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Historische Ostermesse

Markt | Ortsteil: Zentrum

Die Leipziger Ostermesse findet alljährlich am Osterwochenende auf dem Markt vor dem Alten Rathaus statt. In altbewährter Tradition bieten zahlreiche Händler und Handwerker in mittelalterlichen Kostümen ihre Waren feil. Die erste Historische Ostermesse fand 1996 statt, als es die Leipziger Messe vor die Tore der Stadt auf das neue Messegelände zog. Abgerundet wird das österliche Markttreiben von einem abwechslungsreichen Bühnenprogramm und dem integrierten „Kleinen Ostermarkt“ mit einer Auswahl an österlichem Kunsthandwerk.

Von den mittelalterlichen „Jahrmärkten“ zu Leipzigs Messen


Der Ausgangspunkt für die Entwicklung der Leipziger Messen war das Meilenprivileg des Stadtbriefes von 1165, dessen Frühgeschichte aufgrund von mangelnder Quellenüberlieferung unklar ist. Nachrichten von deutschen Märkten reichen bis ins Jahr 805 zurück. Im Jahr 1268 sicherte der wettinische
Markgraf Dietrich von Landsberg der Leipziger Bürgerschaft in einer Urkunde zu, „daß alle Kaufleute, woher sie auch kommen mögen, wenn sie Kaufmannswaren in unserer Stadt kaufen oder verkaufen wollen“, vollen Schutz und jede Förderung genießen, selbst dann, wenn „wir mit den Landesherren dieser Kaufleute in offener Fehde liegen“. Bei diesem Privileg handelte es sich um eine wichtige wirtschaftliche Errungenschaft für Leipzig und eine Absicherung der städtischen Kaufmannschaft gegen feudale Willkür auf dem Land. In der Folge besuchten immer mehr Kaufleute die Leipziger Jahrmärkte. Die Wirtschaftskraft der Stadt wuchs und die Handelsbeziehungen zu Süddeutschlands Städten, dem Hanseraum, Polen, Böhmen und Schlesien in Kombination mit der landesherrlichen Förderung forcierten die Entwicklung der Jahrmärkte zu Warenmessen.

Im mittelalterlichen Leipzig fanden die lebenswichtigen Märkte jeweils dienstags und freitags statt. An den Ständen der Bürger und Bauern wurden Waren des täglichen Bedarfs verkauft. Dank eines Privilegs von 1359 unterlag die Bevölkerung von 21 umliegenden Dörfern der Zollfreiheit der Leipziger Wochenmärkte. Die Leipziger Messen wurden im Mittelalter grundsätzlich als „Jahrmärkte“ bezeichnet, wobei das Wort „Messe“ für die Leipziger erst im Jahr 1507 in einem von der kaiserlichen Kanzlei stammenden Schriftstück verwendet worden war. Obwohl bei den Messen und Jahrmärkten zu dieser Zeit der Handel eine zentrale Rolle spielte, waren diese Veranstaltungen nicht immer identisch. Bei den Messen überwog der überregionale, zum Teil internationale Charakter des Marktes sowie des Fernhandels. Der Warengroßhandel war besonders ausgeprägt und die Entwicklung des Geld- und Kreditverkehrs fortgeschritten. Zur Zeit der Erwähnung der Leipziger Jahrmärkte entstand auch die Frankfurter Herbstmesse und die Messen der Champagne galten als die führenden nördlich der Alpen.

Feilschen wie vor 500 Jahren: Leipzigs erste Historische Ostermessen


Die Ursprünge der Historischen Ostermesse reichen ins Jahr 1996 zurück, als die Leipziger Messe auf das neuerbaute Messegelände zog, während der alte Markt vor dem Alten Rathaus blieb. Vom 6. bis zum 14. April 1996 konnten rund 250.000 Besucher die ca. 85 Stände der Hökerer und Handwerker im Salzgäßchen und auf dem Markt besuchen. Anlässlich des 500-jährigen Jubiläums zur Verleihung des Reichsmesseprivilegs durch
Kaiser Maximilian I. wurde im Jahr 1997 unter dem Motto „Das Jahr der Veste“ vom 29. März bis zum 6. April 1997 ein vielfältiges Kulturangebot wie um 1497 geboten. Zwischen 1998 und 2000 fanden die Ostermessen der Romantik nach historischem Vorbild statt. Mit dem Übergang der Warenmessen auf dem Markt zur Mustermesse und den Rückzug in die Messehäuser blieben im Freien zahlreiche Schausteller, Handwerker und Krämer, die es verstanden, ihr Publikum zu unterhalten. Die Ostermesse 2001 stand ganz im Motto des Schwedenjahres. Während des Dreißigjährigen Krieges wurde Leipzig mehrfach besetzt und befand sich zeitweise unter schwedischer Administration. Die Messen wurden dementsprechend spartanisch gehalten. Um an diese Zeit zu erinnern, waren neben den Ständen der deutschen Handwerker und Hökerer auch schwedische Buden auf der Ostermesse 2001 präsent. Diese boten ihre Waren nach altem Brauch des 17. Jahrhunderts feil. Die Ostermessen zwischen 2002 und 2004 standen im Zeichen des „Renaissance-Mess‘-Spektakels“. Zu dieser Zeit verweilten Philipp Melanchthon und Martin Luther öfter in der Stadt und waren von der internationalen Strahlkraft der Leipziger Messen äußerst beeindruckt. Mit Einzug der Reformation in Leipzig 1539 konnten die Leipziger Buchdrucker nach Abschaffung des Druckverbotes von 1521 die Schriften der Lutheraner veröffentlichen und zur Messe präsentieren.

„Waren zum guten Gebrauche“: Buntes Ostertreiben im authentischen Flair


Heute bieten alljährlich am Osterwochenende ca. 80 Händler in altbewährter Tradition ihre „Waren zum guten Gebrauche“ feil. Seit 1996 stellt der Heureka-Zunftmarkt dar, wie die ausländischen Kaufleute des Mittelalters, darunter Handwerker und Kramer, ihr Gut vor dem Alten Rathaus anboten. An den Buden und Ständen kann ein vielfältiges Angebot von Keramikartikeln und Schmuck über Korbwaren und Feinkost erworben werden. Für ein authentisches historisches Flair auf dem Markt sorgen die Verkäufer in ihren mittelalterlich anmutenden Gewändern. An mehreren Ständen gibt es Met und Honigwein, aber auch saisonale Biere. Die kleinen Gäste können sich auf authentische Verkleidungen mit Holzschwertern, Armbrüsten und Ritterhelmen freuen. Auch eine Fahrt mit den per Kurbel angetriebenen Holzkarussells oder der Kletter-Heurekabahn sorgen für Spaß und Abwechslung. Wer nichts kaufen möchte, der kann einfach über die Ostermesse bummeln und das bunte Treiben bestaunen. Ein tägliches abwechslungsreiches Bühnenprogramm rundet die bis Ostermontag andauernde Veranstaltung ab. Der vom Marktamt der Stadt Leipzig organisierte und auf dem Nordflügel des Marktes in das Marktgeschehen integrierte „Kleine Ostermarkt“ präsentiert österliches Kunsthandwerk. 

Stand: 17.12.2023

Bildergalerie - Historische Ostermesse

Historisches Bildmaterial - Historische Ostermesse

Heizkraftwerk Leipzig Süd

Bornaische Straße 120 | Ortsteil: Lößnig

Es ist das „sauberste Heizkraftwerk“ der Welt. Mehr als 5.000 Besucher wollen sich von dieser Ankündigung überzeugen, mit der die Leipziger Stadtwerke für das neue Heizkraftwerk Leipzig Süd in der Bornaischen Straße 120 werben. Das wird mit einem Bürgerfest am 23. Oktober 2023 offiziell eingeweiht. Zu diesem Zeitpunkt ist es allerdings schon einige Monate am Netz. Das Heizkraftwerk ist Ende 2022 in den Dauerbetrieb gestartet – vorerst mit Erdgas. Der kommunale Energieversorger kündigt an, dass in den modernen Anlagen bereits in zwei Jahren Wasserstoff zum Einsatz kommen soll – zumindest als Beimischung. „Damit sichern wir die Energieversorgung und liefern zugleich einen wichtigen Beitrag zum Erreichen unserer Klimaziele“, sagt Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung bei der Eröffnung. Die Stadtwerke haben in das Projekt über 180 Millionen Euro investiert.

In der Anlage an der Bornaischen Straße kommen zwei moderne, hocheffiziente Gasturbinen zum Einsatz. Sie befinden sich in einem neu errichteten bronzegoldenen Gebäude. Diese Turbinen sollen das Erdgas besonders sauber verbrennen, heißt es. Garantiert seien „kaum messbare Luftschadstoffe, die weit unter dem Niveau der gesetzlich zulässigen Grenzwerte liegen“, teilen die Stadtwerke mit. Spezielle Katalysatoren sorgen dafür, die wesentlichen Emissionen von Stickstoffoxiden und Kohlenmonoxid zu reduzieren.

Turbinen können grünen Wasserstoff verbrennen


Rund 60 Meter hoch und weithin sichtbar ist der neue „Koloss von
Alt-Lößnig„. Dieser Wärmespeicher (Fassungsvermögen: rund 43.000 Kubikmeter Wasser) speichert die im Kraftwerk erzeugte, aber nicht sofort benötigte thermische Energie. Bei Bedarf wird sie ins Fernwärmenetz eingespeist. Dabei kann die Anlage laut Stadtwerken sehr schnell auf den Energiemarkt reagieren. Das Kraftwerk läuft nur dann auf vollen Touren, wenn nicht genügend Heizwärme aus Sonnen- oder Windenergie zur Verfügung steht. An kalten Wintertagen kann es den Fernwärmebedarf für ein Drittel der Leipziger Haushalte liefern. In diesen sogenannten Dunkelflauten stellt das Kraftwerk Strom und gleichzeitig Wärme bereit. 

Die Siemens-Gasturbinen sind dafür ausgelegt, von Anfang an hohe Anteile von grünem Wasserstoff zu verbrennen. Dieser wird mit Strom aus Solar- und Windkraft erzeugt. Die Herstellung ist allerdings derzeit noch sehr energieintensiv und teuer. Diese technologische Option ermöglicht es jedoch, die Strom- und Wärmeerzeugung perspektivisch vollständig auf erneuerbare Technologien umzustellen. Die Leipziger Stadtwerke wollen sich ab 2025 an einem vom Bund geförderten Entwicklungsprojekt beteiligen – gemeinsam mit dem Turbinen-Hersteller Siemens Energy und der Leipziger Hochschule für Technik Wirtschaft und Kultur (HTWK). Das kündigt Projektmanager Thomas Brandenburg bei der Eröffnung an, die wie ein Volksfest gefeiert wird. Das Unternehmen bedankt sich damit bei Anwohnern auch für die Erschwernisse der Bauphase. Wann grüner Wasserstoff im kommerziellen Betrieb genutzt werden kann, ist derzeit unklar. Das hängt von der Verfügbarkeit des klimaneutralen Gases zu wettbewerbsfähigen Preisen ab. Notwendig ist zudem, eine Wasserstoff-Pipeline zu errichten.

Kraftwerksareal hat lange Historie


Das Areal an der Bornaischen Straße hat eine lange Geschichte für die Energieversorgung Leipzigs. 1895 entsteht zwar in der Eutritzscher Straße auf dem Gelände der ersten städtischen Gasanstalt das erste Elektrizitätswerk Leipzigs. Doch um die Jahrhundertwende kommt der industrielle Aufschwung in Fahrt. Die Bevölkerung wächst rasant, in kurzer Zeit wird eine große Anzahl neuer Firmen, Verwaltungsgebäude und Wohnungen gebaut. Das Elektrizitätswerk Nord stößt an seine Grenzen. Die Erzeugerleistung reicht nicht aus, um den Strombedarf zu decken. Ein zweites Elektrizitätswerk wird daher benötigt.

Die Stadtverordneten entscheiden sich im Februar 1908 für das Gelände im Leipziger Süden, auf dem vorher einmal eine Ziegelei angesiedelt war. Ausschlaggebend ist die Nähe zu den Gleisen der Bahnlinie Leipzig-Altenburg, aber auch zum Schacht Dölitz in der Friederikenstraße. Dort wird Braunkohle gefördert, die zunächst mit Pferdewagen transportiert wird. Eine Zeitlang existiert sogar eine von der Leipziger Firma Bleichert Werke gebaute offene Drahtseilbahn als Transportmittel. Die wird aber stillgelegt als sich Beschwerden der Anwohner über eine Staubbelastung häufen. Die Kohle wird danach per Eisenbahnwaggons angeliefert. Nahe gelegen ist die Mühlpleiße, der Kondensationswasser entnommen werden kann.

Im August 1908 beginnen die Bauarbeiten, im April 1910 geht das neue Kraftwerk mit einem 75 Meter hohen Schornstein in Betrieb. 1925 wird es erweitert. Nach dem Zweiten Weltkrieg ordnet die Sowjetische Militäradministration eine weitgehende Demontage der Kraftwerksanlagen als Reparationsleistung an. Später wird die Anlage als Ernst-Thälmann-Kraftwerk ausgebaut. Im April 1963 kommt es im Maschinenhaus zu einem Großbrand, der den Totalausfall des Werkes nach sich zieht. Danach wird es wieder aufgebaut. 1994 entsteht noch ein mit Erdgas befeuerter Dampferzeuger. Das Kraftwerk wird 1996 stillgelegt, das Gelände aber weiterhin von den Leipziger Stadtwerken genutzt.

Stand: 17.12.2023

Bildergalerie - Heizkraftwerk Leipzig Süd

Gormsen, Niels

Architekt, Städteplaner, Baubürgermeister | geb. am 9. August 1927 in Rottweil; gest. am 10. Juli 2018 in Borna

In Leipzig bricht er wahrhaftig zu „neuen Ufern“ auf: Für Niels Gormsen ist nicht nur die von der Bürgerschaft initiierte Freilegung von Pleißemühlgraben und Elstermühlgraben eine Herzensangelegenheit. Schon im reifen Alter von 63 Jahren kommt der Stadtplaner von Mannheim an die Pleiße. Er folgt 1990 einer Bitte des neuen Leipziger Oberbürgermeister Hinrich Lehmann-Grube, weil in Leipzig ein Dezernent für Stadtentwicklung gesucht wird. Nach seinen Ausscheiden aus der Stadtverwaltung bleibt Gormsen hier und vor allem aktiv. Bis ins hohe Alter hinein und allen körperlichen Einschränkungen zum Trotz nimmt er als wacher Zeitgenosse am städtischen Leben teil. Selbst im Krankenbett greift er noch zum Telefonhörer, um seine Meinung kundzutun. Viele Leipziger haben ihn in Erinnerung, wie er mit über 90 Jahren im „Rolli“ zu Veranstaltungen kommt. Und dort ab und an ein „Nickerchen“ macht.

Aus Niederlage wird eine Chance


Geboren wird der deutsche Architekt und Städteplaner in Rottweil. In Königsfeld im Schwarzwald besucht er das Gymnasium. Von 1951 bis 1958 studiert Gormsen Architektur an der Technischen Hochschule Stuttgart sowie an der Königlich-Technischen Hochschule Stockholm. In Stuttgart arbeitet er als Assistent am Lehrstuhl für Städtebau. Von 1962 bis 1972 leitet er das Stadtplanungsamt von Bietigheim/Württemberg. 1973 wechselt er zur Stadt Mannheim und übernimmt dort das Amt eines Baubürgermeisters. Er gilt als anerkannter Fachmann, die Kompetenz des Parteilosen ist über alle Parteigrenzen hinweg unbestritten. Oft wird er als „Baubürgermeister mit dem grünen Herzen“ bezeichnet. Dennoch wird er 1988 nicht wiedergewählt. Die SPD erhebt Anspruch auf den Posten, um ein Parteimitglied unterzubringen.

Doch aus dieser Niederlage wird eine Chance. Der neue Leipziger Oberbürgermeister Hinrich Lehmann-Grube erfährt, dass in Mannheim ein fähiger Stadtplaner nach einer neuen Tätigkeit sucht und holt Gormsen 1990 an die Pleiße. Das wird zwar keine leichte Aufgabe. Gerade lief der legendäre Dokumentarfilm „Ist Leipzig noch zu retten?“ im DDR-Fernsehen, der ein eher düsteres Bild von der Messestadt mit vielen zum Teil unbewohnbaren Gründerzeithäusern und vielen maroden Bauten zeichnet. An der Rettung Leipzigs mitzuwirken, wird für Gormsen sowohl Herausforderung als auch ein großes Lebensglück. Mit seiner Erfahrung und viel Geschick versucht er Förderprogramme anzuzapfen, die in den Folgejahren die Sanierung eines Großteils des Denkmalbestands ermöglichen. Investoren geben sich in diesen Jahren im Neuen Rathaus buchstäblich die Klinke in die Hand, um beim Aufbau Ost mitzuwirken und freilich daran zu verdienen. Zu ihnen gehört auch ein gewisser Jürgen Schneider. Der Baulöwe, der später wegen seiner kriminellen Energie verurteilt wird, hat dennoch die Sanierung vieler Gebäude in Leipzig auf den Weg gebracht.

Gormsen ist stolz auf Projekte, die mit seiner Hilfe angeschoben und realisiert werden können. Etwa auf die neue Leipziger Messe, den Umbau des Hauptbahnhofs, das Paunsdorf-Center sowie die Initiative „Pleiße ans Licht“ mit seiner ehrenamtlichen Tätigkeit für den Neue-Ufer-Verein. Natürlich macht er sich in Leipzig nicht nur Freunde: Für „Keksrollen“-Eckhäuser und den Umbau des Hauptbahnhofs wird er damals von einigen beschimpft.

Der Höhepunkt eines Berufslebens


In seiner Amtszeit schafft er mit seinen Mitarbeitern wesentliche Grundlagen für eine geordnete städtebauliche Entwicklung der alten Messestadt nach der
Friedlichen Revolution. Leipzig beschert ihm, wie er einmal in einem Interview sagt, „den Höhepunkt des Berufslebens“. Die Stadt nennt er ein bisschen euphorisch „eine späte Liebe“. 

Nach der Pensionierung 1995 engagiert er sich für das Leipziger Neuseenland, eine Seenlandschaft, die anstelle früherer Tagebaue entsteht. Oft genug erhebt er seine Stimme, wenn wieder einmal in seinen Augen falsche Weichenstellungen im Städtebau gemacht werden. Und engagiert sich in durchaus spektakulären Aktionen, etwa um die Sprengung der Abraumförderbrücke im Tagebau Zwenkau zu verhindern und diese als Denkmal zu retten. Das klappt zwar ebenso wenig, wie der Erhalt der Kleinen Funkenburg. Interne Aufforderungen, sich als Ex-Stadtbaurat nicht öffentlich in Belange der Stadtentwicklung einzumischen, weist er zurück. „Ich bin ein freier Bürger“, sagt er. 2017 kritisiert er das Verfahren zur künftigen Gestaltung des Wilhelm-Leuschner-Platzes. In einem offenen Brief an Oberbürgermeister Burkhard Jung wirft er der Stadtverwaltung eine Missachtung des bürgerschaftlichen Engagements vor.

Bücher über den Wandel Leipzigs


Gemeinsam mit dem Fotografen
Armin Kühne publiziert er Bücher über den Wandel Leipzigs. Gormsen hat die Idee, die sanierte Stadt, mit dem Zustand der Stadt zu seiner Amtsübernahme 1990 zu vergleichen. Kühne, der Leipzig seit Jahrzehnten fotografisch detailreich dokumentiert, hat dafür genau die geeigneten Bilder. Weil sich für den Erstling kein Verlag interessiert, finanziert Gormsen die erste Auflage des Buches privat. Später werden seine Bücher zum Verkaufsschlager des Verlages Edition Leipzig.

Gormsen selbst veröffentlicht ebenfalls Skizzenbücher. Seine künstlerische Ader als Architekt verwirklicht er in unzähligen Zeichnungen. Eine von der Kongresshalle am Zoo wird sogar das Logo des gleichnamigen Fördervereins. Und er organisiert „mit Schlips und Kragen“ Radtouren, die nahezu legendär werden. Nach dem Tod seiner Frau Traute, die in Mannheim lebte, heiratet er im Januar 2017 seine langjährige Leipziger Weggefährtin Hella Müller. Er ist Gründungsmitglied und langjähriger Vorsitzender und Ehrenvorsitzender des Fördervereins Neue Ufer. Außerdem engagiert er sich als Ehrenvorsitzender der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung. Geehrt wird er sowohl mit dem Bundesverdienstkreuz als auch dem Verdienstkreuz des Freistaates Sachsen.

Vier Wochen vor seinem 91. Geburtstag stirbt er bei einem Krankenhausaufenthalt in Borna. Sein Nachlass befindet sich heute im Stadtarchiv Leipzig. Dabei handelt es sich um Skizzenbücher, Aufsätze, Vorträge, Briefe und Fotos, die von seiner Kreativität und seinem Engagement für die Stadt zeugen. Mit der Schenkungsurkunde wurde geregelt, dass der Nachlass erst nach dem 1. Januar 2029 öffentlich zugänglich und nutzbar sein wird, um private Belange der Familie und anderer Weggefährten zu schützen.

Stand: 17.12.2023

Bildergalerie - Gormsen, Niels

Gohlis

Ortsteile: Gohlis-Mitte, Gohlis-Süd, Gohlis-Nord

Der im 7. Jahrhundert von sorbischen Siedlern als Gassendorf angelegte Ort entwickelte sich erst Ende des 19. Jahrhunderts und nach der Eingemeindung nach Leipzig im Jahr 1890 vom Dorf zum dicht besiedelten Stadtteil. Heute ist Gohlis durch zahlreiche Bauten aus der Gründerzeit, dem Jugendstil sowie dem Stil der 1920er Jahre geprägt und zählt zu den bevölkerungsreichsten Stadtteilen Leipzigs. Hier befinden sich unter anderen das Schillerhaus, das Gohliser Schlösschen und die Gosenschenke „Ohne Bedenken“

Vom Gassendorf zum gehobenen Wohnviertel


„Wem’s zu wohl ist, der geht nach Gohlis.“ Die Geschichte von Leipzigs gehobenem Wohnviertel im Norden der Stadt reicht bis ins 7. Jahrhundert zurück, als das Dorf Gohlis vermutlich von sorbischen Siedlern als Gassendorf angelegt wurde. Sein früherer slawischer Ortsname „Goluz“, was auf altsorbisch „goly“ so viel wie kahl bzw. öde bedeutet, könnte als Bezug auf die waldfreie Umgebung verstanden werden. Um das Jahr 1.000 ließen sich in dem Ort flämische Siedler nieder. Erstmals urkundlich erwähnt wurde Gohlis im Jahr 1317. Seine Lage auf einer saalezeitlichen Terrasse oberhalb der Elsteraue bot dem Ort Schutz vor Überschwemmungen. Während der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts wurde dem Ritter
Johannes Porczik das Dorf mitsamt seiner Mühle als Lehen vermacht, bevor 1349 der böhmische Ritter Otto Pflugk vom Markgrafen mit dem Dorf belehnt wurde. Im Jahr 1659 gelangte Gohlis in den bürgerlichen Besitz des Medizinprofessors Michael Horn. 1720 wurde der Leipziger Jurist Lüder Mencke zwischenzeitlich neuer Eigentümer. 

Bis ins frühe 19. Jahrhundert bestand Gohlis aus einer einzigen langen Straße, entlang der 40 bis 50 Bauernhöfe angesiedelt waren. Im Jahr 1834 zählte das Dorf 629 Einwohner. Heute lässt sich von der ursprünglich dörflichen Bausubstanz nur noch im bogenförmigen Verlauf der Menckestraße, welcher den Terrassenrand nachbildet, der alte Ortsgrundriss erahnen. Auf mittlerer Höhe der Straße schließt die Menckestraße eine Grünfläche, den einstigen Gohliser Anger, ein. Dieser teilte das Dorf ursprünglich in ein Unterdorf im Westen und ein Oberdorf im Osten. Am Ortsrand auf Höhe der heutigen Platnerstraße gab es damals einen zweiten Siedlungskern mit Schmiede und Gohliser Mühle, in der sich heute unter anderem das Münsters. Restaurant-Bar-Biergarten befindet. Ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts verlor das Dorf durch die vereinzelte Entstehung von Landhäusern allmählich seinen rein agrarischen Charakter. Als prächtigste der bürgerlichen Sommerresidenzen gilt das 1755/56 errichtete Gohliser Schlösschen. Seinem damaligen Eigentümer Johann Gottlob Böhme war es zu verdanken, dass man auf dem von ihm angelegten Dammweg trockenen Fußes vom Rosental kommend entlang der Parthe und des Pleißemühlgrabens ins Dorf Gohlis flanieren konnte. Zu dieser Zeit entwickelte sich Gohlis zu einem immer beliebter werdenden Ausflugsziel für Leipzigs Bürger. Das sächsische Militär verhinderte lange Zeit die Verschmelzung von Leipzig und Gohlis und hemmte somit die städtebauliche Entwicklung, da große Areale in der Nordvorstadt als Kasernengelände und Exerzierplatz genutzt wurden, darunter die Theodor-Körner-Kaserne, die am 30. September 2007 durch die Bundeswehr aufgegeben wurde. Anschließend wurde das Areal von einem Immobilienentwickler zum Wohnquartier „Sieben-grün“ umgestaltet. Bereits im Jahr 1992 war die Sowjetarmee aus Leipzig abgezogen und räumte auch die von ihr genutzten Gebäude an der Olbrichtstraße.

Gohlis‘ architektonisches Aushängeschild von Jugendstil bis Gründerzeit


Mit Überschreitung der 5.000-Einwohner-Schwelle und nach Loslösung vom Stadtteil
Eutritzsch erhielt Gohlis eine eigene Kirche, die am 31. Oktober 1873 eingeweihte Friedenskirche. Nach der Eingemeindung von Gohlis nach Leipzig im Jahr 1890 und das Heranwachsen des Ortes auf fast 20.000 Einwohner, blieb das Gebiet auch weiterhin überwiegend unbebaut. Entlang der wichtigsten Gohliser Wachstumsachse, der Chaussee nach Schkeuditz und Halle, siedelten sich Großbetriebe wie 1972 die Gohliser Actien-Brauerei an. Im Jahr 1881 ließ sich auch der Erfinder des deutschen Drahtseilbahnsystems, Adolf Bleichert, mit seiner Firma, den Bleichert-Werken, an der Chaussee nieder und ließ in der Lützowstraße 19 im Jahr 1890/91 die Villa Bleichert – das heutige Heinrich-Budde-Haus – errichten. Die Industrialisierung wirkte sich wenig auf das Gohliser Stadtbild aus, welches äußerlich auch weiterhin von kleineren und mittleren Betrieben geprägt war. Nach 1890 entwickelte sich der Stadtteil rasant zur Großstadt: Nördlich der Eisenbahn entstand das Gebiet „Neu-Gohlis“ und es entstanden neue Wohngebiete wie das Französische Viertel. Durch die Ansiedlung des Militärs im Nordwesten wurden neben zahlreichen Kasernen auch neue Wohngebiete erbaut. Die höchste Bevölkerungszahl verzeichnete Gohlis zu Beginn der 1930er Jahre mit rund 55.000 Einwohnern. Während des Zweiten Weltkriegs blieb Gohlis, abgesehen von einzelnen zerstörten Wohnquartieren und Straßenzügen, von größeren Zerstörungen bewahrt, so dass das Stadtbild, insbesondere im Bereich Gohlis-Süd, heute von prächtigen Villen und geschlossenen Mietshauszeilen aus der Gründerzeit und den 1920er Jahren geprägt ist. In Gohlis befinden sich mehr als 1.100 Wohnhäuser aus der Zeit vor 1918, davon etwa 700 Objekte im Teil Gohlis-Süd. Hinzu kommen rund 1.160 Wohngebäude aus der Zwischenkriegszeit. Im Ortsteil Gohlis-Nord entstanden um 1900 repräsentative Villenviertel, darunter die denkmalgeschützte Krochsiedlung sowie zahlreiche Kleingartenanlagen. 

Dank der umfangreichen Restaurierung baufälliger Altbauten und der Bebauung kriegsbedingter Brachflächen in den letzten Jahrzehnten sind im Gohliser Stadtbild kaum unbebaute Flächen oder unsanierte Gebäude zu finden. Im Zuge der Deindustrialisierung nach 1990 erfolgte der Abriss alter Industriebauten und deren Umbau zu Wohnungen. Die ehemaligen Kasernen wurden nach Rückzug des Militärs in Wohnquartiere umfunktioniert. Die Attraktivität des Wohnstandortes spiegelt sich auch im Anstieg der Bevölkerungszahl in Gohlis wider. Diese erhöhte sich allein seit dem Jahr 2000 um mehr als ein Drittel, in Gohlis-Süd sogar um ca. 50 Prozent. In den drei Ortsteilen Gohlis-Nord, Gohlis-Mitte und Gohlis-Süd mit einer Fläche von 530 Hektar lebten allein im Jahr 2016 über 43.000 Einwohner, was mehr als in jedem anderen Leipziger Stadtteil sind.

Kalte Gose und Besuch im Schillerhaus


Der Stadtteil Gohlis beherbergt wichtige Leipziger Sehenswürdigkeiten, darunter das Schillerhaus in der Menckestraße 42. Dabei handelt es sich um Deutschlands älteste Literaturgedenkstätte und Außenstelle des
Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig. Das Schillerhaus diente Friedrich Schiller 1785 als Sommerquartier. Hier verfasste er außerdem seine weltberühmte „Ode an die Freude“. Unweit des Schillerhauses befindet sich das Gohliser Schlösschen. Das Kleinod der sächsischen Kulturgeschichte wurde 1755/56 von Johann Caspar Richter als Sommerpalais erbaut. Nur etwa hundert Meter vom Gohliser Schlösschen entfernt liegt die Gosenschenke „Ohne Bedenken“, die einzige noch existierende Gosenschenke, deren Name von der Bierspezialität Gose stammt. Diese wird heute unter anderem in der Gosenschenke gebraut und ausgeschenkt. 

Übrigens: Der Spruch „Wem nicht wohl ist, der geh’ nach Gohlis!“ wird Johann Wolfgang Goethe zugeschrieben, der 1765 nach Leipzig kam, um an der Universität zu studieren. Der Volksmund änderte den Reim im Laufe der Zeit in „Wem`s zu wohl ist, der geht nach Gohlis“ und drückte damit aus, dass sich nur Besserverdienende ein Leben nahe der Stadt mit frischer Landluft und repräsentativen Gärten leisten konnten.

Stand: 17.12.2023

Bildergalerie - Gohlis

Historisches Bildmaterial - Gohlis

Gellert-Denkmal

Schillerstraße – Promenadenring | Ortsteil: Zentrum

Dem Dichter Christian Fürchtegott Gellert zu Ehren ließ der Buchhändler Johann Wendler 1774 ein Denkmal errichten. Nur fünf Jahre nach dessen Tod wurde das originale Gellert-Denkmal erbaut, das jedoch weder im Originalzustand noch am Originalplatz heute zu sehen ist.

Das Leben des Christian Fürchtegott Gellert


Christian Fürchtegott Gellert wurde am 4. Juli 1715 als neuntes von dreizehn Geschwistern in Hainichen geboren. Im Jahr 1734 kam er nach Leipzig und studierte dort mit zwischenzeitlicher Unterbrechung Theologie an der
Universität Leipzig. Schließlich wurde Gellert dort Professor für Poesie, Beredsamkeit und Moral, wobei er sich auf Prosa spezialisierte. Ein Schwerpunkt seines Seminars, das auch Johann Wolfgang Goethe seiner Zeit besuchte, war der Briefstil. Daneben schrieb und dichtete er Werke, wovon vor allem seine Fabeln große Bekanntheit erlangten. Aber auch Lustspiele, ein Roman, Lehrgedichte, Erzählungen sowie geistliche Oden und Lieder gehörten dazu. Sein gesamtes Leben in Leipzig wohnte er zurückgezogen und in einfachen Verhältnissen, bis er schließlich am 13. Dezember 1769 starb.

Ein Umzug kommt selten allein


Nur einige Jahre nach Gellerts Tod gab der Buchhändler Johann Wendler, der Gellerts Schriften verlegte, ein Denkmal für Gellert in Auftrag. Die Entwürfe dafür kamen von
Adam Friedrich Oeser, einem Freund Gellerts, und wurden von dessen Schüler, dem Bildhauer Friedrich Samuel Schlegel ausgeführt. Am 6. Februar 1774 wurde schließlich das Original-Denkmal in Wendlers Garten an der Johannisstraße errichtet.

Nach Wendlers Tod wurde das Gellert-Denkmal an die Universität übergeben, wo es seinen Platz im Burscherschen Garten des Paulinums fand. Im Jahr 1842 gab man es an die Stadt weiter, die es auf den Schneckenberg am Schwanenteich stellte. Somit stand es in unmittelbarer Nähe zu Gellerts einstiger Wohnung in der Ritterstraße 14. 

Doch auch dieser Standort sollte noch nicht der letzte gewesen sein, denn 1864 musste das Denkmal dem Bau des Neuen Theaters weichen. Den Abbau überstand das Denkmal jedoch nicht und zerfiel. Übrig blieb nur das Bildnismedaillon, das heute im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig ausgestellt ist. Auch das Modell des Denkmals ist hier verwahrt. Nach diesem Modell wurde das Gellert-Denkmal im Jahr 1909 vom Bildhauer Max Lange nachgebaut. Diese Nachbildung steht heute in den Anlagen des Promenadenrings zwischen Schillerstraße und Universitätsstraße.

Dem Andenken Gellerts gewidmet


Den Sockel des Gellert-Denkmals bildet ein quadratischer Unterbau mit einem Lorbeerkranz, auf dem ein Säulenstumpf nach oben ragt. Während der originale Säulenstumpf aus Sandstein bestand, ist die Nachbildung heute aus Marmor gefertigt. Auf der Säule ist eine geschmückte Urne zu sehen, die von drei Grazien in Kindergestalt geehrt wird und Gellerts Andenken bewahren. Auch ein Bildnisrelief befindet sich hier und zeigt den Dichter im Profil. Zwei der Kinderfiguren neigen sich über die Urne, während die dritte das Bildnisrelief mit einer Girlande schmückt. 

Auf der Rückseite des Sockels befindet sich eine Inschrift: „MEMORIAE/ C.F.GELLERT/ sacrum (dem Andenken Gellerts gewidmet, d.A)“. Das Denkmal hat eine Gesamthöhe von 3,75 Metern.

Drei Denkmäler für Gellert


Neben dem Gellert-Denkmal an der Schillerstraße gibt es noch weitere Andenken an Gellert, die jedoch nicht mehr alle zu sehen sind. So erbaute Oeser 1781 ein weiteres Denkmal, das im Garten des
Gohliser Schlösschens steht. Initiator für das sogenannte Gellert-Sulzer-Denkmal war der Verleger Philipp Erasmus Reich

Einst erinnerte noch ein Gellert-Denkmal im Rosental an den Dichter und Fabelschreiber. Am östlichen Rand des Rosentals stand ein Marmor-Standbild von 1865. Es stammte vom Bildhauer Hermann Knaur und zeigte einen roten Sandsteinsockel mit Sinnsprüchen von Gellert. Allerdings wurde es im Jahr 1919 abgetragen.

Freundeskreis Gellert Leipzig


Um den 300. Geburtstag Gellerts im Jahr 2015 gebührend zu organisieren, gründete sich im Mai 2014 der Freundeskreis Gellert Leipzig. Auf deren Initiative hin wurde an der ehemaligen Wohnstätte in der Ritterstraße 14 eine
Gedenktafel – Christian Fürchtegott Gellert angebracht. Auch das Grab auf dem Südfriedhof wurde neugestaltet und mit einer Stele versehen. Doch dort befand es sich nicht immer, denn Gellert wurde zunächst auf dem Alten Johannisfriedhof begraben. Nach dem Umbau der Johanniskirche wurden seine Gebeine im Jahr 1900 in die Bach-Gellert-Gruft unter den Altarraum umgelagert. Zum gleichen Zeitpunkt setzte man dort auch den ehemaligen Thomaskantor Johann Sebastian Bach bei. 

Nach der Kriegszerstörung der Johanniskirche wurde Gellert 1949 in die Universitätskirche umgebettet, die jedoch 1968 auf Weisung der SED gesprengt wurde. So kamen Gellerts Gebeine 1969 schließlich auf den Südfriedhof, wo er seine bis heute letzte Ruhestätte fand. Johann Sebastian Bachs Gebeine wurden 1949 in die Thomaskirche überführt und im Altarraum beigesetzt.

Die Bach-Gellert-Gruft ist noch heute auf dem Johannisplatz erhalten, wurde aber beim Abriss der Johanniskirche zugeschüttet. Der Johanniskirchturm Verein bemüht sich seit Jahren, diese historisch bedeutende Stätte für Interessierte wieder sichtbar zu machen. 

Stand: 17.12.2023

Bildergalerie - Gellert-Denkmal

Historisches Bildmaterial - Gellert-Denkmal

Fontana, Eszter

Musikwissenschaftlerin, Autorin | geb. am 21. April 1948 in Budapest

Für die Leipziger Notenspur hat sie gerade den Telemann-Soundwalk mitentwickelt, der im November 2023 präsentiert wurde: Eszter Fontana, die in Ungarn gebürtige Musikwissenschaftlerin, ist unermüdlich im Ehrenamt, um Leipzig voranzubringen. „Ich habe ein großes Herz, da passen viele rein“, sagt sie ein wenig schelmisch. Die Gesellschaft brauche das Ehrenamt, gerade jetzt. Jener Telemann-Soundwalk ist Bestandteil der Notenspuren-App, bei der der Schumann-Verein Leipzig und der Notenspur Leipzig e.V. mit dem Kulturamt der Stadt Leipzig kooperieren. Ziel ist es, interessierte Musikliebhaber auf die Spuren berühmter Komponisten und mit ihnen verbundener authentischer Orte zu schicken.

Das wiederum ist Professorin Fontana, die viele Jahre lang das Musikinstrumentenmuseum der Universität Leipzig geleitet hat, sehr wichtig. Voller Leidenschaft kann sie erzählen, um Menschen die reichhaltigen Musiktraditionen Leipzigs nahezubringen. Sie spielt Cello, tritt mit dem Leipziger Lehrerorchester auf. Wichtig ist ihr ebenfalls das Projekt „Europäische Notenspuren“. Dafür hat sie die Ausstellung „Reisende Musiker“ sowie didaktisches Material für die Arbeit in Schulen entwickelt. Hintergrund: Künstler reisen viel von Auftritt zu Auftritt. Das war schon früher so, als es noch keine Flugzeuge und keinen Intercity gab. Clara Schumann beispielsweise hat pro Jahr – so hat sie ermittelt – bis zu 9.000 Kilometer zurückgelegt. „Mit der Kutsche! Das ist eine unglaubliche Leistung mit den Reisemöglichkeiten von damals“, gerät die Professorin ins Schwärmen. Ein wichtiger Antrieb, ob nun als Wissenschaftlerin oder Ehrenamtlerin, ist stets ihre Neugier.

Internationale Preise fürs Lebenswerk


Für ihr Lebenswerk wird sie 2021 von der renommierten Amerikanischen Musikinstrumenten-Gesellschaft mit dem Curt Sachs Award ausgezeichnet. Damit würdigt die Gesellschaft die herausragenden Leistungen der Professorin um die wissenschaftliche Erforschung von Musikinstrumenten. Geehrt wird sie 2013 von der Galpin Society in Oxford mit dem Anthony Baines Memorial-Preis. Seit 2004 ist sie zudem Vorstandsmitglied der Ständigen Konferenz Mitteldeutsche Barockmusik, mittlerweile die Vizechefin. Zum Ehrenamt gehört auch die langjährige Präsidentschaft des Internationalen Verbandes der Musikinstrumentenmuseen.

Die in einer Musikerfamilie geborene Ungarin interessiert sich schon als Kind für alte Instrumente.1966 kommt sie nach Leipzig. Hier beginnt sie eine vierjährige Ausbildung als Restauratorin für Musikinstrumente am Musikinstrumentenmuseum in Leipzig. Nach dem Studium kehrt sie zurück nach Budapest, um am Ungarischen Nationalmuseum zu arbeiten. Dort leitet sie die Sammlung für Musikinstrumente und Uhren. Sie gibt auch Seminare für Restauratoren, Instrumentenbauer und Musikstudenten in Budapest. Fontana promoviert 1993 an der Franz-Liszt-Musikakademie ihrer Heimatstadt.

25 Jahre später kehrt sie zurück nach Leipzig, um ab 1995 als Direktorin das Musikinstrumentenmuseum zu leiten. Das wird eine spannende Zeit.

Die Aufgabe, die legendäre Sammlung konzeptionell ins neue Jahrtausend zu führen, neu zu erschließen und Personalprobleme zu lösen, bringt viel Arbeit. Wichtig ist ihr, die Sammlung einer breiten Bevölkerung zugänglich machen. „Ein Museum ohne Besucher ist kein Museum“ wird zu ihrem Credo. Das gelingt ihr zusehends, auch durch das von ihr entwickelte Klanglabor. Gemeinsam mit ihren Kollegen Eva-Maria Hoyer (Museum für Angewandte Kunst) und Claus Deimel (Museum für Völkerkunde) wird sie gar als Bauherrin aktiv, um die komplexe Sanierung des Grassimuseums am Johannisplatz voranzubringen. Dabei hilft ihr das technische Wissen, das sie schon als Restauratorin erworben hat.

Bei den „Wunderfindern“ für Kinder engagiert


Bis zu ihrer Emeritierung 2013 unterrichtet sie Organologie, Akustik und Paläographie an der
Universität Leipzig. Nahezu zehn Seiten lang ist die Liste ihrer Bücher und Beiträge in Sammelwerken als Autorin, Co-Autorin oder Herausgeberin. Besonders stolz ist sie, dass das als Co-Autorin verfasste Fachbuch „Historische Lacke und Beizen auf Musikinstrumenten in deutschsprachigen Quellen bis 1900“ bereits in fünfter Auflage erscheint. Der Leipziger Musikgeschichte ist die Publikation „600 Jahre Musik an der Universität Leipzig“ gewidmet. Der Begräbniskapelle des Freiberger Domes heißt ein weiteres, ihr sehr wichtiges Forschungsprojekt, dessen Ergebnisse bereits in zweiter Auflage publiziert sind.

Sie ist Gründungsmitglied des Notenspur Leipzig e.V., dort die Stellvertreterin von Werner Schneider. Eszter Fontana engagiert sich außerdem bei der Stiftung Bürger für Leipzig, vor allem beim Projekt „Wunderfinder“. Das kümmert sich mit einer individuellen Bildungspatenschaft darum, dass Kinder aus schwierigen Verhältnissen ihre Startchancen verbessern können. „Schon im Museum habe ich mich bemüht, Kindern altersgerecht Musik nahezubringen. Doch viele haben zu Hause kein Instrument oder keinerlei Berührung dazu“, erzählt sie. Auch in ihrer Heimat bleibt sie aktiv: Dort will sie mit einem Verein den ehemaligen Gasthof zum „Schwarzen Adler“ in Székesfehérvár (Stuhlweißenburg) vor den Verfall bewahren, damit dieser künftig wieder für vielfältige kulturelle Veranstaltungen genutzt werden kann.

Als Wissenschaftlerin sehr gefragt


Eszter Fontana genießt ihren Ruhestand, der alles andere als ruhig ist. Sie war bis 2002 mit einem Ingenieur verheiratet, hat zwei erwachsene Töchter. „Langeweile kenne ich nicht“, sagt sie. Und als Wissenschaftlerin ist sie nach wie vor international gefragt. So leitet Fontana eine Forschergruppe mit 25 Menschen in ganz Europa, die den Lebensweg von
Paul de Wit (1852-1925) erforscht. Der Musikverleger und Sammler hat maßgeblich dazu beigetragen, den Grundstock für das Leipziger Musikinstrumentenmuseum zu legen. Das Team hat es sich zur Aufgabe gemacht, Kenntnisse über Leben und Werk de Wits neu zu bewerten. Das Fachbuch soll im Dezember 2025 erscheinen.

Stand: 17.12.2023

Bildergalerie - Fontana, Eszter

Drallewatsch – Kneipenmeile

Barfußgässchen sowie u.a. Richard-Wagner-Platz, Kleine Fleischergasse, Klostergasse, Thomaskirchhof, Lotterstraße, Burgplatz | Ortsteil: Zentrum

Der Drallewatsch ist eine innerstädtische Gastronomiemeile mit ca. 30 Lokalitäten zwischen Richard-Wagner-Platz und Neuem Rathaus. Die Bezeichnung wurde 1996 durch die Gründung des gleichnamigen Vereins von einem Dutzend Leipziger Gastronomen eingeführt. Ziel war die Vermarktung der Vielfalt der Innenstadt-Lokale. Der Drallewatsch weist heute die höchste Kneipendichte Leipzigs auf. Die Kneipenmeile ist zwar in der Innenstadt auf Wegweisern ausgeschildert, die Leipziger verwenden den Begriff Drallewatsch aber nur noch selten.

Pilgerzug durch Leipzigs gastronomische Szene


Die Stadt Leipzig, die seit ihrer Gründung von durchziehenden Händlern und damit von ihrer Wirtlichkeit lebte, fand beizeiten ein besonderes Verhältnis zur Gastlichkeit. Leipzigs Wirtshausszene blickt auf eine lange Historie mit zahlreichen berühmten Persönlichkeiten zurück, die in den urigen Kneipen regelmäßig einzukehren pflegten. Das Nachtleben auf den Kneipenmeilen der Stadt ist in Ostdeutschland in dieser Form wohl einmalig. Insbesondere im Stadtzentrum und in der
Karl-Liebknecht-Straße entwickelten sich größere Kneipenmeilen. Bei der Bezeichnung Drallewatsch handelt es sich um eine ursächsische Umschreibung für ausgehen, sich mit Freunden amüsieren, etwas erleben und von Kneipe zu Kneipe ziehen.

Für den Namen entschieden sich innerhalb eines Preisausschreibens 1996 die Leser der Leipziger Volkszeitung.Von den Einheimischen wird der Name Drallewatsch inzwischen eher weniger verwendet. Sie sprechen meist vom Barfußgässchen oder dem „Bermudadreieck“. Doch egal welcher Name verwendet wird – im Areal rund um das Barfußgässchen laden rund 30 urige Kneipen, Szene-Treffs und historische Wirtshäuser zu einem ausgedehnten Bummel ein. Hier kann man das Flair der quirligen Handelsstadt und das pulsierende Nachtleben erleben.

Gegründet wurde die Kneipenmeile Drallewatsch unter Führung der Industrie- und Handelskammer zu Leipzig (IHK). Am 4. Juni 1996 fand sich im Restaurant Zills Tunnel eine Gastronomen-Runde von einem Dutzend Mitgliedern zusammen, welche nach intensiver Beratung den Beschluss zur Gründung eines eingetragenen Vereins fasste, der im Herzen der Leipziger Innenstadt eine Kneipenmeile entstehen lassen sollte. Grundüberlegung war es, ausgehend vom Richard-Wagner-Platz über die Große Fleischergasse, den Thomaskirchhof, die Burgstraße bis hin zum Burgplatz eine Bummelmeile zu etablieren. Dieses mit unterschiedlichen gastronomischen Einrichtungen bereits dicht besiedelte Areal sollte als Ausgangspunkt für eine gezielte Weiterentwicklung dieser Straßen und Plätze genutzt werden. Viele der zuvor entstandenen historischen Gaststätten, darunterdas Gasthaus Barthels Hof, Thüringer Hof und Ratskeller, befinden sich in den angrenzenden Straßen des historischen Marktes, welcher oft Ausgangspunkt für Streifzüge durch die Leipziger Innenstadt ist. Mit der Gastronomie-Meile verfolgte der Verein die Absicht, die lokale Vielfalt an sächsischen Restaurants, Bars und Kneipen touristisch zu vermarkten, gemeinsame Aktionen zu organisieren sowie den Standort auch jenseits von Geschäftszonen und ohne Laufpublikum bekannt zu machen. Trotz des bestehenden Wettbewerbs zwischen den Gastronomen des neu gegründeten Vereins sollte das gemeinsame Ziel darin bestehen, möglichst viele Gäste in die Lokale zu locken. Angesichts der prekären Lage Ende der 1990er Jahre in der Gastronomie in Form von zahlreichen Neueröffnungen und gleichzeitigem Umsatzrückgang wollten die Anlieger der Bummelmeile ihren Standort gemeinsam vermarkten sowie die Wettbewerbschancen verbessern. Die Vereinsmitglieder wurden 1998 vom Bundeswirtschaftsministerium für ihre „beispielhafte Einbeziehung der Gastronomie“ in die Innenstadt-Belebung ausgezeichnet.

Vielfalt erleben: Zwischen urigen Gasthäusern und modernen Bars


Bei einem Bummel über den Drallewatsch kann man die Atmosphäre der lebendigen Wirtshausszene erleben und einen Abstecher in deren Historie machen. Der Drallewatsch beginnt am Richard-Wagner-Platz, wo sich einst die Weinstube
Zur Neuberin in einem Fachwerkhaus aus dem 15. Jahrhundert befand und an Leipzigs Theatertradition erinnerte. Die Prinzipalin Friederike Caroline Neuber, eine Bekannte Johann Christoph Gottscheds, verbannte hier im Jahre 1737 mit ihrer Wandertruppe in einem allegorischen Spiel den Hanswurst von der deutschen Schauspielbühne. Wenig später brachte sie in Leipzig einige Stücke des damals ebenfalls oftmals hier verkehrenden Gotthold Ephraim Lessing zur Uraufführung. Die Gasthaus-Tradition wird fortgesetzt. Heute lädt am historischen Ort Wagners Restaurant und Weinwirtschaft zum Verweilen und Genießen ein.

Auch Europas zweitältestes Kaffeehaus Zum Arabischen Coffe Baum an der Ecke zur Kleinen Fleischergasse, ist ein Besuchermagnet auf dem Drallewatsch. In dem barocken Gebäude wurde erstmals 1694 Kaffee ausgeschenkt. Das Lokal erfreute sich stets der besonderen Zuneigung zahlreicher Geistesgrößen: August der Starke kehrte bei seinen Messe-Besuchen gern ein, Johann Sebastian Bach gedachte hier seiner Kaffeekantate und Johann Wolfgang Goethe, E.T.A Hoffmann, Richard Wagner und viele weitere Künstler und Literaten pflegten sich hier zu treffen und einen Kaffee oder hochgeistige Getränke einzunehmen. Ab 1833 traf sich Robert Schumann in dem Haus mit seinen Freunden regelmäßig zum Stammtisch. Auf dem Platz vor dem Kaffeehaus befindet sich der von Max Lange geschaffene Lipsia-Brunnen, auch Putten-Brunnen genannt.

Der Barthels Hof zeichnet sich durch sein besonderes Flair des einzigen original erhaltenen Durchgang-Messehofes der Stadt aus. Das dort befindliche Gastaus Barthels Hof zieht mit seinen Gaststuben „Tollhardts Zechgewölbe“, „Barthels Weinschenke“, „Webers Speisestube“ und dem idyllischen Innenhof zahlreiche Gäste an. Während hier zuvor Kaufleute und Kutscher zechten, wurde das Lokal später Treff für berühmte Professoren und Studenten ihrer Zeit. Auch die historische Gaststätte Zills Tunnel steht mit seinen rustikalen Gesellschaftsräumen mit alten Stadtansichten im Gründerzeitambiente für echte sächsische Gemütlichkeit. Hier saß einst der Komponist Karl Zöllner und dichtete sein bekanntestes Lied „Das Wandern ist des Müllers Lust“. Bereits im Jahr 1785 befand sich hier im Barfußgässchen ein Bierausschank. Im Thüringer Hof in der Burgstraße, dessen Wurzeln bis ins Jahr 1454 zurückreichen, pflegte seinerzeit  bereits Martin Luther zu speisen. Neben den altbekannten Gasthäusern haben sich rund um den Drallewatsch verschiedene Kneipen, Bars und Cafés aller Couleur angesiedelt. In den Sommermonaten sind die Freisitze vor den Lokalitäten, insbesondere im Barfußgässchen, brechend gefüllt mit Touristen, Studenten, Geschäftsleuten und Einheimischen gleichermaßen. Die direkt am Markt gelegene Kultbar SPIZZ zählt seit 1996 zu den meistbesuchtesten Bars der Stadt. Hier finden im SPIZZ-Keller wöchentlich verschiedene Events und Konzerte statt.

Neben den Gastronomie-Betrieben befinden sich auf der Gastronomiemeile auch namhafte Kultureinrichtungen wie das Bach-Museum und das Sächsische Apothekenmuseum auf dem Thomaskirchhof oder das Central Kabarett im König-Albert-Haus auf dem Markt. Einmal im Jahr verwandelt sich die Leipziger Innenstadt beim Kneipenfestival Honky Tonk für eine Nacht zum „längsten Tresen Europas“. Bei dem musikalischen Stadtevent treten in mehreren Lokalitäten zeitgleich Künstler verschiedener musikalischer Genres von Jazz, Hip Hop, Rock’n’Roll und Hardrock bis Swing, Country und Folk auf und sorgen mit ihrer Live-Musik für Festivalatmosphäre.

Stand: 17.12.2023

Bildergalerie - Drallewatsch – Kneipenmeile

Der Steuermoloch verschlingt den Bürger – Plastik

Burgplatz / Hugo-Licht-Straße | Ortsteil: Zentrum

Bei der Errichtung des Neuen Rathaus hatte sich Stadtbaudirektor Hugo Licht mit seinem Team zahlreiche humorvolle Details ausgedacht, um auf die Bürokratie der Stadtverwaltung und die Verzögerungen bei der Bewilligung der benötigten Gelder für den Rathaus-Bau hinzuweisen.

Eine Plastik, die ziemlich versteckt angebracht ist und auch nur wenige Einheimische kennen, ragt dabei heraus: Der Steuermoloch verschlingt den Bürger. Sie befindet sich an der Südost-Ecke des Neuen Rathauses. In etwa vier Meter Höhe ziert sie den Zugang zum Ratskeller Leipzig am Burgplatz. Die originelle Plastik wurde 1905 von Hugo Licht aus hellem Kalkstein geschaffen. Sie zeigt eine grinsende Fratze, die einen verzweifelten Bürger verschlingt. Über ihr thront der zechende Leipziger Löwe mit einem Weinkelch in den Klauen.

Wer die Fassade des Neuen Rathauses aufmerksam betrachtet, wird jede Menge weitere Tiere und Fabelwesen entdecken. Besonders originell sind die Schnecken am Neuen Rathaus, eine humorvolle Anspielung auf die Langsamkeit der Stadtverwaltung. Sie befinden sich an den Türklinken des Haupteingangs am Martin-Luther-Ring.

Stand: 17.12.2023

Bildergalerie - Der Steuermoloch verschlingt den Bürger – Plastik

Historisches Bildmaterial - Der Steuermoloch verschlingt den Bürger – Plastik

Capa-Haus

Jahnallee 61 | Ortsteil: Lindenau

Es ist ein geschichtsträchtiger Ort: Vom Eckhaus Jahnallee 61 im Leipziger Westen geht das legendäre Bild „The Last Man to Die“ („Der letzte Tote des Krieges“) um die Welt. Es zeigt Raymond J. Bowman, der bei den letzten Kämpfen zwischen der US-Army und der deutschen Wehrmacht sein Leben verliert. Die US-Army befreit Leipzig am 18. April 1945 von der Naziherrschaft. Der amerikanische Kriegsfotograf Robert Capa (1913-1954) begleitet sie und schießt jene berühmte Serie mit Fotos. Sie entsteht bei Kämpfen zwischen der anrückenden 2. Infanteriedivision der US Army und deutschen Soldaten, die am Elsterflutbecken letzten Widerstand leisten. Das Foto mit Bowman wird im Time Magazine veröffentlicht. Heute trägt das Gebäude den Namen Capa-Haus und wird mit einer Ausstellung im Erdgeschoss zum Ort gelebter Erinnerung, in der es auch regelmäßig Veranstaltungen gibt. Möglich wird dies durch eine Kooperation des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig und des Hentrich & Hentrich Verlags, der im Erdgeschoss des Eckgebäudes Räume bezieht. Hier arbeitet die Verlegerin Nora Pester mit ihrem Team.

Bürgerinitiative kämpft für Erhalt des Hauses


Es war eine „Rettung in höchster Not“, wie
Anselm Hartinger, der Direktor des Stadtgeschichtlichen Museums, betont und ist dem Eigentümer dankbar, die Initiative zu unterstützen. Das Gründerzeithaus gegenüber vom Straßenbahnhof Angerbrücke stand jahrelang leer und war nach mehrfachem Besitzerwechsel nach der Friedlichen Revolution in einem schlechten baulichen Zustand. 2011 gab es sogar eine Abrissgenehmigung der Stadt Leipzig. In der Silvesternacht 2011/12 fängt der Dachstuhl des Nachbarhauses in der Luppenstraße Feuer – damit schien das Schicksal der Immobilie endgültig entschieden.

Es ist der Bürgerinitiative Capa-Haus, die sich um den Leipziger Kabarettisten Meigl Hoffmann, den Historiker Volker Külow, Christoph Kaufmann von der Fotothek des Stadtgeschichtlichen Museums sowie Ulf-Dietrich Braumann vom Bürgerverein Lindenau gründet, zu verdanken, dass die Rettung des Gründerzeithauses gelingt. Sie startet am 3. Januar 2012 eine deutsch-amerikanische Petition an den Oberbürgermeister der Stadt Leipzig und fordert, „dieses wichtige Gebäude im Interesse zukünftiger Generationen als Mahnmal gegen den Krieg zu retten.“ Nach vielen Presseveröffentlichungen wird die Initiative gehört. Das Bauamt der Stadt Leipzig nimmt eine erste Notsicherung vor. Im September 2012 wird das Haus an die L&S-Immobiliengruppe verkauft, die 2014 eine denkmalgerechte Sanierung des Hauses sowie der beiden Nachbargebäude startet. Es entstehen 40 Wohnungen sowie Gewerbeeinheiten.

Museum, Bürgerinitiative und Verlag vereinen Netzwerke


Die Bürgerinitiative richtet einen Ausstellungsraum „War is over“ im Erdgeschoss des Gebäudes ein, der während der Öffnungszeiten des beliebten
Café Eigler bis 2021 regelmäßig zugänglich war. Doch das Café muss als Folge der Corona-Pandemie schließen. Das Stadtgeschichtliche Museum, die Bürgerinitiative Capa-Haus sowie der Verlag Hentrich & Hentrich für jüdische Kultur und Zeitgeschichte vereinen ihre Netzwerke, um die inzwischen überarbeitete Ausstellung wiederzueröffnen und ab September 2023 im kleinen Saal regelmäßig Veranstaltungen anbieten zu können. Dafür wurde eigens die gemeinnützige Firma Capa Culture gGmbH gegründet.

Im Begegnungszentrum wird das Leben Robert Capas verdeutlicht, der erst 1946 US-Staatsbürger wird. Die Schau erinnert zudem an Capas Partnerin Gerda Taro (1910–1937). Sie war ebenfalls Kriegsfotografin und starb mit nur 26 Jahren im Spanischen Bürgerkrieg. Das Stadtgeschichtliche Museum kann nun in Lindenau einen Ort der gelebten Partizipation und der Erinnerung an Krieg, Befreiung und NS-Herrschaft anbieten. Regelmäßig am 18. April ist das Capa-Haus Schauplatz einer bewegenden Gedenkzeremonie an die Opfer des Zweiten Weltkrieges, die eine zentrale Rolle für die deutsch-amerikanischen Beziehungen im Raum Leipzig spielt. Der Bürgerinitiative Capa-Haus gelang es auch, die Identität des letzten Kriegstoten von Leipzig zu klären.

Das Capa-Haus, zwischen 1909 und 1910 nach einem Entwurf von F. Otto Gerstenberger als Miethaus in Reformstil-Architektur errichtet, diente zunächst als Wohnhaus für den Goldschmied Oskar Menzel jun. In den Räumen des heutigen Cafés befanden sich zuvor die „Konditorei und Kaffeehaus des Westens“, anschließend die Anger-Tanzbar und später die Tanzbar „Melodie“.

Stand: 17.12.2023

Bildergalerie - Capa-Haus

Historisches Bildmaterial - Capa-Haus

Capa-Haus – Gedenktafel

Jahnallee 61 | Ortsteil: Zentrum-West

Am Capa-Haus, das nach dem US-amerikanischen Kriegsreporter Robert Capa (1913-1954) benannt wurde, befindet sich eine Gedenktafel. Diese wurde nach einem Entwurf des Leipziger Künstlers Harald Alff geschaffen und am 17. April 2016 enthüllt. Gleichzeitig eröffnete im Erdgeschoss die Ausstellung „War is over – Robert Capa in Leipzig“, die an die Ereignisse vom 18. April 1945 erinnert. Anlässlich der Eröffnung reiste der 96-jährige amerikanische Zeitzeuge Lehmann Riggs nach Leipzig. Er hatte damals im Capa-Haus auf dem Balkon im 2. Stock neben seinem Kameraden Raymond J. Bowman gestanden, als dieser von einem deutschen Scharfschützen in dem Moment erschossen wurde, als er sein Browning-Maschinengewehr M1917 nachlud. Riggs und Bowman hatten die Aufgabe erhalten, die Zeppelinbrücke beim Einzug der amerikanischen Truppen in Leipzig zu sichern. Robert Capa befand sich in unmittelbarer Nähe, als der tödliche Schuss fiel und fotografierte die Fotoreihe vom gefallenen US-Soldaten, die später durch ihre Veröffentlichung im „Life Magazine“ weltbekannt wurden. 

Auf der Gedenktafel steht folgender Text, auch in englischer Sprache: 

Auf einem Balkon dieses Hauses
starb am 18. April 1945
der junge US-Soldat Raymond J. Bowman.
Er fiel für die Befreiung Leipzigs
und die Beendigung des Zweiten Weltkrieges in Europa.
Der Kriegsfotograf Robert Capa
hielt diese erschütternde Szene
in einer berühmten Bildfolge fest,
der er zwei Jahre später
den symbolischen Titel „The Last Man To Die“
(Der letzte Tote des Krieges) gab.
Capa hat mit diesen eindringlichen Bildern
das Grauen des Krieges festgehalten,
um an den Wert des Friedens zu erinnern.

Leipzig, im April 2016

Stand: 29.11.2023

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