Blog

Universitätsbibliothek (Bibliotheca Albertina)

Beethovenstraße 6 | Ortsteil: Zentrum-Süd

Die Universitätsbibliothek wurde von 1887 bis 1891 nach Plänen von Arwed Rossbach im Stil der italienischen Hochrenaissance erbaut. Sie gehört zu den ältesten deutschen Universitätsbibliotheken und umfasst einen Bestand von mehr als 5,5 Millionen Medieneinheiten und etwa 6.500 Zeitschriften.

Von der Bibliotheca Paulina zur Bibliotheca Albertina


In unmittelbarer Nachbarschaft zum
Bundesverwaltungsgericht erhebt sich der beeindruckende Bau der Universitätsbibliotek, auch „Bibliotheca Albertina“ genannt. Gemeinsam mit dem für das Gewandhausorchester errichteten Neuen Gewandhaus, dem Konservatorium und der Kunstgewerbeschule bildete sie das Zentrum des neu entstandenen Musikviertels. 

Die Wurzeln der Universitätsbibliothek reichen bis ins 16. Jahrhundert zurück. Im Jahr 1543 wurde die Bibliotheca Paulina als erste Bibliothek der Universität Leipzig gegründet und im Paulinerkloster auf dem Augustusplatz untergebracht. Durch den stetigen Wachstum der Buchbestände auf mehr als 250.000 Bände entwickelte sich die Universitätsbibliothek bis Ende des 19. Jahrhunderts zur umfangreichsten ihrer Art in Deutschland. Um ihrer Größe und Bedeutung gerecht zu werden, wurde im Juni 1885 ein Wettbewerb zur Gestaltung eines repräsentativen Bibliotheksgebäudes im neu entstanden Musikviertel ausgeschrieben. Durch das Handels- und Messewesen hatte sich Leipzig Mitte des 19. Jahrhunderts zur Großstadt entwickelt, so dass die Vorstädte ab 1871 für die Errichtung von repräsentativen Bauten mit einbezogen wurden. Als letztes Vorstadtviertel der Gründerzeit entstanden im Musikviertel neben imposanten Villen für das Leipziger Großbürgertum auch bedeutsame öffentliche Kultur- und Justizbauten im Stil des wilhelminischen Historismus. Die neue Universitätsbibliothek sollte gegenüber des zwischen 1882 und 1884 erbauten prachtvollen Neuen Gewandhauses in der Beethovenstraße entstehen. Der in der Dresdner Tradition Gottfried Sempers und Hermann Nicolais stehende Architekt Arwed Rossbach ging aus den 34 eingereichten Konzepten mit seinem Entwurf „Philadelphos” als Sieger hervor. Nach vierjähriger Bauzeit wurde das Bibliotheksgebäude am 24. Oktober 1891 zu Ehren des obersten Dienstherrs der Universität Leipzig sowie dem regierenden sächsischen König Albert als Bibliotheca Albertina eingeweiht. Die Universitätsbibliothek, die etwa 800.000 Bände beherbergte und rund 150 Lesern Platz bot, gilt als Rossbachs bedeutendstes Werk.

Von der Kriegsruine zum klimatisierten Bücherpalast


Kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Universitätsbibliothek durch einen Bombenangriff am 6. April 1945 zu zwei Dritteln zerstört. Besonders betroffen waren der Mitteltrakt mit dem großen Lesesaal, das repräsentative Treppenhaus sowie große Teile des Süd- und Ostflügels. Die wertvollen Buchbestände waren zuvor in Schlössern im Raum Leipzig und in den Katakomben des
Völkerschlachtdenkmals sicher untergebracht worden, so dass die Universitätsbibliothek kaum Verluste hinnehmen musste. Bereits wenige Monate nach der Zerstörung wurde das ruinöse Gebäude durch eine provisorische Sicherung wieder nutzbar gemacht und die Bücher wurden aus Raumnot zunächst im Keller gestapelt. Etwa 40.000 Bände galten als verschollen oder wurden von der Roten Armee beschlagnahmt und abtransportiert. Obwohl es seit 1956 zahlreiche Pläne für den Wiederaufbau gab, wurden die notwendigen Gelder erst ab 1990 durch die Volkskammer der DDR zur Verfügung gestellt. Ab 1992 begann die Sanierung, die das Architekturbüro HJW + Partner plante.

Bei fortlaufendem Betrieb erfolgte zunächst die Rekonstruktion des Ostflügels und die Sanierung des Treppenhauses. Das äußere Erscheinungsbild der Bibliotheca Albertina wurde unter Anpassung der inneren Struktur an die veränderten Anforderungen eines modernen Bibliotheksbetriebs vollständig wiederhergestellt. Die durch den rasant gewachsenen Buchbestand erforderlichen Erweiterungen wurden maßgeblich durch die Einbeziehung der ehemaligen Innenhöfe erreicht: Durch die Überdachung des Posthofs und des Kohlenhofs wurden zwei moderne Lesesäle mit großflächigem Areal für Freihandliteratur sowie Magazinbereichen in den darunterliegenden Stockwerken geschaffen. Nach zehnjähriger Bauphase von 1992 bis 2002 wurden die Wiederaufbau- und Sanierungsarbeiten abgeschlossen. Heute umfasst die Universitätsbibliothek als eine der ältesten Bibliotheken Deutschlands rund 960 Arbeitsplätze, einen Bestand von über 5,5 Millionen Medieneinheiten und etwa 6.500 Zeitschriften.

Italienische Kunst und Architektur trifft auf geballtes Wissen


Die Universitätsbibliothek präsentiert sich heute als monumentale Vierflügelanlage mit einer 107 Meter langen Sandsteinfassade, welche Elemente der italienischen Hochrenaissance und der barocken Schlossbaukunst Frankreichs vereint. Die mit korinthischen Kapitellen gestalteten Kolossalsäulen tragen das fünfachsige Mittelrisalit. Der Rustikasockel umfasst das Souterrain und die Hochparterre, während die Obergeschosse durch ein kantiges Gesims optisch abgesetzt sind. Das Mittelrisalit ist mit einer reich gestalteten Attika mit vier von
Arthur Trebs geschaffenen Figuren gestaltet, welche die vier Fakultäten Theologie, Philosophie, Rechtswissenschaft und Medizin verkörpern. Zwei darüber stehende Wappenhalter präsentieren das Universitätssiegel. Die zwischen den versinnbildlichten Fakultäten liegenden Reliefs stammen vom Bildhauer Adolf Lehnert, der auch die Porträtmedaillons an den Seitenrisaliten schuf. Diese zeigen Michelangelo, Albrecht Dürer, Johannes Otto von Münsterberg, den Gründungsrektor der Universität, und Caspar Borner, den ersten Bibliothekar. Unterhalb der Medaillons befanden sich einst acht überlebensgroße Statuen, welche von Werner Stein und Melchior zur Strassen geschaffen wurden. Heute sind noch die am linken Seitenrisalit befindlichen Standbilder von Friedrich dem Streitbaren, dem Gründer der Universität 1409, und dem Kurfürsten Moritz von Sachsen erhalten. Das Eingangsportal ist mit drei Rundbogenportalen, vergitterten Oberlichtern und reich ornamentierten Metalltüren gestaltet. Die drei Köpfe in den plastisch ausgearbeiteten Schlusssteinen der Eingangsbögen verkörpern die Schönheit, Weisheit und Stärke und wurden vom Berliner Bildhauer Josef Kaffsack geschaffen. In der Freimaurerei gelten diese als die drei tragenden Säulen im Ritual. 

Das Eingangsportal führt in das lichtdurchflutete repräsentative Marmortreppenhaus mit umlaufender Galerie und hohen Rundbogenarkaden. Tageslicht fällt durch das gläserne Dach, was die weißen ionischen Säulen aus Marmor und Naturstein noch strahlender erscheinen lässt. Von der breiten zweiflügeligen Haupttreppe aus, die zu den Lesesälen hinauf führt, präsentiert sich vor dem früheren Eingang zum großen Lesesaal die illusionistisch angelegte, dekorative Kuppelausmalung vom Leipziger Maler Richard Hesse im Stil des Giulio Romano. Diese wurde originalgetreu rekonstruiert, während auf die einstige polychrone Ausmalung der Wandflächen und Kuppeln verzichtet wurde. In den ehemaligen und nunmehr überdachten Innenhöfen befinden sich zwei Lesesäle als Freihandlesebereiche. Neben dem „Alten Hauptlesesaal”, der optisch an sein berühmtes kreisrundes Vorbild im British Museum in London erinnert, ist insbesondere der Lesesaal im Hof West beeindruckend: Eine spezielle Stahl-Glas-Konstruktion, die den Saal zur Decke hin abschließt, durchflutet diesen mit Licht.

Im Foyer der Bibliothek führt ein Wandelgang zum Café Alibi, welches den Studenten tagsüber zum Verweilen dient und abends häufig für Veranstaltungen genutzt wird. Im Wandelgang befindet sich eine Fotogalerie, die die Geschichte der Bibliotheca Albertina dokumentiert. Seit Mai 2021 ist der unter der Haupttreppe gelegene Schauraum „Papyrus Ebers“ Teil der Dauerausstellung. Bei dem über 18 Meter langen Papyrus Ebers handelt es sich um die längste und einzig vollständig überlieferte Schriftrolle altägyptischer Heilkunde.

Stand: 27.09.2023

Bildergalerie - Universitätsbibliothek (Bibliotheca Albertina)

Historisches Bildmaterial - Universitätsbibliothek (Bibliotheca Albertina)

Thomaskirche

Thomaskirchhof 18 | Ortsteil: Zentrum

Die 1212 als Klosterkirche für die Augustiner-Chorherren erbaute Thomaskirche zählt zu den bedeutendsten spätgotischen Hallenkirchen in Sachsen. Als Wirkungsstätte Johann Sebastian Bachs und des Thomanerchors sowie durch Martin Luthers Predigt zur Einführung der Reformation in Sachsen 1539 erlangte die Thomaskirche große Bekanntheit und gilt weltweit als bedeutendes Zentrum kirchlicher Musik. Vor dem Südportal der Thomaskirche befindet sich das von Carl Seffner 1908 errichtete bronzene Bach-Denkmal.

Vom mittelalterlichen Chorherrenstift zur spätgotischen Hallenkirche


Die Anfänge der Thomaskirche reichen bis ins 12. Jahrhundert zurück. Ausgrabungen zufolge stand an heutiger Stelle bereits eine dreischiffige Pfeilerbasilika. Im Jahr 1212 veranlasste der Wettiner Markgraf Dietrich von Meißen den Bau eines Augustiner-Chorherrenstifts, was unter den nach Unabhängigkeit strebenden Leipzigern für Proteste sorgte. Zum Zeichen des Widerstands gegen den Bau des Klosters zerstörten die Bürger nachts das, was die Kirchen- und Klosterbauherren tagsüber aufgebaut hatten. Trotz der Unwägbarkeiten wurden die 1212 beschlossenen Umbaumaßnahmen der Stiftskirche St. Thomas 1222 abgeschlossen. Der Überlieferung nach soll der Minnesänger Heinrich von Morungen anlässlich der Übergabe der Kirche eine Reliquie des Heiligen Thomas aus Indien übergeben haben. Später wurde die von der Vorgängerkirche übernommene Bausubstanz sukzessive verändert. Den Chorraum baute man im spätromanisch-frühgotischen Stil um und vergrößerte ihn, wovon der noch heute erhaltene spitzbogige Triumphbogen aus Backstein und Sandstein sowie Teile der Außenwände an der Nordseite des Chores zeugen. Nach einer erneuten Vergrößerung Mitte des 14. Jahrhunderts im hochgotischen Stil erhielt der Kirchenteil seine endgültige Ausprägung.

Das heutige Bild der Thomaskirche wird durch das zwischen 1482 und 1496 unter Leitung von Claus Roder und Konrad Pflüger neu erbaute Hallenlanghaus im spätgotischen Stil geprägt, welches das romanische Kirchenschiff ersetzte. Das Kreuzrippengewölbe aus Rochlitzer Porphyr ist noch heute im Original erhalten. Das 39 Meter lange und 25 Meter breite Kirchenschiff mit 14 Meter hohen Pfeilern erforderte durch seine Länge eine Verlegung der Stadtmauer nach Westen. In der wirtschaftlich aufstrebenden Messestadt entstand eine der bedeutendsten spätgotischen Hallenkirchen in ganz Sachsen, die am 10. April 1496 vom Merseburger Bischof Tilo von Trotha feierlich eingeweiht wurde. Seither läutet vom Glockenturm die 1477 gegossene und von Nikolaus Eisenberg gravierte Hauptglocke „Gloriosa“ – die älteste Glocke Leipzigs – als eine der insgesamt vier Glocken.

Luther und die Verkündung der Reformation


Weit über die Landesgrenzen bekannt wurde die Thomaskirche mit der hier am 25. Mai 1539 von Martin Luther gehaltenen Pfingstpredigt zur Einführung der Reformation im albertinischen Sachsen. Daran erinnert bis heute die an einer Säule im Mittelschiff neben der Kanzel angebrachte Gedenktafel zur Einführung der Reformation. Durch die veränderten gesellschaftlichen Bedingungen und gottesdienstlichen Bedürfnisse wurden 1570/71 unter der Leitung von Hieronymus Lotter steinerne Renaissance-Emporen an den Längsseiten der Kirchenschiffe errichtet und die Westseite um ein Joch hervorgezogen.

Die 1553 südlich der Thomaskirche und entlang der Stadtmauer erbaute Thomasschule zählt zu einer der ältesten in ganz Deutschland. Mit der Reformation wurde auch dem Thomanerchor zunehmende künstlerische Bedeutung zuteil und die Schule und der Chor kamen unter die Trägerschaft des Stadtrates. Bemerkenswert war, dass die Stadt Leipzig als weltliche Institution den überwiegend geistlich wirkenden Chor finanzierte.

Im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts wurden das Kircheninnere barock umgestaltet und seit 1661 mehrere Privatkapellen angebaut. Darunter befindet sich eine für das Ehepaar Wiedebach errichtete Kapelle. Apollonia von Wiedebach galt als bedeutendste Stifterin für die Stadt Leipzig und Anhängerin der Reformation. Die Nordseite der Kirche wurde nach Entwürfen von Johann Gregor Fuchs mir einem zweigeschossigen Anbau versehen. Fuchs ist auch das heutige Erscheinungsbild des 68 Meter hohen Kirchturms zu verdanken, der 1702 mit einer barocken Turmhaube und einer Laterne mit Wetterfahne, die eine von einem Stern umkreiste Sonne zeigt, bekrönt wurde. Der Chor und die Sakristei wurden 1802 unter der Leitung von Johann Friedrich Carl Dauthe instandgesetzt. 1806/07 diente die Thomaskirche zwischenzeitlich als französisches Militärmagazin und wurde während der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 als Lazarett genutzt. An diese Zeit erinnert noch heute eine am Turmumgang angekettete Kanonenkugel, die damals auf dem Dachboden einschlug. Im Zuge des Umbaus unter Johann Wilhelm Constantin Lipsius zwischen 1884 und 1889 wurde die barocke Gestaltung der Kirche weitgehend durch die Neogotik ersetzt.

Der berühmte Director musices


Das Wirken Johann Sebastian Bachs in Leipzig begründete zweifelsohne den Weltruhm des Kantorats und machte die Stadt zum Zentrum protestantischer Kirchenmusik. Bach übte zwischen 1723 und 1750 das Amt als Director musices und Kantor der Nikolaikirche und Thomaskirche aus. Dem damals noch unbedeutenden Thomanerchor verhalf er zum heutigen Weltruhm und schrieb in Leipzig seine bedeutendsten Werke, darunter das Weihnachtsoratorium, die h-Moll-Messe, die Johannes- und Matthäus-Passion und mehr als 300 Kirchenkantaten, die in der Thomaskirche uraufgeführt wurden.

Bachs Orgelklänge tönen noch heute…


Beim äußerlichen Betrachten der Thomaskirche fällt insbesondere das Dach auf. Bei dem steilen Firstwinkel von 62 Grad handelt es sich um eine architektonische Meisterleistung und um eines der steilsten Giebeldächer Deutschlands. Dank dieser Konstruktion, die auf Erfahrungen aus dem Festungsbau zurückging, wonach Feuerkugeln nicht einschlugen sondern abglitten, überstand die Thomaskirche die Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg vergleichsweise unbeschadet. Das von einem Kreuzrippengewölbe überdachte Langhaus wurde im Zuge seiner Restaurierung in den 1960er Jahren der ursprünglich hellroten Farbgebung des 15. Jahrhunderts wieder angepasst. Der gut sichtbare Knick zwischen Langhaus und Chor weist auf den romanischen Ursprung der Thomaskirche hin. Die Orgelempore, wo der Thomanerchor seinen Platz hat, ist mit zwei großen Orgeln ausgestattet. Die ältere wurde von Wilhelm Sauer zwischen 1885 und 1889 erbaut und zählt mit den 88 Registern zu seinen größten und bekanntesten Bauten. Anlässlich des Bachjahres 2000 wurde die viermanualige Bach-Orgel von Gerald Woehl ergänzt. Die Thomaskirche zählt europaweit zu den Stätten mit dem nachweislich frühesten Orgelgebrauch im Gottesdienst. Der „Orgelgesang“ wurde bereits 1384 für eine Marienmesse dokumentiert, was bestätigt, dass schon 1212 mit der Begründung des Thomasstifts eine frühzeitige Musikpflege betrieben wurde.

Kunst und Kirche


Die urspüngliche Ornamentverglasung der Thomaskirche wurde 1889 durch farbige Mosaiken ergänzt. Die fünf farbigen Fenster an der Südwand der Thomaskirche schuf der Glasmaler
Alexander Linnemann. Sie zeigen namhafte Persönlichkeiten des Protestantismus, darunter König Gustav II. Adolf von Schweden, Kurfürst Friedrich der Weise gemeinsam mit Philipp Melanchthon und Martin Luther, Kaiser Wilhelm I. und Johann Sebastian Bach. Ein weiteres Fenster aus früheren Jahren bildet Felix Mendelssohn Bartholdy und den Heiligen Thomas ab. 2009 wurde das Friedensfenster von David Schnell ergänzt. 

Seit Einführung der Reformation gehört es zu den Pflichten der amtierenden Superintendenten, sich bei ihrem Ausscheiden aus dem Amt porträtieren zu lassen und im Altarraum der Kirche neben ihre Vorgänger einzureihen. So zeigt eines der Porträts Leipzigs ersten Superintendenten Johannes Pfeffinger

1950 wurden in der Thomaskirche die Gebeine Johann Sebastian Bachs, die sich urspünglich in der zerstörten Johanniskirche befanden, in einer Gruft beigesetzt. Die von Kunz Nierade gestaltete schlichte Grabplatte an den Stufen des Altarraums ist heute Anziehungspunkt für Bachverehrer und Musikfreunde aus aller Welt. Unter den weiteren Epitaphien und Grabplatten in der Thomaskirche befinden sich neben dem Sarkophag des Markgrafs Dietrich von Wettin die Grabplatten der Kurfürstin Elisabeth von Sachsen und des Adeligen Nickel Pflugk.

Chorale Gesänge vor dem bronzenen Thomaskantor


Dem berühmten Thomanerchor kann man im Rahmen des Gottesdienstes wöchentlich freitags um 18 Uhr bei der Motette und sonnabends um 15 Uhr bei der Bachkantate lauschen. Fester Bestandteil des Leipziger Musiklebends ist das
Bachfest Leipzig, mit welchem die Stadt jährlich den berühmten Thomaskantor ehrt und damit eine Tradition fortführt, die bereits Felix Mendelssohn Bartholdy initiierte.

Stand: 27.09.2023

Bildergalerie - Thomaskirche

Historisches Bildmaterial - Thomaskirche

TBE Engelsdorf

Werkstättenstraße 6 | Ortsteil: Engelsdorf

Dieses originelle Leipziger Lokal im Ortsteil Engelsdorf muss in der Titelzeile allein mit seiner Abkürzung vorlieb nehmen. Die Entschlüsselung für TBE als Traditions- und Begegnungsstätte der Eisenbahner wäre einfach zu lang für eine Überschrift. Dafür ist der Eisenbahnbezug umso enger – mit historischem Brückenschlag. Schon am Eingang grüßten typische Versatzstücke aus der Welt der Lokomotiven und der Bahnsteige, doch eine Garantie, dass der geneigte Besucher davon noch etwas vorfinden wird, kann nicht übernommen werden. Denn alle Aus- und Einrichtungsgegenstände standen zum Verkauf, als die TBE im Januar 2022 schloss. Die Erinnerung an das verschwundene Lokal und seine besondere Rolle in Sachen Eisenbahn-Nostalgie wachzuhalten, ist jedoch allemal eine längere Reminiszenz wert.

Krönung eines Eisenbahnerdorfs


Engelsdorf ist – ohne über Gebühr idealisieren zu wollen – ein Eisenbahnerdorf im Osten von Leipzig. Mitten durch den Ortsteil verläuft die Leipzig-Dresdner Eisenbahn, die erste deutsche Fernbahn seit 1839. Die Strecke wird flankiert vom früheren Rangierbahnhof, dessen Funktion im Jahr 2017 nach Halle verlegt wurde. Zwei Haltepunkte verweisen an den Strecken nach Dresden und Chemnitz auf Engelsdorf. Das frühere Reichsbahn-Ausbesserungswerk und die baulichen Reste des Bahnbetriebswerks haben bessere Tage gesehen. Immerhin ist aber ein Betrieb im Geschäft, der im Bereich des Schienenschweißens als Marktführer auftritt. 

Viele Wohngebäude bilden eine typische Eisenbahnersiedlung, erkennbar an der Symbolik des rollenden Flügelrads an den Fassaden und den Schriftzügen der Wohnungsbaugenossenschaft dieses Berufszweigs. Aber vor allem sind es die unzähligen Eisenbahnerdynastien, die diesem Ort ihr Gepräge gaben. War der Großvater schon „bei der Bahn“, dann war es der Vater unbedingt auch und der Sohn mit großer Wahrscheinlichkeit und möglicherweise wieder der Enkel oder die Enkelin. An einem solchen Ort eine Traditions- und Begegnungsstätte der Eisenbahner einzurichten, sie bewusst nicht „Zum Stellwerk“ oder „Zur Bahnhofsklause“ zu nennen, sondern ihr vielmehr mit gewissem leicht ironischen Hintersinn einen funktionalistisch geprägten Namen, wie sie bei der Bahn schon immer beliebt waren, und die passende Abkürzung TBE zu geben, war folgerichtig – und durchaus alternativlos.

Angebahnte Erlebnisgastronomie


1999 ging die TBE an den Start. Ihr Domizil wurde das Untergeschoss der früheren Poliklinik des Reichsbahn-Ausbesserungswerks. Sehr jung war damals die 1994 mit viel Vorschusslorbeeren gestartete Bahnreform, zu deren Kennzeichen ein eintöniger Dreiklang gehörte: Privatisierung, Privatisierung, Privatisierung. Viele einst dringend benötigte Gebäude standen daraufhin leer. Der öffentlichen Verwaltung war es ausgesprochen lieb, wenn sich ein unternehmerisches Talent bereit erklärte, auf Teilflächen eine neue Nutzung zu beginnen und damit den Leerstand zu senken. So wie
Andreas Schließauf. Ihm war das Eisenbahnerlokal zu verdanken, auch wenn Skeptiker meinten, dass es schwer sein würde, mitten in schwindender Gewerbebauung und ohne umfängliche Wohnumgebung ausgerechnet mit einer Gaststätte zu beginnen.

Andreas Schließauf setzte sich durch. Ihm schwebte ja nicht die x-te Gaststätte nach Schema F vor, sondern eigentlich ein Museum mit integrierter Gastronomie. Wer regelmäßig kam, fand immer wieder etwas Neues an der üppigen Ausstaffierung mit Lokomotivschildern, Warntafeln, Modelleisenbahnen, historischen Fotos, Proviant-Automaten, Fernsprechapparaten aus der Vor-Handy-Urzeit, originalen Sitzbänken ausgedienter Eisenbahnwagen und Drucksachen über Drucksachen vor. Manches Exponat steuerten Gäste als Leihgabe bei, weil sie die TBE in ihr Eisenbahnerherz geschlossen hatten, wie zum Beispiel ein originales Zuglaufschild des „Rossiya“-Express, der auf der Transsibirischen Eisenbahn zwischen Moskau und Wladiwostok verkehrt. Waren die Ausstellungsstücke zu groß für den Innenraum, dann standen sie eben vor dem Eingang, wie die abmontierten Schriftzüge und die analogen Zuganzeiger vom Leipziger Hauptbahnhof oder aus dem nahen Reichsbahn-Ausbesserungswerk renovierte Pumpen, mit deren Hilfe die Dampfloks jahrzehntelang „atmeten“, um brav ihren harten Dienst zu verrichten. 

Fluidum vergänglicher Reisekultur


Traten die Gäste in die TBE ein, wurden sie mit dem strengen Charme des früheren Reichsbahn-Personals begrüßt. „Treten Sie doch endlich von der Bahnsteigkante“ klang zwar seltsam im Vergleich mit der weithin dominierenden „Geht-es-ihnen-gut?“-Beliebigkeit, wurde aber sofort verstanden – und eigentlich erwartet. Und dann erst die Speisekarte: Keine Position in der üppigen Menüfolge, die ohne deutliche Eisenbahn-Normierung auskam. Als Krönung die „Heizerschaufel“. Eigentlich ein herrliches Steak mit reichlich angebratenen Zwiebeln und Bratkartoffeln und serviert auf einer echten Schaufel. Das schmeckte dann nochmal so gut und hätte jeden Lokheizer nach achtstündiger Schwerarbeit satt gemacht (ungeübte Erst-Koster der deftigen Leckerei erst recht). 

Mit reiner Gastronomie ließ es Andreas Schließauf nicht bewenden. Die TBE wurde eine Station auf der Dampfbahn-Route Sachsen, die sich durch den gesamten Freistaat zieht. Außerdem tauschte der Betreiber der gastlichen Stätte nach den ersten Speisen und Getränken seine obligatorische Fahrdienstleiter-Mütze immer mal wieder gegen den drolligen Hut des DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker, den er ausgezeichnet zu parodieren verstand. Dank dieser Komposition aus Gastronomie und Begleitprogramm hätte die TBE steinalt werden können. Doch dann kam im Jahr 2020 Corona und mit der Pandemie die verordnete mehrmonatige Schließung des beliebten Treffs einer treuen Gemeinde aus Berufs- und Hobby-Eisenbahnern. Den Umsatzausfall und die Mieterhöhung durch den neuen Eigentümer des Hauses hätten nur kapitalkräftigere Unternehmer als Andreas Schließauf verkraften können, die nicht fortlaufend immer wieder vor allem in die Ausstattung der Räume investiert hätten. Wenn also Covid-19 schon lange Geschichte sein wird, werden sich viele an den traurigen Kollateralschaden TBE in Engelsdorf erinnern. Wie an die Rücklichter eines Schnellzugs, die langsam in die Nacht entschwinden.

Stand: 17.01.2022

Schneider, Werner

Physiker, Gründer der Leipziger Notenspur | geb. 1951

Fünf Minuten Dialog mit Werner Schneider überzeugen jeden Gesprächspartner, es mit einem ausgewiesenen Spezialisten für klassische Musik zu tun zu haben. Dieses Wissen über den Leitstern der Musikstadt Leipzig, Johann Sebastian Bach! Soviel exzellente, detaillierte Kenntnisse über all die anderen Komponisten und Orchesterleiter und Musikverlage! Werner Schneider muss ein Musikwissenschaftler sein. Das mit dem Wissenschaftler stimmt. Gleichwohl ist sein Fach die Physik. Die wissenschaftliche Akkuratesse dehnte Werner Schneider dann auf seine Leidenschaft, die Musik, aus, und davon profitiert die gesamte Stadt.

Beharrlich in der Spur für die Musikstadt Leipzig


Werner Schneider spricht leise, vollkommen unaufgeregt. Die hastige, gar aufdringliche Rede ist ihm fremd. Er überzeugt mit Wissen und versteht es, Interessenten für das Thema klassische Musik zu gewinnen.

Der Physiker Werner Schneider arbeitet seit 1992 an der Universität Leipzig, seit dem Jahr 2008 hat er eine Professur an der TU Dresden. Schon immer zogen sich das Interesse an der Musik und die Begeisterung für die Musik durch sein Leben. Was als privater Genuss begann, sollte spürbar auf die gesamte Stadt ausstrahlen. So entstand – inspiriert und bestärkt durch seine Ehefrau – die Idee, aus der teils hervorstechenden, teils ein wenig versteckt schlummernden Präsenz von Stätten der Musikkultur in Leipzig ein sichtbares und hörbares Ganzes zu formen, das allen Interessenten eben wie ein urbanes Gesamtkunstwerk begegnet und Zusammenhänge erschließt, Genuss mit Erkenntnis verbindet.

Die Idee der Leipziger Notenspur war geboren. Der geniale Thomaskantor Bach steht selbstverständlich weit vorn. Richard Wagner wird gewürdigt, ebenso Felix Mendelssohn Bartholdy, Clara Schumann und Robert Schumann, Edvard Grieg und viele andere. Komponistenhäuser, Ausbildungszentren, Musikverlage und Aufführungsstätten erstrecken sich über nahezu das gesamte Leipziger Stadtgebiet. In der Innenstadt sind sie nicht zu übersehen, wenige hundert Meter darüber hinaus sollen Hinweise helfen, Kulturpfade zu weisen und Interessenten behutsam zu führen.

Klassische Wegweiser würden das schaffen, doch so besonders, wie die Notenspur ihren hohen Anspruch pflegt, so ästhetisch soll die räumliche Wegweisung durch eine klangvolle Welt auf sich aufmerksam machen. Dies geschieht mit einer sanft geschwungenen Edelstahl-Intarsie, die in das Pflaster der Fußwege eingelassen ist und deren Spitze die Richtung bis zum nächsten authentischen, kulturellen Leuchtturm entlang der Notenspur anzeigt – von der Thomaskirche zum Gewandhaus, an den erhaltenen Gebäuden weltbekannter Musikverlage in Zentrumsnähe vorbei zum Schumann-Haus und wieder zurück in Richtung City mit ihren Denkmalen für berühmte Persönlichkeiten der Musikstadt Leipzig.

So wird eine beschwingte Verbindung zwischen 23 Orten hergestellt. Ein Audio-Guide unterstützt als klangvoller und hervorragend informierter Begleiter alle, die sich auf den Weg machen, also auf die Spur begeben. Die wunderbare Notenspur-Idee von Werner Schneider überzeugte rasch, doch ihre Umsetzung erforderte einen langen Atem. Mitstreiter mussten gefunden werden, Verstärker und Bekräftiger der Idee und natürlich Ermöglicher in der öffentlichen Verwaltung. Mit nimmermüder Energie, die auf den ersten Blick dem sanft auftretenden und mit wohl gesetzten Worten argumentierenden Werner Schneider vielleicht gar nicht zugetraut wird, wurde der Kampf um die Umsetzung der Notenspur-Idee geführt. Beharrlichkeit nennt Werner Schneider denn auch als die unverzichtbare Grundkonstante beim Werben und Erschließen der Lebenskraft „seiner“ Notenspur. Von seiner imaginären Vorderbühne eines Botschafters des Genusses von Klangfülle ließ er sich nicht vertreiben. Musikalisch übersetzt: Auf den Resonanzboden kommt es an.

Einer Idee Klangfülle verliehen


Eine Bürgerinitiative, die engagiert hinter der Notenspur-Idee steht, gibt es seit 2005. Vier Jahre später stellte die Stadt Leipzig erstmals Mittel für die Notenspur in ihren Haushalt ein, und seit dem Jahr 2011 schwingen sich die metallenen Notenspur-Symbole auf insgesamt fünf Kilometern Wegstrecke durch den traditionsgesättigten Leipziger Straßenraum und 300 Jahre Musikgeschichte dieser einzigartigen Kulturmetropole, die ihre Qualitäten durchaus ebenbürtig mit Wien und Paris zum Klingen bringt. Zum Starttermin waren schon mehr als 100 Mitstreiter für die Notenspur aktiv.

Längst freut sich die Stadtverwaltung, dass es die Notenspur gibt und dass die Bürgerstadt Leipzig auf herausragende Akteure wie Werner Schneider zählen kann. Großes Finale also, Tusch, Verneigung vor dem Arrangeur des musikalisch-architektonisch-historischen Kunstgenusses und – Vorhang? Mitnichten. Beseelt vom Gedanken, eine zündende Idee fortzuschreiben und ihre Wirkmächtigkeit zu steigern, ersann Werner Schneider die Folgeprojekte NotenBogen (weiter nach draußen gehen und weniger spektakuläre, aber wichtige Schaffensorte der Musikkultur erkunden), NotenRad (auf Radwegen Melodie und Rhythmus von Orten der Musikgeschichte erfahren) und NotenWeg (wandernd eine Kulturspur aufnehmen, die sich überzeugend verorten lässt). Immer wieder bedarf es des besonderen Engagements von Werner Schneider, der Stadtgesellschaft und ihren zahlreichen Besuchern etwas anzubieten und zurückzugeben. Vielleicht würde er während der ganzen Zeit lieber zu Hause sitzen und entspannt klassischer Musik lauschen? Diesem Genuss frönt Werner Schneider sowieso, steckt parallel jedoch nimmermüde Energie in seine zu einem großen Kunststück verflochtenen Projekte. Denn seit 2015 gibt es zusätzlich noch die Notenspur-Nacht der Hausmusik. Sie begann mit 60 Spielstätten und über 400 Musikern. So viele Spielstätten an einem Abend? Na klar. Die Idee dahinter: Gut bürgerlich wird in vielen Leipziger Wohnungen Hausmusik gepflegt. Warum nicht zu diesen Treffen engagierter Musikliebhaber eine jeweils überschaubare Gästeschar einladen, die sich in recht kleinen, aber kultivierten privaten Räumen ebenso am Wohlklang erfreuen können?

Europaweit gehört werden


Erstmals 2018 lud darüber hinaus das
Festival Europäische Notenspuren ein. Es trägt den Gedanken der Notenspur weit nach vorn in die Konzertsäle.

Werner Schneider einen begnadeten Netzwerker zu nennen, wäre eindeutig zu wenig. Netzwerken können auch blanke Organisationstalente. Doch ambitioniert konzipierte Strukturen mit einem künstlerischen Anspruch anzureichern und ihnen einen Klang einzupflanzen – das gelingt nur wenigen. Am 13. Juni 2018 wurde das angesehene Europäische Kulturerbe-Siegel an herausragende Leipziger Institutionen verliehen. Eine der begehrten Hinweistafeln hielt Werner Schneider in seinen Händen. Wer sonst?

Für sein Engagement für das Gemeinwohl wurde er am 4. Juli 2020 mit dem Bundesverdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Den Orden überreichte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer im Auftrag des Bundespräsidenten.

Stand: 30.03.2022

Bildergalerie - Schneider, Werner

Schiller-Denkmal

Schillerstraße – Lenné-Anlage im Promenadenring | Ortsteil: Zentrum

Das vom Leipziger Bildhauer Johannes Hartmann geschaffene Schiller-Denkmal wurde anlässlich Friedrich Schillers 109. Todestags am 9. Mai 1914 in der Lenné-Anlage des Promenadenrings eingeweiht. Das marmorne Monument wurde nach klassizistischem Vorbild mit Einflüssen des Jugendstils erschaffen und zeigt auf einer hohen Stele die Büste Schillers. Zu beiden Seiten des Postaments sind zwei überlebensgroße Sockelfiguren in Form eines Mannes und einer Frau angebracht.

Von der Porträtplakette zum marmornen Denkmal am 109. Todestag


Das Leipziger Schiller-Denkmal wurde zu Ehren des über mehrere Monate in Leipzig verweilenden Dichters und dessen Schaffen errichtet. Der Einladung eines Verehrers folgend kam Friedrich Schiller erstmals am 17. April 1785 nach Leipzig. Dort bezog er zunächst in der Petersstraße, später in der Hainstraße 5 im Gasthaus
Kleines Joachimsthal Quartier, wo er 1789 nochmals mit seiner Frau wohnte. Aus diesem Grund wurden an der Fassade zwei 1859 geschaffene Kupfermedaillons mit den Bildnissen des Ehepaares angebracht. Der Verlagsbuchhändler Georg Joachim Göschen vermittelte Schiller ein Zimmer in einem Bauernhaus im Dorf Gohlis bei Leipzig. Im heutigen Schillerhaus schrieb der Dichter seine berühmte Ode „An die Freude“, arbeitete am „Don Carlos“ und am „Fiesko“. Nach seiner Abreise am 11. September 1785 besuchte Schiller Leipzig noch einige Male für kürzere Aufenthalte, so etwa 1801 und 1804. 

Obwohl Friedrich Schillers Geburtstag nach seinem Tod 1805 seit den 1840er in der Stadt als volkstümliches Fest gefeiert wurde, setzten die Leipziger dem berühmten Dichter erst verhältnismäßig spät ein Denkmal. Anlässlich seines 100. Geburtstages wurde im November 1859 auf dem Markt temporär eine Kolossalbüste auf einem hohen Postament errichtet. Gleichzeitig erhielt auch die neu angelegte Straße zwischen Universitätsstraße und Peterstor den Namen Schillerstraße. Anlässlich des 100. Todestages des Dichters ließ der Schokoladenmanufakteur Adolph Schütte-Felsche im Mai 1905 auf dem Gelände des früheren Ausflugslokals Wasserschenke in Gohlis, wo Schiller oft einzukehren pflegte, an einem Granitstein eine von Carl Seffner geschaffene Porträtplakette Schillers anbringen, welche 1975 verloren ging.

Monumente für Schiller gehörten im 19. Jahrhundert zur Standardausstattung deutscher Städte. Als Symbolfigur nationaler Einheitsbestrebungen und Lieblingsfigur des deutschen Volkes wurde Schiller lange Zeit sogar über Johann Wolfgang Goethe gestellt. Erste ernsthafte Bemühungen um ein dauerhaftes Schiller-Denkmal in Leipzig wurden im Januar 1906 durch einen Denkmalausschuss, dessen Leiter später der bekannte Leipziger Literaturhistoriker und geistige Führer des Schillervereins Georg Witkowski war, gemacht. Der hierfür in Betracht gezogene Platz vor dem Alten Theater am heutigen Goerdelerring wurde von der Stadt abgelehnt. Im November 1911 startete der Denkmalausschuss in Zusammenarbeit mit dem Leipziger Künstler-Verein einen Wettbewerb, dessen 33 eingegangene Entwürfe im April 1912 im Neuen Rathaus ausgestellt wurden. Obwohl ursprünglich ein Denkmal des jungen Schillers, als Kontrast zum Standbild Goethes, angedacht war, wurde der Entwurf des Leipziger Bildhauers Johannes Hartmann zum Sieger auserkoren. Hartmann galt als enger Vertrauter Max Klingers und wurde durch seine Mitarbeit u.a. am Neuen Rathaus, an der Deutschen Bücherei und an dem Brunnen Badendes Mädchen unter den Arkaden des Alten Rathauses bekannt. Am 3. Juli 1912 wurde auf dem ursprünglich für das Denkmal geplanten Platz am Neumarkt eine hölzerne Probefassung aufgestellt, die im März 1913 zum fertigen Monument vollendet wurde. Im Juni wurde der Standort ein weiteres Mal mit der Probefassung getestet. Die Stadt bezuschusste die noch fehlenden 20.000 Mark und trug die Kosten für die 3.270 Mark teure Fundierung, so dass einer rechtzeitigen Fertigstellung bis zum 109. Todestags Schillers am 9. Mai 1914 nichts mehr im Wege stand.

Durch Leipzigs Grün schillert Schiller…


Hartmanns Werk aus Marmor zeigt die sich nach klassizistischem Vorbild auf hoher, schmuckloser Stele befindliche streng frontal und unbekleidete Büste Schillers. Zu beiden Seiten des Postaments sind zwei überlebensgroße Sockelfiguren angebracht, links ein Mann, rechts eine Frau. Diese Ausführung erinnert an die Trabantendenkmäler aus dem 19. Jahrhundert. Die beiden Figuren stehen symbolisch für die „Erhabenheit“ und die „Tragik“, was den Betrachter zum Infragestellen des geläufigen Dichterstandbildes anhalten sollte. Beide Sockelfiguren sollen das „Ringende als zentrales Moment des dichterischen Schaffensprozesses“ verkörpern. Ihre Nacktheit zielt auf das „allgemein Menschliche ohne antikisierende Geschlechtslosigkeit“ ab. In Hartmanns ersten Entwurf für das Monument war die weibliche Figur ursprünglich von den Hüften abwärts bekleidet gewesen.

Die beiden Figuren erinnern an das Schaffen Max Klingers, während hinter den bildnerischen Intentionen das Vorbild Max Klingers und Johannes Hartmanns, der französische Bildhauer Auguste Rodin, steht. Ausgangspunkt für Hartmanns Werk waren nicht Schillers frühere Aufenthalte in Leipzig, sondern dessen über die Zeiten gerichtete strebende Idealität, welche bereits von Ernst Rietschel, dem Schöpfer des Weimarer Doppelstandbilds, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts für alle folgenden Schiller-Rezeptionen festgeschrieben wurde. Hartmann interpretierte diese in seinem Werk durch den Ausdruck schicksalsschwerer Innenschau und einer Mystifizierung Schillers. Bei der Modellierung der Gesichter sagte sich Hartmann von der vom Stuttgarter Bildhauer Johann Heinrich Dannecker geschaffenen Bildnisbüste Schillers bewusst los: Sein Denkmal in Form eines hohlwangigen Dichters brach mit dem typischen Schillerbild des 19. Jahrhunderts. Dieser vollzogene Formenwandel im Geist des Jugendstils entsprach den veränderten Vorstellungen von Literatur um 1900 und der Entwicklung vom Bild des klassischen Dichterfürsten zum Erlebnislyriker. Insofern war das Monument, damals wie heute, schwer mit der gängigen Vorstellung eines Dichtermonuments in Einklang zu bringen. Für die marmorne Ausführung des Schiller-Denkmals war wohl der langjährige Hilfsarbeiter Max Klingers, der Steinbildhauer August Schmiemann aus Plagwitz, verantwortlich.

„Pfui Teufel“: Warum sich die Leipziger über das Denkmal empörten…


Bereits am Tag nach der Denkmalweihe empörten sich einige Bürger der Stadt in einem anonymen Schreiben mit den Worten: „Ein Paar gemeinere Gestalten konnten unsere allverehrten Stadtväter unsrem edlen Schiller wohl nicht an die Seite stellen als wie den Adam und die Eva, die da nackend sich der Jugend zeigen. Pfui Teufel noch einmal.“ Trotz der Kritik blieb das Denkmal in der Promenadenanlage an der Schillerstraße in seiner Ursprungsform erhalten. Dennoch zählte es nicht wie das
Bach-Denkmal vor der Thomaskirche oder das Goethe-Denkmal auf dem Naschmarkt zu den populären Denkmälern der Stadt. Dies lässt sich zum einen mit der Tatsache begründen, dass sich Schillers Denkmal derart als Kunstwerk geriert, dessen Platz vielmehr im Museum als unter freiem Himmel zu suchen wäre. Zum anderen fehlt es vielen Bürgern inhaltlich an lokalem Bezug. Anstatt der Vorstellungen des „Leipziger Schiller“ in Form einer historisierenden Kostümstatue wurde vielmehr eine geläuterte, abgehobene „Walhalla-Idealität“ Schillers inszeniert, welche der Denkmalserwartung widersprach.

Bei dem Leipziger Schiller-Denkmal, welches zeitgleich mit dem Dresdner Schiller-Denkmal entstand, handelt es sich um eines der letzten öffentlichen Monumente, die dem Dichter zahlreich in Deutschland gesetzt wurden. Es ist außerdem das einzige Denkmal Leipzigs, welches stärkere Einflüsse des Jugendstils zeigt.

Stand: 27.09.2023

Bildergalerie - Schiller-Denkmal

Historisches Bildmaterial - Schiller-Denkmal

Sachsenbrücke (Stahlbetonbrücke)

Anton-Bruckner-Allee 50 / Clara-Zetkin-Park | Ortsteil: Zentrum-Süd

Die Sachsenbrücke vereint gemeinsam mit der Anton-Bruckner-Allee im weiteren Verlauf als autofreie Verbindung die Stadtteile Plagwitz und Schleußig mit dem Musikviertel. Sie befindet sich inmitten des Clara-Zetkin-Parks über dem Elsterflutbecken und wurde ursprünglich im Jahr 1897 für die Sächsisch-Thüringische Industrie- und Gewerbeausstellung (STIGA) errichtet. Heute dient die Brücke als beliebter Treffpunkt für Fußgänger, Radfahrer, Künstler und Musiker gleichermaßen. 

Als sächsische Truppen und Ausstellungsgänger über die Brücke strömten…


Obgleich architektonisch eher unscheinbar mit ihren drei soliden Betonbögen und ihrem blauen Geländer, gilt die Sachsenbrücke als ein Dreh- und Angelpunkt der innerstädtischen Leipziger Parklandschaft. Inmitten des Clara-Zetkin-Parks über dem Elsterflutbecken gelegen vereint sie gemeinsam mit der Anton-Bruckner-Allee im weiteren Verlauf die Stadtteile Schleußig und Plagwitz als autofreie Verbindung. 

Der Name „Sachsenbrücke“ geht auf den Wechsel der sächsischen Truppen von der Seite Napoleon Bonapartes zu den Verbündeten während der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 zurück. Diese Bezeichnung wurde erst am 7. November 1901 amtlich. Die heutige Sachsenbrücke wurde im Jahr 1897 als erstes Bauwerk für die Sächsisch-Thüringische Industrie- und Gewerbeausstellung (STIGA) errichtet. Für letztere wurden nach Plänen des Königlich Sächsischen Baurates Arwed Rossbach neun Ausstellungshallen und zehn Pavillons im heutigen Clara-Zetkin-Park errichtet. Ziel der STIGA war es, das Gelände entlang des Elsterflutbettes zu gestalten und aufzuwerten. Etwa 3.000 Aussteller präsentierten innerhalb eines halben Jahres vor rund 2,4 Millionen Gästen unzählige Innovationen jener Zeit. Nach Ende der Ausstellung wurden die ca. 300 Gebäude abgerissen – nur die Sachsenbrücke nicht. Im Zuge der geplanten Nachnutzung des Ausstellungsgeländes und nach entsprechender Umgestaltung wurde auf dem 400.000 Quadratmeter großen Areal 1898 der König-Albert-Park, ab 1955 „Clara-Zetkin-Park“, eröffnet. Die Anton-Bruckner-Allee führt heute entlang der einstigen Hauptachse vorbei an den zwei ursprünglich für die STIGA geschaffenen und noch heute erhaltenen Teichen über die Sachsenbrücke. Über diese gelangten die Besucher der STIGA einst auf das eigentliche Ausstellungsgelände mit den weitläufigen Maschinen- und Industriehallen. In ihrer heutigen Ausführung wurde die Brücke 1928 im Zuge der Verbreiterung des Elsterflutbettes als Fußgängerbrücke fertiggestellt. Dabei handelt es sich um eine Stahlbetonbrücke mit muschelkalkverkleideten Brückenköpfen, welche heute von technischer und stadtgeschichtlicher Bedeutung ist.

Bunte Vielfalt über dem Elsterflutbecken: Die Sachsenbrücke als Freizeittreff


Im Jahr 2022 wurde die Sachsenbrücke im Rahmen des vom Bündnis „Leipzig fürs Klima“ initiierten und organisierten Projektes zum Klima-Mahnmal. In diesem Zuge wurden gemäß des vom britischen Klimaforscher Ed Hawkins 2018 entwickelten Modells sogenannte „Wärmestreifen“ („Warming Stripes“) auf die Sachsenbrücke gemalt. Dieses Modell bildet anhand eines Farbspektrums – blau für kälter und rot für wärmer – die Entwicklung der globalen Durchschnittstemperatur ab. Die an den Rändern der 70 mal 6 Meter großen Streifen angemalten Jahreszahlen verdeutlichen den rasanten Temperaturanstieg zwischen 1850 und 2021 und dienen als visueller Denkanstoß für Passanten und Radfahrer. Die Anbringung der insgesamt 172 Streifen kostete rund 20.000 Euro. Nach einem Jahr waren sie jedoch bereits verblasst.

Heute ist die Sachsenbrücke ein beliebter Treffpunkt für Spaziergänger, Radfahrer und Künstler gleichermaßen. Häufig dient die Brücke für Straßenmusiker als Bühne, während Schaulustige auf der Bordsteinkante der Brücke sitzend den Klängen lauschen oder Paddlern auf dem Elsterflutbecken zuschauen. Für eine kleine Stärkung an der Brücke sorgen Eisstände und nicht selten ein Kaffeefahrrad. Unmittelbar neben der Sachsenbrücke auf der Anton-Bruckner-Allee befindet sich der sogenannte Glücksbaum – ein Kastanienbaum mit vielen kleinen, an den Ästen befestigten Wunschzetteln. In den späten Abendstunden wird die Sachsenbrücke häufig zum Treffpunkt für Leipzigs Partyszene, wobei es in der Vergangenheit nicht selten zu gewaltsamen Auseinandersetzungen und einer entsprechend hohen Polizeipräsenz kam.

Nur wenige einhundert Meter entfernt befinden sich inmitten des Clara-Zetkin-Parks zahlreiche Freizeitattraktionen, darunter der Musikpavillon, die Parkbühne und die Galopprennbahn Scheibenholz mit idyllischem Biergarten und dem Bootsverleih Scheibenholz. Im Sommer können die Gäste auf der Pferderennbahn bei den Filmnächten Freilichtkino genießen.

Stand: 27.09.2023

Bildergalerie - Sachsenbrücke (Stahlbetonbrücke)

Historisches Bildmaterial - Sachsenbrücke (Stahlbetonbrücke)

Rundgang – SpinnereiGalerien

Spinnereistraße 7 / Leipziger Baumwollspinnerei | Ortsteil: Lindenau

Drei Mal im Jahr – im Frühling, Herbst und Winter – finden an Wochenenden auf dem Gelände der ehemaligen Leipziger Baumwollspinnerei die Rundgänge der SpinnereiGalerien statt, die tausende Besucher und Medienvertreter aus aller Welt anziehen. Rund ein Dutzend Galerien und die HALLE 14 präsentieren neue Ausstellungen. Auch die Mehrzahl der in rund hundert Künstlerateliers und Werkstätten tätigen Kreativen lädt die Besucher ein, hinter die Kulissen zu schauen. Ob Maler, Fotograf, Designer oder Schmuck- und Modemacher – der Rundgang bietet eine hervorragende Möglichkeit, mit den hier lebenden und arbeitenden Künstlern der ehemaligen Fabrikstadt ins Gespräch zu kommen. 

Der erste Rundgang – Spinnerei Galerien fand in der heutigen Form im Jahr 2005 statt und baute auf dem Konzept des Galerienrundgangs von Michael Berninger und Bernd Tischer von der Culturtraeger GmbH auf. Diese hatten zuvor fünf Jahre lang die Liebhaber der zeitgenössischen Kunst zu Rundgängen eingeladen, damit diese städtische Museen, öffentliche Galerien sowie private kommerzielle Galerien entdecken. Ein Shuttle-Service erleichterte die Wege von der Innenstadt zur Baumwollspinnerei und zu den weiter entfernten Museen und Galerien. Seit Ende 2005 lädt die Baumwollspinnerei zu ihren eigenen Rundgängen ein. Zu sehen sind vor allem Werke aus Malerei, Fotografie, Skulptur und zahlreiche Installationen von nationalen und internationalen Künstlern. 

Für Kulturinteressierte haben während der Rundgänge auf dem Spinnerei-Gelände auch der Künstlerbedarf „boesner“, verschiedene Druckereien, das Künstlerbuch „Lubok“ sowie die gemeinnützige HALLE 14 geöffnet. Besonders letzte empfiehlt sich für einen Besuch. Nachdem der 1890/91 errichtete Industriebau zehn Jahre leer gestanden hatte, trafen sich im Dezember 2002 auf dem Spinnereigelände Wissenschaftler und Künstler aus verschiedenen Ländern, um über die Umnutzung von Industriebauten zu diskutieren. Fünf Jahre später eröffnete in der HALLE 14, deren Umbau vom Leipziger Architekturbüro Quartier Vier und dem Künstler Tilo Schulz umgesetzt wurde, das Besucherzentrum und die Kunstbibliothek mit in den Wänden integrierten Regalen und über 15.000 Büchern und anderen Medien. An der Besuchertheke kann man sich auch während des Rundgangs über die Ausstellungen in der HALLE 14 und in den anderen Galerien auf dem Spinnereigelände informieren. Als Treffpunkt und Ruhezone dient ein tribünenartig aufgebauter Bereich rechts neben dem Eingang. Der fünfgeschossige, rund 20.000 Quadratmeter große Bau, ist nach seiner Sanierung Heimstatt für viele Kreative und präsentiert im hinteren Bereich auf rund 2.000 Quadratmetern zeitgenössische Kunst. 

Nach der Schließung der im Jahr 1907 größten Baumwollspinnerei Kontinentaleuropas entstand Anfang der 1990er Jahre eine der interessantesten Produktions- und Ausstellungsstätten für zeitgenössische Kunst und Kultur in Europa. Seit 2001 fördert eine Verwaltungsgesellschaft und Geschäftsführung den allmählichen Aus- und Umbau der Gebäude und trug dazu bei, dass die Spinnerei zu dem wurde, was sie heute ist. Die Fabrikstadt genießt inzwischen hohes internationales Ansehen.

Stand: 27.09.2023

Bildergalerie - Rundgang – SpinnereiGalerien

Richard-Wagner-Denkmal

zwischen Promenadenring und Matthäikirchhof | Ortsteil: Zentrum

Der in Leipzig geborene, jugendliche Richard Wagner in Lebensgröße und dahinter der dunkle, monumentale Schatten des reifen, grandiosen Komponisten – so stellt sich die figürliche Komposition des Richard-Wagner-Denkmals dem Auge des Betrachters. Der farbig bemalte Bronzeguss und der flächige Schatten im Hintergrund ruhen auf einem Marmorsockel, der auf drei Seiten Heroen und Heroinen aus Wagner-Opern zeigt. Ein Stilbruch? Sicher, ein gewollter, denn allzu verschlungen erscheinen aus Leipziger Sicht biographische Details des Komponisten und die Historie des Denkmals.

Wagnerianer wünschen ein Denkmal des Meisters


Zum Entstehungsprozess dieses Denkmals passt nichts besser als der titanisch schwellende Melodienreigen einer Wagner-Oper. 1883, wenige Wochen nach dem Tod des Komponisten im fernen Venedig, fand sich ein Kreis Leipziger Verehrer, um das Andenken des großen Sohnes dieser Stadt wachzuhalten. Zu diesem Zeitpunkt stand das
Haus zum Roten und Weißen Löwen am Brühl noch, in dem Wagner am 22. Mai 1813, ausgerechnet im Jahr der Völkerschlacht bei Leipzig, geboren wurde. Das betagte Gebäude wurde erst 1886 im Zuge einer der vielen Umgestaltungen der Leipziger Innenstadt abgerissen.

Nicht nach Musealem zwecks Würdigung von Wagners wenigen in Leipzig verbrachten Jugendjahren stand den geschichtsbewussten und geniegeneigten Leipzigern der Sinn. Sie wünschten sich vielmehr ein Denkmal und gründeten dafür ein Komitee. 1903 erging der entsprechende Auftrag an den bekanntesten der damals in Leipzig wirkenden Bildhauer, an Max Klinger. Der Meister wiederum setzte sich, wie es sich für einen angesehenen Vertreter seiner Zunft geziemt, mit dem Auftrag auseinander – schöpferisch, stadtbildbezogen und lang andauernd. Aus der Denkmalweihe im Jahre 1913 wurde jedenfalls nichts, nur die Grundsteinlegung fand zum 100.Geburtstag des Komponisten statt – an der auserwählten Stelle, wo die Elsterniederung unverhofft ansteigt und das Tiefland mit Profil adelt, wo die sagenhafte urs libzi, die Keimzelle der Stadt Leipzig, gestanden haben soll und wo nunmehr eine monumentale Treppenanlage das avisierte Denkmal einnehmend umschlingen sollte. Es folgte ein Jahr später der Beginn des Ersten Weltkriegs, der einen großen künstlerischen Wurf deprimierend blockte, und – im zweiten Friedensjahr nach dem Völkergemetzel – 1920 der Tod von Max Klinger. Immerhin, den Marmorsockel hatte der Meister in Italien in Auftrag gegegen, und die Stadt Leipzig holte daraufhin das Fundament ihres erstrebten Gesamtkunstwerks an Pleiße und Elster, auf dass der Sockel für die nächsten 90 Jahre – die wohl niemand je ernsthaft erwog – sein Interim im beschaulichen Klingerhain finden sollte.

Vergifteter zweiter Anlauf


1934 änderten sich die Zeiten erschreckend. Gut für Leipzig, dass es nun ein Wagner-Nationaldenkmal am östlichen Ufer des
Elsterflutbeckens geben sollte. Schlecht für Leipzig, das Wagner-Fan Adolf Hitler den Grundstein für die Weihestätte legte. Damit war das Ansinnen komplett vergiftet. Doch für den passenden Sockel erging wiederum ein Auftrag, an den zeitgeistig hoch angesehenen Bildhauer Emil Hipp. Dann kam der Zweite Weltkrieg, und der folgende politische Systemwechsel in Leipzig erstickte sämtliche Gelüste auf ein Wagner-Monument in seiner Geburtsstadt. 

Ein Denkmalsockel im stillen Klingerhain, einer in Bayern (durch die Stadt Leipzig wegen der vergifteten Umstände der Entstehungszeit nicht abgeholt, obwohl längst ordentlich bezahlt) und die Treppe am eigentlichen Denkmalort – das war ein Realisierungstorso aus Marmor-Bruchstücken. Zu allem Übel entstand hinter der fertigen Treppenanlage in den 1970er Jahren ein trutzig-düsterer Dienststellen-Klotz des allgegenwärtigen, auf einen eleganten Treppenzugang jedoch keineswegs erpichten Ministeriums für Staatssicherheit. Daraufhin verschwand die Treppenanlage klammheimlich und wich einer abweisenden Umfassungsmauer. Bis zum Anbruch vielversprechender, geänderter Perspektiven nach 1990 änderte sich wenig – abgesehen von der Aufstellung der Richard-Wagner-Büste am Schwanenteich im Jahre 1983, zum 100. Todestag des Komponisten.

Vollendung in Neu-Deutung


Es folgte wieder ein Umbruch. Doch wo waren die Bruchstücke der Treppenanlage? Waren sie ordentlich eingelagert? Oder blieben sie für immer verschollen? Unverhofft stießen Mitarbeiter des städtischen Grünflächenamtes am Rande einer peripheren Deponie auf die Fragmente der Stufen und ihrer künstlerischen Einfassung. Von Einlagerung keine Spur, von Totalverlust glücklicherweise auch nicht. Jetzt hofften die Wagnerianer, dass die Treppenanlage an ihren zugedachten Standort zurückkehren konnte. Eine stadtgeschichtlich neu gepolte Verwaltung hakte sich unter und förderte nach Maßgabe der Vorschriften.

Welches Denkmal sollte an Wagner erinnern, sobald der Klinger-Sockel aus dem Hain an der Elster endlich an seinen geplanten Standort am Promenadenring umgesetzt würde? Vollendung der Klinger-Idee? Oder ein Neuguss des 1934 vorgesehenen, wahrhaft riesigen Standbilds? Im Rückblick behauptet jeder Involvierte, in Kenntnis der drückenden historischen Belastung niemals für den Neuguss gewesen zu sein. Gut so. 

Die Stadt Leipzig und die Verbände der Wagnerianer lobten klugerweise einen künstlerischen Wettbewerb aus. Es gewann Stefan Balkenhol aus Karlsruhe. Er kombinierte das Abbild des jungen Wagner, der all seine Schaffensimpulse in der Jugend in Leipzig erhielt, im Biedermeier-Gewand eines eleganten Gehrocks (farblich akzentuiert) mit dem Schatten der Skulpturen-Idee, wie sie einhundert Jahre zuvor von Max Klinger stammte.

Am 15. Mai 2013 brachte ein Transporter den lebensgroßen Bronze-Wagner nach Leipzig. An diesem strahlenden Maientag blühten ringsum die Rabatten, so als wäre einzig und allein üppiger Blumenschmuck geeignet das Abbild des Komponisten in seiner Geburtsstadt zu begrüßen, und Stefan Balkenhol leitete persönlich die Aufstellung des Denkmals. Am 22. Mai 2013, zum 200. Geburtstag des Künstlers, fand die Einweihung statt. Seither streiten die Leipziger, ob die skulpturale Würdigung gelungen sei. Denn am authentischen Ort findet sich ein Denkmalsockel, der einst eine andere figurale Version tragen sollte, und das alles findet kaum 150 Meter von Wagners Geburtshaus statt, das es nicht mehr gibt. Wenn endlich das dumpfe Büromonster hinter dem Denkmal verschwinden würde, wären wohl alle Betrachter versöhnter als bislang.

Stand: 10.01.2022

Rabensteinplatz

Rabensteinplatz | Ortsteil: Zentrum-Südost

Der Rabensteinplatz war seit dem Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert eine von mehreren Richtstätten Leipzigs. Hier gab es Hinrichtungen der ehrenvolleren Art von Delinquenten auf dem Schafott. Diese fanden auf einem steinernen Podest vor der Öffentlichkeit statt. Nach dem Abbruch des Galgens und des Rabensteins im Jahr 1822 wurde der Platz 1866 nach Plänen des Ratsgärtners Otto Wittenberg als landschaftliche Anlage mit barocker Brunnenanlage und Spielplatz umgebaut. 1951 wurde der Rabensteinplatz neugestaltet und der Froschbrunnen im Jahr 2018 mit einer neuen Brunnenplastik ausgestattet. Heute steht die Grünanlage des Rabensteinplatzes unter Denkmalschutz.

Thomanergesang zu ehrenhaften Hinrichtungen auf dem Rabensteine…


Der sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum
Johannisplatz und dem Grassimuseum befindliche geschichtsträchtige Rabensteinplatz blickt auf eine wechselvolle Historie zurück. Nachdem die Stadt im Jahr 1423 von Kurfürst Friedrich I., Herzog von Sachsen, die selbstständige Gerichtsbarkeit erhielt, diente das Areal im Mittelalter als Hinrichtungsstätte. Der Strafvollzug wurde an verschiedenen Stellen innerhalb und außerhalb der Stadtgrenzen ausgeübt. Einer dieser Hinrichtungsorte war der Rabensteinplatz, wo auf einem steinernen Podest, dem Rabenstein, Enthauptungen von Delinquenten durchgeführt wurden. Dies stand im Mittelalter nur höherrangigen Personen zu. Eine weitere Hinrichtungsstelle befand sich zu dieser Zeit am Gerichtsweg, wo an einem Doppelgalgen gewöhnliche Verbrecher hingerichtet wurden. 

In Johann Wolfgang Goethes „Faust“ wird der Rabenstein in der Szene „Nacht. Offen Feld“ als unheimlicher Ort erwähnt, der dem Dichter aus seiner Zeit in Leipzig bekannt war. Noch bis ins 18. Jahrhundert fanden auf dem Rabensteinplatz Hinrichtungen statt, bevor diese in das Stadtzentrum auf den Markt verlegt wurden. Da die Todesstrafe zu dieser Zeit normalerweise durch Erhängen am Galgen vollstreckt wurde, galt die Hinrichtung mit dem Richtschwert auf dem Rabensteinplatz als verhältnismäßig ehrenvoll.

Zur Namensherkunft des Rabensteinplatzes gibt es verschiedene Überlieferungen. Neben dem unter dem Namen „Rabenstein“ bekannten steinernen Podest, auf welchem die Hinrichtungen stattfanden, besagt eine weitere Überlieferung, dass die sterblichen Überreste der Enthaupteten zur Abschreckung auf dem Platz der Hinrichtung für die Raben hinterlassen wurden. Der Name existiert ebenfalls in anderen Städten mit ähnlichen Hinrichtungsstätten, etwa in Erfurt, Berlin, Frankfurt und Wien. Die Teilnahme an den Hinrichtungen war für die Bewohner der Städte Pflicht und ein Nichterscheinen strafbar. Die öffentlichen Hinrichtungen sollten der Abschreckung und der Machtdemonstration dienen und galten bis ins 19. Jahrhundert als ein Spektakel, das vom Volk geliebt wurde. Die Hinrichtungsstätten wurden über Jahrhunderte hinweg aufwändig instandgehalten. Wie aus Überlieferungen hervorgeht, wurde der Rabenstein im Jahr 1619 zu einer ca. drei Meter hohen Bühne mit ovalem Grundriss und einem Behältnis für die Werkzeuge des Scharfrichters umgebaut. Die zur Hinrichtung verurteilten Delinquenten begleitete man in einer Prozession vom Alten Rathaus bis zum Schafott. Besonders üble Verbrecher wurden auf einer Kuhhaut bis zur Hinrichtungsstätte geschleift. Da den Verurteilten geistlicher Beistand zustand, musste der Thomanerchor auch zu solchen Anlässen singen.

Von der einst gemiedenen Richtstätte zum beliebten Aufenthaltsort


Wann die letzte Hinrichtung auf dem Rabensteinplatz stattfand, ist nicht genau überliefert. Der Rabenstein und die Galgen wurden im Jahr 1822 abgebrochen und zum Gedenken an der Ecke Gerichtsweg / Dresdner Straße ein Markstein gesetzt, der noch heute als
Denkmal für das Hochgericht Leipzig besichtigt werden kann.

Durch den Verlust seiner einstigen Bedeutung wurde der Rabensteinplatz in der Folgezeit von den Bürgern der Stadt gemieden. Der Platz wurde zwischenzeitlich von der Stadt als Lagerplatz für Baumaterialien oder im Winter für den von den Straßen geräumten Schnee genutzt. 

Im Jahr 1843 stellte Ratsgärtner Otto Wittenberg erste Überlegungen an, den Platz als Gartenanlage umzugestalten. Der überarbeitete Plan wurde aus Kostengründen 23 Jahre später 1866 vom „Comitee zur Unterstützung brodloser Arbeiter“ mit Arbeitslosen umgesetzt. Anstelle der ursprünglich geplanten landschaftlichen Anlage entstand ein funktional aufgebauter, symmetrisch gestalteter Stadtplatz mit zwei ovalen Sandflächen als Spielflächen für die Kinder, Bäumen und sieben Sitzbänken. In den Folgejahren fanden zahlreiche gestalterische Veränderungen und Erweiterungen am Platz statt, der sich zu einem beliebten Aufenthaltsort der Bürger nahe der Innenstadt entwickelte. Initiiert von den aufstrebenden, zunehmend selbstbewussten Bürgern wurde 1869 aus Spendengeldern auf dem östlichen Bereich des Platzes ein barocker Brunnen, bestehend aus einem Bassin mit Fontäne und zwei unterschiedlich großen Schalen, ergänzt. Die von der Firma M Czarnikow & Co. Kunststein und Zinngießerei geschaffenen drei Delphine und drei Knaben gießen Wasser in das Becken. Im Jahr 1880 erhielt der Rabensteinplatz ein öffentliches Pissoir für drei Personen. 1909 wurde auf dem Platz der vermutlich älteste noch bekannte Froschbrunnen erbaut. Die vom Bildhauer Werner Stein geschaffene Brunnenplastik zeigte eine Figurengruppe bestehend aus einem großen, wasserspeienden Frosch mit zwei Kindern, während der Beckengrund mit einem Mosaik aus goldenen und blauen Glassteinen verziert war. 

Während des 2. Weltkriegs wurde zum Schutz der Bevölkerung ein Luftschutzbunker auf dem östlichen Teil des Rabensteinplatzes errichtet, wofür der Fontänebrunnen demontiert werden musste. 1942 wurde die bronzene Figurengruppe als „Metallspende des Deutschen Volkes an den Führer“ demontiert. Jahrzehnte lang war nur noch der Beckenrest zu sehen. Nach 1945 wurden die sichtbaren Teile des Luftschutzbunkers entfernt und der unterirdische Teil mit Erde überdeckt. Im Jahr 1951 erfolgte die Umgestaltung des Rabensteinplatzes nach Plänen des Landschaftsarchitekten Gerhard Scholz. Diese nahmen jedoch keinen Bezug auf die ursprüngliche Anlage von Wittenberg. Stattdessen wurde eine dem damaligen Zeitgeist entsprechende landschaftliche Anlage geschaffen. Nach einigen Jahren der Vernachlässigung wurde der Rabensteinplatz 2017 neu bepflanzt und ein Jahr später der Froschbrunnen mit der vom Leipziger Bildhauer Markus Gläser geschaffenen Brunnenplastik wieder in Betrieb genommen. Der Rabensteinplatz steht heute unter Denkmalschutz. 

Stand: 27.09.2023

Bildergalerie - Rabensteinplatz

Porzellanglockenspiel

Grimmaische Straße 2-4 / Mädler-Passage | Ortsteil: Zentrum

In der vor allem von Touristen stark frequentierten Mädler-Passage befindet sich neben Auerbachs Keller und der davor platzierten Figurengruppe Faustskulpturen eine weitere Attraktion, die nur von wenigen Passanten wahrgenommen wird, da sie nicht auf den ersten Blick sichtbar ist. Auch nach über 50 Jahren gilt deshalb das Porzellanglockenspiel in der Mädler-Passage als Geheimtipp. Wer an einer organisierten Stadtführung mit einem Leipziger Gästeführer teilnimmt, wird natürlich auf das originelle Glockenspiel hingewiesen, denn ein Rundgang durch Leipzigs attraktivste Passage ist ein Bestandteil jeder Gästeführung, die durch die Innenstadt führt. 

Das eher unscheinbare Glockenspiel wurde 1970 in der Rotunde der Mädler-Passage am Übergang zur Petersstraße angebracht. Es besteht aus 25 Glocken, die in der Porzellanmanufaktur Meissen aus Meissner Porzellan gefertigt wurden. Bis heute spielt das automatisch gesteuerte Glockenspiel zwischen 10 und 18 Uhr zu jeder vollen Stunde unterschiedliche klassische Melodien oder Volkslieder.

Stand: 27.09.2023

Bildergalerie - Porzellanglockenspiel

error: Dieser Inhalt ist geschützt! Es ist nicht gestattet, diesen Inhalt zu kopieren. Vielen Dank für Ihr Verständnis.