Nabert, Thomas

Historiker, Geschäftsführer | geb. am 9. September 1962 in Thale/Harz

Er sieht sich nicht als Verleger, vielmehr als Büchermacher. Dabei hat Thomas Nabert, der Geschäftsführer des Vereins Pro Leipzig, seit vielen Jahren etliche Bücher geschrieben oder als Herausgeber an ihnen mitgewirkt. Die Liste der bei Pro Leipzig erschienenen Titel ist mit rund 370 sehr groß. Sein Hauptaugenmerk richtet der Verein jedoch darauf, Bürger zu aktivieren, sich kritisch mit ihrer Stadt und den entsprechenden Planungen auseinanderzusetzen und selbst behutsame Ansätze zur Stadtentwicklung beizutragen. Aus dieser Idee heraus ist Pro Leipzig entstanden. Thomas Nabert ist seit Sommer 1991 dabei.

Geboren wird er am 9. September 1962 in Thale. Im Harz wächst Thomas Nabert zunächst in ländlicher Idylle auf und geht in Allrode zur Polytechnischen Oberschule. Die Mutter, eine Gemeindeschwester, zieht nach der Trennung vom Vater nach Meuselwitz. Meuselwitz wird für Thomas ein wenig zum „Kulturschock“. Dort gibt es plötzlich mehrstöckige Häuser mit einer gewissen Braunkohle-Patina, wie er es später nennt. Er erlebt den neuen Ort gerade am 1. Mai, als die Kampfgruppen aufmarschieren. Das kennt er von seinem Dorf, das ein wenig „hinterm Berg“ liegt, nicht. Jenes Tamtam habe ihn erschreckt, erinnert er sich. Das Abitur legt er 1981 auf der Erweiterten Oberschule in Meuselwitz ab.

Als Heizer in der Braunkohle


Im Braunkohlekombinat Regis beginnt er im August 1981 eine Tätigkeit als Heizer. Er will die Zeit bis zum Grundwehrdienst bei der Nationalen Volksarmee und zum späteren Studium überbrücken. Die Zeit in der Kohle hat ihn geprägt, da die Arbeiter das Herz am richtigen Fleck haben und freimütig reden. Ihnen kann schließlich niemand drohen, sie „in die Kohle“ zu schicken, wie es in der DDR oft heißt. Denn dort arbeiten sie bereits.

Im September 1983 nimmt Thomas Nabert ein Studium an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg auf. Ursprünglich will er Forstingenieur werden. Doch das Interesse für Geschichte ist größer. Also lässt er sich zum Diplomlehrer für Geschichte ausbilden. In den Schuldienst geht er nicht, stattdessen schließt sich ein Forschungsstudium in Neuer Geschichte an. Schwerpunkt an der Universität ist dabei Adel und Großgrundbesitz. Nebenberuflich unterrichtet Nabert Geschichte an der Volkshochschule, an der Schüler damals ihren Schulabschluss nachholen können. Heute gibt es dafür spezielle Abendschulen. Seit 1984 lebt er in Leipzig, lernt hier seine spätere Frau Andrea kennen, die ebenfalls viel publiziert.

Die Sorge um die historische Identität


Im Sommer 1990 trifft Nabert auf
Bernd Sikora, einen seiner späteren Mitstreiter. Sikora gehört zu jenen engagierten Bürgern, die sich schon 1988 bei einem Ideenwettbewerb fürs Stadtzentrum einbringen wollen. Sie eint die Sorge, dass Leipzigs gründerzeitliche Bausubstanz immer mehr verfällt, die Stadt von Tagebauen umklammert wird, ihre Identität verlieren könnte. Nabert erlebt das Drama, wie sich die Braunkohlebagger sowohl im Süden als auch im Norden an Leipzig heranfressen, bei seinen Fahrten von Meuselwitz nach Halle oder Leipzig, hautnah. „Der Verfall tat mir im Herzen weh“, sagt er. Und er wird großer Fan des Buches „Leipziger Landschaften“, in dem Bernd Sikora, Nobert Vogel und Peter Guth 1987 schonungslos den Verfall dieser Kulturlandschaften aufarbeiten. Er hat zunehmend weniger Lust, auf eine Assistenz an der historischen Fakultät der Uni Halle. Deshalb nutzt er die Chance, bei Pro Leipzig mitzutun.

Dabei gilt der 21. Februar 1991 als Geburtsstunde der Initiative. An jenem Tag treffen sich im Gasthaus „Goldene Krone“ in Connewitz Persönlichkeiten wie beispielsweise Bernd-Lutz Lange, Gunter Böhnke, Wolf-Dietrich Rost, Heinz-Jürgen Böhme, Detlef Lieffertz und Gudrun Neumann. Sie wenden sich mit einem Appell „Pro Leipzig“ an die Öffentlichkeit. Eine Ausstellung „Pro Leipzig. Ansätze zur behutsamen Stadterneuerung“ im Messehaus am Markt legte schon im November 1990 den Finger in die Wunde. Die gibt dem späteren Verein, der sich am 25. Februar 1993 gründet, seinen Namen.

Ein unermüdlicher Büchermacher


Zunächst geht es darum, Strukturen aufzubauen, wobei der Verein Wissenschaftszentrum Leipzig hilft. Dort ist Nabert zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter beschäftigt. Ab 1993 wird Thomas Nabert, der kurz zuvor an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg über Neuere Geschichte promoviert, Geschäftsführer von Pro Leipzig. Zwei Jahre wird Pro Leipzig institutionell gefördert und etabliert sich bis Mitte der 1990er. Nabert ist für die Publikationen im Eigenverlag des Vereins zuständig. „Damit finanzieren wir unsere Arbeit“, sagt er.

Große Sprünge lassen sich da allerdings nicht machen, wobei der Anspruch des Vereins groß ist. Los geht es zunächst mit 18 Heften übers Waldstraßenviertel, in dem der Verein bis 2020 sein Domizil hat. Erschienen sind ebenfalls 70 Stadtteilhefte, die mit ihrer blassgelben Optik ein Markenzeichen von Pro Leipzig sind. Das zusammengetragene Wissen wird in Datenbanken festgehalten. Zudem entstehen Studien fürs Grünflächenamt – etwa über Parks und die Naherholung. Vieles davon wird publiziert.

„Der stärkste Antrieb sind meine persönlichen Interessen“, betont Nabert. „Das ist ein großer Vorteil anderen gegenüber, die ihre Arbeitszeit absolvieren und auf die Freizeit warten.“ Bücher zu machen, sei seine Leidenschaft. Und er bohrt gern tief, um möglichst noch eine zusätzliche Quelle oder ein historisches Foto zu finden. Bislang hat Nabert an 54 Einzelpublikationen, 85 Buch- und Zeitschriftenbeiträgen, 80 Studien mitgewirkt und 95 Bücher gestaltet.  Besonders stolz ist er, die Geschichte seines Heimatortes Meuselwitz geschrieben und mehrere Bücher rund um Möbel verfasst zu haben. Ein Highlight sind ebenfalls die Stadtteillexika, die historischen Postkarten-Bücher sowie das Buch „Zeitspiegel“ über das gerettete Fotoarchiv von Hans Lindner, das er gemeinsam mit Heinz-Jürgen Böhme publiziert.

Einen großen Anteil hat Nabert an der Herausgabe des Stadtlexikons A-Z von Horst Riedel. Es erscheint 2012 in überarbeiteter Auflage. „Das tausendjährige Leipzig“ heißt eine dreibändige Publikation von Peter Schwarz – ebenfalls ein Highlight aus dem Programm.

Studie zeigt Vision von Radweg auf


Der Verein erfährt bis zur Jahrtausendwende viel Wertschätzung und hat richtig Einfluss.
Das schlägt sich nieder in Erfolgen wie dem Elster-Saale-Radweg auf der in den 1990ern stillgelegten Bahnstrecke Leipzig-Lützen, der auf der Idee und einer Studie von Pro Leipzig beruht. Inzwischen ist der Einfluss der Bürgervereine längst geringer geworden. Nabert und seine Mitstreiter müssen erfahren, dass Beteiligung in der Leipziger Wirklichkeit oft „ein eher unerwünschtes Ärgernis“ ist. Viele Beteiligungsverfahren sind kaum noch ergebnisoffen, werden pro forma durchgeführt, die Ergebnisse geglättet. Beispiele dafür sind die Öffnung des Pleißemühlgrabens an der Hauptfeuerwache oder Debatten um den Wilhelm-Leuschner-Platz. Nabert wird dennoch unermüdlich weitermachen – arbeitet bereits an neuen Publikationen. Und ist in der Freizeit oft beim Volleyball spielen, Laufen, Wandern und Rad fahren anzutreffen.

Stand: 16.02.2025

Bildergalerie - Nabert, Thomas

Picture of Mathias Orbeck
Mathias Orbeck
Der in Leipzig-Connewitz geborene und aufgewachsene Journalist ist leidenschaftlicher Radfahrer und Naturliebhaber. 35 Jahre lang arbeitete der Lokalpatriot als Redakteur und Reporter bei der Leipziger Volkszeitung. Inzwischen als freier Autor tätig, gilt sein Interesse nach wie vor Leipzigs Historie sowie den schönen Seiten seiner Heimatstadt, deren Attraktionen er gern Gästen zeigt.
error: Dieser Inhalt ist geschützt! Es ist nicht gestattet, diesen Inhalt zu kopieren. Vielen Dank für Ihr Verständnis.