Bildlexikon Leipzig

Schwabe, Uwe

Bürgerrechtler, Sammlungssachbearbeiter, Vorstand Bürgerarchiv | geb. am 4. Mai 1962 in Leipzig

Sein großer Traum ist es, zur See zu fahren. Doch der bleibt ihm in der DDR verwehrt. Als junger Mann verpflichtet sich Uwe Schwabe zwar drei Jahre bei der Nationalen Volksarmee, wo er als Schlosser Flugzeuge repariert. Doch es gibt immer wieder Ärger, da er sich dem militärischen Disziplinierungssystem nicht unterordnen kann. Ihm wird bescheinigt, für den „grenzüberschreitenden Verkehr nicht geeignet“ zu sein. Er schlägt sich in verschiedenen Jobs durch und wird eines der Leipziger Gesichter der Friedlichen Revolution. Uwe Schwabe, der Ex-Bürgerrechtler, wird für seine Verdienste während der Friedlichen Revolution vielfach geehrt. Ob mit dem Bundesverdienstkreuz Erster Klasse oder der „Goldenen Henne“: Schwabe. der Vorstandsvorsitzende des Archivs Bürgerbewegung Leipzig e.V., arbeitet heute im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig.

Ohne Scheuklappen in der Jungen Gemeinde


Geboren wird er am 4. Mai 1962 in Leipzig. Er wächst mit drei Geschwistern im Leipziger Osten auf, die Mutter ist im Dreischichtsystem tätig. Zunächst lebt die Familie in Portitz, in einem Einfamilienhaus der Großmutter. Doch das ist baufällig, die Kosten sind nicht mehr zu tragen. „Es war für mich ein Schock, von der ländlichen Idylle in die Großstadt zu kommen“, erinnert er sich. Plötzlich lebt die Familie in einer Zweiraumwohnung in einem baufälligen Haus, wie überall im Leipziger Osten. Schwabe kümmert sich um die bettlägerige Großmutter, die er pflegt. Zur Schule geht er in die 16. Polytechnische Oberschule in der Konradstraße.

Zwischen 1978 und 1980 absolviert er eine Lehre zum Instandhaltungsmechaniker beim VEB Wasserversorgung und Abwasserwirtschaft Leipzig. Anschließend wird er zur Nationalen Volksarmee eingezogen. Dort lernt er Udo Hartmann kennen, der ihn mit in die Junge Gemeinde der Nikolaikirche nimmt. „Das war für mich so faszinierend, weil ich das erste Mal erlebt habe, wie Leute offen politisch ohne Scheu, ohne Scheuklappen diskutieren“, bekennt er später. Und er begegnet Christian Führer, dem engagierten Pfarrer der Nikolaikirche. „Sein Ziel war es, offene Diskussionen zuzulassen. Und er hat uns junge Leute angeregt, uns kritisch mit vielen Themen auseinandersetzen.“ Ab 1984 engagiert Uwe Schwabe sich in der Umweltgruppe der Kirche.

Eine Anzeige wegen Umweltverschmutzung


Beruflich geht der Instandhaltungsmechaniker nach der Armee zurück an die Werkbank. Zunächst bei der Wasserwirtschaft, später beim VEB Baumaschinenkombinat Süd. 1987 hat er die Nase voll. Er wird schikaniert, weil er seinen Betrieb wegen Umweltverschmutzung anzeigt. Der Grund: Ölfässer werden mitten im Naturschutzgebiet des
Kulkwitzer Sees ohne Auffangwanne einfach auf die Wiese gestellt. Er kündigt, ist arbeitslos, nimmt Jobs wie auf dem Leipziger Weihnachtsmarkt an. Schließlich wird er Pfleger im Albert-Schweitzer-Haus, einem evangelischen Pflegeheim, und kümmert sich dort um alte Menschen, die in großen Sälen mit Bett und Stuhl leben müssen.

Auch das prägt ihn, beschleunigt die Entwicklung zum Revolutionär. Er nutzt die Möglichkeiten der geistigen Freiheit, die die Nikolaikirche den jungen Leuten bietet, ohne sich zum Glauben bekehren zu lassen. 1987 gründet er schließlich eine eigenständige Initiativgruppe „Leben“, die sich auch um Menschenrechtsfragen, Fragen des Wehrersatzdienstes oder der Wehrdienstverweigerung kümmert. Er verweigert selbst den Reservistendienst, wird daher zum einfachen Soldaten degradiert. Ab 1988 beteiligt Schwabe sich an verschiedenen Demonstrationen, organisiert etwa den Pleiße-Gedenkmarsch. Im Januar 1989 ruft er anlässlich der staatlichen Liebknecht-Luxemburg-Demo zum Gegenprotest auf. Weil er Flugblätter verteilt, wird er zehn Tage lang inhaftiert. Auch beim Leipziger Straßenmusikfestival ist er dabei.

Gründungsmitglied beim Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V.


In der Zeit der Friedlichen Revolution setzt er sich für das Neue Forum ein. Einer Partei tritt der Bürgerbewegte aber nicht bei. Ihm ist es wichtig, Erinnerungsarbeit für die Friedliche Revolution zu leisten. Deshalb gründet er mit Gleichgesinnten das
Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V.. Heute ist er Vorsitzender des Vereins, der seinen Sitz im Haus der Demokratie in Connewitz hat. Seit 1994 ist Uwe Schwabe Mitarbeiter im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig. Dort ist er Sammlungssachbearbeiter, sucht gezielt nach Gegenständen für die Wechselausstellungen und macht die Fotorecherche. Besonders spannend: Er besorgt für eine Ausstellung ein selbstgeknüpftes Netz aus der Ukraine. Frauen haben es aus Stoffresten als Tarnnetz für Panzer geknüpft. „Das war sehr abenteuerlich und für mich ein emotionaler Moment.“

Schwabe ist gefragt als Zeitzeuge. „Wir sind Präsident“ – jubiliert er 2015 in Berlin. Damals wird Joachim Gauck zum Bundespräsidenten gewählt. Schwabe ist als einer der Wahlmänner dabei. „Er ist der richtige Mann für dieses Amt.“ Nach wie vor mischt sich der ehemalige Bürgerrechtler Schwabe in Debatten ein. Etwa wenn es um ein Freiheits- und Einheitsdenkmal Leipzig geht.

Mit Gleichgesinnten gründet er 1994 den Verein Europamaidan Leipzig, der Vorträge und Bildungsgebote anbietet, aber auch Psychologen unterstützt, die sich um ukrainische Flüchtlinge kümmern. Außerdem ist er aktiv im Stiftungsbeirat der Bundesstiftung Forum Recht sowie bei der Entwicklung des Forums für Freiheit und Bürgerrechte bei der Neugestaltung des Matthäikirchhofes. Geehrt wird er mehrfach, darunter 2014 mit dem Nationalpreis der Deutschen Nationalstiftung, gemeinsam mit Pfarrer Christian Führer, Pfarrer Christoph Wonneberger und dem Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V..

Stand: 13.03.2024

Bildergalerie - Schwabe, Uwe

Picture of Mathias Orbeck
Mathias Orbeck
Der in Leipzig-Connewitz geborene und aufgewachsene Journalist ist leidenschaftlicher Radfahrer und Naturliebhaber. 35 Jahre lang arbeitete der Lokalpatriot als Redakteur und Reporter bei der Leipziger Volkszeitung. Inzwischen als freier Autor tätig, gilt sein Interesse nach wie vor Leipzigs Historie sowie den schönen Seiten seiner Heimatstadt, deren Attraktionen er gern Gästen zeigt.