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Altes Gewandhaus

Kupfergasse (früher Kupfergässchen) / Gewandhausgässchen | Ortsteil: Zentrum

Bei dem Alten Gewandhaus handelte es sich um das erste Leipziger Konzerthaus und zugleich einen Vorgängerbau des heutigen Gewandhauses zu Leipzig am Augustusplatz. Es entstand aus einer um 1480 errichteten Gewerbehalle für Tuchmacher, wobei die Bezeichnung „Gewandhaus“ nach der Handelsware der Wandschneider benannt ist. Das Alte Gewandhaus wurde nach anderthalb Jahren Bauzeit als neue Spielstätte des beliebten Konzertvereins „Großes Concert“ nach Plänen des Stadtbaumeisters Johann Carl Friedrich Dauthe errichtet. Ab November 1781 fanden hier die ersten Konzerte statt. In der Folge des Baus des Neuen Gewandhauses im Musikviertel 1884 wurde das Alte Gewandhaus zwischen 1893 und 1896 abgerissen, umgebaut und in den Komplex des Städtischen Kaufhauses integriert.

Vom Textilhandel zur musikalischen Erfolgsgeschichte von Weltrang


Das Gewandhaus gab dem ältesten bürgerlichen Orchester der Welt seinen Namen: Gewandhausorchester. Bei dem 1981 eröffneten Konzertbau auf dem Augustusplatz handelt es sich bereits um das dritte Gewandhaus der Stadt. Die Bezeichnung „Gewandhaus“ ist nach der Handelsware der Wandschneider benannt. Letztere erwarben gefaltet aufbewahrtes, „gewendetes“ Tuch und verkauften dieses. Auch andere deutsche Städte neben Leipzig besaßen ein Gewandhaus, so etwa Dresden, Bautzen, Zwickau oder Braunschweig. Das namengebende Tuchmacherhaus und zugleich Erste Gewandhaus Leipzigs in Form eines dreiflügeligen Gebäudes befand sich einst zwischen Kupfergasse und Gewandhausgässchen. Hier begann ein wesentlicher Teil von Leipzigs musikalischer Erfolgsgeschichte, welche noch heute vom Gewandhausorchester in die Welt getragen wird. Bei dem ersten Gewandhaus handelte es sich um eine um 1480 errichtete Gewerbehalle für Tuchmacher, in welcher insbesondere zu Messezeiten großer Andrang herrschte. In unmittelbarer Nachbarschaft zum Gewandhaus wurde 1493 in der heutigen Universitätsstraße das sogenannte
Zeughaus errichtet. Dieses wurde bis 1828 zur Lagerung von stadteigenen Rüstungen und Waffen genutzt und beherbergte die Leipziger Kupferwaage. Im Jahr 1740 wurde das ursprüngliche Gewandhaus abgerissen und musste der neu errichteten Stadtbibliothek weichen. Der Name „Gewandhaus“ ging in der Folge nicht verloren, sondern wurde fortan für das benachbarte Zeughaus verwendet, welches ebenfalls über einige Räume für den Tuchhandel verfügte.

Zu dieser Zeit war der Leipziger Rat auf Drängen des immer zahlreicher erscheinenden Publikums des Konzertvereins „Großes Concert“, dessen Aufführungen seit 1744 im Gasthaus „Zu den Drey Schwanen“ am Brühl stattfanden, auf der Suche nach neuen Räumlichkeiten. Auf Initiative des amtierenden Leipziger Bürgermeisters Carl Wilhelm Müller fiel die Wahl schließlich auf das Alte Gewandhaus, das ursprüngliche Zeughaus. Auf einem Zwischenboden des Gebäudes ließ die Stadt den ersten Leipziger Konzertsaal einbauen, welcher die neue Heimstätte des „Großen Concertes“ werden sollte. Den Auftrag zur Umsetzung erhielt der Stadtbaumeister Johann Carl Friedrich Dauthe, welcher zuvor für den Umbau der Nikolaikirche bekannt wurde. Der Bau war nach nicht einmal anderthalb Jahren abgeschlossen. Es entstand ein quaderförmiger Saal mit Orchesterpodium an dessen Südseite. Die gegenüberliegend angeordneten Sitzreihen des Publikums liefen längs zum Podium, während die Reihen an der Nordseite quer ausgerichtet waren. Eine Galerie und einige Stehplätze komplettierten die Innenausstattung des Saales mit Platz für insgesamt 500 Zuhörer, dessen Anordnung an den Sitz des englischen Unterhauses angelehnt war. Für eine besonders gute Akustik sorgte beim Einbau des Konzertsaales in die frühere Tuchhalle die überwiegende Verwendung von Holz. Durch eine Konstruktion auf Holzstützen oberhalb des einstigen Tuchbodens entstand ein Resonanzraum um den Saal mit verhältnismäßig kurzer Nachhallzeit. Die Innengestaltung des Konzertsaales hatte unter anderem Adam Friedrich Oeser inne, der auch das bekannte Deckengemälde „Lebensweg der Psyche“ im Festsaal des Gohliser Schlösschens schuf. Das von Oeser im Alten Gewandhaus geschaffene Gemälde bildete die neun Musen ab, darunter die drei Musen der Musik Clio, Polyhymnia und Euterpe. Die Stirnseite des Saales zierte der Spruch des römischen Philosophen Seneca „Res severa verum gaudium“ (dt. „Wahre Freude ist eine ernste Sache“). Dieser wurde zum Leitspruch des Gewandhausorchesters und schmückt noch heute die Orgelempore des Gewandhauses zu Leipzig am Augustusplatz.

Aus alt wird neu: Die zweite Spielstätte im Musikviertel entsteht


Das erste Konzert im Alten Gewandhaus fand am 25. November 1781 unter der Leitung des Dirigenten
Johann Adam Hiller statt. Aufgeführt wurden unter anderem Stücke von Johann Christian Bach, Joseph Schmitt und Antonio Sacchini. Alsbald entstanden die Begriffe Gewandhauskonzerte und Gewandhausorchester und der ursprüngliche Textilbezug erhielt eine musikalische Note, welche weltbekannt wurde. Im Alten Gewandhaus gastierten musikalische Größen wie Wolfgang Amadeus Mozart im Jahr 1789, während Clara Wieck ihren ersten öffentlichen Auftritt im Jahr 1828 absolvierte. Da bald auch die Raumkapazitäten des Saales zu klein wurden, baute man diesen rund 50 Jahre später aus und erweiterte ihn auf rund 1.000 Plätze. Die Tatsache, dass dabei Oesers Deckengemälde übermalt wurde, sorgte für einen öffentlichen Aufschrei. Mit einer an die neuen Raumkapazitäten angepassten Umgestaltung des Konzertsaales wurde der Dresdner Architekt und Maler Woldemar Hermann betraut. Da trotz mehrerer Umbauten die Platzkapazitäten nicht mehr ausreichten und auch das Orchester sich sukzessive vergrößerte, wurden bereits um 1865 Überlegungen zur Errichtung eines neuen Konzerthauses angestellt. Anstelle eines entsprechenden Baus in zentraler Lage, wie ihn sich die Gewandhausdirektoren vorstellten, beschloss die Stadtverwaltung dessen Errichtung am Stadtrand als Initialzündung für die Entstehung eines neuen Stadtteils. Das Neue Gewandhaus wurde schließlich auf dem Platz zwischen Beethoven- und Mozartstraße innerhalb von zweieinhalb Jahren erbaut und im Dezember 1884 eröffnet. Als erstes Gebäude des neu entstandenen Musikviertels brachte es die weitere Entwicklung des Stadtteils auf den Weg. 

Am 11. Dezember 1884 wurde das Erste Gewandhaus in der Innenstadt in „Altes Gewandhaus“ umbenannt, in dessen Räumlichkeiten in den darauffolgenden zwei Jahren nur noch sporadisch Konzerte stattfanden. Neben einer Reihe von anderen Altbauten musste auch das Alte Gewandhaus dem Bau des Städtischen Kaufhauses als erster Mustermessepalast der Stadt weichen. So wurde das Konzerthaus zwischen 1893 und 1896 zu Teilen abgerissen, umgebaut und in den Komplex des Städtischen Kaufhauses integriert, dessen historisches Treppenhaus in der zweiten Etage noch heute eine Gedenktafel beherbergt, welche an den einstigen Eingang zum Konzertsaal des Gewandhauses erinnert.

Das Bild des Ersten Gewandhaussaales, welches heute existiert, basiert auf einem vom Berliner Maler Gottlob Theuerkauf geschaffenen Aquarell. Abgelichtet wurde der Saal auch vom Fotografen Hermann Walter. Ein Modell des einstigen Konzerthauses kann im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig im Alten Rathaus besichtigt werden. 

Seit 1996 befindet sich am Städtischen Kaufhaus in der Universitätsstraße die Gedenktafel – Standort des Alten Gewandhauses. Der musikhistorisch bedeutende Ort ist Station 21 der Leipziger Notenspur.

Stand: 26.09.2023

Bildergalerie - Altes Gewandhaus

Historisches Bildmaterial - Altes Gewandhaus

Alte Waage

Markt 4 | Ortsteil: Zentrum

Die Alte Waage befindet sich am Markt unweit des Alten Rathauses und wurde 1555 nach Plänen von Hieronymus Lotter von Paul Speck als charakteristischer Renaissance-Bau errichtet. Sie diente bis 1820 dem Wiegen und Verzollen von eintreffenden Waren in der Handelsstadt. Von 1661 bis 1712 befand sich im Waagengebäude zudem das erste Leipziger Postamt. Bis 1862 diente das Gebäude als Geschäftsstelle der Kommunalgarde, ab 1917 beherbergte es das neugegründete Messeamt der Leipziger Messe. Nach der Zerstörung des Gebäudes im Zweiten Weltkrieg wurde die Marktfassade nach historischem Vorbild mit vierstufigem Staffelgiebel und Gesimsen aus Rochlitzer Porphyr von Wolfgang Müller 1963/64 rekonstruiert.

Registrieren, wiegen, verzollen: Reges Treiben in Leipzigs Handelsgebäude

 

Die Alte Waage blickt auf eine fast 500-jährige Historie zurück und zählte als Dreh- und Angelpunkt eintreffender Waren einst zu den wichtigsten Gebäuden der Handelsstadt. Sie gilt als bedeutendes kulturgeschichtliches Zeugnis der Stadt. Nachdem Leipzig 1497 von Kaiser Maximilian I. das Reichsmesseprivileg sowie 1507 das Stapel- und Waagerecht erhalten hatte, unterlagen alle ein- und ausgehenden Waren der Waagepflicht sowie der Festlegung der Zollabgaben. Für diesen Zweck wurde der Vorgängerbau der Alten Waage in Betracht gezogen, wo sich bereits ein städtisches Waagengebäude befand. Dieses erwirtschaftete damals, nach dem Burgkeller, die zweithöchsten Einnahmen für die Stadt. Nachdem sie ihr Zunfthaus an der Grimmaischen Straße dem Rat der Stadt zu Verwaltungszwecken überlassen mussten, bezogen die Tuchmacher in dem gotischen Vorgängerbau der Alten Waage im Jahr 1469 ihre Zunfträume im zweiten Geschoss. Da dieses Gebäude den Anforderungen des Messeverkehrs bald nicht mehr gewachsen war, wurde es abgebrochen und 1555 auf ratseigenem Grundstück die Ratswaage neu erbaut. Trotz fehlender urkundlicher Belege ist davon auszugehen, dass Leipzigs damaliger Bürgermeister Hieronymus Lotter, der auch federführend am Bau der Moritzbastei und des Alten Rathauses beteiligt war, als Architekt mitwirkte. Anzunehmen ist, dass Lotter die Oberaufsicht des Baus innehatte sowie als Bürgermeister – und somit als Bauherr – entsprechenden Einfluss auf die Baupläne und die Ausführung ausübte. Der Bau soll von Lotters Gehilfen Paul Speck, der zu dieser Zeit das Amt des Obermeisters innehatte, ausgeführt worden sein. Da sich die Ratswaage bald nach ihrer Fertigstellung als zu klein erwies, erwarb der Rat der Stadt das angrenzende Nachbarhaus in der Katharinenstraße 1 aus dem Jahr 1530 und ließ beide Gebäude im Innern um 1570 miteinander verbinden.

Multifunktionales Gebäude mit Ratsweinschänke

 

Die Ermittlung und Verzollung der Waren gemäß städtischer Taxe erfolgte in der Ratswaage, in welcher insbesondere zu Messezeiten reges Treiben herrschte. Die Waage für Fuhrmannsgut und Kaufmannswaren befand sich nicht im Hauptgebäude am Markt, sondern im Erdgeschoss der Katharinenstraße 1. Bei der von den Kaufleuten zu entrichtenden Gebühr handelte es sich mit einem Viertel der gesamten städtischen Jahreseinkünfte um eine wichtige Einnahmequelle der Stadt. Die nach Warensorten gestaffelten Abgaben waren mit dem Landesherrn zu teilen. Für diese Zwecke war das dreigeschossige Gebäude der Ratswaage multifunktional ausgerichtet: Im Erdgeschoss befanden sich die Amts- und Schreibstuben des Waageamtes, wo die Angestellten die Gewichte der Importe sowie die Zölle für Stadt und Landesherren notierten. Der Keller beherbergte die Ratsweinschänke, in deren Trinkstube die Patrizier edle Weine und Import-Biere genossen sowie Fernhändler die Vertragsabschlüsse mit ihren Partnern feierten. Die Herrentrinkstube im ersten Geschoss stand allen gut situierten Bürgern der Stadt offen, darunter Krämer, Händler, Innungsmeister und Messebesucher aus dem In- und Ausland. In diesen Gemäuern erholten sich ebenfalls die Händler von ihren langen Reisen und tauschten Neuigkeiten aus. 

Die Waage zwischen wechselnder Nutzung und Kriegszerstörung


Mitte des 17. Jahrhunderts wurde die Waage vor das Hallische Tor verlagert, während sich von 1661 bis 1712 im Gebäude der Ratswaage am Markt vor dessen Umzug in die Thomasgasse das erste Leipziger Postamt befand. Noch bis zum frühen 19. Jahrhundert stand die Waage für einen Ort der Wiegegeschäfte und der Geselligkeit. Die Taxierung der Waren aller Messeverkäufer fand bis 1820 in der Ratswaage statt, bevor vor dem Grimmaischen Tor und Hallischen Tor neue Waageplätze geschaffen wurden. Zu diesem Zeitpunkt erhielt das Gebäude seinen heutigen Namen Alte Waage. Bis 1862 diente das Gebäude als Geschäftsstelle der Kommunalgarde. Krämer und Kaufleute bezogen das Untergeschoss, während im Obergeschoss die Stadtverordneten tagten. Ab 1917 zog das neugegründete Messeamt in die Räumlichkeiten ein und nahm nach langwierigen Verhandlungen am 8. Februar offiziell seine Arbeit auf. Die Gründung war im Wesentlichen ein Ergebnis der herben Rückschläge, welche die Messe mit Beginn des Ersten Weltkrieges verkraften musste. So reisten zur Herbstmesse 1914 weniger als 300 Aussteller an. Das zuvor im Städtischen Kaufhaus untergebrachte Amt war schließlich Ausgangspunkt des Aufschwungs der Leipziger Messen zwischen den beiden Weltkriegen, welches die bisherige Organisation der Messen vollkommen änderte.

Am 4. Dezember 1943 fiel die Alte Waage einem Bombenangriff der Westalliierten zum Opfer. Im Jahr 1963 beschloss der Rat der Stadt den Wiederaufbau der Fassade im Stil der Renaissance, während man auf eine Rekonstruktion des vorgelagerten Treppenturms aufgrund seiner Hinderlichkeit verzichtete. Dieser wurde bereits 1861 abgebrochen und durch ein innen liegendes Treppenhaus ersetzt. Die Rekonstruktion der Fassade nach Entwürfen des Leipziger Architekten Wolfgang Müller war im Jahr 1964 abgeschlossen. 

Leipzigs einstiger Händlertreff im historischen Gewand


Der dreigeschossige Bau mit dem charakteristischen vierstufigen Staffelgiebel, den Fenstergewänden und Gesimsen aus Rochlitzer Porphyr sowie der Sonnenuhr unterhalb des Daches gilt als wesentlicher Teil des historischen Bildes des Markts. Bekrönt wird das Gebäude mit einer Wetterfahne, welche das Jahr des Wiederaufbaus zeigt. Der zur Katharinenstraße gelegene Teil des Gebäudes wurde entsprechend des Zeitgeistes des Wiederaufbaus modern gehalten, in Sichtbeton erbaut und mit Porphyrplatten ausgestaltet. Die benachbarten Gebäude der Alten Waage, das Wohn- und Geschäftshaus Markt 5 und der Baarmanns Hof (Markt 6), entstanden in den 1920er Jahren für die Darmstädter Bank als kombinierte Wohn- und Geschäftshäuser.

Stand 26.09.2023

Bildergalerie - Alte Waage

Historisches Bildmaterial - Alte Waage

Ägyptisches Museum – Georg Steindorff – der Universität Leipzig

Goethestraße 2 | Ortsteil: Zentrum

Das Ägyptische Museum der Universität Leipzig präsentiert seit 2010 im Krochhochhaus die älteste ägyptologische Lehrschausammlung einer deutschen Universität. Auf zwei Etagen und 500 Quadratmetern werden rund 7.000 altägyptische Ausstellungsstücke aus vier Jahrtausenden gezeigt. Im Jahr 1870 wurde an der Universität Leipzig ein Lehrstuhl für Ägyptologie eingerichtet und der Bestand an ägyptischen Sammlungsobjekten wuchs, so dass diese mit Beginn des 20. Jahrhunderts in einem Museum untergebracht wurden. Einen wertvollen Beitrag für die Erweiterung der Sammlung leistete der Ägyptologe Georg Steindorff durch zahlreiche Grabungskampagnen.

An Anfang war der Holzsarg: Ein Stück Altes Ägypten inmitten von Leipzig


Die Entstehung des Ägyptischen Museums begann mit der Einrichtung des Lehrstuhls für Ägyptologie an der Universität Leipzig im Jahr 1870. Als Begründer der ägyptischen Universitätssammlung gilt der Philologe und Professor für Archäologie an der Universität Leipzig,
Gustav Seyffarth. Er besuchte die bedeutendsten ägyptischen Sammlungen in Europa, fertigte Kopien ägyptischer Texte an und leistete einen entscheidenden Beitrag für den Aufbau der heutigen Sammlung. Das Ägyptische Museum verdankt Seyffarth den 2,12 Meter langen Zedernholzsarg des Hed-bast-iru, den die sächsische Landesregierung im Jahr 1842 auf sein Anraten für 289 Taler in Triest käuflich erwarb. Dieses Exponat gilt noch heute als Herzstück der Leipziger Sammlung. Die Nachfolge von Gustav Seyffarth übernahm der Ägyptologe Georg Ebers, der 1870 sein Professorenamt an der Universität Leipzig antrat. Internationale Bekanntheit wurde ihm durch den Erwerb eines knapp 19 Meter langen ägyptischen Papyrus während einer seiner Reisen nach Ägypten 1872/73 zuteil. Dabei handelt es sich um eine rund 3.500 Jahre alte medizinische Sammelschrift aus 879 Einzeltexten, die heute in einem Schauraum der Universitätsbibliothek ausgestellt ist. 

Von der Lehrsammlung zum Museum


Am 1. Oktober 1893 wurde der heutige Namenspatron des Ägyptischen Museums, Georg Steindorff, zum außerordentlichen Professor in Leipzig berufen und erhielt 1904 den Lehrstuhl für Ägyptologie. Steindorff erweiterte den Sammlungsbestand durch eigene Funde aus Grabungskampagnen. Die Ausstellungsfläche von 166 Quadratmetern wurde bald zu knapp für neue Funde, Schenkungen und Ankäufe, so dass zwischen 1912 und 1915 ein Kreuzgangflügel an der Südseite des
Johanneums angebaut wurde. Dort richtete Steindorff das Ägyptische Museum ein. Besonderen Fokus legte er auf die Beschaffung von Gebrauchsgegenständen aus dem Alten Ägypten, darunter Kosmetikutensilien. Unter seiner Leitung gelangten im Zuge mehrerer Grabungskampagnen in der Nekropole Giza ab 1903 zahlreiche Reliefs, Privatstatuen und Grabbeigaben nach Leipzig. Bei Grabungsarbeiten 1909 im Tempelkomplex des Pharaos Chephren, des Erbauers der zweitgrößten Giza-Pyramide, wurden Bruchstücke von zerschlagenen Königsstatuen zutage gefördert, welche im Ägyptischen Museum in Leipzig und anderen Museen ausgestellt wurden. Als besonderes Meisterstück des Museums galt ein aus sieben Gneis-Fragmenten zusammengesetztes Chephren-Gesicht. Im Zuge von Georg Steindorffs Grabungskampagne in Abusir im Jahr 1910 erhielt das Ägyptische Museum frühdynastische Steingefäße und kleinere Exponate aus Kupfer und Elfenbein. Nach Ausgrabungen im unterirdischen Aniba in den Jahren 1912/14 und 1930/31 durch Steindorff und sein Team wurde der Museumsbestand um nubische Töpferware sowie Kult- und Alltagsgegenstände ergänzt. Hinzu kam eine Schenkung aus dem Museum of Fine Arts Boston. Dabei handelte es sich um Ausgrabungsstücke aus dem obernubischen Ort Kerma im heutigen Sudan. Weitere Objekte des Ägyptischen Museums entstammten Schenkungen aus dem In- und Ausland, darunter die Grabausstattung des Totenpriesters Herischef-hotep aus Abusir von der Deutschen Orient-Gesellschaft.

Trotz seiner Konvertierung zum Christentum erfolgte 1934 Steindorffs Emeritierung. Ab 1941 wurden zahlreiche Leipziger Exponate zum Schutz vor Bombenangriffen ausgelagert. Eine Vielzahl an Objekten wurde 1943 auf Schloss Mutzschen und nach Technitz bei Döbeln geschafft. Die größten Exponate blieben jedoch in den Ausstellungsräumen und fielen dem Bombenangriff vom 4. Dezember 1943 zum Opfer, darunter die Opfertafel des Seschem-nefer aus Giza. Auch die sich im Keller des Johanneums befindlichen Ausstellungsstücke wurden zerstört. Andere als verschollen geltende Museumsstücke waren, wie sich später herausstellte, in die Sowjetunion gelangt. Am 12. Mai 1976 wurde das Ägyptologische Institut mitsamt der Dauerausstellung im Erdgeschoss des Wohn- und Geschäftshauses Schillerstraße 6 wiedereröffnet. Die rund 4.000 Jahre altägyptische Kultur widerspiegelnde Exposition wurde 2003 für sieben Jahre in ein Interim in der Burgstraße verlagert.

Streifzug durch altägyptische Kulturgeschichte im einstigen Bankkaufhaus


Im Jahr 2010 fand das 2008 umbenannte „Ägyptische Museum – Georg Steindorff“ seine neue und repräsentative Heimstätte in den Art-Déco-Räumlichkeiten des ehemaligen Bankhauses von
Hans Kroch, dem repräsentativen Krochhochhaus am Augustusplatz. Seit der feierlichen Eröffnung präsentiert sich dort auf den zwei unteren Etagen des ersten Leipziger Hochhauses eine deutschlandweit einmalige Schau- und Lehrsammlung aus rund 7.000 altägyptischen Exponaten in überzeugender Konzeption. Eine besondere Anforderung an das Konzept der Exposition bestand in der Gestaltung der unter Denkmalschutz stehenden Räume im ersten Obergeschoss des Gebäudes und in der großen Ausstellungshalle. Auf über 500 Quadratmetern wurde ausreichend Platz geboten, um nahezu den gesamten Bestand zu präsentieren. Die ehemalige Schalterhalle des Bankhauses Kroch – die heutige Ausstellungshalle – beherbergt altägyptische Plastiken und Skulpturen sowie an den Wänden umlaufend die wichtigsten Reliefs. Zu sehen sind Exponate vom Alten Reich um 2540 v. Chr. bis in die Spätantike. Besonders eindrucksvoll ist das aus zehn Dienerfiguren sowie zwei Darstellungen des Grabherrn bestehende Skulpturenensemble „Djascha“. Neben weiteren Einzel- und Gruppenstatuen aus der 5. Dynastie bildet dieses nahezu vollständige Grabzusammenhänge ab. 

Das benachbarte „Direktorenzimmer“ beherbergt einen einmaligen Fundkomplex in Form des gesamten Grabensembles eines Priesters aus dem frühen Mittleren Reich um 1970 v. Chr. Dieses besteht aus zwei ineinander geschachtelten Särgen und einem kompletten Beigabensortiment. In den beiden Seitenkabinetten auf der Geschossebene 1 sind Funde aus der prä- und frühdynastischen Periode des Alten Ägypten ausgestellt. Gegenüber befindet sich eine Übersicht über die Schriftentwicklung im Vorderen Orient. Das im Jahr 1842 aufgekaufte und somit erste altägyptische Sammlungsstück des Museums ist der Zedernholzsarg des Hed-bast-iru. Im angrenzenden ehemaligen, holzgetäfelten Besprechungsraum des Bankhauses erfährt der Besucher mehr über die nubischen Funde des Museums. Zu den bedeutenden Exponaten des Raumes zählen zwei filigrane Bronze-Gefäßständer aus dem Neuen Reich, die weltweit ihresgleichen suchen. Im zweiten Obergeschoss befindet sich ein großes Modell des Pyramiden- und Totentempelkomplexes des Pharao Sahure aus der 5. Dynastie um 2496 bis 2483 v. Chr. Dieses wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts von der Berliner Firma Gebrüder Stegemann geschaffen. Im benachbarten Schaumagazin wird eine Vielzahl archäologischen Grabungsmaterials mit themengebundenen Vitrinenabschnitten, etwa zur Keramikentwicklung im Alten Ägypten sowie Totenfigurinen und Göttern, gezeigt. Den Abschluss der Gesamtkonzeption bildet ein Raum zum Totenkult der Alten Ägypter. Dieser beherbergt u.a. einige in ihrer Wicklung und Verzierung vollständig erhaltene Mumien und ein Sargensemble.

Stand 26.09.2023

Bildergalerie - Ägyptisches Museum – Georg Steindorff – der Universität Leipzig

Mai, Karl Detlef

Tourismus-Innovator, Kultur-Manager, Ausstellungsgestalter,
geb. 3. Juni 1949 in Leipzig

Karl Detlef Mai hat der touristischen Erschließung des Leipziger Neuseenlandes einen starken Impuls gegeben. Als studierter Werbefachmann wandte er die Grundsätze der strategischen Kommunikation und der „heimlichen Verführung“ erfolgreich auf ein Gebiet an, von dem andere annahmen, dass es nur mühsam und zäh zu bewerben sei. Außerdem hütet er einen ererbten und zielstrebig vergrößerten Fotoschatz, dessen Wert mit dem Umbau der Stadt Leipzig, dem Landschaftswandel im Süden der Großstadt und der Tilgung von Spuren des jahrhundertelangen Bergbaus ununterbrochen steigt und sicher weiter steigen wird.

Vom Landschaftswandel angezogen


Der Einstieg von Karl Detlef Mai in die touristische Vermarktung der Braunkohleregion im südlichen Vorfeld von Leipzig besitzt zwei glasklare Koordinaten – AFB 17 und das Jahr 1997. Das Kürzel steht für die anfangs nur Bergleuten geläufige Abraumförderbrücke 17 und die Jahreszahl für den angestrebten und endlich erreichten Umschwung von aktiver Kohleförderung zum Umweltschutz und zur Gestaltung der Bergbaufolgelandschaften. Die AFB 17 im Tagebau Espenhain wurde 1997 gesprengt. Viele Aktivisten wollten wenige Jahre später den stählernen Koloss AFB 18 im Tagebau Zwenkau als technischen Zeugen für die Nachwelt retten – Bergbauspezialisten, Regionalpolitiker, Verfechter gelebter Industriekultur, Visionäre außergewöhnlicher Kunstprojekte. Die Entscheidung: Sprengung, aber mit Auflagen. Der Erinnerungsort Kap Zwenkau sollte entstehen. Mit Tränen in den Augen verfolgten auch 2001 nicht nur hunderte Bergleute aus sicherem Abstand das explosive Zusammensinken ihres einst verehrten, verfluchten, vertrauten, verklärten Arbeitsortes.

Bereits nach der Sprengung 1997 wusste Karl Detlef Mai – seit seinem Fernstudium an der Fachschule für Werbung und Gestaltung in Berlin von 1973 bis 1978 mit dem Instrumentarium der Branche bestens vertraut -, dass nicht nur die Bauwerke und Strukturen einer prägenden Industrieepoche verschwinden werden, sondern dass auch die intensive Umgestaltungsphase ein Verfallsdatum besitzt. Würde erst einmal buchstäblich Gras über den Abraumkippen wachsen und Wasser die Restlöcher der ausgekohlten Tagebaue füllen, wären auch die unmittelbaren Spuren des gigantischen menschlichen Eingriffs in die einstigen Naturräume einer neuen Ausformung gewichen. Wie die vielschichtigen Prozesse ablaufen – das sollten nicht nur viele Touristen als Zeitzeugen sehen und erleben, sondern auch Einwohner der Region, Schüler, Vereine, Fachleute und Journalisten. 

Der Mission Neuseenland verbunden


Tourismus – das sind doch attraktive Städte, wunderbare Landschaften und rauschende Festivals. Wer wollte daran zweifeln? Tourismus – das sind doch geschundene Landschaften, wüst staubende Feldwege und vor sich hin rottende Industrieareale – dachte Karl Detlef Mai und begann, in den fiebrigen, frühen 1990er Jahren die Braunkohleregion südlich von Leipzig für Besucher zu erschließen. Dieses Verdienst strahlt Wirkmacht bis heute aus. 

1992, da dominierte der aktive Bergbau weithin, unternahm Mai mit seinen Gästen unter den Fittichen eines erfahrenen Bergmanns eine erste Befahrung dieser verflochtenen Großstrukturen aus Schaufelrädern, Abraum- und Kohlezügen, hämmernden Brikettpressen und rauchenden Kraftwerken. Das klappte nur mit Sondergenehmigungen, die später mit MIBRAG, LMBV und weiteren Partnern vertraglich geregelt waren.

1998 startete Rundum Leipzig – Mai-Regio Tour. Inhaber Karl Detlef Mai hatte sich endgültig als Reiseveranstalter und Gästeführer etabliert. Bewusst richtete er in dem als ökologischen Katastrophenort gescholtenen Dreiskau-Muckern sein Besucherzentrum mit Ausstellung, Cafe und Shop ein. War es Katastrophentourismus mit Gruseleffekt? Eine solche Zuschreibung weist Karl Detlef Mai von sich. Denn um eine unkritische Zurschaustellung komplizierter bergbaulicher und technischer Abläufe ging es nie. Genetisch verwoben mit den Touren war immer der ökologische Aspekt, die aktive, tätige Rückgewinnung einer entstellten Landschaft und ihr engagierter Schutz für die heutige und für kommende Generationen. 

Wer da nicht alles kam und den Fortschritt auf Europas größter Landschaftsbaustelle konkret erleben wollte – Minister im Hubschrauber-Rundflug, Journalisten mit Themen-Instinkt und Expeditions-Attitüde, Touristen in Reisebussen oder in Geländewagen, Studenten entsprechender Fachrichtungen mit ihren Professoren auf Fußmärschen, Besucher auf den ersten Ausflugsschiffen, sobald die steigenden Wasserspiegel in den neuen Seen informative Kreuzfahrten ermöglichten. Immer vornweg: Karl Detlef Mai.

Apropos: Was früher Kohleregion hieß und in der Frühphase des Umbruchs flugs als Südraum Leipzig verortet wurde, brauchte eine touristische Marke mit Wiedererkennungswert. Leipziger Neuseenland – das war es, und das ist es. Mehrere Politiker drängten mit dem griffigen Wortspiel als die eigentlichen Schöpfer ins Rampenlicht. Karl Detlef Mai lächelte dann immer weise. Er kennt die wahre Geschichte des Begriffs Leipziger Neuseenland, besteht aber keineswegs auf fruchtlosen Urheber-Disputen, woher der Name kam und wer ihm zu Markenwert verhalf… 

Phönix-Touren mit Bergbau-Picknick fanden bis 2014 über 2.500 Mal statt und erreichten rund 140.000 Teilnehmer. Im Jahr 2002 zog sich ein legendärer Korso mit sieben Reisebussen entlang der neuen Uferlinien. Weil letztlich alle Teilnehmer den Inspirator und Organisator Karl Detlef Mai einmal aus der Nähe kennenlernen wollten, half nur, den umtriebigen Gästeführer an Aussichtspunkten zu erleben oder auch in einen weiteren Bus umsteigen zu lassen. Die Erläuterungen gab es auch schon zwischen zwei Bussen in Live-Übertragung. 

Dem Erbe verpflichtet


Mit dem Erreichen des Rentenalters gab Karl Detlef Mai 2014 sein Unternehmen an eine Nachfolgerin ab. Damit gewann er Zeit, seine seit 1980 betriebene Fotothek Mai Leipzig weiter zu systematisieren und zu erschließen. Der Grundstock dieses Foto-Universums geht auf den Vater Karl Heinz Mai zurück, der mit einer schweren Behinderung aus dem Zweiten Weltkrieg zurückgekehrt war und mit nimmermüder Energie zum Foto-Chronisten des Alltags seiner Heimatstadt Leipzig vor allem in der schweren Nachkriegszeit aufstieg. Sein Handicap, stets nur aus der eingeengten Perspektive des Rollstuhlfahrers fotografieren zu können, wandelte sich zu einer kreativen Herausforderung, und Bildband-Gestalter, Ausstellungs-Kuratoren und Kalender-Layouter sind bis heute erstaunt und begeistert, welche außergewöhnlichen Motive Karl Heinz Mai dabei fand und erschloss. 

Dem Sohn Karl Detlef Mai ist es zu verdanken, dass sich die historische Authentizität Leipziger Geschichtsabhandlungen und die Suche nach dem besonderen Bild für geplante Ausstellungen mit Fotos, die sein Vater angefertigt hat, und mit aktuellen Bildern, die weiterhin in die Fotothek aufgenommen werden, trefflich untermalen lässt. Wer irgendwann einmal in die Verlegenheit kam, ein verbal beschriebenes Ereignis mit einem wertvollen zeitgenössischen Foto illustrieren zu müssen, wird den Ideenreichtum und die rastlose, zügige Hilfsbereitschaft von Karl Detlef Mai noch jahrelang wertschätzen und loben. Und Bücher, die noch nicht auf dem Markt sind, deren Zeit aber gekommen ist, macht Karl Detlef Mai am liebsten selbst.

Bildergalerie - Mai, Karl Detlef

Spottrelief

Katharinenstraße 11
Ortsteil: Zentrum

Im Innenhof des 1706/07 durch Gregor Fuchs erbauten Fregehauses befindet sich ein Leipziger Spottbild aus der Reformationszeit. Die Herkunft des Reliefs aus dem Jahr 1535 ist ungewiss. Es dürfte Bestandteil eines Architekturteiles gewesen sein, das vermutlich noch vom 1535 errichteten Vorgängerbau des Fregehauses stammt. Nach dessen teilweisen Abriss wurde es wahrscheinlich in den 1707 eröffneten Neubau integriert. Gefunden wurde das Spottrelief bei Sanierungsarbeiten in den 1980er Jahren am südlichen Seitengebäude. Das Relief besteht aus Sandstein und besitzt eine Größe von 70 x 46 cm. Es ist eine volkstümliche Bildhauerarbeit, die eine ungewöhnliche Komposition besitzt, denn die abgebildeten Figuren reichen in zeittypischer Weise über die Kehle des Rahmens hinaus. 

Bei der Interpretation der dargestellten Personen gibt es mehrere Deutungsversuche. Die links abgebildete Person könnte Papst Leo X. sein, der mit einer Tiara bekrönt ist. Ihm rechts gegenüber vermutet man Kaiser Karl V., unter dem Martin Luther in Mönchskleidung liegt. In einer anderen Version wird die bürgerlich gekleidete rechte Person mit Philipp Melanchthon identifiziert, der gegenüber dem Papst Luthers Stelle einnimmt und sich über dem Mönch und Ablasshändler Johann Tetzel erhebt. Da, außer dem Papst, die beiden anderen Personen nicht klar identifizierbar sind, sind beide Versionen anfechtbar. Für das zur damaligen Zeit vorprotestantische Leipzig existiert noch eine dritte Version. Dabei stellt der Mann mit dem roten Barett einen Bürger oder Gelehrten dar, der eine antimönchische Meinung vertritt. Es könnte sich in diesem Fall auch um die politische Meinung des wahrscheinlichen Bauherrn Lucas Straube d. Ä. handeln. 

Bei der Restaurierung des Reliefs Anfang der 1980er Jahre stieß man nach der Entfernung von sieben Übermalungsschichten auf die ursprüngliche Farbfassung. Die Restauratoren entschieden sich für die Rekonstruktion dieser Fassung, ohne den Zustand der Alterung ganz zu vernachlässigen. Die ursprüngliche Bemalung bestand aus kräftigen, leuchtenden Farben.

Bildergalerie - Spottrelief

Schumann-Haus Leipzig

Inselstraße 18
Ortsteil: Zentrum-Ost

Das Schumann-Haus Leipzig wurde 1838 von Friedrich August Scheidel im Stil des Klassizismus errichtet. Es diente dem Künstlerpaar Robert Schumann und Clara Schumann (geb. Wieck) zwischen 1840 und 1844 als Wohnhaus. Heute herbergt das Haus die Freie Grundschule „Clara Schumann“, den Schumann-Verein Leipzig e.V. sowie die Rahn Dittrich Group. In der einstigen Schumann-Wohnung befindet sich das Schumann-Museum mit der Dauerausstellung „Experiment Künstlerehe“.

Vom der Süßwaren-Fabrik zum Schumann-Museum


Das Schumann-Haus in der Inselstraße 18, ehemals Inselstraße 5, ist von großer musik-sowie architekturgeschichtlicher Bedeutung und blickt auf eine wechselhafte Historie zurück. Die Inselstraße befand sich auf einer der Hauptachsen der in den 1830er Jahren in Leipzig entstehenden städtebaulichen Erweiterung. Private Investoren parzellierten und erschlossen zu dieser Zeit ihre Gartengrundstücke entlang des regelmäßig verlaufenden Straßennetzes, welche die neu entstandene Friedrichstadt und die Marienstadt begrünten. Die Viertel zeichneten sich durch ihre „lieblichen und großartigen Gebäude, durch ihre schönen Gärten und ihre breiten Straßen“ aus. Im Jahr 1838 entschloss sich der Maurermeister Friedrich August Scheidel in der damaligen Inselstraße 5 zum Bau eines dreigeschossigen Bürgerhauses mit reich gestalteter Fassade im Stil des Klassizismus, welches ihm als Wohnhaus dienen sollte. 

Nach ihrer Heirat am 12. September 1840 in der Kirche Schönefeld bezogen Robert und Clara Schumann das neu errichtete Haus als ihr erstes gemeinsames Domizil in dem aufstrebenden Stadtteil, wo sie bis zum Umzug nach Dresden 1844 wohnten. Die Schumanns lebten in einer der beiden Wohnungen im ersten Stock, die sie sich mit einer weiteren Familie teilten. Die aus acht Zimmern, einem Saal, einigen Kammern und Wirtschaftsräumen bestehende Wohnstätte beschrieb Clara selbst als „kleines, aber trauliches, freundliches Logis“. Im Jahr 1887 siedelte sich im Schumann-Haus die Kakao-, Schokoladen-, Konfitüren- und Honigkuchenfabrik Schwarz & Große an. 1910 entstand ein großflächiges neues Fabrikgebäude, in dessen repräsentatives Torgebäude das Schumann-Haus mit einbezogen wurde. Das Gebäude überstand den Zweiten Weltkrieg weitestgehend unbeschadet, jedoch geriet es in Vergessenheit und verfiel zu DDR-Zeiten immer mehr. Bis in die 1990er Jahre wies lediglich eine unscheinbare Tafel an der Wand des sich im Privatbesitz befindlichen Areals auf dessen Geschichte hin. Im Jahr 1999 wurde das Schumann-Haus von der Rahn Dittrich Group gekauft, welche es vor dem Verfall bewahrte und unter strengen denkmalpflegerischen Gesichtspunkten umfassend sanierte. Seit 2014 ist das Schumann-Haus im Besitz der Europäischen Stiftung für Bildung und Kultur der Rahn Dittrich Group und beherbergt neben der Freien Grundschule „Clara Schumann“ auch den Schumann-Verein Leipzig e.V. In der einstigen Schumann-Wohnung befindet sich heute das Schumann-Museum mit der multimedialen Dauerausstellung „Experiment Künstlerehe“. Die übrigen Räume der Wohnung werden von der Freien Grundschule „Clara Schumann“ mit künstlerisch-musischem Schwerpunkt und der gleichnamigen Musikschule genutzt. Das Schumann-Haus stellt heute eine einzigartige Symbiose aus Ausbildungsstätte, Museum und Veranstaltungsort dar und zählt zu den wenigen erhaltenen Beispielen klassizistischer Architektur in Leipzig. Es ist zudem eine Station auf der Leipziger Notenspur.

Repräsentativer Klassizismus im Grünen


Die für den Stil charakteristische klare bauliche Gliederung des Schumann-Hauses zeigt sich in den deutlich voneinander abgesetzten drei Geschossen, welche durch einen ornamentalen Fries betont werden. Typisch für den Zeitgeist sind auch die von Etage zu Etage variierenden Fensterbedachungen. Aus der Fassadenfront tritt ein markanter Mittelrisalit mit sechs Pilastern und dazwischen angeordneten Reliefplatten hervor, welche antike Szenen darstellen. Oberhalb einer Toreinfahrt tragen vier schlicht gehaltene Konsolen einen dreiachsigen Balkon mit einem für den Zeitgeist typischem Rautengitter auf Höhe der Schumannschen Wohnung. Über dem Balkon erheben sich fünf kannelierte Pilaster mit korinthischen Kapitellen.

„Experiment Künstlerehe“ am authentischen Ort


In den Räumlichkeiten der einstigen Schumann-Wohnung befindet sich heute ein Museum, welches das Leben und Wirken von Robert und Clara Schumann während ihres vierjährigen Leipzig-Aufenthalts klanglich und visuell veranschaulicht. Dabei handelt es sich um das erste Museum für ein Musikerpaar, welches sich auf Augenhöhe begegnet und deren Lebensläufe nebeneinander dargestellt werden. Anlässlich des 200. Geburtstages von Clara Schumann wurde 2019 die Dauerausstellung „Experiment Künstlerehe“ eröffnet und es entstand ein neues multimediales Museumskonzept. Die Ausstellung illustriert in sechs thematischen Räumen die Herausforderungen und Themen des Ehelebens der Schumanns. Im Mittelpunkt stehen die in Leipzig entstandenen Ehe-Tagebücher und der gemeinschaftlich komponierte Liederzyklus „Liebesfrühling“.

Der historische Schumann-Saal mit seiner originalen Ausmalung verkörpert den damaligen Zeitgeist und lässt die Tradition des musikalischen und literarischen Salons wieder aufleben, in welchem sich das kulturelle Leben der Schumanns abspielte. Hier begrüßte dasKünstlerpaar namhafte Gäste, darunter Hans Christian AndersenFranz LisztFelix Mendelssohn BartholdyRichard Wagner und Hector Berlioz. Die Zeit in Leipzig markierte für die Schumanns zudem die Blütezeit ihres künstlerischen Schaffens: es wurde gemeinsam musiziert, komponiert und uraufgeführt. Robert Schumann komponierte drei Streichquartette, zwei Sinfonien, das Oratorium „Das Paradies und die Peri“ sowie die Lieder von „Frauenliebe und Leben“ und die „Kerner-Lieder“. Die wohl bekanntesten Stücke sindRobert Schumanns „Frühlingssinfonie“, welche im Gewandhaus zu Leipzig uraufgeführt wurde, sowie der gemeinsam komponierte Liederzyklus „Liebesfrühling“. Auf ausgewählten Stühlen, welche sich um den Flügel in der Raummitte gruppieren, kann man über Infrarot-Lautsprecher den Porträts von Zeitgenossen der Schumanns, darunter Claras Mutter Mariane Bargiel, lauschen. An einer Wand im Schumann-Saal hängt das berühmte Relief von Ernst Rietschel aus dem Jahr 1846 in Form eines Doppelporträts von Clara und Robert Schumann. Dieses gilt als besonders lebensnah und authentisch. Im neben dem Schumann-Saal befindlichen „Reisekabinett“ können die zwei von Leipzig ausgehenden Konzertreisen der Schumanns nach Dänemark und Russland nachvollzogen werden. Im „Ausbildungskabinett“ ist unter anderem „Claras Hand“ ausgestellt. Dabei handelt es sich um eine von Erwin Stache auf Basis eines Gipsabdrucks von Clara Schumanns Hand geschaffene Klanginstallation. Im einstigen Arbeitszimmer Robert Schumanns, dem „Ehe-Experimentierraum“, verwandeln visualisierte Features von Magdalene Melchers den Raum mittels sechs Beamern in die Themenschwerpunkte Liebe und Kunst, Kinder und Geld. Im von Erwin Stache geschaffenen „Klangraum“ lassen die von der Decke hängenden Gegenstände Töne oder ganze Musikstücke erklingen. Im „Hörkabinett“ können Besucher den von Robert und Clara Schumann in Leipzig komponierten Werken lauschen.

Bis 2020 veranstaltete das Schumann-Haus jährlich im September die Schumann-Festwoche. Statt dieser findet seit 2021 die Veranstaltungsreihe „Con spirito – Das Leipziger Kammermusikfestival“ statt. An acht Tagen finden acht Konzerte in historischen Wohn- und Wirkungsstätten von Komponisten statt, die die Leipziger Musiktradition entscheidend prägten. Zu den Austragungsorten zählen neben dem Schumann-Haus auch die Thomaskirche, das Bach-Museum und die Alte Nikolaischule.

Bildergalerie - Schumann-Haus Leipzig

Schillerhaus

Menckestraße 42
Ortsteil: Gohlis-Süd

Das 1717 im Stil eines typischen Bauernhauses erbaute Schillerhaus diente von Mai bis September 1785 als Quartier für Friedrich Schiller. Dabei handelt es sich um die älteste Literaturgedenkstätte Deutschlands. Das Schillerhaus ist das einzige erhaltene Bauernhaus im Leipziger Stadtgebiet aus dem frühen 18. Jahrhundert. Es ist ein Bestandteil des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig.

Der Lockruf aus Leipzig


Die Geschichte des Schillerhauses im Stadtteil Gohlis reicht bis ins frühe 18. Jahrhundert zurück. Das Gebäude wurde 1717 als Wohnstallhaus auf einem typischen kleinbäuerlichen Anwesen als Dreiseitenhof nach mitteldeutschem Vorbild im Dorf Gohlis erbaut. Ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden Teile des Hauses als Sommerquartier vermietet. Zu seinen berühmten Gästen zählte kein Geringerer als Friedrich Schiller. Die Ankunft des damals 25-jährigen Dichters in Leipzig am 17. April 1785 markierte einen tiefen Einschnitt in seiner persönlichen und künstlerischen Entwicklung. Hinter Schiller lagen gescheiterte Projekte und unglückliche Verbindungen, darunter die unbefriedigende Arbeit als Regimentsmedicus im Dienste Karl Eugens von Württemberg und eine desillusionierende Tätigkeit als Theaterdichter in Mannheim. Persönliche Sorgen und Zerwürfnisse mit Schauspielern verschlimmerten neben seiner längeren Krankheit und seinen Schulden die Lage. Die Einladung seines Leipziger Freundeskreises rund um den Juristen Christian Gottfried Körner stellte für Schiller eine unverhoffte Möglichkeit dar, sein Leben neu zu ordnen und eine gesicherte Existenz als Dichter aufzubauen. Zudem beteuerte Körner, dass Schiller im weltoffenen Leipzig bewundert werden würde. Aber erst eine Geldsendung von Körner ermöglichte Schiller schließlich die Reise nach Leipzig. Da sich Körner bei Schillers Ankunft aus beruflichen Gründen in Dresden aufhielt, lernten sich beide erst am 1. Juli 1785 auf dem Rittergut Kahnsdorf bei Borna persönlich kennen, welches dem Theologen und Philologen Johann Christian Gottlieb Ernesti, einem Verwandten Körners, gehörte. 

Schillers schaffensfrohe Sommermonate in Gohliser Landidylle


In Leipzig verweilte Schiller zunächst im – für seine Verhältnisse – teuren Gasthof Blauer Engel in der Petersstraße 20 und am Folgetag im Gasthaus Kleines Joachimsthal in der Hainstraße 5. Der Verlagsbuchhändler Georg Joachim Göschen, der ebenfalls zu Körnersengem Freundeskreis zählte, vermittelte Schiller Anfang Mai 1785 ein Zimmer im Haus des Bauern Christoph Schneider im Dorf Gohlis nordwestlich von Leipzig. Im Sommer 1785 lebte Göschen selbst in der Stube im Erdgeschoss des Bauernhauses. 
Dem jungen Schiller und seiner Sehnsucht nach ländlicher Idylle kam die Wohnstätte sehr gelegen. Dank seiner Lage fernab der rauchenden Kamine und übelriechendenWassergräben des Stadtzentrums war Gohlis die Sommerfrische der Stadtbewohner. In einem Brief nach Mannheim am 24. April 1785 schrieb Schiller: „Ich werde auch einige Monate in dem Orte Goliz zubringen, der nur eine Viertelmeile von Leipzig entlegen ist, und wohin ein sehr angenehmer Spaziergang durch das Rosental führt. Hier bin ich willens, sehr fleißig zu seyn, an dem Karlos und der Thalia zu arbeiten…“. Schillers Aufenthalt in Leipzig markierte eine der unbeschwertesten Zeiten seines Lebens, welche sich auch in seinen künstlerischen Werken widerspiegelte. So verfasste er hier seine Werke „Don Carlos“ und seine weltberühmte Ode „An die Freude“, die von Ludwig van Beethoven vertont wurde. Nach seiner Abreise am 11. September 1785 verweilte Schiller noch bis Juli 1787 als Körners Gast in Dresden und kehrte in den Folgejahren mehrmals nach Leipzig zurück.

Vom unscheinbaren Bauernhaus zur ältesten Literaturgedenkstätte Deutschlands


Erst im Jahr 1841 wurde das einstige Bauernhaus in Gohlis als jenes identifiziert, in dem Schiller im Sommer 1785 gewohnt hatte und die Anbringung einer Gedenktafel an einer vor dem Grundstück errichteten steinernen Ehrenpforte veranlasst. Diese wurde am 11. November 1841 enthüllt. Dass die Erinnerungen an das unscheinbare Gohliser Bauernhaus erhalten blieben, ist dem Wirken des Leipziger Schillervereins zu verdanken. Dieser wurde am 24. Oktober 1842 unter der Leitung des Schriftstellers Robert Blum gegründet, der anlässlich Schillers Geburtstags bereits 1840 eine öffentliche Feier ausrichtete. 1848 wurdenim Innern eine Gedenkausstellung eingerichtet sowie jährliche Schillerfeste durchgeführt. Das Schillerhaus wurde zur ersten Literaturgedenkstätte Deutschlands. Der Schillerverein verhinderte 1856 den vorgesehenen Abbruch des Hauses und erwarb dieses 1856 käuflich. Damit bewahrte er neben der Gedenkstätte auch ein eindrucksvolles Denkmal mitteldeutscher ländlicher Architektur. 

1857 bis 1858 gab es erste bauliche Veränderungen des Dreiseitenhofes. Die Scheune und die Toranlage wurden abgebrochen und umfassende Sanierungsarbeiten im Gebäudeinnern vorgenommen. Im Laufe der Jahrhunderte litt die historische Bausubstanz erheblich. 1995 musste das Schillerhaus schließlich wegen Einsturzgefahr geschlossen werden. Dank zahlreicher Fördermittel und Spendengelder erfolgte 1997 eine denkmalgerechte Sanierung. So konnte das Schillerhaus am 28. Oktober 1998 als Außenstelle des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig mit einer neuen Ausstellung wieder eröffnen. Im Jahr 2002 wurde der Bauerngarten nach historischem Vorbild rekonstruiert.

Göschenzimmer, Bauernstube und Schillerstube im frühklassizistischen Zeitgeist


Das Schillerhaus beherbergt heute eine neu gestaltete Dauerausstellung, welche mehr als 100 Exponate umfasst und Schillers Leben und Wirken in den historischen Gemäuern lebendig werden lässt. Das Schillerhaus als Hauptbau und gleichzeitig Wohnteil des einstigen Dreiseitenhofes beherbergte im Erdgeschoss eine größere und kleinere Stube und die Küche. Bei der kleineren Stube rechts vom Eingang, dem „Göschenzimmer“, handelte es sich einst um einen Stall, der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zum Sommerquartier umgebaut wurde. In dem Raum befindet sich auch ein detailreiches Modell vom Dorf Gohlis im 18. Jahrhundert. Der alte Siedlungskern des einstigen Gassendorfes hat sich bis heute zum Teil erhalten. Die benachbarte Küche wurde 1717 ursprünglich als Flurküche eingerichtet, deren originaler Rauchhut noch heute gut erkennbar ist. Die Trennwand zum Flur entstand 1857, die frühklassizistische rötliche Wandfarbe entspricht dem historischen Vorbild. Die „Bauernstube“ links neben der Küche gibt Auskunft über Schillers Freundes- und Bekanntenkreis rund um Christian Gottfried Körner. 

Über eine schmale Treppe gelangt man ins Obergeschoss mit der „Schillerstube“ und zwei Schlafkammern. In der linken Schlafkammer wurde die frühklassizistische Ausmalung aus Schillers Zeit nach historischen Befunden rekonstruiert, während die rechte Schlafkammer monochrom grau ausgemalt war. Die Räume geben Einblicke in das Wirken des Schillervereins zu Leipzig. Gegenüber befindet sich die „Schillerstube“ mitsamt der benachbarten kleinen Schlafkammer, welche erst Mitte des 18. Jahrhunderts entstand. In diesen zwei Räumen logierte Schiller 1785. Zu Schillers Zeiten waren die Zimmerwände und Kammern entsprechend dem Frühklassizismus gegliedert und farbig gestaltet. Die weißgekalkten Wandflächen stellten einen wirkungsvollen Kontrast zu den mit roten Holzlasuren gefassten Decken und Türen dar. Rechts neben der Tür zur Schillerstube befindet sich eine Büste Friedrich Schillers. Der Gipsabguss wurde vom Bildhauer Johann Heinrich Dannecker, einem Freund des Dichters aus der gemeinsamen Schulzeit, während Schillers Aufenthalt in Stuttgart 1794 modelliert. Ein Highlight in der Schillerstube ist die in einer Vitrine ausgestellte originale Weste Schillers um 1800. Diese gelangte als Geschenk von Schillers ältestem Sohn Karl in den Besitz des Schillervereins nach Leipzig und wurde 1841 erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. 

Das Schillerhaus empfängt Besucher zu Konzerten, Lesungen, Theateraufführungen und zahlreichen anderen Kulturveranstaltungen. Im Bauerngarten finden Sommertheater-Aufführungen statt.

Bildergalerie - Schillerhaus

Historisches Bildmaterial - Schillerhaus

Russische Gedächtniskirche

Philipp-Rosenthal-Straße 51a
Ortsteil: Zentrum-Südost

Die Russisch-Orthodoxe Gedächtniskirche St. Alexej wurde 1913 nach Entwürfen des St. Petersburger Architekten Wladimir Alexandrowitsch Pokrowski erbaut. Sie erinnert an diewährend der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 rund 22.000 gefallenen russischen Soldaten.Insgesamt kämpften 130.000 russische Soldaten für die Befreiung Deutschlands gegen Napoleon.

Die vergoldete Schwester des Völkerschlachtdenkmals


Von der Völkerschlacht bei Leipzig im Jahr 1813 berichten nicht nur Bücher und Filme, sondern davon zeugen auch mehr als 150 Monumente in Leipzig, darunter die Apelsteine, das Völkerschlachtdenkmal, der Napoleonstein, das Kugeldenkmal sowie zahlreiche Gedenkstätten wie das Museum Forum 1813. Dass es sich bei der schon von Weitem sichtbaren Russischen Gedächtniskirche mit ihren weißen Gemäuern und der goldenen Zwiebel-Kuppel ebenfalls um ein Denkmal zur Völkerschlacht handelt, vermutet der Leipzig-Besucher wohl eher nicht.

Die Geschichte der über 100-jährigen Kirche geht auf das späte 19. Jahrhundert zurück. Zu dieser Zeit wurde von jenen deutschen Ländern, die auf der Seite Napoleons vom 16. bis 19. Oktober 1813 während der Völkerschlacht bei Leipzig gegen die alliierten Österreicher, Preußen, Russen und Schweden kämpften, beschlossen, zum Bau des Völkerschlachtdenkmals beizutragen. Der Bau des Kolossaldenkmals war schon weit fortgeschritten, als man in St. Petersburg erwog, ein eigenes Denkmal zu Ehren der 22.000 russischen Gefallenen zu errichten. Während die Deutschen mit dem Völkerschlachtdenkmal ein heldisches nationales Monument bauten, entschied sich das 1910 einberufene russische Baukomitee für die Errichtung einer Gedächtniskirche. Damit sollte der Tod der Gefallenen in Relation zum himmlischen Reich und der Ewigkeit gesetzt werden. Das rund 2.500 Quadratmeter große Baugelände an einem der einstigen Schauplätze der Schlacht stellte die Stadt Leipzig unentgeltlich zur Verfügung. Die Baukosten in Höhe von einer Million Markwurden von russischer Seite zur Hälfte durch Spenden und zur Hälfte durch Zar Nikolaus II.getragen.

Mit dem Entwurf für den Bau der Gedächtniskirche wurde der St. Petersburger Architekt Wladimir Alexandrowitsch Pokrowski beauftragt, der sich an der Christi-Himmelfahrts-Kirche am Moskauer Stadtrand in Kolomenskoje orientierte. Diese entstand im 16. Jahrhundert im Nowgoroder Stil. Den Bau leiteten vor Ort die Leipziger Architekten Georg Weidenbach und Richard Tschammer. Nach der Grundsteinlegung am 28. Dezember 1912 und der nur zehnmonatigen Bauzeit wurde die Russische Gedächtniskirche am 17. Oktober 1913, zum 100. Jahrestag der Völkerschlacht und einen Tag vor der Eröffnung desVölkerschlachtdenkmals, eingeweiht. 1927 gründete sich hier eine russische-orthodoxe Gemeinde. Mit Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 wurden die Kirche und die Gemeinde dem Patriarchen von Russland und ganz Moskau unterstellt.

Ein Stück russisches Zarenreich inmitten der Messestadt


Die Russisch-Orthodoxe Gedächtniskirche St. Alexej ist heute ein bedeutendes Kulturdenkmal, bestehend aus einer Winter- und einer Oberkirche. Das Kirchengebäude erhebt sich auf einem quadratischen Untergeschoss, welches von einem Arkadengang umgeben ist. Es beherbergte einst eine Bibliothek und wurde 1927 zur Winterkirche umfunktioniert, die dem Heiligen Panteleimon geweiht war. Ein aus Sandstein geschaffenes und reich ornamentiertes Rundbogenportal bildet den Eingang der Winterkirche. Es wird vonzwei steinernen Kriegsgedächtnistafel gerahmt, welche die Zahlenstärken der in der Völkerschlacht aufmarschierten und gefallenen Soldaten der österreichischen, preußischen, schwedischen und russischen Armeen in russischer und deutscher Sprache auflisten. 2003 wurde etwa 60 Meter westlich des Haupteingangs der Baschkiren-Gedenkstein ergänzt, welcher an die Teilnahme der baschkirischen Soldaten an der Völkerschlacht bei Leipzig erinnert.

Eine barock gestaltete, zweiflügelige Freitreppe führt auf die Plattform zum Hauptportal der Oberkirche. Über dem Eingang befindet sich zwischen zwei vergoldeten Engel-Reliefs dieMosaik-Ikone des Christus. Von der Rückseite der Kirche aus gelangt man in die Gruftkapelle. Hier befinden sich die Särge hoher russischer Offiziere, die auf den Schlachtfeldern 1813 fielen sowie ein Sarkophag mit den sterblichen Überresten unbekannter russischer Soldaten. Die weiß verputzte Kirche wurde nach dem Vorbild russischer Zeltdachkirchen geschaffen. Sie verkörpert mit ihrem sechzehneckigen, 55 Meter hohen Stahlbetonturm, den grün patinierten Kupferflächen und der bekrönenden vergoldetenZwiebelkuppel russische Kunst und geistige Kultur gleichermaßen.

Das Zarentor vor der größten Ikonenwand Westeuropas


Das Hauptgeschoss der Kirche ist in eine Vorhalle mit einem darüber befindlichen Glockengeschoss, einen Hauptraum und ein dreiapsidiales Sanktuarium eingeteilt. In der Vorhalle befinden sich zwei alte, aufwändig bestickte Fahnen, welche entgegen einiger Überlieferungen nicht vom Schlachtfeld stammen, aber dennoch einen Bezug zur Völkerschlacht haben. Bei ihnen handelt es sich um Requisiten aus Sergej Bondartschuksmonumentaler Tolstoi-Verfilmung „Krieg und Frieden“. 

Besonders beeindruckend ist der kleine Innenraum der Oberkirche mit einer gewaltigen Höhe von rund 40 Metern. Eine 18 Meter hohe und 10 Meter breite Ikonenwand, auch Ikonostase genannt, mit 78 handgemalten Ikonen dominiert den Raum. Bei der Ikonostase handelt es sich um eine mit mehreren Ikonen geschmückte Wand mit drei Türen, welche das innere Kirchenschiff vom Altarraum trennt. Die Ikonenwand in der Russischen Gedächtniskirche zählt zu den größten ihrer Art außerhalb Russlands. In sieben Reihen sind die Engel, Apostel, Propheten, Heiligen, die Mutter Maria, Jesus Christus und der Gottvater abgebildet. In der Mittelachse oberhalb des zum Altar führenden Zarentors befinden sich die Bildnisse Christi, Marias und des Gottesvaters Zebaoth, dem sich alle Dargestellten dienend und anbetend zuwenden. Das sakrale Kunstwerk wurde vom Moskauer Maler Luka Martjanowitsch Jemeljanow nach altrussischem Vorbild geschaffen und war ein Geschenk der Donkosaken zur Einweihung der Kirche. Die gemalten Ikonen wurden mit Silberarbeiten aus einer der einst bedeutendsten Werkstätten, der Moskauer Firma Iwan Chlebnikow, ausgeschmückt. Das Zarentor wird von den gemalten Ikonen Jesu Christi und der Gottesmutter Smolensk flankiert. Letztere gilt als echte Rarität und stellt ein besonders wertvolles Detail der Ikonostase dar. Dabei handelt es sich um einen in der russischen Ikonenmalerei oftmals dargestellten Typus, welcher der Überlieferung nach auf den Evangelisten Lukas zurückgehen soll. Die an einigen Stellen verblasste und eingerissene Ikonenwand wurde 2016 bis 2018 umfassend saniert und erstrahlt seitdem in neuem Glanz. Oberhalb der Ikonostase befindet sich ein vom russischen Zaren gestifteter und etwa 800 Kilo schwerer bronzener Kronleuchter mit 72 Lampen aus Smalte. 

Die Russische Gedächtniskirche unmittelbar neben dem Friedenspark dient heute nicht nur als Denkmal, sondern ist auch Gotteshaus für die russisch-orthodoxe Gemeinde, die aus über 300 Mitgliedern unterschiedlicher Nationalitäten besteht.

Bildergalerie - Russische Gedächtniskirche

Historisches Bildmaterial - Russische Gedächtniskirche

Panometer Leipzig

Richard-Lehmann-Straße 114
Ortsteil: Connewitz

Das Panometer Leipzig präsentiert seit 2003 die weltweit größten 360°-Panoramen des Künstlers Yadegar Asisi. Die wechselnden Panoramen mit entsprechender Licht- und Tonkulisse und thematischen Begleitausstellungen lockten seit der Eröffnung Millionen Besucher in den ehemaligen Gasometer von 1910.

Der Weg zur Lichtenergie in der Messestadt


Was von Weitem an die imposante Kulisse des Kolosseums in Rom erinnert, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als ehemaliges Gasometer von 1910 und zugleich Zeitzeuge der wechselvollen Leipziger Energiegeschichte. Nachdem zahlreiche europäische Städte von der Öl- auf die Gasbeleuchtung umstellten, schloss sich auch Leipzig dieser Entwicklung an. Der Stadtrat beauftragte 1836 den Dresdner Ingenieur Rudolf Sigismund Blochmann mit dem Bau einer Gasbeleuchtungsanstalt. Nur zwei Jahre später wurde der Betrieb in Leipzigs erstemGaswerk in der Sandgrube vor dem Gerbertor aufgenommen und es entstanden die ersten Gaslaternen auf dem Markt, auf dem Brühl, in der Katharinenstraße sowie in der Gerber- und Hallischen Straße. Da das Gaswerk in den 1860er Jahren an seine Kapazitätsgrenzen stieß, veranlasste der Stadtrat den Bau eines weiteren Gaswerks in der Kaiserin-Augusta-Straße, der heutigen Richard-Lehmann-Straße. Das Gaswerk II wurde von 1882 bis 1885 nach Plänen von Georg Wunder errichtet und nahm am 18. August 1885 seinen Betrieb auf. Es repräsentierte den damaligen technischen Zenit der Gaserzeugung mittels Steinkohle. Die Anlage wurde bis 1910 in vier Bauabschnitten erweitert und konnte eine Tageshöchstleistung von 120.000 Kubikmeter erbringen.

Vom Gasometer zum Panometer


Im Zuge der Industrialisierung wuchs der Bedarf nach elektrischer Energie rasant, jedoch war es bis dato nicht zu bewerkstelligen, das erzeugte Gas kontinuierlich und zeitnah bereitzustellen. Eine Lösung sah man im Bau von Teleskop-Gasspeichern, sogenannten Gasometern, welche große Mengen an Gas mit konstantem Druck bevorraten konnten. Das Gaswerk II verfügte zwischenzeitlich über bis zu vier dieser Gasometer, wovon drei mit einer gemauerten Fassade ausgestattet waren. Zahlreiche Leipziger Vorort-Gaswerke wurden stillgelegt und durch das 1929 zum Zentralgaswerk ausgebaute Gaswerk II ersetzt. Es entwickelte sich zu einer wichtigen Wirtschaftskraft und förderte die neue Unabhängigkeit vom Tageslicht. 1935 brannten in Leipzig bereits rund 53.000 Gaslaternen.

Durch den Bombenangriff auf Leipzig am 4. Dezember 1943 wurden zahlreiche Betriebsstätten der Stadtwerke zerstört und die Gasproduktion konnte erst 1945 sukzessive wieder aufgenommen werden. Zwischen 1952 und 1977 wurde das Zentralgaswerk nach dem deutschen Kommunisten Max Reimann benannt und als „Gaskokerei Max Reimann“ geführt. An ihn erinnert bis heute die Max-Reimann-Büste vor dem Panometer I. 

Die Gasometer I und II wurden noch bis 1977 zur Speicherung des produzierten Stadtgases genutzt und schließlich nach 92-jähriger Betriebszeit stillgelegt. Während das Zentralgaswerk abgerissen wurde, blieben die Gasometer I und II sowie zahlreiche Werkstätten und Verwaltungsbauten verschont. Auf dem Areal des ehemaligen Zentralgaswerks befindet sich heute die Verwaltung der Stadtwerke Leipzig. Um die historischen Gasometer vor dem Verfall zu bewahren, wurden durch die Stadtwerke 2002/2003 umfangreiche Sanierungsarbeiten durchgeführt. In diese bezog man auch den Künstler und Architekten Yadegar Asisi ein. Dieser hatte die mutige Idee, die riesigen Mauerwerksflächen für monumentale Panoramabilder zu nutzen. Seit 2003 zeigt Asisi nun im ehemaligen Gasometer II seine außergewöhnlichen Ausstellungen und machte damit das Industriedenkmal unter dem Namen „Panometer“ weltweit bekannt. Bei „Panometer“ handelt es sich um ein Kunstwort aus „Panorama“ und „Gasometer“. Mit der Präsentation seiner Panoramen erweckte Asisi eine Tradition zu neuem Leben, denn in Leipzig gab es mit dem Panorama am Roßplatz über 60 Jahre einen Bau, in dem Panoramabilder gezeigt wurden. Er wurde im Zweiten Weltkrieg 1943 zerstört. Unmittelbar neben dem Panometer befindet sich der Gasometer I. Dieser wurde von 2009 bis 2012 als „Arena am Panometer“ wiederbelebt und bietet seitdem als Kulturstätte eine einmalige Open-Air-Atmosphäre.

360°-Panoramen im Industriedenkmal


Die imposante und stadtbildprägende Kulisse des Panometers im Stadtteil Connewitz misst eine Höhe von rund 50 Metern vom Boden bis zur Spitze der Laterne auf dem Kuppeldach. Das zylinderförmige Industriedenkmal wurde in massiver Ziegelbauweise errichtet, dessen Mauern stellenweise rund 1,50 Meter dick sind. Die Außenfassade wurde aus gelben Klinkersteinen gefertigt und wird durch die farblich abgesetzten roten Klinker auf Höhe des Erdgeschosses, den Fenstern und den Gesimsen ergänzt. Die Bauweise entsprach den Ansprüchen des damaligen Stadtbaudirektors Hugo Licht, technische Anlagen in der Stadt in einem architektonisch und ästhetisch anspruchsvollen Bauwerk einzubetten. Die Außenfassade der vier Stockwerke zieren 125 gleichmäßig angeordnete Bogenfenster. Auf Höhe desErdgeschosses ist noch heute das Gasometer, das eigentliche Messgerät des einstigen Gasspeichers, angebracht. Die kreisrunde Konstruktion und der Durchmesser von ca. 57 Metern ermöglichten es Yadegar Asisi, das Gebäude zum modernen Ausstellungsraum für seineweltgrößten 360°-Panoramen umzufunktionieren. Die 32 Meter hohen Rundbilder mit einer entsprechenden Licht- und Tonkulisse widmen sich wechselnden Themen, welche durch Begleitausstellungen und Making-Of-Filme ergänzt werden. Durch die sehr hohe Auflösung der Panoramen kann sich der Besucher auch mit einem Fernglas auf eine Entdeckungstour nach Bilddetails begeben.

Tropische Natur und Altes Rom im industriekulturellen Flair


Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums zur Erstbesteigung des Mount Everest im Mai 2003 wurde die erste Ausstellung „EVEREST“ von 2003 bis 2005 im Panometer gezeigt. Das Panoramabild entführte die Besucher zu einer Expedition in das 6.000 Meter hohe „Tal des Schweigens“ im Himalaya-Gebirge. Von 2005 bis 2009 war das Panorama „ROM 312“ zu sehen, welches die prächtige Hauptstadt des römischen Reichs im Jahr 312 n. Chr. präsentierte. In „AMAZONIEN“ konnten sich die Besucher von 2009 bis 2012 auf eine Expedition in die südamerikanischen Tropen begeben und die faszinierende Artenvielfalt bewundern. Anlässlich des 200. Jubiläums der Völkerschlacht wurde im Panorama „LEIPZIG 1813“ von 2013 bis 2015 die Szenerie von Leipzig unmittelbar nach dem Ende der Völkerschlacht 1813 gezeigt. Vom Dach der Thomaskirche bot sich ein Blick auf das Geschehen in den Straßen mit Soldaten, Geflüchtetensowie Verletzten, die man in offenen Lazaretts versorgte. Von 2015 bis 2017 wurde in „GREAT BARRIER REEF“ die einzigartige Unterwasserwelt des Korallenriffs vor Australien präsentiert. Das Panorama „TITANIC“ führte die Besucher von 2017 bis 2019 auf eine Unterwasser-Reise. Das Rundbild zeigte das einstige Luxusschiff, das von der Natur unter Wasser zurückerobert wurde. Von 2019 bis 2021 machte „CAROLAS GARTEN – Eine Rückkehr ins Paradies“ die Welt des Mikrokosmos in der faszinierenden Szenerie eines heimischen Gartens erlebbar. 

Nach der Eröffnung des Panometers in Leipzig schuf Yadegar Asisi weitere Ausstellungsorte für seine Panoramen, die sich in Dresden, Wittenberg, Hannover, Pforzheim, Berlin und Rouen befinden.

Bildergalerie - Panometer Leipzig

Historisches Bildmaterial - Panometer Leipzig

Neues Rathaus

Martin-Luther-Ring 4-6
Ortsteil: Zentrum

Das Neue Rathaus gehört zu den bedeutendsten deutschen Rathausbauten der Jahrhundertwende. Es wurde zwischen 1899 und 1905 nach Plänen von Hugo Licht im Stil des Historismus auf dem Terrain der ehemaligen Pleißenburg errichtet und zeichnet sich durch seine künstlerische Innengestaltung und seinen reichen Fassadenschmuck aus. Bei dem begehbaren Rathausturm mit einer Höhe von 114,7 Metern handelt es sich um den höchsten Rathausturm Deutschlands und um eines der Wahrzeichen Leipzigs.

Von der Pleißenburg zum Neuen Rathaus


An der Stelle des heutigen Neuen Rathauses befand sich zuvor die aus dem 13. Jahrhundert stammende mittelalterliche Pleißenburg. In deren Gemäuern fand im Jahr 1519 die berühmte Disputation zwischen Martin Luther und dem katholischen Theologen JohannesEck statt. Im Zuge des Schmalkaldischen Kriegs 1546/47 wurde die Burg zerstört und schließlich auf Initiative des damaligen Bürgermeisters der Stadt, Hieronymus Lotter, zwischen 1550 und 1567 zu einer landesherrlichen Festung ausgebaut. Im Zuge der Industrialisierung und einer Eingemeindungswelle stieg Leipzigs Bevölkerungszahl bis in die 1890er Jahre auf fast eine halbe Million an. Das starke Bevölkerungswachstum der wirtschaftlich und baulich expandierenden Großstadt machte umfangreichere Verwaltungsaufgaben notwendig, für welche das Alte Rathaus am Markt nicht mehr ausreichte. Die Stadt Leipzig kaufte dem sächsischen Fürstenhaus schließlich die Festung Pleißenburg an der südwestlichen Ecke des Innenstadtrings ab, um Platz für einen Neubau zu schaffen. Die Burganlage wurde 1897/98 bis auf den Turmfuß und ein paar Kellergewölbe abgebrochen. Auf der Grundfläche von rund 7.600 Quadratmetern wurde dann die neue „Aktenburg“ errichtet. Aus dem deutschlandweit ausgeschriebenen Wettbewerb zum Entwurf des Neuen Rathauses ging 1897 der Architekt und Stadtbaudirektor Hugo Licht hervor. DenGrundstein für den Bau legte Oberbürgermeister Otto Georgi am 19. September 1899. Am Bau waren namhafte Künstler wie die Bildhauer Georg WrbaCarl SeffnerChristian BehrensJohannes Hartmann und Adolf Lehnert sowie der Architekt Fritz Schumacherbeteiligt. Die feierliche Eröffnung des Neuen Rathauses erfolgte nach sechsjähriger Bauzeit am 7. Oktober 1905 durch Oberbürgermeister Bruno Tröndlin.

Ein imposanter Gebäudekomplex 


Hugo Lichts Entwurf für das Neue Rathaus orientierte sich an der Architektur des Florentiner Palazzo Vecchio im Stil des Späthistorismus. Die Grundfläche des entstandenen Gebäudekomplexes aus hellgrauem Muschelkalkstein bildet auf rund 10.000 Quadratmetern ein unregelmäßiges Fünfeck. Der Bau zählt heute mit 700 Räumen, darunter 442 Büros, zu den größten Rathausbauten der Welt. Hinzu kommen zwei Wandelhallen, der Sitzungssaal des Stadtrates, der Festsaal, die Beratungsräume in der Oberen Wandelhalle und im Turmbereich sowie der Ratsplenarsaal. Dieser gilt als schönster Raum des Neuen Rathauses, denn seine Wände sind durch ein Edelholzpaneel gegliedert und mit kostbaren Stoffen bespannt. Die Kassettendecke ist reich bemalt. 

Die Architektur des Neuen Rathauses erinnert an Vorbilder aus dem Schlossbau der Renaissance im Baustil des Historismus und des Jugendstils. Der Leipziger Architekt Wolfgang Müller fasst die Vereinigung der unterschiedlichen Epochen in der Architektur passend zusammen: „Die Architektur des Gebäudes lehnt sich an den Festungscharakter des Vorgängerbaus an. Sie ist der Tradition alter Stadtbilder mit den Steildächern der Gotik, den Schaugiebeln und Türmen der Renaissance und der üppigen Plastizität des Barocks ebenso verpflichtet wie der Jugendstilkunst“. 1912 wurde das Stadthaus – ebenfalls von Hugo Licht – erbaut. Es ist über einen Brückengang, im Volksmund „Beamtenlaufbahn“, mit dem Neuen Rathaus verbunden.

„Eine neue Burg hat sich erhoben“


Das architektonische Leitbild wurde am oberen Giebel der Hauptfassade in Stein gemeißelt: „Arx nova surrexit“ (Eine neue Burg hat sich erhoben). Die Fassade ist mit einer Vielzahl plastischer Details in Form von Skulpturen und Reliefs mit thematischem Bezug zu Leipzig und seinen Bewohnern geschmückt. Die Stadtgöttin Lipsia bekrönt den Giebel der Eingangsfront, während der Löwe als Wappentier der Stadt in vielen Varianten abgebildet ist. Auch allegorische Figuren für die Justiz, Wissenschaft, Musik, Buchdruckkunst und das Handwerk sowie zahlreiche Tier- und Fabelwesen thronen auf den Giebeln und schmücken die Fassaden. Die nachts blau illuminierte Rathausuhr enthält auch von Weitem gut lesbar die lateinische Umschrift „Mors certa, hora incerta“ (Der Tod ist gewiss, die Stunde ungewiss). Darüber befindet sich eine weibliche Giebelfigur, welche die Weisheit verkörpert. Das Gebäude wird vom 114,7 Meter hohen Rathausturm dominiert, welcher auf dem Fundament des alten Pleißenburgturms fußt und die meisten Gebäude der Stadt weit überragt. Wer den Aufstieg nicht scheut, dem bietet sich nach 252 Stufen vom Aussichtsbalkon des Rathausturmes aus 85 Metern Höhe ein beeindruckender 360 Grad Blick über die Stadt. An der Südwestseite des Neuen Rathauses – Richtung Bundesverwaltungsgericht – befindet sich das Goerdeler-Denkmal zu Ehren des ehemaligen Leipziger Oberbürgermeisters Carl Friedrich Goerdeler, der 1945 von den Nazis, aufgrund seiner Mitwirkung am Hitler-Attentat, hingerichtet wurde.

Ein Blick hinter die Gemäuer


Beim Betreten des Neuen Rathauses fallen auf den Türklinken der Eingangstore metallene Schnecken auf. Diese humorvollen Plastiken wurden vermutlich von den schelmischen Baumeistern angebracht, um das langsame Arbeitstempo der Stadtverwaltung zu symbolisieren. Im Innern des Rathauses entdeckt man weitere gestalterische Details. Das ausgeschmückte Haupttreppenhaus wurde nach dem Vorbild barocker Schlösser gestaltet. Sowohl die Treppenhausanlage als auch der Ratsplenarsaal sind fast im Original erhalten. Der moderne Stadtverordnetensaal ersetzte 1968 den ehemaligen Festsaal. In der Unteren und Oberen Wandelhalle werden heute oft Ausstellungen gezeigt und Empfänge ausgerichtet. Auch das FamilienSpieleFest „Leipzig spielt“ findet hier jährlich statt. 

Anders als der Vorgängerbau erhielt das Neue Rathaus in den Kellergewölben auch einen Ratskeller. Bei diesem handelt es sich heute um ein aus dem früheren historischen Weinkeller hervorgegangenes Restaurant mit gutbürgerlicher sächsischer Küche. Am Pfeilerzum Ratskeller befindet sich ein weiteres plastisches Detail an der Fassade. Dieses zeigt die karikierende Plastik: „Die Steuerlast verschlingt den Bürger“ – ein Verweis auf die Debatten zum Kauf des Areals, auf dem der Bau realisiert wurde. Vor dem Eingang des Ratskellers befindet sich auf dem Burgplatz der Rathausbrunnen. Dieser wurde 1908 von Georg Wrba entworfen und vereint verschiedene Motive aus deutschen Volksmärchen. 

Hochzeit in den Kassematten der ehemaligen Pleißenburg


Hochzeitspaare, die sich an einem besonderen Ort trauen lassen möchten, können dies in den sanierten und umgebauten Gewölben unter dem Neuen Rathaus tun. Die erste Eheschließung in den Kassematten, die damals zu Verteidigungszwecken errichtet wurden, fand am 2. Juni 2017 statt. Das Leipziger Paar Gabriele Lange und Uwe Gradehand feierte hier zu Beginn des Wave Gotik Treffens eine Viktorianische Hochzeit. In den unterirdischen Räumen finden 90 Personen Platz. 

Zusätzlich zu den Kasematten und dem Standesamt im Stadthaus können sich Paare unter anderem auch im Ratsplenarsaal, im Mendelssohn-Haus, im Bach-Museum, im Gohliser Schlösschen, im Herrenhaus Möckern und am Cospudener See trauen lassen.

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