerin Nora Pester hat den Verlag Hentrich & Hentrich für jüdische Kultur und Zeitgeschichte gekauft. Der hat seinen Sitz seit 2023 an einem geschichtsträchtigen Ort: Im Leipziger Capa-Haus in der Jahnallee 61, dem sie mit ihrem Engagement dazu verhilft, wieder ein öffentlich zugänglicher Erinnerungsort zu sein. Als Mieterin betreut Pester mit ihrem Verlagsteam den städtischen Capa-Gedenkraum, der dadurch wieder regelmäßig öffnen kann.

Viel Herzblut fürs Capa-Haus


Zu diesem Zweck haben das
Stadtgeschichtliche Museum Leipzig, die Bürgerinitiative Capa-Haus sowie der Verlag Hentrich & Hentrich ihre Netzwerke vereint sowie eigens die gemeinnützige Firma Capa Culture gGmbH gegründet. Der Verlag ist vom Haus des Buches im Gerichtsweg nach Lindenau gezogen. Nora Pester steht bei Veranstaltungen gemeinsam mit ihren Mitarbeitern auch mal an der Theke des ehemaligen Cafés Eigler, um Getränke auszuschenken. Das einstige Kuchenbuffet eignet sich hervorragend, um für die Bücher des Verlages zu werben. Der bietet ein breites Spektrum, gibt Jahr für Jahr um die 50 bis 70 Titel heraus. Ihr Wunsch ist es, dass sich das Capa-Haus als fester Veranstaltungsort in Leipzig etabliert. Da steckt sie viel Herzblut hinein.

Den Verlag gibt es seit 1982. Damals wird er als Edition Hentrich in West-Berlin gegründet. Doch dort kann er sich die hohen Mieten nicht mehr leisten. Die neue Inhaberin Nora Pester siedelt 2018 in ihre Geburtsstadt Leipzig über. Gründer Gerhard Hentrich hat die promovierte Politikwissenschaftlerin, die zuvor unter anderem für den Wiener Passagen Verlag und Matthes & Seitz arbeitet, als Nachfolgerin auserkoren. Ihre Karriere beginnt mit einem Praktikum beim 1989 gegründeten Forum Verlag. In Leipzig und in Wien studiert sie Hispanistik, Politikwissenschaften und Volkswirtschaftslehre.

Aufgewachsen im Waldstraßenviertel


Sie ist im
Waldstraßenviertel aufgewachsen, wo sie schon in der Kindheit mit geheimnisvollen jüdischen Spuren oder was davon übriggeblieben ist, in Berührung kommt. Dort gibt es das ehemalige jüdische Eitingon-Krankenhaus sowie ein Altersheim, das inzwischen als Ariowitsch-Haus zur Begegnungsstätte geworden ist. Im Jahr 1988 hat Pester gemeinsam mit ihrer Schulklasse die vielbeachtete Ausstellung „Juden in Leipzig“ besucht, die erstmals in der DDR die reichhaltigen Traditionen des Judentums sowie den Holocaust thematisiert. „Plötzlich hatten die Menschen Namen und Gesichter“, erinnert sie sich. Weil sie das bei den Jungen Pionieren in der DDR übliche Gruppenbuch führt und die Mitschüler zur rechtzeitigen Abgabe drängt, sei sie im Grunde genommen schon in der Grundschule Verlegerin gewesen, sagt sie lächelnd.

Jüdische Wurzeln hat Nora Pester selbst nicht. „Manche sagen, dass es sogar von Vorteil ist, dass ich keine Jüdin sei: Weil ich viele Dinge tatsächlich etwas neutraler betrachten und auch vermitteln kann bei all dem, was Konflikte birgt“, erklärt Pester.

Durch das neue Domizil im Capa-Haus arbeitet der Verlag sehr transparent. Besucher können ihr und ihren drei Mitarbeitern während der Öffnungszeiten durchaus mal über die Schulter schauen. Ziel des Verlages ist es, jüdisches Leben in all seinen Facetten abzubilden. Dazu gehören auch die ständige Gefährdung und Anfeindungen, die mit dem brutalen Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 eine neue Dimension erreichten. Bestürzend aktuell ist das Buch über den Dichter und Sänger Leonard Cohen von Matti Friedmans geworden, dessen Tournee im Oktober 1973 plötzlich Teil des Jom-Kippur-Krieges wird. 50 Jahre vor dem gewalttätigen Angriff der Hamas, der zu einem neuen Krieg im Nahen Osten führt.

Die Rolle des Verlags hat sich gewandelt. Zunächst legt dieser den Fokus auf Biografien, historische Studien und die Aufarbeitung des Holocaust. Für Nora Pester bringt der 9. Oktober 2019, der Tag des Anschlages auf die Synagoge in Halle, einen Bruch in ihrer Arbeit. Seitdem ist es ihr wichtiger geworden, „nicht nur von nicht mehr lebenden, sondern auch von jetzt lebenden Juden zu erzählen.“ Vom Kochbuch bis zum Gebetsbuch, von Zeitgeschichte und Biografien (etwa über „Juden in der DDR“) bis zum politischen Sachbuch bietet der Verlag vieles an, um zum öffentlichen Diskurs beizutragen. Sie thematisiert, wie Antisemitismus sich selbst in den progressiven Milieus in der Mitte der Gesellschaft breitmacht.

Aufklärung gegen Stereotypen des Antisemitismus


Der aktuelle
Bestseller des Verlages heißt „Judenhass Underground“. „Antisemitismus mit all seinen Stereotypen ist so tief und fest verankert in der Mitte der Gesellschaft. Dem muss ein jüdischer Verlag entgegenarbeiten, diesen Auftrag muss er erbringen und erfüllen“, sagt Pester. „Ich will vor allem Bücher machen, die wirken“, erklärt die Verlegerin, die natürlich auch Unternehmerin ist. Es sei ihr wichtig, Diskussionen anzustoßen. Sie widmet sich aber auch koscherem Humor, etwa in einem Kalender. Ben Gershon hat die Comicfigur Jewy Louis entwickelt, mit der er lustige Situationen und die Absurditäten des jüdischen Lebens in einer nichtjüdischen Gesellschaft schildert. Mittlerweile gibt es auch Kinderbücher im Verlag. Derzeit sind mehr als 700 Titel lieferbar. Für diese „lebendige, anschauliche Enzyklopädie jüdischer Kultur und Zeitgeschichte“ erhielt der Verlag den Förderpreis der Kurt-Wolff-Stiftung. Nora Pester ist erstmals selbst unter die Autoren gegangen. „Jüdisches Leipzig“ heißt ihr praktischer Stadtführer, der „Menschen – Orte – Geschichte“, wie es im Untertitel heißt, vorstellt. Sie möchte, dass Menschen das jüdische Leipzig selbst entdecken können.

Der Verlag organisiert viele Veranstaltungen, darunter im Ariowitsch-Haus. Es gibt aber kaum klassische Lesungen. „Ich finde es interessanter, wenn Themen in Gespräche verpackt sind und eine Interaktion mit dem Publikum stattfindet“, so Pester.

Stand: 29.11.2023

Bildergalerie - Pester, Nora

Rohrwacher, Klaus-Michael

Steinmetzmeister, Restaurator | geb. am 4. April 1953 in Leipzig

Als die Einladung ins Schloss Bellevue nach Berlin kommt, hält er es zunächst für einen Scherz: Klaus-Michael Rohrwacher bekommt am 4. Dezember 2015 von Bundespräsident Joachim Gauck das Bundesverdienstkreuz verliehen. Geehrt wird Rohrwacher für seine ehrenamtliche Arbeit als Vorsitzender des Fördervereins Völkerschlachtdenkmal e.V., der 1998 mit dem Ziel gegründet wird, den fortschreitenden Verfall des Leipziger Wahrzeichens aufzuhalten und es ebenso wie die Außenanlagen instand zu setzen. „Ich fühle mich überglücklich. So einen Festakt erlebt man nur einmal im Leben“, sagt der Steinmetzmeister damals und erklärt, dass sich „eine große Familie an Mitstreitern“ um das Völkerschlachtdenkmal kümmert. Und macht als „oberster Spendeneintreiber“ mit seinem Förderverein unermüdlich weiter, um möglichst viele Leipziger und Auswärtige als Stifter für das Denkmal zu begeistern. Als Mann vom Fach und begnadeter Kommunikator erweist er sich schnell als Richtiger an der Spitze des Vereins. Im November 2023 wird der Förderverein Völkerschlachtdenkmal e.V. für sein engagiertes Wirken mit dem Leipziger Tourismuspreis ausgezeichnet, den die Leipzig Tourismus und Marketing GmbH seit 2002 jährlich vergibt. 

Schon immer mit Völkerschlachtdenkmal verbunden


Rohrwacher ist seit frühester Jugend mit dem Denkmal verbunden. Wahrscheinlich hat er es schon im Kinderwagen besucht. Großvater Walter ist als Steinmetz und Steinbildhauer zu Kaiser Wilhelms Zeiten beim Bau des Kolosses dabei. Vater Hans-Joachim hilft zu DDR-Zeiten in den 1960er Jahren, das Denkmal notdürftig zu sanieren. „Mit dem Essgeschirr haben wir dann als Kinder das Mittagessen in die Bauhütte gebracht und dort auch herumgetobt“, erinnert sich Rohrwacher, der schon immer im Südosten Leipzigs wohnt.

1987 übernimmt er den elterlichen Betrieb und betreibt als Steinmetzmeister eine eigene Firma mit 15 Angestellten, die es inzwischen allerdings nicht mehr gibt. Der Naturstein- und Steinmetzbetrieb stellt im September 2019 den Betrieb ein, weil kein Nachfolger gefunden wird. Sohn Lars betreibt als Steinmetzmeister und Techniker seit Jahren die eigene Firma „Stein und Design“ (Denkmalpflege, Bildhauerei, Grabmalkunst), die ihr Domizil direkt am Ostfriedhof hat.

Eins ist Rohrwacher immer wichtig: An der Sanierung des Denkmals hat sich seine Firma nie beteiligt, um Konflikte zu vermeiden. Die hat dennoch viele Spuren bei zahlreichen Bau- und Restaurierungsobjekten hinterlassen, ob nun beim Dorint Hotel Alter Wall in Hamburg, beim Potsdamer Stadtschloss und vielen Objekten in Dresden und Leipzig. Ein Beispiel sind die Höfe am Brühl.

Fördervereinschef macht Führungen für Stifter


Der Förderverein Völkerschlachtdenkmal, der im Oktober 2023 bei einem Festakt im
Alten Rathaus seinen 25. Geburtstag feierte kann, hat viele Erfolge vorzuweisen. Mehr als 3,5 Millionen Euro hat er seither für die Sanierung des Denkmals eingeworben. 

In den 1990er Jahren wurde erwogen, das Denkmal kontrolliert verfallen zu lassen – schwarz, hässlich und bröckelig, wie es zu diesem Zeitpunkt keineswegs würdig für Leipzig war. Dem zu begegnen, gründete sich 1998 der Förderverein. Anfangs wurden einfach Spenden gesammelt für die Instandsetzung des Denkmalkörpers. Zunächst wurden acht Bänke für Besucher aufgestellt. Für die Finanzierung der Außenanlagen entwickelt der Verein im Jahr 2009 den Stifterbrief, der bisher an fast 1.000 Stifter übergeben wurde. Rohrwacher nimmt sich auch die Zeit, den Stiftern bei Führungen „sein Denkmal“ nahezubringen.

Der Förderverein hat inzwischen fast 300 Mitglieder: Bürger, Unternehmen, Institutionen, Verbände. Sie setzen sich – wie einst der Patriotenbund vor dem Bau des Denkmals – mit bürgerschaftlichem Engagement für dessen Sanierung ein. Die Instandsetzung der Haupttreppe vom Wasserbecken bis zum Eingangsplateau sowie die Erneuerung des Wasserbeckens sind wohl die größten Brocken. Ob Völkerbrot, Völkersalami oder Völkereis – Rohrwacher und seine Mitstreiter sprudeln voller Ideen. Nach vielen Arbeiten am Denkmal, die Bund, Land und Stadt in einem Kraftakt geschafft haben, ist nun die Wiederherstellung der Außenanlagen fast abgeschlossen.

Am Denkmal muss immer etwas repariert werden


„Aber ein Denkmal dieser Größe ist niemals fertig“, sagt Rohrwacher. Die ersten Erhaltungsmaßnahmen an Fugen und Bodenplatten haben schon vor vielen Jahren begonnen. Der kluge Vereinschef, der den Ehrenamtsjob noch eine Weile machen will, baut vor. „Bitte nicht innehalten!“ ist dabei einer seiner Lieblingssprüche geworden. Am Denkmal wird immer etwas zu reparieren und sanieren sein. Ein nächstes Projekt gibt es bereits: Die LED-Leuchten sollen erneuert werden. Damit Energie gespart wird und trotzdem Strahlkraft erhalten bleibt. „Das Denkmal muss beleuchtet werden“, betont Rohrwacher, „wenigstens bis Mitternacht.

Wirtschaftsarchiv benötigt neues Domizil


Der rührige „Südostler“, wie er sich manchmal selbst bezeichnet, hat noch weitere Ehrenämter: So ist er Vorstandesvorsitzender des Vereins Sächsisches Wirtschaftsarchiv, das derzeit in der Industriestraße in Plagwitz in der Konsumzentrale untergebracht ist. Das Sächsische Wirtschaftsarchiv wird im April 1993 durch die drei sächsischen Industrie- und Handelskammern als regionales Wirtschaftsarchiv für Sachsen gegründet. Doch in den Plagwitzer Räumen hat es keine Zukunft. Geplant ist, bis 2026 gemeinsam mit dem Landkreis Leipzig sowie dem Förderverein zum Aufbau des Dokumentationszentrums IndustrieKulturlandschaft Mitteldeutschland Dokmitt einen Neubau für die Sammlung in Borna zu errichten.

Stand: 29.11.2023

Bildergalerie - Rohrwacher, Klaus-Michael

Schornstein der Stadtwerke Leipzig

Arno-Nitzsche-Straße 35 / Stadtwerke-Gelände Leipzig Südost | Ortsteil: Connewitz

Leipzigs Skyline hat sich verändert: Ein Wahrzeichen der Braunkohlen-Ära, der 170 Meter hohe Schornstein des ehemaligen Kraftwerkes „Max Reimann“ in der Arno-Nitzsche-Straße in Leipzig-Connewitz, ist verschwunden. Am 10. September 2023 wurde er gesprengt. Das Interesse an diesem Ereignis war riesig. In vielen Straßen rund um den 200-Meter-Sperrkreis, der im Auftrag der Stadtwerke Leipzig angelegt wurde, herrschte regelrecht Volksfeststimmung. Hunderte Leipziger kamen, um sich das seltene Spektakel anzuschauen. Viele Anwohner hatten es sich auf Balkons, Terrassen oder in Gärten bequem gemacht, um die dreifache Faltsprengung zu verfolgen. Dabei zerfiel der Schornstein in drei Teile. Alles verlief komplett nach Plan. Die Thüringer Sprenggesellschaft setzte etwa 100 Kilogramm Sprengstoff ein.

Kurze Nutzungsdauer für den Schornstein


Der Schornstein auf dem Gelände der Stadtwerke Leipzig ist zum Zeitpunkt der Sprengung fast ein Vierteljahrhundert in seiner ursprünglichen Funktion ungenutzt. Ende des 19. Jahrhunderts entsteht auf dem Areal ein Gaswerk. Bis 1910 werden vier Behälter errichtet, die für die Speicherung von Gas und den Druckausgleich im Rohrnetz sorgen. 

1952 erhält das Gaswerk den Namen Gaskokerei „Max Reimann“. In den 1970er-Jahren endet die Geschichte des Werks als Erzeugungsort für Stadtgas aus Kohle. Danach wandelt es sich zu einem Standort der Fernwärmeversorgung. In diese Phase fällt der Bau des Heizwerkes mit dem 170-Meter-Schornstein. Dessen Grundstein wird im Mai 1984 gelegt. Ab Januar 1987 wird die weithin sichtbare Esse für die Rauchgasabführung eingesetzt. Ihre Nutzungsdauer ist kurz. Bereits 1996 rollt der letzte Kohlezug ins Kraftwerk in Connewitz. Somit hat der Schornstein nur eine Betriebszeit von neun Jahren. 

Fernsehsender kommen vom Schornstein


Zuletzt wird er von der Deutschen Funkturm GmbH für die Ausstrahlung von Fernsehsendern genutzt. Die hat 2016 einen neuen Funkturm an der Zwickauer Straße/Richard-Lehmann-Straße errichtet, um das digitale Antennenfernsehen DVB-T2 HD ausstrahlen zu können. Weil die Stadtwerke Leipzig jedes Jahr viel Geld in die Sicherung des riesigen Schornsteins investieren mussten, von dem der Putz bröckelte, wurde er abgerissen.

Stand: 29.11.2023

Bildergalerie - Schornstein der Stadtwerke Leipzig

Weinkauf, Bernd

Schriftsteller, Kunsthistoriker | geb. am 26. Februar 1943 in Küstrin

Vor der Faust- und Mephisto-Statue mit dem goldenen Schuh von Mathieu Molitor – immerhin eines der beliebtesten Fotomotive für Touristen in Leipzig – möchte Bernd Weinkauf diesmal nicht abgelichtet werden. Er ist zwar seit 1996 der Haushistoriker vom Auerbachs Keller in der Mädler Passage. Doch im inzwischen zweiten Buch „Leipziger Merkwürdigkeiten“, welches im Sax-Verlag erschienen ist, tauchen die beiden Gesellen eben nicht auf. Schriftsteller Weinkauf kommt es auf jedes Detail an. Er liebt es, fragile Fakten zu recherchieren und unbekannte Dinge zu hinterfragen. Mit seinem Spürsinn ist es dem Kunsthistoriker mehrfach gelungen, in seinen Büchern mit liebgewonnen Missverständnissen aufzuräumen und unbekannte Kapitel in der Leipziger Geschichte zu beleuchten. Wie jüngst die Momente aus der jüngeren Geschichte der Stadt Leipzig, die eben „des Merkens würdig sind“, wie der Verlag schreibt. Im kurzweiligen Band, der mit einem antiquarischen Outfit daherkommt, klärt er beispielsweise über die (hierzulande längst vergessenen) Trinkhallen auf, die hier einst ebenso wie die weitaus bekannteren „Büdchen“ in Düsseldorf oder Köln ihre Genießer finden.

Ein bekennender Leipziger mit Faible für Historie


Weinkauf ist ein bekennender Leipziger, seit er als junger Mann zugewandert ist. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wird seine Familie von Küstrin nach Hettstedt vertrieben. Der junge Mann macht das Abitur, studiert danach Deutsche Sprache, Literatur und Kunsterziehung am Pädagogischen Institut in Erfurt. Nach einigen Jahren als Lehrer und Truppenbibliothekar verschlägt es ihn 1973 ans Institut für Literatur „Johannes R. Becher“ nach Leipzig, wo er bis 1976 lehrt. Es folgt die Arbeit als Dramaturg am
Theater der Jungen Welt (bis 1979). Seitdem ist er als freier Autor und Werbetexter tätig und begeistert durch seine Neugier auf Themen ein geschichtsbegeistertes Publikum. Und er gehört zur illustren Runde am Stammtisch „Goglmohsch“, den der Leipziger Kabarettist und Schriftsteller Bernd Lutz-Lange im Jahre 1984 in der Gaststätte Boccaccio in der Kurt-Eisner-Straße in der Südvorstadt gründet. 

Nach der Friedlichen Revolution folgt ein kurzes Intermezzo im Leipziger Rathaus als Stadtrat für Kultur, das aber am 9. Mai 1991 beendet wird, als eine Zusammenarbeit als informeller Mitarbeiter für die DDR-Staatssicherheit publik wird. Dennoch kann er im Rathaus einige Weichen stellen, etwa den Neustart der Stadtbibliothek im ehemaligen Gebäude des VEB Chemieanlagenkombinates Leipzig beflügeln, das einst als Grassi-Museum gebaut worden war. Seitdem ist er als freier Autor tätig. Und legt 1999 ein bemerkenswertes Buch vor, in welchem er Leipzig mit Goethes Augen sieht.

Der Haushistoriker von Auerbachs Keller


Zum Haushistoriker von Auerbachs Keller ist er ernannt worden. 1998 ist er beteiligt, die Feierlichkeiten zu 450 Jahre Weinausschank im Traditionslokal vorzubereiten. Er richtet ein „Faustseminar“ ein und braucht eine Visitenkarte. Doch was darauf schreiben? Haushistoriker eben. Sein Meisterwerk wird dann 2015 die „Chronik von Auerbachs Keller“.

Zuvor hat er schon die Gästebücher ausgewertet und muss dafür wahre Detektivarbeit leisten. Die Idee dafür entsteht, als jemand den damaligen Wirt Bernhard Rothenberger fragt, ob Adolf Hitler jemals Gast im Auerbachs Keller war? War er nicht, dafür viele andere Persönlichkeiten. Dazu gehört beispielsweise auch Bismarck. Die Recherche ergibt, dass es keineswegs der Reichskanzler ist, sondern jemand aus dessen Familie. Wer genau, kann allerdings nicht exakt geklärt werden.

Nur wenige Gästebucheinträge sind bei null Promille geschrieben worden, auf einigen Seiten hat auch der Rotwein seine Spuren hinterlassen. Es ist schwierig, die alten Handschriften zu entziffern. Sogar Hieroglyphen müssen gelesen werden, wobei Weinkauf dabei auf Experten zurückgreift. Dutzende Napoleons haben sich in den Büchern der Traditionsgaststätte verewigt. Wobei der echte Franzosenkaiser, so der Autor, niemals in Auerbachs Keller eingekehrt ist. Was auf der Flucht nach der Völkerschlacht 1813 wohl auch etwas schwierig gewesen wäre.

Leipziger Geheimnisse


Weinkauf ist auch vielen anderen „Leipziger Geheimnissen“ auf der Spur. So erklärt er in einem gleichnamigen im Bast Medien Verlag erschienen Buch, warum es sich beim Hufeisen an der
Nikolaikirche um ein echtes Leipziger Wahrzeichen handelt. Und warum an den Klinken der Eingangstüren vom Neuen Rathaus Schnecken aus Eisen zu finden sind. Das sind liebenswerte Relikte, die an die Entstehungsjahre des Verwaltungssitzes erinnern. Die sollen sicherlich keine Konkurrenz für den Leipziger Löwen sein. Das langsam kriechende Weichtier ist nur ein hübscher Schmuck. Es weist darauf hin, wie sehr sich der Bau des Neuen Rathauses in die Länge gezogen hat.

Regelmäßig publiziert Bernd Weinkauf in den „Leipziger Blättern“.

Stand: 29.11.2023

Bildergalerie - Weinkauf, Bernd

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