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Bronzerelief „Aufbruch“

Jahnallee 59 (Campus Jahnallee) | Ortsteil: Zentrum-West

Ein wenig verloren wirkt das Monument „Aufbruch“ schon. Besser bekannt ist es als Marx-Relief. Der Kopf des Philosophen Karl Marx ist das wohl auffälligste Merkmal der freistehenden Plastik auf dem Campus Jahnallee der Universität Leipzig. Das Bronzerelief ist 14 Meter lang, 7 Meter hoch und wiegt 33 Tonnen.

Neuer Standort für Marx-Relief nach kontroverser Debatte


Einst hängt das Relief über dem Eingang des Rektoratsgebäudes der ehemaligen
Karl-Marx-Universität auf dem Karl-Marx-Platz (heute: Augustusplatz). Das allerdings wird abgerissen. Im Zuge der Um- und Neubauarbeiten für den neuen Leipziger Universitätscampus am Augustusplatz nach Plänen des Rotterdamer Architekten Erick van Egeraat wird das Relief 2006 abgebaut. Es bekommt einen neuen Standort, der Abstand zum bisherigen zentralen Platz mitten in Leipzig symbolisieren soll. Vorausgegangen ist dieser Entscheidung eine kontroverse Debatte. Der Leipziger Schriftsteller und Ehrenbürger Erich Loest plädiert gar dafür, das Relief auf die Etzoldsche Sandgrube und damit auf die Trümmer der Universitätskirche St. Pauli in Probstheida zu legen. Und die Entscheidung, was daraus wird, späteren Generationen zu überlassen. Doch die Universität um den damaligen Rektor Franz Häuser möchte eine Bilderstürmerei verhindern. Häuser plädiert dafür, das Bronzerelief so aufzustellen, dass eine kritische Auseinandersetzung mit diesem Teil der Universitätsgeschichte möglich bleibt.

„Aufbruch“ beherrscht den Karl-Marx-Platz


„Aufbruch“ ist eine Arbeit des Künstlerkollektivs
Klaus Schwabe, Rolf Kuhrt und Frank Ruddigkeit. Das Trio kann sich 1970 bei einem Wettbewerb durchsetzen. Die inhaltliche Vorgabe lautet: Karl Marx und das revolutionäre und weltverändernde Wesen seiner Lehre (Aufbruch). Ihren ursprünglichen Entwurf müssen die Künstler allerdings überarbeiten. Das Budget für den Universitätsbau wird gekürzt. Das geplante Auditorium Maximum, das auf dem Platz des heutigen Gewandhauses entstehen soll, fällt ganz dem Rotstift zum Opfer. Die Zahl der geplanten Kunstwerke wird ebenfalls verringert, so dass ein zentrales Monument in der Platzmitte entfällt. Das Marx-Relief musste nun platzbestimmend sein. Die Kosten dafür erhöhen sich von 250.000 DDR-Mark auf 1,12 Millionen DDR-Mark. Eingeweiht wird das Denkmal am 7. Oktober 1974. Es ist der 25. Jahrestag der DDR. Das wuchtig wirkende, massive Bronzerelief beherrscht nun die Stelle im Stadtbild, an der sich einst die Giebelwand der Universitätskirche St. Pauli befand. Die Kirche wurde am 30. Mai 1968 gesprengt.

Relief verbildlicht vorherrschende Ideologie


Der Karl-Marx-Kopf auf der linken Seite, der ca. zwei Drittel der Gesamthöhe einnimmt, ist beim Kunstwerk besonders auffällig. Der Blick ist starr nach links gewandt. Er verbildlicht die vorherrschende Ideologie des Marxismus-Leninismus. Darüber hinaus sind auf dem Bild verschiedene Personengruppen zu sehen. Die zentrale Gruppe mit acht Personen erinnert an einen Demonstrationszug. Dieser wird von einer Frau angeführt. Diskutierende Menschen aus verschiedenen Nationen nehmen den rechten Bildteil ein.

Angefertigt wird der Guss in der Kunstgießerei Lauchhammer, die auch den Abbau übernimmt. Das riesenhafte Bildnis, das vor dem Neuaufbau mehr als zwei Jahre eingelagert wurde, prägte das Portal der Karl-Marx-Universität 33 Jahre. Auf dem Campus Jahnallee ist der „Aufbruch“ eingerahmt von drei großen Betonplatten. Erläuterungstafeln erzählen zudem die Geschichte des Reliefs, damit Passanten das Denkmal einordnen können.

Stand: 29.02.2024

Bildergalerie - Bronzerelief „Aufbruch“

Bismarck-Denkmal

Edvard-Grieg-Allee/ Ecke Karl-Tauchnitz-Straße | Ortsteil: Zentrum

Wo im Johannapark heute das Clara-Zetkin-Denkmal steht, thronte einst Otto von Bismarck. Wie in vielen größeren Städten bekam der Reichskanzler noch zu Lebzeiten auch in Leipzig ein Denkmal, das am 18. Oktober 1897 enthüllt wurde.

Ein Denkmal auf Zeit


Bevor es dazu jedoch kam, dauerte es einige Jahre. Die Initiative zu einem Denkmal kam zunächst vom Verein „Stalaktiten“, in dem sich Kunstliebhaber und Künstler zusammenschlossen. Sowohl sie als auch Oberbürgermeister
Otto Georgi riefen zu Spenden auf, so dass schließlich genug Geld vorhanden war, um ein Denkmal für den Ehrenbürger Leipzigs zu schaffen. Den Auftrag dazu erhielten die Leipziger Künstler Adolf Lehnert und Josef Mágr. Aus bronziertem Gips schufen sie ein zwischen neun und zehn Meter hohes Denkmal, das Bismarck überlebensgroß darstellte. Lehnert portraitierte ihn in einfacher Tracht mit offenem Mantel, stehend auf einem ca. 6 Meter hohen Felsblock. In der einen Hand hielt er seinen Schlapphut und stützte sich auf einen Stock. Ihm zur Seite stand sein Hund Typras. Am Fuße des Felsblocks wurde von Mágr ein Junge dargestellt, der ihm einen Eichenkranz entgegenstreckte.

Zur Enthüllung kamen in der Nacht zum 1. April 1895 tausende Leipziger zum Augustusplatz. Pünktlich zu Bismarcks 80. Geburtstag wurde das Denkmal vor dem Neuen Theater mit einer Rede von Lehnert aufgestellt.

Ein Umzug für Bismarck


Jedoch war die Freude nur von kurzer Dauer, denn nach zwei Jahren wurde das Denkmal entfernt. Die Stadt duldete den Standort nicht länger, stellte aber einen neuen Platz am Johannapark zur Verfügung. So gab es nur kurze Zeit später eine zweite Enthüllung des riesigen Denkmals, die am 18. Oktober 1897 stattfand. Das Datum kam nicht von Ungefähr, jährte sich hier doch der Sieg der
Völkerschlacht bei Leipzig.

Aufmerksamen Spaziergängern des Johannaparks fiel schnell auf, dass sich einige Veränderungen beim Denkmal zeigten. So wurde der Junge am Fuß des Felsblocks durch einen Schmied ersetzt, der nun den Kranz reichte. Dies hielt man vermutlich für passender, um den Ausdruck „Schmied der deutschen Einheit“, wie Bismarck auch genannt wurde, zu unterstreichen. Die Inschrift wurde sehr schlicht gehalten. Während auf der Vorderseite „Bismarck“ geschrieben stand, hielt man auf der Rückseite mit „1897“ das Jahr der Enthüllung fest.

Fast ein halbes Jahrhundert nannte das Bismarck-Denkmal den Platz am Johannapark sein Zuhause. Im Zweiten Weltkrieg fiel jedoch das Denkmal, wenn auch zunächst nur teilweise, der Metallspende zum Opfer und die 1.260 kg schwere Figur des Schmiedes wurde entfernt. Kurz nach der Teilung Deutschlands wurde schließlich das Denkmal, das die Bombenangriffe unbeschadet überstanden hatte, umgestürzt und beseitigt, da Bismarck in der ehemaligen DDR als Feind der Arbeiterbewegung galt. Damit einher gingen auch Namensänderungen von Straßen, wie der Bismarckstraße oder der Schönhausener Straße, und auch der Bismarckhering wurde in Delikatesshering umbenannt. Der 1915 errichtete Bismarckturm im Leipziger Ortsteil Lützschena-Stahmeln blieb bis heute erhalten.

Vom Landbesitzer zum Politiker


Bismarck wurde am 1. April 1815 in Schönhausen geboren. Aufgewachsen als Kind einer Adelsfamilie, ging er nach Göttingen und Berlin für sein Jura-Studium. Nach dem Tod seiner Eltern übernahm er zunächst die Leitung über das Land und zog zurück nach Schönhausen. Nebenbei engagierte er sich immer mehr in der Politik, wurde Mitglied des Vereinigten Preußischen Landtages und sicherte sich im Revolutionsjahr 1848 das Wohlwollen des Preußen-Königs. Er zog mit seiner Familie nach Berlin und schließlich Frankfurt, wo er das preußische Königreich beim Bundestag vertrat. Durch seine starken politischen Einsätze und Meinungen stieg er schnell zu einer führenden Macht auf, wurde Ministerpräsident Preußens und schließlich im Jahr 1871 erster Kanzler des neu geschaffenen Deutschen Reichs. Somit prägte Bismarck die Entwicklung Deutschlands im 19. Jahrhundert wesentlich, bevor er schließlich am 30. Juli 1898 in Friedrichsruh starb.

Stand: 16.04.2024

Bildergalerie - Bismarck-Denkmal

Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V.

Bernhard-Göring-Straße 152 | Ortsteil: Connewitz

„Werfen Sie Ihre Unterlagen nicht weg“ steht auf einer Broschüre. Seit ihrer Gründung sammelt der Verein Archiv Bürgerbewegung Leipzig im Haus der Demokratie alle Dokumente, Zeugnisse und Fotos vom Widerstand und der Opposition in der DDR, von der Bürgerbewegung und den in den Jahren 1989/90 entstandenen Initiativen und Parteien. Ziel ist es, jene Zeitzeugnisse dauerhaft aufzubewahren, zu erschließen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Vor allem für die jüngere Generation. „Entdeckendes Lernen“ heißt das Zauberwort. Die im Haus der Demokratie beheimatete Einrichtung hat sich als außerschulischer Lernort etabliert, will Schülern einzelne Aspekte der DDR-Geschichte erfahrbar machen. 

Neu ist eine digitale Lernplattform zu Jugendkulturen. Auf dieser sind verschiedene Online-Module für Schüler zu Beat, Heavy-Metal, Breakdance, Punk, Neonazis und rechtsextremen Jugendlichen in der DDR sowie zur Umweltbewegung zu finden. Unter dem Titel „Die andere Jugend“ wird dies der offiziellen Jugendkultur gegenübergestellt.

Verein erarbeitet sich guten Ruf


Seit 1991 hat sich der Verein viel Vertrauen und einen guten Ruf erarbeitet, sorgsam mit den Schätzen der
Friedlichen Revolution umzugehen. Noch immer kommen neue Dokumente hinzu. Nicht wenige der Zeitzeugen, die im Wendeherbst 1989/90 diverse Daten sammeln, heimlich fotografieren oder gar kleine Filme drehen, haben sich inzwischen von ihren Schätzen getrennt. Sie wollen sie wohlbehütet wissen – vielleicht aus Angst, dass die Nachkommen sie irgendwann wegwerfen.

Als Gründungsdatum des Archivs Bürgerbewegung gilt der 23. Mai 1991. Seine Wurzeln liegen aber bereits in den Jahren 1987/88, als Oppositionelle die Idee haben, ein eigenes Kommunikationszentrum und eine Umweltbibliothek aufzubauen. Start ist dann in einer Privatwohnung in der Kurt-Eisner-Straße, die der westdeutsche Historiker Klaus Roewer mietet. „Wer zur Friedlichen Revolution forschte, konnte Unterlagen der SED oder der Staatssicherheit einsehen. Die der Opposition waren hingegen nirgendwo gesammelt“, erinnert sich Uwe Schwabe, der Vorstandsvorsitzende des Archivs. Er ist einer der acht Gründungsmitglieder, die das ändern wollen.

Platzprobleme im Haus der Demokratie


1991 bekommt der Verein zwei ABM-Stellen bewilligt, die die Sammlung aufbauen. Diese soll zunächst ein Teil des
Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig werden und in den Neubau am Böttchergäßchen ziehen. Doch der Verein lehnt das ab, um nicht „in der großen Stadtgeschichte unterzugehen“. Er bezieht Räume in der Markusgemeinde in der Dresdner Straße, später in der ehemaligen Iskra-Gedenkstätte in der Russenstraße sowie im Fregehaus. Mittlerweile ist der Verein, der über die Bundesstiftung Aufarbeitung, die Stiftung Sächsische Gedenkstätten sowie die Stadt Leipzig gefördert wird, im Haus der Demokratie in Connewitz beheimatet.

Dort werden die leeren Regale zusehends rar. Der Bestand umfasst bereits mehr als 250 laufende Meter Archivgut. Allein die Fotosammlung beinhaltet etwa 30.000 Bilder von mehr als 30 Fotografen. Auf einem Großteil der Fotos sind illegale Demonstrationen und Veranstaltungen aus den 1980er Jahren dokumentiert, aber auch Friedensgebete in der Nikolaikirche sowie die Akteure des Herbstes 1989 wie Christoph Wonneberger, Christian Führer, Friedrich Magirius, Uwe Schwabe, Jochen Lässig, Rainer Müller, Michael Arnold und Gesine Oltmanns. Es gibt aber auch Bilddokumente von der Beatdemo 1965, der Niederschlagung des Prager Frühlings oder der Subkultur in der DDR. Persönliche Sammlungen, Vor- und Nachlässe, Zeitzeugeninterviews, Audio- und Videoaufnahmen und vieles andere kommen hinzu.

Darüber hinaus bewahrt der Verein Spezialsammlungen auf, wie das komplette Archiv der Vereinigung der Opfer des Stalinismus mit mehr als 1.200 Akten. In dieser Vereinigung organisieren sich ab den 1950er-Jahren Menschen, die in Speziallagern, Gefängnissen und Zuchthäusern der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR leiden müssen und die danach in den Westen Deutschlands fliehen.

Verein organisiert Ausstellungen


Ein Großteil der Dokumente wurde bereits in ein Außenlager geschafft. Der Verein organisiert zudem Ausstellungen, etwa zur Situation von Ausländern in der DDR, zur Pressefreiheit oder zum Mythos der
Montagsdemonstrationen. Letzteres sei sehr wichtig, betonen die Akteure um Archivleiterin Saskia Paul. Denn Montagsdemos werden auch von Menschen, die heute mit demokratiefeindlichen Ansichten demonstrieren, für ihre Zwecke vereinnahmt. Darüber hinaus arbeitet der Verein Bürgerarchiv mit anderen Leipziger Akteuren in einer Arbeitsgruppe am Projekt Stolpersteine. Dabei soll an die Schicksale von Juden, Sinti und Roma, politisch und konfessionell Verfolgten, Homosexuellen sowie „Euthanasie“-Opfern im Nationalsozialismus erinnert werden. 

Um die Originale vor zu häufiger Benutzung zu schützen, werden ausgewählte Objekte seit 2016 digitalisiert und in einer Online-Datenbank zugänglich gemacht. Dabei ist ein Archivverbund, bestehend aus dem Archiv Bürgerbewegung Leipzig, der Umweltbibliothek in Großhennersdorf und dem Martin-Luther-King-Zentrum für Gewaltfreiheit und Zivilcourage in Werdau, entstanden. Alle drei sammeln Zeugnisse zu Widerstand und Opposition in der Sowjetischen Besatzungszone und in der DDR. Das Leipziger Archiv stellt inzwischen 20.000 Sammelobjekte online zur Nutzung bereit, im eigenen System sind mittlerweile 90.000 digitalisiert.

Stand: 11.03.2024

Bildergalerie - Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V.

Arena Leipzig / Quarterback Immobilien Arena

Am Sportforum 2 / Friedrich Ebert Straße 97 | Ortsteil: Zentrum-Nordwest

Die Verortung der größten Leipziger Sportstätten beinhaltet etwas Besonderes: Bedingt durch den 20 Kilometer langen, mal schmaleren, mal breiteren, durchgängigen Grünzug vom Süden in den Nordwesten des Stadtgebiets bot sich die Gelegenheit, Sport und Natur nahe miteinander zu kombinieren. Die „grüne Lunge“ der Großstadt weitete sich zum vorteilhaften Ort für zentrumsnahe, gut erreichbare Stadionbauten und Trainingsplätze in gesunder Umgebung. So entstand das Sportforum, und die Arena Leipzig komplettierte das weitläufige Ensemble.

Die passende Halle am Sportforum


Sportforum – das war seit der Mitte der 1950er Jahre die funktionale Kombination aus dem
Zentralstadion, der Festwiese davor und dem Schwimmstadion mitsamt den exakt gezogenen, bewachsenen Wällen und den drumherum platzierten Trainingsstätten. Was der Sportstadt Leipzig jedoch fehlte, war eine große, moderne Sporthalle mit ausreichend Platz für Athleten und Zuschauer.

Zehn Jahre nach der deutschen Einheit und der Bewältigung mancher umstellungsbedingter Friktionen nahte der Zeitpunkt für ein erstes Durchatmen und für den Einstieg in entspanntere Projekte. Die fehlende Multifunktionshalle sollte endlich eine spürbare Lücke schließen. Als Bauherr fungierte die Stadt Leipzig. Den Entwurf schufen die Architekten des Stuttgarter Büros asp Arat, Siegel und Partner.

Der bevorzugte Ort? Das Entree zum Sportforum, also das bis dahin unbebaute südöstliche Areal des Geländes. Vom Stil her gab es einen Bruch. Während das Sportforum in seiner ursprünglichen Gestalt bewusst die antikisierende Klassik mit Säulen, Toren und Galerien nachahmte, war für die Arena ein moderner Baukörper mit einer umlaufenden, ebenerdigen Kombination aus Funktionsbereichen mit großen, verglasten Flächen und einem dominanten Zentralbereich vorgesehen. Seit dem Jahr 2000 gewann die kommende Halle Konturen. Über den künftigen Funktionsräumen im Souterrain reckten sich schon bald mächtige Kranarme in die Höhe, um die weit ausgreifenden Dachbinder für das gewölbte Dach zu montieren.

Multifunktional bis in den letzten Winkel


Nach zwei Jahren Bauzeit und Kosten in Höhe von 42 Millionen Euro folgte am 11. Mai 2002 die Eröffnung. Entstanden war die größte Multifunktionshalle der gesamten Stadt, bestehend aus Haupthalle, Allgemeinsporthalle und Judohalle. 

Jede Menge Technik wurde hineingepackt: Überhöhte Kurven für die Laufbahn anlässlich von Leichtathletik-Nutzung, wechselnde Tribünen-Varianten für optimale Sichtverhältnisse, versenkbare Bühnen für Konzert- und Show-Nutzung und natürlich das gesamte Arsenal an elektronischen Zutaten, an Beleuchtungs- und Beschallungstechnik, das selbstverständlich zur Abrundung der nervenkitzelnd spannenden wie der emotionalen Genüsse bei verschiedenen Veranstaltungsformaten dazugehört.

Für die Eröffnungsfeier wurden sämtliche Register gezogen, um den Anwesenden zu zeigen, was sie nun an Sport und Unterhaltung in jeweils angepasster Raumnutzung erwarten können. Steht Leichtathletik auf dem Programm, passen rund 4.000 Besucher in die Haupthalle, gibt es eines der gefragten Konzerte, sind maximal 12.000 Besucher zugelassen. Allgemeinsporthalle und Judohalle sind kleiner gehalten und fassen jeweils nur wenige hundert Zuschauer. Für Flexibilität der Nutzung ist also gesorgt.

Große Emotionen im Hallenoval und auf der Bühne


Gleich nach der offiziellen Eröffnung stieg die Arena als Ort der Wahl in den Reigen nationaler und internationaler Sportereignisse ein. Handball, Basketball, Volleyball und Fechten waren mit Meisterschaften verschiedener Ränge bereits mehrfach zu Gast. Deutsche Leichtathletik-Hallenmeisterschaften gastierten in der Arena ebenfalls schon einige Male. Und wenn eine lokale bzw. regionale Mannschaft in einer Ballsportart in der jeweiligen Bundesliga spielt, ist die Arena Leipzig der angesagte Ort für die Heimspiele, wie jüngst bei den Männern des Handball-Bundesligisten
SC DHfK Leipzig.

Ein Riesen-Publikumsrenner ist die Arena Leipzig für mitreißende Live-Musik-Konzerte aller Geschmacksrichtungen. Das üppig lange Spektrum der Akteure, die hier schon auf der Bühne gastierten, reicht von Ost-Legenden wie Karat und Puhdys über Udo Lindenberg, Helene Fischer und Rosenstolz bis zu Rammstein. Bob Dylan, Britney Spears, Iron Maiden und viele andere zauberten internationales Flair unter das Hallendach.

Ambitionierte Hallenpläne 


The show must go on – und deshalb ging auch ein weiterer Trend des Veranstaltungshallen-Business nicht an der Arena Leipzig vorüber: Im Zuge eines Namens-Sponsoring heißt der funktionale Bau seit Oktober 2019 offiziell Quarterback Immobilien Arena, benannt nach einer Leipziger Branchengröße.

Und ein bisschen „Wäre schön gewesen …“ gehört ebenfalls zu den Begleitern der Arena-Historie. Bereits kurz nach ihrer Eröffnung nahm die Halle einen festen Platz in der Leipziger Bewerbung um die Ausrichtung der Olympischen Sommerspiele 2012 ein. In gewisser Weise war die Arena damals das neueste Aushängeschild moderner Sportstätten, die für die Spiele nicht extra hätten errichtet werden müssen. Die pure Nachhaltigkeit eben.

Folgerichtig war die Olympia-Uhr, die den Zeitraum rückwärts zählte, der bis zur erhofften Eröffnung der Spiele in Leipzig verblieb, für jedermann sichtbar vor der Arena aufgebaut. So inspirierend der Olympia-Traum für die gesamte Stadt und die mitteldeutsche Region auch war – er fiel dann doch eine Größenordnung zu ambitioniert aus, und die Uhr verschwand still und leise.

Apropos: Als die Arena entstand, war Leipzig gerade wieder im Kreis der deutschen Halbmillionenstädte angekommen. Zwanzig Jahre später zählt die begeisterungsfähige Sportstadt bereits mehr als 600.000 Einwohner. Zeit für eine weitere große Multifunktionshalle, befinden viele Entscheider. Eine passende Idee, stimmen erwartungsfreudige Nutzer zu. Indes, im Sportforum reicht der Platz dafür nicht mehr aus. Dieser prominente Ort bleibt der Arena in der Leipziger Sportstättengeschichte vorbehalten.

Stand: 25.05.2022

Bildergalerie - Arena Leipzig / Quarterback Immobilien Arena

Barthels Hof

Hainstraße 1 / Kleine Fleischergasse 2 | Ortsteil: Zentrum

Nur an einer Stelle bietet Leipzig noch die Gelegenheit, die Atmosphäre kennenzulernen, die von den mächtigen, verwinkelten, tief mit der umliegenden Bebauung verwobenen Durchgangshöfen ausging – in Barthels Hof. Zwar rumpelt kein schwer beladener, von erschöpften Pferden gezogener Planwagen mehr über das Kopfsteinpflaster und keine Warenbündel werden in die luftige Höhe der Dachgeschosse gezogen, doch die bauliche Struktur des Handelshofes vermittelt einen überzeugenden Eindruck von der Zeit vor fast 300 Jahren, als Leipzig mit der damals bekannten Welt Handel trieb und dabei wohlhabend wurde.

Rettung im letzten Moment


Barthels Hof steht für eines der zahlreichen Leipziger Wunder, die schon verloren schienen und in den Jahren seit 1990 auf erstaunliche Weise gerettet wurden – auch wenn der Erfolg zwischendurch gefährdet schien.

Der einmalige historische Wert von Barthels Hof war tiefgründigen Kennern ebenso wie oberflächlichen Betrachtern in den 1980er Jahren wohl bewusst. Gleichwohl griffen die Absperrzäune auf dem Hof immer weiter aus, um Besucher vor abstürzenden Fassadenteilen oder lockeren Dachziegeln zu schützen. Um den Zustand von Treppenhäusern und Warenluken wahrheitsgetreu zu beschreiben, musste jeder Berichterstatter zum düsteren Schwelgen im morbiden Charme greifen. Irgendwann war sogar das Gasthaus Barthels Hof niemandem mehr zuzumuten. Trauer und Wehmut ergriffen das kopfschüttelnde Publikum.

Gerade rechtzeitig kam der deutsche Einheits-Herbst des Jahres 1990. Und es nahte Jürgen Schneider aus Kronberg im Taunus. Mit ihm wollte plötzlich jeder zu tun haben, der heute am liebsten nicht mehr an den selbst ernannten „Baulöwen“ erinnert werden möchte. Jürgen Schneider spekulierte wild drauflos. Stöberte er eine verfallende Immobilie mit bleicher Substanz auf, erschlug ungezügelte Spekulation augenblicklich jede gebotene Vorsicht – und das angemessene ökonomische Kalkül erst recht. Doch halt, Schneider gierte ja nicht allein. In seine ergreifenden Hymnen von der vernachlässigten Leipziger Bausubstanz und der gebotenen Mission des „Wachküssens“ stimmten „seine“ Hausbanken lebhaft und wie in Trance mit ein. Eher bekamen vorsichtige, zu raschen Genehmigungen gedrängte Verwaltungsmenschen kalte Füße, als dass die involvierten Geldhäuser zur Mäßigung bereit gewesen wären. Aus der Leipziger Innenstadt wurde allmählich „Schneider-City“, und Barthels Hof war dazu auserkoren, das Immobilien-Reich mit einer Kombination aus Kommerz und dolce vita zu krönen.

Traditionsbewusst umgebaut


Barthels Hof besaß immer innere Werte. An der nordwestlichen Ecke des legendären Marktes gelegen, breitete er sich auf einem Grundstück aus, das in der beengten, aus dem Mittelalter ererbten Stadtstruktur nur bebaut werden konnte, wenn Vorgängergebäude abgerissen wurden. So geschah es. 

Seit 1523 stand hier das Haus Zur Goldenen Schlange, die Leipziger Dependance des Augsburger Bankhauses der Welser und damit ein früher Sachzeuge für den einträglichen Fernhandel. Reichlich zweihundert Jahre später trieben den Leipziger Kaufmann Gottlieb Barthel größere Pläne um. Zwischen 1747 und 1750 entstand Barthels Hof. Der schmucke, über drei Etagen reichende Erker „Zur Goldenen Schlange“ blieb erhalten, doch eine breite Einfahrt von der geschäftigen Straße her gelang nicht. Sie blieb dem nächsten Umbau in den Jahren 1870/71 vorbehalten, der gleich auch noch das Nachbarhaus zu einem stimmigen Ganzen formte. Doch wohin mit dem wertvollen Erker? Der Architekt Bruno Leopold Grimm verlagerte das wertvolle Original kurzerhand in das Innere des Hofes. Seither windet sich die namengebende Schlange dort um ein Kreuz, flankiert von wohl proportionierten baulichen Details, die für Entdecker wie geschaffen scheinen. Am besten mit einem kühlen sächsischen Wein im Glas auf der sommerlichen Terrasse des Gasthauses Barthels Hof. Denn die Traditionsgaststätte gibt es längst wieder, und sie rundet das Ensemble trefflich ab.

Verbliebenes Zeugnis der Leipziger Warenmessen


Der Leipziger Studiosus
Johann Wolfgang Goethe hat die Leipziger Durchgangshöfe ganz im Banne ihrer Funktion beschrieben als „nach zwei Straßen sich wendend, himmelhoch umbaute Hofräume, eine bürgerliche Welt umfassend, großen Burgen, ja Halbstädten ähnlich“. Die Idee war, zu den Handelsmessen in den schmalen Hof zwischen zwei mehrstöckigen Gebäuden hineinzufahren, die Fuhrwerke auf dem Hof zu entladen und das Grundstück ohne beschwerliches Wenden über die rückwärtige Ausfahrt wieder zu verlassen. Deshalb mündet Barthels Hof im hinteren Teil in die Kleine Fleischergasse. 

Alles bestens erhalten und funktional nachzuvollziehen. Unten auf dem Hof das frühere Handelsareal und in den Gewölben die Präsentationsmöglichkeit für begehrte „Mess-Waaren“. Darüber gediegene Wohnräume und die Kontorräume, wo Geschäfte besiegelt, Rechnungen geschrieben und das eingenommene Geld verwahrt wurde. Weit oben ausgedehnte Lagermöglichkeiten, erkennbar am weit herausragenden Kranarm für den Warenaufzug.

Barthels Hof – das ist Leipziger Handelsgeschichte in Stein und Holz. Ein Zeugnis für eine herausragende Aufschwungphase der Stadt und als letzter erhaltener Handelshof aus der Zeit der Warenmesse ein Kleinod.

Wertvolle Funde zum Sanierungs-Finale


Als Barthels Hof in den 1990er Jahren gründlich saniert wurde, mussten – einem damals vom Sächsischen Landtag soeben erlassenen Gesetz sei Dank – unter dem Pflaster des Hofes Flächengrabungen vorgenommen werden. Was Investoren in solchen, von betulicher Detailarbeit geprägten Monaten üblicherweise zu fiebriger Ungeduld verleitet, erwies sich als Glücksfall. Von Barthels Hof ist es ja nur ein Katzensprung bis zum nachgewiesenen, tausend Jahre zurückliegenden Ursprung der Stadt Leipzig, und entsprechend reichlich fielen die Funde aus – Gefäße, Scherben, Reste von Hausrat aus dem Leipziger Untergrund, ehe der Hof wieder korrekt kopfsteinbepflastert wurde.

Barthels Hof ist der auferstandene bauliche Edelstein geworden, von dem Jürgen Schneider träumte, zu dessen Erweckung er aber untaugliche, ins Kriminelle abrutschende Methoden bemühte. Am Ende verlor er sein Immobilien-Imperium. Der geldgebenden Bank war die erlittene Täuschung peinlich, und sie ließ die begonnene Renovierung nach der Schneider-Pleite im April 1994 möglichst geräuschlos vollenden.

Die zwischenzeitlich zu verkraftende Unruhephase verzögerte die Fertigstellung zwar bis 1997, doch wer denkt heute noch daran, wenn er das Ergebnis bestaunt!? Dank gebührt deshalb vor allem den vielen geschickten Leipziger Bauhandwerkern, die mit Barthels Hof ein riesengroßes Meisterstück abgeliefert haben, an dem sich jeden Tag tausende Besucher erfreuen können. 

Stand: 25.06.2022

Bildergalerie - Barthels Hof

Historisches Bildmaterial - Barthels Hof

Bowlingtreff

Wilhelm-Leuschner-Platz | Ortsteil: Zentrum-Süd

Eine Zukunft ist dem ehemaligen Bowlingtreff auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz gewiss. Er wird das neue Naturkundemuseum, mit dessen Ausstrahlung Leipzig weit über die Stadtgrenzen hinaus in der Champions League spielen will. Museumschef Ronny Maik Leder hat eine vielbeachtete Konzeption vorgelegt, die noch vor ihrer Realisierung mit dem sächsischen Museumspreis 2021 ausgezeichnet worden ist. Bis 2029 soll das neue Museum öffnen. Die Baukosten für die Sanierung und Erweiterung werden nach derzeitiger Prognose auf 83,4 Millionen Euro veranschlagt. Der Freistaat Sachsen hat zugesagt, das Projekt mit etwa 74 Millionen Euro zu fördern.

Erste Bauarbeiten in der ehemaligen Freizeitstätte, die seit 1997 leer steht, haben im März 2023 begonnen. Zunächst wird das Gebäude entkernt, alles schadstoffbelastete Material entfernt, um eine „Gesundatmung“ des Gebäudes zu ermöglichen. Dort sind im Stahlbeton im unterirdischen Komplex nun größere Mängel als gedacht gefunden worden. Der eigentliche Ausbau soll dann 2025 beginnen.

Die bis zu 15 Metern in die Tiefe reichende Immobilie entstand 1925/26 als Umspannwerk und wurde 1986/87 zu einer Freizeitsportstätte samt oberirdischem Oktagon umgebaut. 

Als elektrisches Umformwerk Mitte diente das Vorgängergebäude einst dazu, die Innenstadt – einschließlich der Straßenbahn – stabil mit Gleichstrom zu versorgen. Die Anlage war bis 1965 in Betrieb. Danach wurde sie stillgelegt und in den folgenden Jahren als Lagerraum genutzt. Mitte der 1970er Jahre gab es erste Pläne, sie zur Freizeitstätte auszubauen. Doch die scheiterten. Mitte der 1980er Jahre erhielt der Aufbaustab des damaligen Rates des Bezirkes den Auftrag, das Projekt neu zu beleben.

Freizeittreff entsteht als „Schwarzbau“


Im Frühjahr 1985 wird ein interner Wettbewerb ausgerufen, bei dem sich der Leipziger Architekt
Winfried Sziegoleit mit seinem Entwurf durchsetzen kann. Die Ausführung entsteht als Gemeinschaftswerk. So übernimmt Volker Sieg die Projektleitung und konzipiert auch den Umbau der unterirdischen Gebäudeteile. Es ist ein Projekt der Superlative und wird gewissermaßen als „Schwarzbau“ vorbei an den DDR-Oberen in Ostberlin initiiert. Die konzentrierten sich damals gerade auf die für 1987 geplante 750-Jahrfeier Berlins, für die Bauarbeiter aus der gesamten DDR in die Hauptstadt abgezogen wurden. Die Baustelle in Leipzig wird im Oktober 1986 zum Jugendobjekt der Freien Deutschen Jugend (FDJ) erklärt und Wettbewerbe unter allen beteiligten Bau- und Ausrüstungsbetrieben organisiert.

Bowling statt Kegeln ist zu jener Zeit ein Novum. Wie prächtig der Bowlingtreff wird, erfährt die DDR-Staatsführung erst kurz vor der Eröffnung. Der Bowlingtreff wird im Juli 1987 – zum VIII. Deutschen Turn- und Sportfest der DDR in Leipzig und der Kinder- und Jugendspartakiade – eingeweiht. Entstanden sind 14 Bowlingbahnen – Leipzig hat damit mehr als der Palast der Republik in Berlin (acht Bahnen). Ein Novum ist auch: Der Bowlingtreff beherbergt Leipzigs erstes Fitnessstudio.

Lichtdurchflutete Eingangshalle ist einladend


Der architektonische Anspruch ist hoch: Die lichtdurchflutete Eingangshalle mit achteckigem Grundriss wirkt einladend, soll kein „angsteinflößender Einstiegsschacht“ in die „Unterwelt“ sein, wie es
Wolfgang Hocquél in seinem im Passage Verlag erschienenen Architekturführer betont. Das Oktagon mit vier vom Keller bis zum Dach reichenden Säulen sowie dem Marmorboden wirkt durchaus luxuriös. Neben den Bowlingbahnen gibt es ein Café sowie Gastronomie mit 310 Plätzen, Billardtische, Spielcomputer, eine Skatklause sowie Büroräume. Geöffnet ist täglich, 2.000 bis 2.500 Gäste werden dann meist empfangen. Das Haus schließt 1997, denn es ist nicht mehr ganz zeitgemäß. Investoren ziehen sich zurück.

Danach verfällt der Bowlingtreff an der wichtigen zentralen Einstiegsstelle für den öffentlichen Nahverkehr zusehends. Er wird mit Graffiti verunstaltet. Die Stadtverwaltung tut sich viele Jahre schwer, eine neue Nutzung zu finden und will das Objekt zwischenzeitlich sogar verkaufen. Doch dann entscheidet der Stadtrat, das Haus als Naturkundemuseum fortzuführen und beauftragt Planungen. „Ich bin überzeugt, dass das Projekt ein Leuchtturm mit überregionaler Ausstrahlung und einem großen Mehrwert für die Stadt Leipzig wird“, sagte Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke im November 2022 bei der Vorstellung der Pläne. Das Leipziger Büro Weis & Volkmann Architekten konnte sich beim Wettbewerb durchsetzen. Es favorisiert einen „öffnenden Schwung“ hin zum Eingangsgebäude, gestaltet die bislang flachen Dächer über den unterirdischen Hallen um. Die Osthalle des Ex-Bowlingtreffs wird für Sonderausstellungen genutzt. Die Westhalle beherbergt die Dauerschau. Ihre Decke wird angehoben, um Platz für größere Sammlungsobjekte zu schaffen. Auf der Ostseite wird Material aufgeschüttet, um Einblicke ins Museum von außen zu bieten. So entsteht ein gläsernes Schaufenster.

Naturkundemuseum widmet sich Kunst der Präparation


Museumschef Ronny Maik Leder hat das Ausstellungskonzept mit 430 Themenkomplexen entwickelt. Er rückt unter anderem prähistorische Lebenswelten, die Kunst der Präparation sowie das beeindruckende Spektrum Leipziger Wissenschaftshistorie in verschiedenen Inszenierungen ins Blickfeld. Dazu gehören die Tiefseeexpedition, die der Leipziger Zoologie-Professor
Karl Chun 1898 mit dem Forschungsschiff Valdivia startet sowie Herman Ter Meer als Wegbereiter der modernen Tierpräparation.

Stand: 10.03.2024

Fürstenhauserker / Fürstenhaus

Nikolaistraße 1 / Grimmaische Straße 17 | Ortsteil: Zentrum

Das Fürstenhaus wurde 1558 vom Bildhauer Paul Wiedemann als prächtigstes Bürgerhaus Leipzigs im Stil der Renaissance für den Ratsherren Georg Roth errichtet. Es wurde leider mitsamt seiner beiden eindrucksvollen Runderker im Zweiten Weltkrieg zerstört. Bei dem Fürstenhauserker am Eckhaus in der Grimmaischen Straße 17, Ecke Nikolaistraße, handelt es sich um eine nach historischem Vorbild vom Dresdner Bildhauer Christian Hempel und Steinmetzen des VEB Denkmalpflege Leipzig geschaffene Replik. Diese wurde in Form eines Runderkers aus Rochlitzer Porphyr im Jahr 1986 am neugebauten Eckhaus angebracht.

Sächsische Renaissance inmitten der Einkaufsmeile


Das Fürstenhaus galt einst als prächtigstes Bürgerhaus der Leipziger Renaissance und war eines der wichtigsten Bauten dieser Art in Mitteldeutschland. Erstmals erwähnt wurde einer seiner Vorgängerbauten im Jahr 1503 als Predigerkloster, gelegen am „Pauler Kirchhofe“. Zwischen 1540 und 1546 erwarb der Dekan der medizinischen Fakultät,
Sebastian Roth, diverse Grundstücke am „Pauler Kirchhofe“, darunter Überlieferungen nach auch das Fürstenhaus. Der Sohn des Dekans, Kaufmann Georg Roth, beauftragte später die Errichtung eines Neubaus auf den Grundmauern des Klosters und der einstigen Bürgerhäuser im spätgotischen Stil. An dieser Stelle entstand im Jahr 1558 nach Entwürfen des Steinmetzen Paul Wiedemann gegenüber des heutigen Eiscafés San Remo in der Grimmaischen Straße 30 das vornehme Bürgerhaus. Neben den Fürstenhauserkern schuf Paul Wiedemann im Jahr 1557 auch den Pfeiferstuhl im Festsaal des Alten Rathauses als herausragendes Zeugnis der Bildhauerkunst. Da einst vier Söhne des Herzogs Friedrich Wilhelm I. von Altenburg während ihres Studiums an der Universität Leipzig in dem Renaissance-Bau logierten, erhielt es im Jahr 1612 den Namen Fürstenhaus. Das Gebäude war optisch mit rechteckigen Fenstern und durchlaufenden Sohlbankgesimsen sowie die Stirnseiten jeweils mit einem vor das Dach gesetzten Ziergiebel gestaltet. Die Hauptfassade schmückten drei Zwerchhäuser. Besonders markant waren die beiden aufwändig verzierten Runderker aus Rochlitzer Porphyr an der Hauptfront, welche das von Giebeln bekrönte zweigeschossige Wohnhaus schmückten. Dabei handelte es sich zugleich auch um die eindrucksvollsten Bauplastiken jener Zeit in der Stadt, welche Profilbildnisse und Wappen in filigraner Ornamentik der Renaissance abbildeten. Historische Quellen belegen auch den Aufenthalt des Zaren Peter der Große im Gebäude im Jahr 1713. Zu diesem Zeitpunkt befand sich das Fürstenhaus bereits im Besitz der benachbarten Universität Leipzig, welche das Objekt im Jahr 1648 erwarb. In den darauffolgenden Jahrzehnten wurde das Gebäude meist vermietet, bevor es in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als Kaufhaus umfunktioniert wurde.

Bei einem verheerenden Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude in der Nacht des 4. Dezember 1943 zerstört. Wie einige Fotoaufnahmen aus der Nachkriegszeit zeigen, ragte lediglich noch der Treppenturm aus dem Trümmerhaufen heraus. In der Folge wurden beim Abbruch der Ruine einige Überreste der beiden verhältnismäßig gut erhaltenen Erker aus dem Schutt geborgen und über mehrere Jahrzehnte in den Kellern der Moritzbastei eingelagert. In den 1980er Jahren beauftragte die Stadtverwaltung Leipzig den Dresdner Bildhauer Christian Hempel mit der Anfertigung einer vollständigen Kopie des Runderkers aus Rochlitzer Porphyr. Mit Unterstützung von Steinmetzen des VEB Denkmalpflege Leipzig fertigte Hempel eine originalgetreue Replik auf Grundlage einiger weniger geborgenen Fragmente sowie unter Zuhilfenahme von historischen Aufnahmen. Die Replik in Form eines prächtigen Runderkers wurde im Jahr 1986 am neugebauten Eckhaus in der Grimmaischen Straße 17 befestigt. Die Originalfragmente der im Krieg zerstörten Erker galten bis zu ihrer Wiederentdeckung 2006 auf dem Werkstoffhof des Dresdner Steimetzbetriebes als verschwunden und wurden im Jahr 2011 an die Universität Leipzig zurückgeführt. Nach umfassender Restaurierung sollen die Fragmente des Fürstenhauserkers ab Herbst 2024 im Rahmen eines Lapidariums im Seminargebäude der Universität Leipzig auf dem Campus Augustusplatz ausgestellt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Der festeste Turm ist der Name des Herrn…


Der zweigeschossige Fürstenhauserker aus Porphyrtuff mit seiner welschen, schiefergedeckten und geschwungenen Dachhaube wurde einst nach dem Vorbild der vom Baumeister
Kunz Krebs geschaffenen Runderker am Schloss Hartenfels in Torgau konzipiert. Die Brüstungsfelder des Erkers bilden im ersten Obergeschoss diverse Wappendarstellungen sowie im zweiten Obergeschoss Kartuschen mit Bildnissen der Besitzerfamilie ab. Oberhalb der sechs in für die Renaissance typischem Rollwerk gerahmten Fenstern ist die lateinische Inschrift „Turris fortissima nomen domini beati omnes qui confiunt in eo“ eingraviert. Übersetzt bedeutet dies „Der festeste Turm ist der Name des Herrn, glücklich alle, die sich zu ihm bekennen“. Weitere für den Architekturstil typische Elemente befinden sich am Erker in Form von Flechtbändern und hängenden Girlanden, welche die Fenster optisch voneinander trennen, ebenso wie Eierstabfries und Diamantquader unter dem Hauptgesims. Am Konsolstein sind die Initialen des Steinmetzes Paul Wiedemann angebracht. 

Stand: 28.2.2024

Bildergalerie - Fürstenhauserker / Fürstenhaus

Historisches Bildmaterial - Fürstenhauserker / Fürstenhaus

Gedenkrelief zur Würdigung historischer Ereignisse auf dem Markt zu Leipzig

Markt | Ortsteil: Zentrum

Mitten im Stadtzentrum befindet sich auf dem Markt ein 10 Meter langes Bronzerelief, an dem täglich tausende Menschen vorbeieilen und dessen Bedeutung nur wenige kennen. Das Kunstwerk „Zur Würdigung historischer Ereignisse auf dem Markt zu Leipzig“ schuf Frank Ruddigkeit (geb. 1939) in den Jahren 1978/79 als Auftragswerk für den öffentlichen Raum. Er setzte es aus mehreren Bronzetafeln zusammen und arbeitete die historischen Ereignisse als Relief heraus. Im Jahr 1980 wurde das Kunstwerk an der Rückseite des Treppenabgangs zum Untergrundmessehaus angebracht. Seit der Eröffnung des City-Tunnels am 15. Dezember 2013 befindet sich im ehemaligen Untergrundmessehaus der S-Bahn-Haltepunkt „Leipzig Markt“. Die Sanierung des denkmalgeschützten Gesamtportals kostete rund 1,5 Millionen Euro. Da das Gedenkrelief nach dem Abbau und nach acht Jahren Lagerung im guten Zustand war, musste es nur gereinigt werden. 

An der linken Seite neben dem Relief befindet sich eine quadratische Gedenktafel, die Bezug nimmt auf die dargestellten Ereignisse. Diese wurden – wie es bei DDR-Auftragswerken oft üblich war – unter ideologischen Gesichtspunkten ausgewählt. Die Gedenktafel enthält folgende Inschrift: 

HISTORISCHE EREIGNISSE AUF DEM MARKTPLATZ IN LEIPZIG

  1. JUNI 1925 – MICHAEL RUMPFER / FÜHRER DER REVOLUTIONÄREN KRÄFTE IN DER STADT WÄHREND DES BAUERNKRIEGES / ENTHAUPTET

  2. MAI 1527 – HANS HERGOT / NÜRNBERGER BUCHDRUCKER / WEGEN VERBREITUNG EINER UTOPISCH-KOMMUNISTISCHEN SCHRIFT HINGERICHTET

  3. OKT. 1813 – VERBÜNDETE TRUPPEN FEIERN DEN SIEG ÜBER NAPOLEON IN DER VÖLKERSCHLACHT

  4. MÄRZ 1848 – ROBERT BLUM / KLEINBÜRGERLICHER DEMOKRAT / RUFT ZUM KAMPF GEGEN DAS HALBABSOLUTISTISCHE FEUDALSYSTEM UND FÜR EINE BÜRGERLICHE ORDNUNG AUF

  5. FEBR. 1926 – KUNDGEBUNG LEIPZIGER ARBEITER FORDERT ENTSCHÄDIGUNGSLOSE ENTEIGNUNG DER FÜRSTEN

  6. AUGUST 1945 – ERSTE MASSENKUNDGEBUNG DER KPD NACH DER BEFREIUNG VOM FASCHISMUS

  7. MÄRZ 1946 – KUNDGEBUNG ANLÄSSLICH DER VEREINIGUNG DER LEIPZIGER PARTEIORGANISATIONEN DER KPD UND SPD ZUR SOZIALISTISCHEN EINHEITSPARTEI DEUTSCHLANDS

Auf der rechten Seite neben dem Gedenkrelief wurde eine weitere Tafel angebracht mit der Inschrift: 

GEDENKRELIEF ZUR WÜRDIGUNG HISTORISCHER EREIGNISSE AUF DEM MARKT IN LEIPZIG / FRANK RUDDIGKEIT 1980

Das Gedenkrelief zählt zu den Hauptwerken Frank Ruddigkeits, der nach 1945 viele Künstler an der Hochschule für Grafik und Buchkunst ausbildete. In Leipzig sind weitere Werke von ihm präsent, darunter das 14 Meter lange Bronzerelief „Aufbruch“, das viele Jahre den Eingang zum Hauptgebäude der damaligen Karl-Marx-Universität prägte. Ruddigkeit schuf diesen Entwurf gemeinsam mit den Künstlern Rolf Kuhrt und Klaus Schwabe. Seit 2008 befindet sich das monumentale Werk auf dem Campus Jahnallee

Im Foyer der 2021 eröffneten Sächsischen Aufbaubank können Besucher vier monumentale Wandreliefs betrachten, darunter auch ein Werk von Frank Ruddigkeit, das er 1969 für das Verwaltungszentrum des Kombinats Robotron schuf.

Stand: 21.03.2024

Bildergalerie - Gedenkrelief zur Würdigung historischer Ereignisse auf dem Markt zu Leipzig

GRASSI Museum für Angewandte Kunst

Johannisplatz 5-11 | Ortsteil: Zentrum-Südost

Es hat einen exzellenten Ruf: Deshalb bekommt das GRASSI Museum für Angewandte Kunst von Sammlern aus aller Welt immer wieder etwas geschenkt. Wie ein Glasfenster von Adolf Hölzel, einem der bedeutendsten Glasgestalter des 20. Jahrhunderts, aus dem Jahr 1934. Das jetzt im Bauhaus-Raum gezeigte Fenster befand sich einst im Treppenhaus des Haushaltwarengeschäftes Maercklin in Stuttgart. Und es reiht sich gut in die brillanten Sammlungen ein, die die Besucher im GRASSI wie ein visuelles Feuerwerk erwarten. Auf zwei Etagen können sie eine Zeitreise erleben, die ihnen Kunsthandwerk und Design von der Antike bis ur Gegenwart nahebringt.

Zu sehen sind herausragende Objekte der Kunst- und Kulturgeschichte Europas, wie Gefäße aus der griechischen und römischen Antike sowie spätgotische Schnitzplastiken und Flügelaltäre. Die Besucher treffen ebenso auf chinesische Gewänder und Teeschalen aus der Qing-Dynastie. Keramik, Porzellan, Glas, Textil, Gold- und Silberarbeiten, Zier- und Gebrauchszinn, unedle Metalle, Schmiedeeisen, Skulpturen aus Holz und Stein, Möbel und Holzgerät, Münzen, Medaillen und Plaketten und vieles mehr gehören zur Sammlung. Die gilt als eine der bedeutendsten für angewandte Kunst in Europa. Antike bis Historismus, asiatische Kunst mit Impulsen für Europa sowie Jugendstil bis Gegenwart werden in drei Bereichen vorgestellt.

Kleine Irritationen schärfen den Blick


Die Sammlung umfasst derzeit 230.000 Unikate und Stücke aus serieller Fertigung. Beim Gang durch die Ausstellungsbereiche setzt das Museum zunehmend auf kleine Irritationen. Einst wurden die Künste, ob nun Bilder, Skulpturen oder Kunstgewerbe, fein säuberlich getrennt. Inzwischen sind neue Objekte als Interventionen unter sie gemischt worden. „Diese kleine Würze, diese kleine Irritation schärft den Blick“, sagt
Olaf Thormann, der Museumsdirektor. So steht die hölzerne Figur eines jungen Mannes von Stephan Balkenhol in der Nachbarschaft einer holländischen Kanzel aus dem 18. Jahrhundert. Kunstinteressierte können sich so als Betrachter des Betrachtenden neu entdecken. Das Gemälde „Die drei Fähigkeiten“ des Leipziger Malers Hans Aichinger wiederum passt ideal in die Galerie der textilen Spitzen des Museums. 15 zeitgenössische Kunstwerke sind derzeit im Rundgang platziert.

Datenbank erläutert Objekte


Nahezu alle Objekte, die in den ständigen Ausstellungen zu sehen sind, können online mit zusätzlichen Informationen abgerufen werden. Derzeit sind es 5.350. Die herausragendsten Stücke sind auf der Internetseite des Museums unter der Rubrik Museum digital verfügbar. Ziel ist es, das Museum weiter als lebendigen Alltagsort für alle zu öffnen – deshalb ist der Eintritt für die Dauerschau seit Januar 2024 frei. Die Menschen sollen animiert werden, bei Lust und Laune auch mal in der Mittagspause kurz vorbeizuschauen. Im Sommer lädt der Grassi-Innenhof zum Verweilen ein. Wer möchte, kann dann dort sogar Tischtennis spielen. „Wir sind glücklich, wenn wir sehen, wie das Museum von den Menschen in Beschlag genommen wird“, sagt Leipzigs Kulturbürgermeisterin
Skadi Jennicke. 2023 wurden 92.000 Besucher gezählt. Das ist seit mehr als zehn Jahren Rekord. Lediglich 2013 waren es deutlich mehr, da damals die Ausstellung „STARKER AUFTRITT. Experimentelles Schuh-Design“ alle Rekorde brach. 

Da sich das traditionsreiche Museum durch die vielen herausragenden Sonderausstellungen um die touristische Attraktivität Leipzigs verdient gemacht hat, erhielt es im Dezember 2023 einen zweiten Platz beim Tourismuspreis. Dieser würdigt ebenso die Neubelebung der international bekannten Grassimesse seit 1997 mit mittlerweile riesigem Erfolg. Zur Grassimesse im Oktober 2023 mit etwa 140 Ausstellern kamen tausende Besucher aus aller Welt.

Pfeilerhalle ist einer der schönsten Räume des Art déco


Das Museum öffnete am 25. Oktober 1874 als zweites Kunstgewerbemuseum in Deutschland für Publikum. Sein Domizil ist zunächst in der ersten Etage der Alten Post am
Thomaskirchhof. Doch rasch werden die Räume zu eng, denn die von der Leipziger Bürgerschaft zusammengetragene Sammlung wächst schnell. Das Museum zieht in einen Neubau am Königsplatz, welcher aus dem Vermögen des Leipziger Bankiers Franz Dominic Grassi finanziert wird. Doch auch im alten Grassimuseum (heute: Stadtbibliothek am Wilhelm-Leuschner-Platz) kann sich die Einrichtung nicht entfalten. 1929 zieht das Museum schließlich an den Johannisplatz, wo es 2024 als GRASSI Museum für Angewandte Kunst den 150. Jahrestag der Eröffnung feiert. Ein architektonisches Kleinod ist die rekonstruierte Pfeilerhalle mit blattvergoldeten Brüstungsgittern. Sie ist einer der schönsten Innenräume des deutschen Art déco. 48 Vitrinen, die in zwölf Pfeiler eingelassen sind, werden für Sonderausstellungen genutzt. Die in rot-blau-goldener Farbpracht gehaltene Pfeilerhalle dient auch als Veranstaltungssaal. Berühmt sind die rekonstruierten 18 Josef-Albers-Fenster. Dabei handelt es sich um die größte Flachglasarbeit eines Künstlers der Dessauer Bauhauszeit.

Seit 2020 können die Museumsbesucher per Mediaguide mit Leihgeräten oder einer App auf eigenem Smartphone auf Deutsch und Englisch verschiedene Touren durch die Dauerschau unternehmen. Dabei kann jeder selbst entscheiden, ob er sich auf besondere Objekte beschränkt oder spielfreudig „Schau genau hin“ ausprobiert. Eigene Touren gibt es für Blinde und Sehbehinderte, in Gebärdensprache sowie in leichter Sprache. 360-Grad-Raumaufnahmen, Clips, Illustrationen, Animationen, Filme und Fotos aus der ständigen Ausstellung werden per Mediaguide angeboten. Ein sehr aktiver Freundeskreis bietet sogar Kunstreisen, Besuche in Künstlerateliers sowie Ausstellungspreviews an.

Museum blickt auf die Zukunft des Designs


Bei einer interaktiven Rauminstallation – ein Experiment am Ende des Rundganges in der ständigen Ausstellung – werden alle eingeladen, sich in einem computergenerierten Raum zu bewegen und dort das gerade Erlebte zu reflektieren. Die Computer-Animationen reagieren direkt auf die Bewegungen im Raum.

Immer wieder stellt das Museum das Thema Design in große gesellschaftliche Zusammenhänge und spekuliert ein wenig in die Zukunft. Die Sonderschau „Zukünfte. Materialien und Design von morgen“ (2025) blickt auf Positionen, die sich an den Schnittstellen von Biologie, Design, Kunst und Industrie bewegen. Lampen aus Orangenschalen, Glas aus Asche der Müllverbrennung, T-Shirts aus Bananenfasern, Stühle aus recycelten Laubabfällen, Kleidung oder Lampen aus dem aus Pilzmyzel gewonnen Werkstoffes „Mylo“ – vieles könnte möglich werden.

Stand: 20.2.2024

Bildergalerie - GRASSI Museum für Angewandte Kunst

Historisches Bildmaterial - GRASSI Museum für Angewandte Kunst

Lehmstedt, Mark

Verleger, Autor, Vorsitzender Geschichtsverein | geb. am 11. Februar 1961 in Berlin

Er hat ein Herz für Leipzigs Stadtgeschichte. Das beweist Mark Lehmstedt nicht nur mit seinem Verlag, der sich auf die Kulturgeschichte Mitteldeutschlands, (Schwarzweiß-)Fotografie sowie Reiseführer spezialisiert hat. Seit 2019 leitet er als Vorsitzender den Leipziger Geschichtsverein. Lehmstedt – dieser Name steht für eine Leipziger Erfolgsgeschichte, seit der gebürtige Berliner seinen Verlag hier am 1. März 2003 gründet. Dieser hat sein Domizil seit 2021 in Barthels Hof unweit des Markts.

Zur Bewährung in der Braunkohle


Geboren, aufgewachsen und zur Schule gegangen ist Mark Lehmstedt in Ost-Berlin. Dort besucht der Sohn einer Professorin für Klavierpädagogik zunächst eine Russisch-Schule, später die 2. Erweiterte Oberschule, bekannt als Gymnasium „Graues Kloster“. Vier Wochen vor den Abiturprüfungen wird er im Jahre 1979 allerdings relegiert. Der Grund: Er hat eine Kulturwoche organisiert und in der Schülerzeitung einen Artikel geschrieben, der sich gegen Missstände im Bildungssystem der DDR wendet. Er fliegt, ohne dass sich jemand um seine Zukunft kümmert. Es gibt aber eine Patenbrigade im Braunkohlenkombinat Bitterfeld, die Arbeitskräfte sucht. Der junge Mann steigt in den Zug nach Bitterfeld und landet noch am gleichen Tag als Hilfskraft „zur Bewährung“ für gut anderthalb Jahre in der Produktion. Dort schließt er eine Ausbildung zum Facharbeiter für Anlagen und Geräte, Spezialisierungsrichtung Tagebaugroßgeräte, ab. Er darf schließlich an der Volkshochschule das Abitur machen. Es folgt der Wehrdienst bei der Nationalen Volksarmee. 

Der Meister aus der Braunkohle schreibt ihm eine Super-Beurteilung, deshalb klappt danach das Studium der Germanistik an der Karl-Marx-Universität in Leipzig sowie der Humboldt-Universität in Berlin. Von 1987 bis 1991 unterrichtet Lehmstedt als Assistent am Lehrstuhl für deutsche Literatur des 18. Jahrhunderts in Leipzig. Dort kann er 1990 mit einer Studie über den Verleger Philipp Erasmus Reich promovieren. Sein Zeitvertrag an der Universität Leipzig endet. Die Deutsche Nationalbibliothek will ihn übernehmen. Doch das funktioniert nicht, da die beiden Nationalbibliotheken in Leipzig und Frankfurt/Main fusionieren und daher Einstellungsstopp herrscht. In den folgenden Jahren ist er bei verschiedenen Forschungsprojekten tätig, darunter als Fellow des Wissenschaftskollegszu Berlin. Von 1999 bis 2002 arbeitet er als Lektor bei Directmedia Publishing in Berlin. Dort wird eine „Digitale Bibliothek“ aufgebaut.

Ein erstes Buch über Hungerjahre in Leipzig


Doch auch diese Tätigkeit endet. Er besinnt sich auf Leipzig, das er gut kennt. Schon der Großvater betreibt im nahen Weißenfels ein Schreibwarengeschäft. Von dort fährt er regelmäßig mit dem Auto in die Messestadt zum Einkauf beim Großhändler. In den Ferien durfte Enkel Mark mit und ist schon damals von der Stadt begeistert. Prägend ist für den Schüler 1978 der FDJ-Studentensommer in Leipzig. Er konnte an Lesungen in der noch nicht fertig gestellten
Moritzbastei teilnehmen, im Innenhof der Universität als Liedermacher auftreten und Diskussionsrunden lauschen. 

2003 gründet Mark Lehmstedt schließlich seinen eigenen Verlag. Sein erstes Buch ist „Hungerjahre in Leipzig“ mit Briefen des Studenten Jean Paul. „Als Unternehmer habe ich es immer in der Hand, was ich mache. Das kann zwar schiefgehen. Aber dann bin ich daran selbst schuld“, sagt er im Interview. „Diese Freiheit schätze ich.“ Viel ist nicht schiefgegangen, obwohl nicht jedes Buch ein wirtschaftlicher Erfolg wird.

Knapp 350 Titel sind seitdem im Lehmstedt-Verlag erschienen. Mittlerweile beschäftigt der Verlag, der 2019 mit dem Deutschen und 2020 mit dem Sächsischen Verlagspreis ausgezeichnet wurde, eine Grafikerin und Gestalterin sowie eine Lektorin. Die künstlerische Leitung verantwortet der Berliner Buchgestalter und Publizist Mathias Bertram, der auch zahlreiche Fotobücher für den Verlag herausgegeben hat.

Ein führender Verlag für Reiseführer


Mit mehr als 100 Reiseführern wird Lehmstedt zugleich der führende Reisebuchverlag Ostdeutschlands. Er veröffentlicht nicht nur Bücher zu den Touristenzentren, sondern auch zu kleineren Städten. Sein bisher erfolgreichstes und wichtigstes Buch heißt „Leipzig an einem Tag“ von
Doris Mundus. Mittlerweile gibt es einen „Stadtführer für einen Tag“ für mehr als 110 Städte in ganz Deutschland. Das sind von Flensburg über Zittau, Kamenz, Freiberg, Quedlinburg bis Konstanz beliebte Reiseziele, die bei den großen Verlagen keine Chance haben. „Das war so nicht geplant. Es ist die unerwartete Wirkung des Leipzig-Buches“, sagt Lehmstedt. Für Leipzig kommen noch einige Stadtteilführer sowie Spezialführer zur Musikstadt Leipzig oder zum Südfriedhof hinzu, die sich vor allem ans heimische Lesepublikum wenden. 

Lehmstedt hat ein Gespür für Themen, die die Leute interessieren. Ein Spitzentitel ist auch „Das ungebaute Leipzig“ von Arnold Bartetzky, das auf der Leipziger Buchmesse 2024 präsentiert wird. Darin geht es um architektonische Pläne, kühne Visionen und Luftschlösser rund um Messetürme, Wolkenkratzer und Flugplätze, die in Leipzig nicht verwirklicht wurden.

Ganz nebenbei gönnt er sich „Herzensprojekte“. Oft weiß er von vornherein, dass die Erlöse alles andere als üppig sind. Dazu gehört sein geplantes sechsbändiges Lexikon zur „Buchstadt Leipzig“. Dafür forscht er in vielen Archiven. Erschienen ist derzeit ein Band, der den Zeitraum 1420–1539 behandelt. Der Wissenschaftler hat sich 1825 als Grenze seiner Forschungen gesetzt, da in jenem Jahr in Leipzig der Börsenverein des Deutschen Buchhandels gegründet wurde. Weil die Corona-Pandemie ihn ausbremst, Archive viele Monate nicht zugänglich sind, wird das Lexikon bis zum Themenjahr Buchstadt Leipzig 2025 allerdings nicht komplett fertig, wie einst gehofft. Im Herbst 2024 erscheint zunächst der zweite Band. Nebenbei arbeitet er an einem Projekt, bei dem er als Autor die Entstehung des Gebrauchtbuchhandels und der Antiquariate im 17./18. Jahrhundert thematisiert.

Lehmstedt ist es wichtig, sein Wissen weiterzugeben. An der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz habilitierte er 2012 über „Comics und Zensur in der DDR“. Eine Weile unterrichtete er dort am Institut für Buchwissenschaft. 2019 wurde er als Privatdozent für Buch- und Mediengeschichte am Historischen Seminar der Universität Leipzig tätig.

Die Industriegeschichte Leipzigs als Wunschprojekt


Wünsche für künftige Publikationen hat der rührige Verleger noch viele. Ein großer Traum wäre ein wissenschaftlicher Abriss zur Industriegeschichte Leipzigs von den Anfängen bis hin zum
Porsche Werk und BMW Werk in Leipzig. „Da gibt es eine Fülle von Betrieben, die letztlich zur Basis vieler Unternehmen geworden sind, die wie die Bleichert Werke zu Weltkonzernen werden“, erklärt er. Diese Vielfalt sei nur wenigen bewusst. So ein Projekt sei aber nur mit einer Gruppe interessierter Leute sowie Forschungen der Universität Leipzig möglich. Auch eine gut recherchierte und erzählte Biografie über Karl Heine schwebt Mark Lehmstedt vor. Wichtig ist ihm auch der Leipziger Geschichtsverein. Hier fördert er ebenso eigene Forschungen und Tagungen, wie in verschiedenen anderen Arbeitskreisen rund ums Buch und die Buchwissenschaft.

Stand: 29.01.2024

Bildergalerie - Lehmstedt, Mark

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