Blog

Liebich, Angela

Fotografin, Fotokünstlerin, Geschichtenerzählerin | geb. 1966 in Leipzig

Die Architektur ihrer Stadt beflügelt ihre Fantasie. Angela Liebich ist eine Architektur-Geschichtenerzählerin. Dabei inszeniert die Fotokünstlerin bekannte oder weniger bekannte Bauwerke als eine Art „lebendiges Stillleben“. Das Fotokunstprojekt „Fantastisches Leipzig“ dokumentiert seit nunmehr acht Jahren die Architektur der Stadt, deren Vielfalt über Jahrhunderte gewachsen ist und heute einen wesentlichen Aspekt der hiesigen Lebensqualität darstellt. Es widmet sich dem architektonischen und kulturhistorischen Erbe Leipzigs.

Ihr Anliegen ist es, Leipzig auf eine einzigartige Weise darzustellen, die nicht nur die kulturelle Vielfalt, sondern auch die nachhaltige Entwicklung der Stadt in den Fokus rückt. Projektbegleitend erscheint der limitiert aufgelegte Fotokunstkalender „Fantastisches Leipzig“, den Angela Liebich seit 2017 im Eigenverlag herausgibt und der inzwischen ein begehrtes Sammelobjekt geworden ist.

Betrachter wird durch surreale Bilder berührt


Die Fotografien der Leipziger Fotokünstlerin zeichnen sich durch eine unverwechselbare Bildsprache aus, die klassisches Kulturerbe und die Modernität Leipzigs bündelt. Was ihre Bilder besonders macht, ist ihre Fähigkeit, den Betrachter durch beinahe surreale Bildgeschichten zu faszinieren und emotional zu berühren. Durch ungewöhnliche Blickwinkel und fantastische Bildchoreografien wird der Geist der Bauwerke quasi überhöht und dadurch auf eine gänzlich neue Weise sichtbar gemacht. Zusätzlich zu den beeindruckenden Fotografien werden historische Aufnahmen und sorgfältig recherchierte Texte präsentiert, auch in englischer Übersetzung. Dabei stützen sich Angela Liebich und ihr Projektteam vor allem auf die fachliche Unterstützung des
Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig

Leipzigs Zauber betrachtet sie mit ihrer Kamera aus ungewöhnlicher Perspektive. So lässt sie auf der Könneritzbrücke, die in Plagwitz über die Weiße Elster zum ehemaligen Fabrikgebäude des Wäsche- und Versandhandels Mey & Edlich führt, junge Artisten ein gewagtes Kunststück vollführen. Eine junge Dame in hohen Schuhen platziert sie zwischen den Säulen der Sächsischen Aufbaubank, deren futuristisch anmutendes Architekturensemble an der Gerberstraße ein Hingucker in Leipzig ist. Eine ältere Dame und ein Mann mit Gartenzwerg posieren in der historischen Kleingartenanlage Dr. Schreber als Laubenpieper. Eine Tänzerin und zwei Tänzer im Schwanensee-Tutu stehen lächelnd auf einem Tisch und vor Sesseln im Opernhaus. Kinder mit Bauhelmen, Schaufel und Spielzeugbagger sitzen auf dem Schaufelradbagger im Bergbau-Technik-Park am Störmthaler See. Auf dem Rand des Mendebrunnens platziert sie eine kleine Nymphe. Andrea Liebich widmet sich ebenso verfallenen Häusern, wie dem Ringlokschuppen am Bayerischen Bahnhof. Ihr Ideenreichtum scheint nahezu unendlich. Im Jahr 2026 feiert das Fotokunstprojekt sein zehnjähriges Bestehen, das mit einer großen Ausstellung und Bildband seinen Abschluss finden wird.

Das Handwerk von der Pike auf gelernt


„Ich inszeniere sehr gern und bin dazu wohl von meiner Mutter angeregt worden“, erzählt die Fotografin, die für Verlage und Magazine, aber auch in der Werbung für Firmenkunden arbeitet. Sie ist in eine Künstlerfamilie hineingeboren worden. Ihre Mutter ist die international bekannte Puppengestalterin
Hannelore Liebich. Ihr Vater Klaus Liebich war Dozent für Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig. Der Fotograf, Dozent und Buchautor ist im Januar 2023 gestorben. Er hinterlässt der Stadt bedeutende fotografische Stadtansichten aus den 1950er und 1960er Jahren. Darunter Aufnahmen von Leipziger Gebäuden, die unwiederbringlich verloren gingen.

Dazu gehören das Gebäude des Zweiten Gewandhauses an der Beethovenstraße und der wertvolle frühbarocke Bau von Deutrichs Hof zwischen Reichsstraße und Nikolaistraße. Auch der mit jungen Jahren bereits verstorbene Bruder Andreas, der ein international bekannter Jazzfotograf war, weckt bei Angela Liebich das Interesse und die Neugier.

Dass sie als Fotografin in die Fußstapfen des Vaters tritt, ist ihr keineswegs in die Wiege gelegt worden. Er besteht darauf, dass sie ihr Handwerk von der Pike auf lernt. Daher beginnt Angela Liebich zunächst mit einer Fotografenlehre im sächsischen Meißen. Danach arbeitet sie als wissenschaftliche Fotografin an der Leipziger Universitätsklinik für Augenkrankheiten. 1988 wechselt sie als Bildjournalistin zum „Sächsischen Tageblatt“ und taucht mit ihrer Kamera ein in eine spannende Zeit voller Umbrüche, die mit der Friedlichen Revolution auch für sie viel Freiheit bringt.

Liebich studiert schließlich von 1989 bis 1991 Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst. Dort begegnet sie Helmut Newton, einem weltweit bekannten Fotografen. Jener Meister der Inszenierungen wird ein Vorbild, das sie begeistert. Inspiriert wird sie ebenso von den Stadtansichten, die Hermann Walter im 19. Jahrhundert aufnahm. Das war eine Zeit, in der Leipzig sich rasant von der alten Messe- und Handelsstadt zur modernen Großstadt entwickelte. Der gebürtigen Leipzigerin ist es ein Bedürfnis, fotografische Traditionen wiederzubeleben und sich den städtebaulichen Errungenschaften ihrer Stadt künstlerisch zu widmen.

Von kulinarischer Entdeckungsreise zu eigenen Projekten


Nach dem Studium ist Angela Liebich freischaffend als Werbe-, Mode- Produktfotografin tätig. Zwölf Jahre lang porträtiert sie in ganz Ostdeutschland Menschen mit ihren persönlichen Geschichten. Es sind inzwischen ca.15 Bücher erschienen. Darunter auch die Buchreihe eine „Kulinarische Entdeckungsreise“ sowie „Faszination Welterbe“. Sie will aber weg von den Auftragswerken, ihr Talent richtig einsetzen und eigene Projekte verwirklichen. Das gelingt das erste Mal mit dem eigenen Buch „Grand Schlemm“, einer kulinarischen Strandwanderung auf Usedom. Und seit 2017 überzeugt das „Fantastische Leipzig“-Projekt. Es ist verbunden mit dem Verkauf des projektbegleitenden Kalenders. In der Adventszeit bietet sie ihre Arbeit unter anderem in einem eigens gemieteten Ladengeschäft im
Specks Hof und im Hansa-Haus an.

Stand: 25.2.2024

Bildergalerie - Liebich, Angela

Markkleeberger See

Markkleeberg | PLZ 04416

Der Markkleeberger See gehört zu den über zwanzig Seen des Leipziger Neuseenlands. Das südlich von Leipzig gelegene Naherholungsgebiet ist ein beliebtes Ausflugsziel und beherbergt eines der reizvollsten Wassersportgebiete Europas.

Vom Tagebau zum Badesee


Das Leipziger Neuseenland ist als Folgelandschaft des Bergbaus entstanden. Das Gebiet gehörte zum Mitteldeutschen Braunkohlerevier und präsentierte sich als karge, vom Braunkohleabbau gezeichnete Landschaft. Mit dem Aufschluss des Braunkohletagebaus Espenhain 1937 wurden rund 4.000 Hektar Land allein hier bis zur vollständigen Stilllegung 1996 umgegraben. Das Fazit: 570 Millionen Tonnen Rohbraunkohle, die in Kraftwerken, Brikettfabriken und der Carbochemie verarbeitet wurden. 13 Ortschaften weniger und ein riesiges Loch. 

Im Rahmen der politischen und wirtschaftlichen Wende 1989/90 wurden die Tagebaue schrittweise stillgelegt und die Tagebaurestlöcher mit Grundwasser gefüllt. Zwischen 1999 und 2006 entstand eine künstlich angelegte Freizeitlandschaft – der heutige Markkleeberger See. Mit einer Fläche von 252 Hektar ist er einer der kleinen und mit 57 Metern einer der tiefsten Seen im Leipziger Neuseenland. Um einen überschaubaren Flutungszeitraum und eine gute Badewasserqualität für den See zu gewährleisten, wurde zusätzlich das abgepumpte Grundwasser aus dem Tagebau Profen genutzt. Nach siebenjähriger Flutung wurde der See schließlich am 17. Juli 2006 feierlich eröffnet.

Sport frei – Eine Freizeitlandschaft für Jedermann


Der See besticht mit einer Fülle an Angeboten. Ob Klettern, Kanufahren oder Wandern, hier ist für jeden etwas dabei. So führt um den See herum ein 9 Kilometer langer, gut ausgebauter Rad- und Wanderweg. Insgesamt hat das Wegenetz rund um den Markkleeberger See eine Länge von 24 Kilometern. 

Auf dem Wasser aktiv wird man im Kanupark Markkleeberg in der Auenhainer Bucht. Die einst im Zuge der Leipziger Bewerbung für die Olympischen Spiele 2012 geplante Rafting- und Kanuanlage beherbergt eine der modernsten Wildwasseranlagen der Welt. Nachdem 2006 der Probebetrieb lief, wurde der Kanupark schließlich am 15. April 2007 eröffnet. Die Trainingsstrecke ist 130 Meter, die Wettkampfstrecke 270 Meter lang. Die Bootsförderbänder zwischen Start- und Zielbecken ermöglichen weitere Runden, ohne auszusteigen. 

In unmittelbarer Nähe, oberhalb der Auenhainer Bucht, befindet sich der Kletterpark Markkleeberg mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden. Bis zu 13 Meter ragen die Holzstämme in den Himmel und geben so einen Panoramablick über das Neuseenland bis nach Leipzig frei. Das Mindestalter der mutigen Kletterer beträgt 6 Jahre und die Mindestgröße 1,10 Meter. 

Auf dem Auenhainer Plateau befinden sich außerdem ein Adventure-Golf mit zwölf Bahnen unterschiedlicher Länge in einem gestalteten Areal beim Kletterpark und der Modellbahnpark, der Groß und Klein zum Verweilen, Mitfahren und Erkunden einlädt.

Ebenfalls in der Nachbarschaft des Kanuparks ist der Bootsverleih Auenhainer Bucht zu finden. Von Kanadier und Kajaks, über Stand Up Paddelboards und Segelboote lässt sich hier alles ausleihen. Soll es lieber im Tretboot aufs Wasser gehen, ist man am Bootsverleih Seepromenade richtig. Auch Ruderboote und Kajaks warten hier auf Abenteuerlustige. Wer das Ruder lieber mal abgeben möchte, kann sich auf die Fahrgastschiffe verlassen. Die MS Wachau für 120 Personen und die MS Markkleeberg für 400 Personen sind barrierefreie „Kopflader“ an den drei Anlegern und bieten einstündige Rundfahrten über den See mit Bordgastronomie an.

Der Geschichte auf der Spur


Der
Geopfad verbindet den Markkleeberger See mit seinem Zwilling, dem Störmthaler See und ihrer Geschichte. Der Pfad besteht aus je acht an beiden Seen errichteten Stelen, die die geologische und archäologische Umwelt erfahrbar machen. Somit werden Einblicke in die Erdgeschichte während des Braunkohleabbaus im Tagebau Espenhain gegeben. 

Noch mehr Geschichte hautnah findet sich im Bergbau-Technik-Park. Das 5,4 Hektar große Gelände wurde 2009 eröffnet und bietet 23 Stationen. Die Hauptattraktionen sind dabei der 1.300 Tonnen schwere Schaufelradbagger und ein fast doppelt so schwerer Absetzer.

Pack die Badehose ein…


Urlaubsgefühle machen sich breit, sobald man die Seepromenade erreicht. Der dortige Badestrand wurde 2017 neu hergestellt und bietet durch sein Flachwasserbecken und den Findlingen eine ideale Anlaufstelle für Familien. Seit 2020 wird dieser Strand in der Badesaison zeitweise von Rettungsschwimmern der DLRG bewacht. 

Mit einer Länge von 600 Metern ist der Auenhainer Strand der größte Badebereich des Sees. Ausgestattet mit einem Beachvolleyball-Feld, einem Grillplatz sowie einem Hundestrand, ist er großzügig und offen gestaltet. 

Wer es lieber ruhig und naturnah mag, der ist am Wachauer Strand richtig. Der 240 Meter lange und 25 Meter breite Sandstrand liegt mit seinen Buchten mitten in junger Natur und ist am besten mit dem Fahrrad oder zu Fuß erreichbar. An einigen Badetagen gibt es ein mobiles Angebot mit Speisen und Getränken. Auch abseits der belebten Strände finden sich naturbelassene Buchten und kleine Liegewiesen.

Natur und Kunst genießen


Naturfreunde können am Markkleeberger See viel Reizvolles entdecken: Von Frühling bis in den späten Herbst leuchten Wildblumen und Kräuter auf naturbelassenen Wiesen. In den frühen Morgenstunden ist das Erwachen der Natur am Süd- und Westufer des Markkleeberger Sees ein eindrucksvolles Erlebnis. Aufmerksame Wanderer können zudem eine große Vielzahl an Insekten und Vögeln entdecken. Aber auch Rehe, Hasen und Wildschweine sind hier heimisch geworden. Es gibt sogar eine Herde Präriebisons, die in einem eingezäunten Bereich grasen. Von der Crostewitzer Höhe hat man einen schönen Ausblick auf die Bisonweide. 

Wer den Rundweg um den See zu Fuß bewältigt, entdeckt eindrucksvolle Steinplastiken bekannter Künstler. Diese entstanden zwischen 2006 und 2011 bei mehreren Pleinairs, die der Kunstverein Markkleeberg organisierte. So verbreiten die Skulpturen Odysseus und Penelope von Marie-Josefin Flechsig und Stefan Zimmermann den Zauber griechischer Mythologie. Beeindruckend ist auch Reinhard Röslers Plastik Versöhnung, die eine auf einem Sockel liegende Hand darstellt.

Über Nacht am Markkleeberger See


Für Besucher, die gern mehrere Tage am See verbringen wollen, bietet sich ein Aufenthalt im
Seepark Auenhain an. Im 5-Sterne-Ferienresort kann man einen perfekten Familienurlaub mit Kinderbetreuung, Pool, Spielplatz für die Kleinen sowie familiengerechten Zimmern verbringen. Auch verschiedene Wellnessangebote können hier genutzt werden. Die ganzjährlich mietbaren 32 Ferienhäuser und 12 Appartements sind mit ihrer Lage ein geeigneter Ausgangspunkt für eine Erkundung Leipzigs und des Neuseenlands. 

Das Atlanta Hotel Leipzig liegt nur wenige Minuten vom Wachauer Strand entfernt und bietet 196 Zimmer und Appartements sowie einen Wellnessbereich. An der Seepromenade liegen die Ferienwohnungen Seeblick. Die 55 Quadratmeter großen Wohnungen sind modern eingerichtet und versprechen ebenfalls einen gehobenen Komfort. Wer sein eigenes Heim dabei hat, der findet auf der Zelt- und Campinganlage einen Platz. Das 8.300 Quadratmeter große Areal bietet Stellplätze für 60 Wohnmobile und Wohnwagen sowie 40 Zeltplätze. Auch Gästezimmer können hier angemietet werden. 

Zahlreiche weitere Ferienwohnungen und Pensionen bieten Quartiere an, eine Jugendherberge ist in Planung. Gastronomisch gibt es viele verschiedene Angebote am See oder in Seenähe. Überall sind ausreichend Parkplätze vorhanden. Erreichbar ist der Markkleeberger See mit der Straßenbahnlinie 11 bis Markkleeberg-Ost (Schillerplatz) und im Saison- und Linienverkehr per Bus 106 in Verbindung zur S-Bahn in Markkleeberg.

Stand: 23.01.2024

Bildergalerie - Markkleeberger See

Historisches Bildmaterial - Markkleeberger See

Maul, Michael

Musikwissenschaftler, Autor, Intendant | geb. am 15. Februar 1978 in Leipzig

Mittlerweile gibt es am Störmthaler See sogar einen Bach-Wald. Auf einer Fläche von rund 29 Hektar wächst in den nächsten Jahren ein Mischwald aus dann rund 130.000 Bäumen und Sträuchern. Die Idee dazu stammt von Michael Maul, dem Intendanten vom Bachfest Leipzig. Das Festival ist Leipzigs Aushängeschild. Viele der eingeladenen Künstler sowie fast die Hälfte des Publikums reist eigens aus dem Ausland an, sehr viele aus den USA. Da lassen sich Flugreisen, die bekanntlich für einen sehr hohen CO2-Ausstoß sorgen, nicht vermeiden. „Das ist in Zeiten der Klimaerwärmung ein ernstzunehmendes Problem. Aus diesem Dilemma können wir uns nur durch Kompensation befreien“, bekennt Maul. Daher sei die Idee entstanden, durch Anpflanzen eines Waldes wenigstens etwas gegenzusteuern. Der Intendant will das keineswegs als Feigenblatt verstanden wissen. Es ist ein ernsthafter Versuch, die Internationalität des Festivals zu erhalten. Was für die Wagnerianer Bayreuth ist, soll Leipzig für die Bachfans aus aller Welt sein. Was ihn freut: Der Bach-Wald hat bereits Modellcharakter, andere Festivals und Orchester nutzen die Idee nach.

Der Klassikliebhaber Michael Maul lebt seinen Traum. Einst unsicher, ob der Studiengang Musikwissenschaft wirklich zu ihm passt, vermarktet er heute als Intendant des Bachfestes seine Heimatstadt. Im Jahr 2015 wird Maul zunächst Dramaturg des Bachfest Leipzig, bevor er im Mai 2018 zum Intendanten gewählt wird. „Leipzig durch überraschende Festival-Konzeptionen einmal jährlich ins ,Bayreuth Bachs’ zu verwandeln, betrachte ich als meine zentrale Aufgabe“, sagt Maul in einem Interview mit der Leipziger Volkszeitung.

Die Suche in Archiven nach Bach


Geboren im Februar 1978, wächst Michael Maul in Engelsdorf auf. Dort besucht er die Polytechnische Oberschule „Friedrich Engels“ und macht am König-Albert-Gymnasium in
Czermaks Garten sein Abitur. In den späten 1990erJahren studiert Maul an der Universität Leipzig. Dort belegt er bis 2002 Musikwissenschaft, als Nebenfächer Journalismus und Betriebswirtschaftslehre. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bach-Archiv Leipzig durchforstet er weitere Archive in Mitteldeutschland und Osteuropa systematisch nach Bezügen zu Johann Sebastian Bach. Dabei stößt er beispielsweise 2001 in Vilnius/Litauen auf die älteste erhaltene deutschsprachige Oper Bachs, die Pastorello musicale. Datiert ist die Handschrift aus Königsberg mit 1663.

International bekannt wird Maul, als er 2005 in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar die Bach-Arie: „Alles mit Gott und nichts ohn’ ihn“ entdeckt. Bis dahin war das ein unbekanntes Vokalwerk des Komponisten. Und es war die erste Neuentdeckung seit etwa 70 Jahren. Ein Jahr später findet Maul ebenfalls in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek zuvor unbekannte Notenhandschriften Bachs, die sogenannte Weimarer Orgeltabulatur mit Abschriften der Choralfantasien.

Maul promoviert 2006 in Freiburg im Breisgau an der Albert-Ludwigs-Universität mit einer Arbeit über die Barockoper in Leipzig. 2013 erfolgt die Habilitation an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, die eine vielbeachtete Arbeit zur Geschichte des Leipziger Thomaskantorats ist und ausgezeichnet wird. Er ist außerplanmäßiger Professor im Fach Musikwissenschaft in Halle-Wittenberg, unterrichtet auch an der Universität Leipzig sowie der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“.

Der Lebenslauf der Alumnen


Der Wissenschaftler wird auch im
Stadtarchiv Leipzig fündig. So erforscht er das Album Alumnorum Thomanorum mit Handschriften von Bachs Schülern. Der Inhalt des fast 700-seitigen Bandes ist zwar bekannt. Das Original gilt allerdings lange Zeit als verschollen und schlummert seit den 1960er-Jahren nahezu unbeachtet mit anderen Dokumenten aus der Thomasschule im Stadtarchiv. Das Besondere: Alle 650 Alumnen, die von 1729 bis 1800 neu in die Thomasschule aufgenommen worden waren, haben dort eigenhändig einen Kurzlebenslauf eingetragen. Das wiederum liefert der Wissenschaft neue Hinweise zur Datierung der Bach-Werke. Denn damals können die Noten nicht einfach so kopiert werden. Bach setzt daher zahlreiche seiner Schüler ein, die die Noten für die Aufführungen abschreiben müssen.

Eine große Biografie über den Menschen Bach


Seit vielen Jahren beschäftigt sich der Musikwissenschaftler mit dem Musikgenie Bach. Über den Menschen Bach hingegen ist wenig bekannt. Anders als
Beethoven hat er der Nachwelt kaum persönliche Schriften hinterlassen. Mit seiner zweisprachig auf Deutsch und Englisch im Lehmstedt-Verlag erschienenen Biografie versucht Maul, Licht ins Dunkel zu bringen und hat dafür viele Dokumente ausgewertet. Selbst auf Noten auf vergilbtem Papier entdeckt er durch Bach verfasste Randnotizen, die dann faszinierende Einblicke in dessen Arbeitsweise geben.  Der Thomaskantor komponiert zwar Gebrauchsmusik für Gottesdienste. „Doch diese war teilweise so anspruchsvoll, dass viele Musiker und Sänger zeitweilig überfordert waren. Auch der Thomanerchor“, so Maul.

Bachs Leben sei ein Lückentext, schreibt der Forscher im Vorwort seiner bebilderten Chronik. Bekannt sind Zwistigkeiten Bachs mit seinem Arbeitgeber, der Stadt Leipzig. Für die ist er keineswegs erste Wahl. Die wollen lieber Georg Philipp Telemann, der damals schon eine europäische Berühmtheit ist und lieber in Hamburg bleibt.

Podcast und Bach-Hörbiografie für Musikliebhaber


Kompetenzstreitigkeiten mit Funktionsträgern von Schule, Kirche oder Stadt führen dazu, dass sich Bach den Ruf eines streitbaren Zeitgenossen erwirbt, der einige Male ins
Alte Rathaus zitiert wird. Bach ärgert sich immer wieder über die „wunderliche und der Music wenig ergebene Obrigkeit“. Für den Bachforscher Maul bleibt das Musikgenie eine unendliche Geschichte, bei der es noch viel zu entdecken gibt. Regelmäßig ist Maul bei MDR Klassik zu hören. In einem Podcast nimmt er gemeinsam mit Bernhard Schrammek jeweils eine Kantate genauer unter die Lupe. „Mir ist wichtig, meine Ergebnisse nicht nur mit der Forscher-Community zu teilen. Ich will sie in verschiedenen Formaten einer musikinteressierten Öffentlichkeit vermitteln.“ Neben dem Podcast gibt es beim Deutschlandfunk Kultur die XXL Hörbiografie über Bach mit 33 Folgen. In der Insel-Bücherei nimmt er im Buch „Wie wunderbar sind deine Werke“ Interessierte charmant in die Welt der Kantaten mit.

Darüber hinaus ist Familienvater Maul sehr sportlich unterwegs. Für Ideen wie „Bach – We are family!“, die Chöre aus aller Welt zum Bachfest nach Leipzig holte, bekommen Maul und sein Team 2022 den Leipziger Tourismuspreis. Im Jahr 2024 erhält er die Leipziger Lerche, die begehrte Trophäe des Wirtschaftsvereins „Gemeinsam für Leipzig“. „Mir macht es Spaß, immer wieder neue Konzepte zu entwickeln, um die Welt in Leipzig zu Gast zu haben“, sagt der Professor. Und man darf sich gewiss sein, das Maul, der heimliche Popstar in Sachen Klassik, noch viele Überraschungen hat.

Stand: 04.02.2024

Bildergalerie - Maul, Michael

Mendelssohn-Büste auf einer Stele

Mendelssohn-Ufer (zwischen Mozartstraße und Beethovenstraße) | Ortsteil: Zentrum-Süd

Die vom Leipziger Bildhauer Walter Arnold geschaffene Mendelssohn-Büste wurde am 4. November 1947 am ehemaligen Standort des abgetragenen Mendelssohn-Denkmals vor dem im Krieg stark beschädigten Zweiten Gewandhaus eingeweiht. Die Porträtstele besteht aus einem 2,28 Meter hohen Sockel aus Kalksandstein, auf welchem sich eine 61 Zentimeter hohe Bronzebüste von Felix Mendelssohn Bartholdy befindet. Seit 2007 befindet sich die Mendelssohn-Büste südwestlich des Mendelssohn-Ufers unweit der Mozartbrücke vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Keinen Komponisten ehrt die Musikstadt mit mehr Denkmälern…


Nach Wien blickt kaum eine andere Stadt auf eine so vielseitige musikalische Vergangenheit zurück, wie Leipzig. Die durch Unternehmen und Messe prosperierende Stadt ist Heimat des weltberühmten
Thomanerchores und war Wirkungsstätte vieler namhafter Komponisten und Musiker, welche sich hier zeitweise aufhielten oder lebten. Einer von ihnen war der Komponist Felix Mendelssohn Bartholdy, der zwölf Jahre in Leipzig lebte und mit seinem Wirken einen wesentlichen Beitrag zur Weiterentwicklung Leipzigs als Musikstadt mit internationaler Strahlkraft leistete. Von 1835 bis zu seinem frühen Tod im Jahr 1847 war er Gewandhauskapellmeister, entdeckte die Werke von Johann Sebastian Bach wieder und gilt als Begründer der ersten Musikhochschule Deutschlands im Jahr 1843. Das Conservatorium der Musik wurde später in Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig umbenannt und entwickelte sich seit seiner Gründung europaweit zu einer der renommiertesten Einrichtungen dieser Art. Mendelssohn lebte mit seiner Familie in der ersten Etage eines spätklassizistischen Bürgerhauses in der heutigen Goldschmidtstraße. In dem restaurierten Gebäude befindet sich heute das von Kurt Masur eröffnete Mendelssohn-Haus, welches die restaurierte und rekonstruierte Wohnetage mit Musiksalon sowie zwei weitere Ausstellungsetagen beherbergt. Geehrt wird Felix Mendelssohn Bartholdy auch mit den alljährlich über eine Woche um Mendelssohns Todestag herum stattfindenden Mendelssohn-Festtagen. Als Kooperation zwischen dem Mendelssohn-Haus und dem Gewandhaus zu Leipzig wird im Rahmen von vielfältigen Konzertveranstaltungen an beiden authentischen Orten das umfassende Repertoire aufgeführt, darunter Kammer- und Chormusik sowie Sinfonien.

Für keinen anderen Komponisten gibt es mehr Denkmäler in Leipzig, wie für Felix Mendelssohn Bartholdy. Dazu zählt das 2008 gegenüber der Thomaskirche errichtete Mendelssohn-Denkmal als drei Meter hohe Bronzestatue. Dabei handelt es sich um eine Replik des von Werner Stein entworfenen Mendelssohn-Denkmals, welches sich einst an der Ostseite des Zeiten Gewandhauses befand. Aufgrund von Mendelssohns vermeintlicher jüdischer Abstammung wurde das Denkmal 1936 auf Geheiß des stellvertretenden Leipziger Bürgermeisters, Rudolf Haake, abgebrochen.

Altes Denkmal am neuen Standort


Ein weiterer Ort, der den berühmten Komponisten namentlich ehrt, befindet sich in Form einer Grünanlage im
Musikviertel unweit des Bundesverwaltungsgerichtes. Im Rahmen der Offenlegung des Pleißemühlgrabens zwischen 2006 und 2007 und dem Bau einer Tiefgarage unterhalb des Areals wurde von 2005 bis 2012 das sogenannte Mendelssohn-Ufer geschaffen. Eine begrünte Treppenanlage führt hinunter zum Pleißemühlgraben, während die sich auf den Stufen befindlichen Sitzkuben Noten auf Notenlinien symbolisieren. Die lockere Verteilung dieser soll die ersten beiden Takte aus Mendelssohns Violinkonzert e-Moll darstellen. Die grüne Sitztreppe wird von Anwohnern und Studenten in der benachbarten Universitätsbibliothek gleichermaßen als beliebter Aufenthaltsort genutzt.

An der Südwestecke des Mendelssohn-Ufers befindet sich seit dem Jahr 2007 die Mendelssohn-Büste. Unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkrieges und dem Untergang des Nationalsozialismus setzte sich besonders Rudolf Fischer als Rektor der Staatlichen Hochschule für Musik – Mendelssohn-Akademie (ab 1972 Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig) für eine erneute öffentliche Würdigung von Felix Mendelssohn Bartholdy ein. Mit den vorhandenen Mitteln wurde zunächst am 2. Oktober 1946 ein Gedenkstein mit Namen und Lebensdaten des Komponisten am Standort des 1936 von den Nationalsozialisten abgetragenen Mendelssohn-Denkmals vor den Überresten des stark beschädigten Alten Gewandhauses eingeweiht. Dank einer großzügigen Spende der „Leipziger Zeitung“ über 11.200 Mark konnte der Gedenkstein durch eine von Walter Arnold geschaffene Stele ersetzt werden. Auf einem 2,28 Meter hohen Sockel aus Kalksandstein fertigte der Leipziger Bildhauer eine 61 Zentimeter hohe Bronzebüste an, welche Felix Mendelssohn Bartholdy abbildete und von der Bronzegießerei Noack geschaffen wurde. Die Mendelssohn-Stele wurde am 4. November 1947 durch Erich Zeigner, den damals amtierenden Oberbürgermeister der Stadt Leipzig, feierlich am einstigen Standort des abgetragenen Mendelssohn-Denkmals in der Grassistraße eingeweiht. 

Auf einen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung hin wurde die Stele am 25. Oktober 1967 an das westliche Ende der Fritz-von-Harck-Anlage verlegt, wo sie bis 1999 verblieb. Aufgrund der Umgestaltung der Grünanlage vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde die Mendelssohn-Büste zwischenzeitlich auf das Areal des Mendelssohn-Hauses verlegt, bevor sie 2007 ihren endgültigen Standort südwestlich des Mendelssohn-Ufers unweit der Mozartbrücke erhielt. Der ursprüngliche Plan, die Stele nach Fertigstellung des neuen Universitätskomplexes auf dem Areal des Zweiten Gewandhauses zu platzieren, wurde verworfen.

Stand: 18.01.2024

Bildergalerie - Mendelssohn-Büste auf einer Stele

GRASSI Museum für Völkerkunde

Johannisplatz 5-11 | Ortsteil: Zentrum-Südost

Es ist ein Museum in Bewegung, das sich gerade neu erfindet. „Reinventing Grassi“ ist die intensive Selbstbefragung und Umstrukturierung des GRASSI Museums für Völkerkunde am Johannisplatz überschrieben. Die Institution krempelt alle bisherigen Ausstellungsteile um und beendet so die gewohnte Reise rund um eine Welt, die einst verschiedene Länder und Kontinente in den Vordergrund rückte. Ziel ist es, das ethnologische Museum in die Zukunft zu geleiten und die eigene museale und koloniale Geschichte kritisch aufzuarbeiten.

Karl Weule und die Makonde-Masken


Der Weg dazu ist umstritten und gelegentlich mit einem Aufschrei verbunden. Etwa als mit
Karl Weule (1864-1926) einer der berühmten Direktoren vom Sockel geholt und seine Stele im Treppenaufgang regelrecht „zermörsert“ wird. Weules Name ist eng mit den Makonde-Masken verbunden. Einige Sammelstücke sind berühmt, waren schon in New York, Berlin und London ausgestellt. Weule, der erste Professor für Völkerkunde in Deutschland, hat sie bei einer Expedition in die damaligen deutschen Kolonialgebiete 1906 nach Leipzig geholt. Und das ist das Problem. Die Museen wollen nicht mehr wegschauen, wie ihre Exponate in die Sammlungen gekommen sind. Ob geraubt, gekauft, getauscht – es gibt viele Fragen, die nicht immer leicht zu beantworten sind, da etliche Objekte undatiert sind. Der Großteil ist aber korrekt erworben.

Das Museum wird 1869 von der Leipziger Bürgerschaft gegründet. Die Sammlung des Dresdner Hofrats und Bibliothekars Gustav Klemm legt dabei den Grundstock. 1874 erfolgt die offizielle Eröffnung im ehemaligen Johannishospital. Weil die Anzahl der Exponate rasch zunimmt, wird für ihre Präsentation ein eigenes Gebäude benötigt. Im Grassimuseum am Königsplatz (heute Stadtbibliothek am Wilhelm-Leuschner-Platz) erhält die Sammlung 1895 eine erste Heimstatt. 1929 erfolgt der Umzug ins heutige Domizil im damals neuen Grassimuseum am Johannisplatz, das 1925 bis 1929 errichtet wird. Beim größten Luftangriff auf Leipzig wurde es 1943 weitestgehend zerstört, etwa 30.000 Objekte gingen in den Flammen unwiederbringlich verloren.

1947 begann der Wiederaufbau, 1954 öffnete mit den Abteilungen Ozeanien/Australien sowie Indonesien die erste Dauerschau nach dem Zweiten Weltkrieg. 1981 verursachte eine Havarie an der Heizungsanlage eine Schließung der Ausstellungen, erst 1985 konnte die Dauerschau wieder besucht werden.

Ein Neuanfang mit Lektion im Anti-Kolonialismus


1991 geht das Völkerkundemuseum in die Regie des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst über. 2004 fusionieren die Völkerkundemuseen Leipzig, Dresden und Herrnhut zu den Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsen. Das Grassimuseum wird schließlich 2001 bis 2005 saniert. Schrittweise wird die Dauerausstellung „Rundgänge in einer Welt“ eröffnet, die im November 2005 zum 140. Geburtstag des Museums für Völkerkunde zunächst Südasien vorstellt. Weitere Länder und Kontinente folgen – doch die bisherige Ausstellungspraxis wird in Frage gestellt. Es beginnt eine Neuausrichtung als Lektion in Anti-Kolonialismus.

Ein Beispiel sind die wertvollen Benin-Bronzen, einst das Aushängeschild der Leipziger Völkerkunde-Sammlung, die etwa 200.000 Objekte und 100.000 Archivalien zählt. Die Benin-Bronzen stammen größtenteils aus den Plünderungen der britischen Royal Navy 1897 im Königreich Benin, dem heutigen Nigeria. Der afrikanische Staat will die Bronzen wiederhaben. Sachsen hat bereits einige Objekte zurückgegeben. Das Museum macht dies in der Ausstellung zum Thema. Dabei kommt es auch zum Perspektivwechsel. Künstlerin Mary Osaretin Omorgie aus Lagos erzählt die Geschichte Benins aus der Sicht von Frauen, um bis heute geltende patriarchalische Strukturen zu durchbrechen.

Meyers Gipfelraub am Kilimandscharo


Selbst ein Stück der Zugspitze lagert in einer Art Geiselhaft im Museum. PARA, ein Künstlerkollektiv, hat am 16. September 2021 die obersten sechs Zentimeter der Zugspitze entfernt. Der höchste Berg Deutschlands, heißt es, wäre nun nicht mehr ganz 2962 Meter hoch. Mitbekommen hat das wohl kaum einer. Der entfernte Stein lagert in einem angeketteten Tresor in der Ausstellung in Leipzig und kann mit Hilfe einer Kamera betrachtet werden. Erinnert wird damit an den Gipfel-Raub, den der Leipziger Geograf und Kolonialpolitiker
Hans Meyer 1889 verübt, als er Gestein aus der Spitze des Kilimandscharo entnimmt und als Trophäe aus Tansania, damals Deutsch-Ostafrika, in die Heimat mitbringt.

Meyer, ein Förderer des Museums, soll den Stein zersägt haben. Eine Hälfte überreicht er Kaiser Wilhelm II., die andere nutzt er der Legende nach als Briefbeschwerer. Jenes Stück, von einem Nachfahren Meyers angekauft, liegt inzwischen im Wiener Antiquariat Kainbacher und soll für 35.000 Euro zurückerworben werden. Ziel ist es, den Stein an Tansania zurückzugeben. Selbst die Bausubstanz des Grassimuseums wird ein wenig zerbröseln. Aus jenem Material sind Repliken hergestellt, die dann in einer Crowdfunding-Kampagne erworben werden können.

Ein Blick auf Völkerkunde in der DDR


Die Dauerausstellung im Museum kann seit Anfang 2024 kostenfrei besichtigt werden. Sie bietet sich als Diskussionsforum an – im Gegensatz zum einst etwas autoritären Bildungstempel. Im Mittelpunkt stehen Aspekte, die Leipzig mit der Welt verbinden. Ein neuer Ausstellungsteil Völkerfreundschaft ermöglicht einen Blick zurück in die Ethnologie in der DDR vor 1990. In Vitrinen stehen beispielsweise diplomatische Geschenke an die Staats- und Parteiführung der DDR, die ans Museum weitergereicht wurden: eine Riesenvase aus Vietnam mit Erich Honeckers Konterfei oder ein Pionier-Halstuch aus Nordkorea. Zu sehen sind auch eine Friedenspfeife aus der Prärie, ein mexikanischer Bauarbeiterhelm oder eine Kaffeekanne aus Bagdad sowie ein aus Gras geflochtener Bus. Damals konnten die DDR-Bürger nicht frei reisen. Museen wurden zu Sehnsuchtsorten, an denen sie an einem Tag „die Welt erleben“ konnten.

Am Beispiel der vielen „Indianistik“-Klubs zeigt eine Präsentation, welchen Einfluss die Völkerkunde auf das Privatleben, die Nischen- und Popkultur in der DDR hatte. Federhauben oder Tomahawks von amerikanischen Indianer-Stämmen sind zwar derzeit in der Ausstellung nicht mehr zu sehen. Doch es werden auch Fragen diskutiert, ob man eigentlich überhaupt noch Indianer sagen darf? Eine einfache Antwort, einen für alle Interessengruppen und Situationen funktionierenden Begriff gibt es darauf nicht – das Museum wirbt dafür, sich vor allem mit Respekt zu begegnen. Überall auf der Welt!

Stand: 25.2.2024

Penelope – Skulptur

Markkleeberg / Westufer des Markkleeberger Sees | PLZ 04416

Der Markkleeberger See ist einer der beliebtesten Seen im Leipziger Neuseenland und bietet viele Freizeitangebote, darunter mehrere Badestrände, Schifffahrten auf dem See und Wildwasser-Rafting im Kanupark Markkleeberg.

Auch für Natur- und Kulturliebhaber gibt es viel zu entdecken. Wer den 9 Kilometer langen Rundweg erwandert, kann eindrucksvolle Skulpturen namhafter Künstler bewundern. Diese entstanden zwischen 2006 und 2011 bei mehreren Pleinairs für Steinplastik, die der Kunstverein Markkleeberg organisierte. Die Plastiken sind wie ein Band um den See angeordnet und prägen die jeweiligen Orte auf markante Weise.

Der Zauber griechischer Mythologie


Eine der eindrucksvollsten Skulpturen – Penelope – befindet sich am Weg zur Göselmündung oberhalb des westlichen Seeufers und ist Teil des Projektes Landschaftskunst am Markkleeberger See. Das überlebensgroße Kunstwerk ziert einen gemütlichen Rastplatz, von dem aus die Besucher einen herrlichen Blick zur Seepromenade haben. Penelope wurde 2010 von den Dresdner Künstlern
Marie-Josefin Flechsig und Stefan Zimmermann aus Cottaer Sandstein geschaffen, der aus dem Elbsandsteingebirge stammt. Die Skulptur steht auf einem Sockel, blickt über den See und hält Ausschau nach ihrem geliebten Mann Odysseus. 

Bei dem Kunstwerk handelt es sich um ein Zitat aus der griechischen Mythologie. Penelope war eine spartanische Königstochter. Ihr Name setzt sich aus den griechischen Wörtern πήνη (pēnē = Gewebe) und λέπειν (lépein = abreißen, abschälen) zusammen. Die schöne Mystische ist die Frau des Odysseus und Mutter von Telemachos. Sie gilt als Muster einer treuen Ehefrau. Während der zehnjährigen Irrfahrt ihres Mannes vertröstete sie ihre zahlreichen Freier, indem sie ihnen erklärte, dass sie erst das Totentuch für ihren Schwiegervater Laertes weben müsse. Doch was sie tagsüber webte, trennte sie nachts wieder auf. Als Odysseus zurückkehrte, tötete er die Freier und übernahm wieder die Regierung in Ithaka. 

Neben Penelope schufen die Künstler Marie-Josefin Flechsig und Stefan Zimmermann 2011 die Skulptur Odysseus, die sich ebenfalls am Markkleeberger See, unterhalb des Parkplatzes des Seepark Auenhain, befindet. Odysseus war einer der bekanntesten Helden der griechischen Mythologie und kämpfte im Trojanischen Krieg. Seine Taten wurden von Homer in der „Ilias“ geschildert.

Stand: 11.02.2024

Bildergalerie - Penelope – Skulptur

Stadtgründung Leipzig / Stadtbrief

Stadtarchiv Leipzig / Stadtgeschichtliches Museum Leipzig | Ortsteil: Zentrum-Südost / Zentrum

Wie alt ist eigentlich Leipzig? Im Dezember des Jahres 1015, so steht es in der von Thietmar von Merseburg angefertigten Chronik, reist der Meißner Bischof Eid nach Merseburg. Dort soll er den Kaiser treffen, um ihm über die wohl erfolgreichen Friedensverhandlungen mit den polnischen Nachbarn zu berichten. Doch sein Ziel erreicht er nicht. Notiert ist: „in urbe Libzi vocata“ stirbt der kirchliche Würdenträger. Das ist ein Ort, der Leipzig genannt wird. Näheres zu Größe und vor allem dem Aussehen des Ortes notiert er nicht. Die Chronik ist eine der zentralen Quellen zur hochmittelalterlichen Geschichte Deutschlands. Und völlig nebenbei hat der Merseburger Bischof mit dieser Notiz die älteste schriftliche Erwähnung Leipzigs formuliert.

Für Leipzig ist dies der Anlass, im Jahre 2015 die 1000. Wiederkehr der schriftlichen Erwähnung mit einem ganzen Festjahr zu begehen. Rund um das Ereignis gibt es viele Forschungen, die in einer neuen vierbändigen wissenschaftlichen Stadtgeschichte münden. Herausgeber sind Enno Bünz, Detlef Döring, Susanne Schötz sowie Ulrich von Hehl.

Neue Erkenntnisse durch archäologische Grabungen


Natürlich ist Leipzig nicht erst 1015 entstanden, sondern viel älter, was mit archäologischen Ausgrabungen in der Leipziger Innenstadt von 1990 an bis etwa 2015 detaillierter nachgewiesen werden kann. Grabungen an der
Hainstraße und an der Großen Fleischergasse beweisen, dass der Ort mit der Burg bereits vor 1015 bestand. Archäologe Thomas Westphalen und seine Kollegen vom Landesamt für Archäologie Sachsen haben an der aus Erdwällen und Baumstämmen errichteten Burg „urbs libzi“ eine Vorstadt nachgewiesen. Und dabei einen etwa 30 Meter langen und über sechs Meter breiten Graben entdeckt, der nicht zu den Befestigungsanlagen der Burg gehört. Bereits Herbert Küas, ein früher Pionier der Leipziger Stadtarchäologie, hat das Areal um die im Krieg zerstörte Matthäikirche untersucht und Reste der Burg sowie eines vorgelagerten Grabens freigelegt. Nach wie vor bleiben viele Fragen, etwa wie der Ort ausgesehen hat, offen. Nachgewiesen ist aber, dass es sich bei dem vier Hektar großen Gebiet um eine abgeriegelte Siedlung mit städtischem Charakter handelt, keineswegs nur um eine befestigte Burganlage. Der trockene Graben wird dem Landesamt für Archäologie Sachsen zufolge im Laufe des 11. Jahrhunderts aufgefüllt. Die heutige Stadt nimmt im 12. Jahrhundert Gestalt an – ein Straßenraster mit Markt, Kirchen, Klöstern entsteht. Ein Vorteil ist die Lage am Schnittpunkt der beiden Handelsstraßen Via regia sowie Via imperii. An diese erinnert seit 2017 die bronzene Bodentafel Leipzig im Schnittpunkt alter Handelsstraßen auf dem Markt, gegenüber der Alten Waage.

Stadtgründung lässt sich nicht exakt datieren


Das Jahr 1165 gilt als Datum der Stadtgründung. Deshalb wurde auch 1965 eine 800-Jahr-Feier veranstaltet. Historisch lässt sich die Stadtgründung allerdings nicht exakt belegen.
Markgraf Otto der Reiche von Meißen verleiht Leipzig zwischen 1156 und 1170 sowohl Stadtbrief als auch Marktprivileg. Das Dokument ist aber undatiert. Die entsprechende, später schriftlich ausgefertigte Urkunde stammt aus der Zeit um 1215. Das Jahr 1165 wird festgelegt – ebenso als Gründungsdatum der Leipziger Messe. Um jene Zeit bezeugt der Markgraf Leipzig seine Gunst, indem er bestimmt, dass „innerhalb einer Meile von der Stadt gelegen kein der Stadt schädlicher Jahrmarkt abgehalten werden dürfe.“ Die Urkunde trägt zwar das Siegel des Markgrafen. Einige Historiker sehen das Papier trotzdem als Fälschung an. Leipziger Bürger könnten es nachträglich selbst angefertigt haben, heißt es. Die Entwicklung nachzuvollziehen, bleibt schwierig, da die Quellenlage spärlich ist. Viele Hoffnungen ruhen dabei auf der Archäologie.

Stadtbrief wird im Stadtarchiv aufbewahrt


Das fragile Dokument wird im
Stadtarchiv Leipzig auf der Alten Messe in einem Archivschrank aus Massivholz aufbewahrt, den der erste Direktor Gustav Wustmann im Jahr 1886 anfertigen ließ. Weil der Stadtbrief so zerbrechlich ist, sind kaum Forschungen am Original möglich.

Im Stadtarchiv Leipzig wird auch das Stadtsiegel von 1287 und das von Kaiser Maximilian I. 1497 ausgestellte und dann 1507 erweiterte Messeprivileg behütet. Im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig im Alten Rathaus sind jeweils Faksimiles zu sehen. Möglich ist dort auch ein Blick auf einfache Gebrauchsgegenstände. Diese Funde erzählen, wie sich Leipzig von der slawischen Siedlung im 7./8. Jahrhundert zur mittelalterlichen Stadt entwickelt.

Stand: 25.01.2024

Bildergalerie - Stadtgründung Leipzig / Stadtbrief

Stele – Sächsisch-Thüringische Industrie- und Gewerbeausstellung (STIGA) von 1897

Anton-Bruckner-Allee / Clara-Zetkin-Park | Ortsteil: Zentrum-West

Etwas versteckt steht die Stele am Weg nordwestlich des Bassins in der Anton-Bruckner-Allee. Sie wurde am 24. April 2022 enthüllt und erinnert an die Sächsisch-Thüringische Industrie- und Gewerbeausstellung (STIGA) in Leipzig. Die umfassende Leistungsschau Mitteldeutschlands zog von April bis Oktober 1897 nahezu 2,4 Millionen Besucher an. Die Gäste und Einheimischen kamen, um die neueste Technik zu bestaunen oder um sich zu vergnügen. Die STIGA war für Leipzig ein großes Volksfest. Aus dieser Leistungsschau ging ein Teil des heutigen Clara-Zetkin-Parkes hervor. Platziert in der wichtigen Etappe Leipzigs, in dem es sich von der reinen Handels- zur Industriestadt wandelte, war die STIGA eine Schau der Superlative.

Völkerschau mit 47 Afrikanern


1897 ist Leipzig eine Stadt mitten im Wandel – die
Leipziger Messe entwickelt sich rund ums Jubiläumsjahr zur modernen Musterschau. Es gibt aber auch dunkle Seiten, wie der offen zur Schau gestellte Kolonialismus bei der integrierten Deutsch-Ostafrika-Ausstellung (DOAA), bei der 47 Menschen aus den damaligen deutschen Kolonien in Afrika zur Schau gestellt werden. Hinter einem doppelten Zaun zeigen sie inszenierte alltägliche Handlungen sowie angeblich traditionelle Tänze und Schaukämpfe. Die sogenannte Völkerschau sollte für die „koloniale Sache“ in der Bevölkerung sowie in Unternehmen in Mitteldeutschland werben. Für 30 Pfennig Eintritt konnten die Besucher einen Rundgang entlang von Nachbauten kolonialer Gebäude und vorbei an den afrikanischen Menschen, die einer angeblich überlegenen deutschen Kultur gegenübergestellt wurden, unternehmen.

Leipzig arbeitet Kolonialismus auf


Die Organisatoren um den Kolonialoffizier
Kurt Blümcke haben die Ausstellung nach der Vorstellung einer erfolgreichen und friedlichen Musterkolonie aufbauen lassen. Sie orientieren sich dabei an den vom Deutschen Reich kontrollierten Gebieten im heutigen Tansania, Ruanda, Burundi und dem Kionga-Dreieck im nördlichen Mosambik (damals „Deutsch-Ostafrika”). Hintergrund: Für einen Großteil der Menschen sind damals Urlaubs- oder gar Fernreisen unerreichbar. Dadurch soll die Schau ihre Neugier auf das „Fremde“ wecken. Die Gegenüberstellung von vermeintlich „zivilisiert“ und „unzivilisiert“ hätte nicht stereotyper sein können. Über die Biografien der 47 Menschen ist bisher kaum etwas bekannt. Unklar bleibt, ob alle Männer und Frauen überhaupt überleben konnten. Die Stadt Leipzig ist dabei, den Kolonialismus aufzuarbeiten. 

In seiner Gestaltung kopierte das STIGA-Ausstellungsgelände damals ein wenig die Weltausstellungen in London, Paris, New York oder Wien. Die Attraktionen sind auf einer Karte auf der zweiseitigen Stele sichtbar, die leider häufig mit Graffiti beschmiert ist. Die Stele befindet sich nordwestlich des Bassins in der Anton-Bruckner-Allee – dem Ort, an dem 1897 die STIGA eröffnet wurde und an die die Stadt Leipzig im Rahmen des Themenjahrs „2022 – Freiraum für Bildung“ mit einem umfangreichen Programm erinnerte. Auf der einen Seite der Stele wird die STIGA allgemein dargestellt, auf der anderen die darin integrierte Deutsch-Ostafrika-Ausstellung (DOAA). Die neue Informationstafel für die STIGA ergänzt dauerhaft die unweit davon 2018 aufgestellte Stele zur Geschichte des Clara-Zetkin-Parks.

Stand: 24.2.2024

Bildergalerie - Stele – Sächsisch-Thüringische Industrie- und Gewerbeausstellung (STIGA) von 1897

Speck von Sternburg, Wolf-Dietrich

Kunstmäzen, Hotelier | geb. am 17. Februar 1935 in Stolp (damals Pommern)

Er ist Nachfahre eines Wollhändlers und Schafszüchters: Wolf-Dietrich Freiherr Speck von Sternburg, der sich in Leipzig längst einen Namen als der Kunstmäzen gemacht hat, stammt aus einer alten Leipziger Kaufmannsfamilie. Deren Name ist noch heute mit dem Rittergut in Lützschena, dem Schlosspark Lützschena, dem Handelshaus Specks Hof und deren wunderbar gestaltete Passage sowie dem Sternburg Bier verbunden. Und vor allem mit der Maximilian-Speck-von-Sternburg-Stiftung, die dem Museum der bildenden Künste Leipzig eine ihrer wertvollsten Sammlungen als Dauerleihgabe anvertraut.

Handelsherr begründet eigene Schafszucht


Und diese Geschichte beginnt eigentlich mit
Napoleon. Der Franzosenkaiser verfügt im November 1806 eine Kontinentalsperre über die britischen Inseln. Das hat auch Auswirkungen auf den Leipziger Handelsherrn Maximilian Speck (1776-1856), der daraufhin keine Wolle mehr kaufen kann. Der umtriebige Geschäftsmann, der aus einfachen Verhältnissen stammt, beschließt, auf dem Rittergut Lützschena selbst Edelschafe in großem Stil zu züchten. Die Merinoschafe haben wegen ihrer begehrten Feinwolle eine große wirtschaftliche Bedeutung. Davon hört sogar Zar Alexander I., der Maximilian Speck einlädt, die russische Landwirtschaft zu fördern. Der Zar ernennt ihn 1825 zum Ritter von Speck, der bayerische König Ludwig I. macht ihn um 1829 schließlich zum Freiherrn von Sternburg.

Wie alle wohlhabenden Leipziger Handelsherren sammelt der Tuchhändler Kunst. Da er Handelshäuser auf der ganzen Welt unterhält, reist er viel und hat bei seiner Rückkehr nicht selten ein Gemälde im Gepäck. Verheiratet mit der wohlhabenden Tochter eines Leipziger Bürgermeisters, trägt er mit ihr über viele Jahre eine erlesene Sammlung von Gemälden und grafischen Blättern zusammen. Ehefrau Charlotte ist selbst Kupferstecherin.

Sein Enkel Hermann Speck von Sternburg ist Botschafter des Deutschen Kaiserreiches in den USA und China. Auch von dort gibt es viele Kunstschätze, einige davon sind in der Sammlung des GRASSI Museums für Völkerkunde zu finden. Ur-Ur-Enkel Wolf-Dietrich, dem Haupterben Maximilians, ist der Kunstsinn daher schon in die Wiege gelegt worden.

Hotelkaufmann zieht es hinaus in die Welt


Geboren wird Wolf-Dietrich Speck von Sternburg in Stolp, das damals zu Hinterpommern (heute: Słupsk in Polen) gehört. Dort verlebt er eine glückliche Kindheit und die Volksschulzeit. Die Familie wird nach 1945 vertrieben und kommt zunächst nach Pasewalk in Mecklenburg-Vorpommern. Später siedelt sie sich im hessischen Wiesbaden an. Wolf-Dietrich Freiherr Speck von Sternburg macht schließlich eine Ausbildung zum Hotelkaufmann in Bad Reichenhall. Es zieht ihn hinaus in die Welt, nach Ecuador, Peru und in die USA. Dort arbeitet er als Kellner und Concierge. An der Cornell University in Ithaca im Bundesstaat New York absolviert er ein Studium zum Hotelmanager. Bis zur Pensionierung im Jahr 1996 ist er Prokurist bei einer Münchner Hotelgesellschaft.

Die Familie hat die Sammlungen verwaltet, später nicht mehr durch Neukäufe ergänzt. Der Älteste als Majoratsherr ist jeweils der Erbe, muss aber für die Familie sorgen, die Älteren unterstützen, die Ausbildung für die Jüngeren bezahlen. Dadurch ist auch die Sammlung vereint geblieben. Im Roman „Der Wollhändler“ von Susan Hastings wird die Familiengeschichte verarbeitet.

Zum Kirchentag und zur Messe in Leipzig


Zu DDR-Zeiten wird die Sammlung enteignet. Zu ihr gehören Meisterwerke von
Lucas Cranach dem Älteren, Rubens und Caspar David Friedrich, Johan Christian Dahl, Conegliano und zahlreiche Werke holländischer Meister. Die mehr als 200 Werke werden im Museum der bildenden Künste aufbewahrt und teilweise gezeigt. Als 19-Jähriger kommt der Freiherr im Jahr 1954 erstmals nach Leipzig – damals zum Evangelischen Kirchentag. Er wohnt bei der Tante in einer Dachkammer der Villa Sternburg. Im Schloss darf sie schon lange nicht mehr wohnen. Heimlich besichtigt er den verwilderten Schlosspark und macht Fotos. „Es war ein trauriger Anblick. Der Park, den meine Familie über Jahrhunderte gepflegt hat, Friedhof und Mausoleum waren verwildert“, erinnert er sich. Mit Hilfe der Fotos konnten nach der Wende viele Statuen und Monumente rekonstruiert werden.

Doch zunächst wird die Mauer errichtet. Leipzig und Lützschena rücken für den jungen Mann in weite Ferne. In den 1970er und 1980er Jahren kommt er zur Leipziger Messe. Dort besichtigt er auch das Museum der bildenden Künste, das damals im ehemaligen Reichsgericht untergebracht ist. Und sieht auch das Schild unter einigen Gemälden: „Erworben 1945“. Das stößt zwar bitter auf, doch insgesamt freut er sich, dass die Sternburg-Sammlung überhaupt noch existiert. „Das positive Denken und Handeln habe ich meiner Mutter zu verdanken – trotz aller Tragik in ihrem Leben“, sagt er. Die Eltern habe er nie jammern gehört.

Nach der Friedlichen Revolution fürchten der Freistaat Sachsen und die Stadt Leipzig, dass die Familie Speck von Sternburg ihren rechtlich verbrieften Eigentumsanspruch geltend macht und die Bilder zurückfordert. Wolf-Dietrich wird als Vertreter der Familie nach Leipzig geschickt, um sich um das Erbe zu kümmern. Er fühlt sich verpflichtet, die Sammlung in Leipzig zu belassen. Maximilian Speck verfügte einst, dass seine Sammlung an die Stadt Leipzig fallen solle, sobald es keine männlichen Namensträger mehr gäbe. Das ist zwar nicht der Fall. „Ich habe mir gedacht, Maximilian hat diese Sammlung eigentlich der Stadt Leipzig übergeben wollen“, so der Nachfahre. „Und da war die beste Lösung eine Stiftung.“

Stiftung gegründet – Gemälde sollen zugänglich bleiben


Die Stiftung wurde am 12. November 1996 in Leipzig gegründet. Sie überlässt dem Museum die 202 Gemälde, rund 700 Grafiken und eine Kunstbibliothek als Dauerleihgabe. Anstatt einige der Bilder in seinen Wohnungen in München und Leipzig oder in Räumen im Lützschenaer Schloss aufzuhängen, betrachtet er diese lieber im Museum. „Es ist die Erinnerung an Maximilian und seinen letzten Willen, die Gemälde für die Öffentlichkeit zu erhalten“, begründet er mit viel Respekt vor dem berühmten Vorfahren.

Parallel kümmert er sich um das Schloss in Lützschena, das die Familie ebenso wie den enteigneten und in 34 Parzellen geteilten Park zurückkauft. „Ich wollte nie Parkbesitzer sein. Aber es war die einzige Möglichkeit, den Park für Lützschena zu erhalten und handlungsfähig zu bleiben.“ Im Schloss war damals eine Schule für behinderte Kinder untergebracht. Mit wie viel Liebe sie betreut worden sind, habe ihn sehr berührt, sagt er. Und es ist wohl der Ansporn, das Kinderhospiz Bärenherz in Markkleeberg, das erste Kinderhospiz in Mitteldeutschland, zu unterstützen. Dort ist er Mitglied im Kuratorium.

Auf Stiftermosaik im Bildermuseum verewigt


Wolf-Dietrich Speck von Sternburg lebt heute abwechselnd in München und Leipzig. Und hat sich den Ruf eines „Außenministers“ der Messe- und Handelsstadt erworben. Mehrfach ist er ausgezeichnet worden, darunter mit dem Verdienstorden des Freistaates Sachsen und der Ehrenmedaille der Stadt Leipzig. 2010 erhielt er vom damaligen Bundespräsidenten
Christian Wulff das Bundesverdienstkreuz I. Klasse. Porträtieren lassen für ein Gemälde hat er sich nie. Doch Wolf-Dietrich Speck von Sternburg ist auf dem Stiftermosaik verewigt, das der Münchner Künstler Stephan Huber fürs Foyer des Museums der bildenden Künste geschaffen hat.

Stand: 20.2.2024

Bildergalerie - Speck von Sternburg, Wolf-Dietrich

Thüringer Hof

Burgstraße 19 | Ortsteil: Zentrum

Der „Thüringer Hof“ ist Leipzigs älteste Traditionsgaststätte. Seinen heutigen Namen erhielt der Gasthof 1838 vom aus Thüringen stammenden Gastwirt Friedrich Pietzsch. Besondere Bekanntheit erhielt der Thüringer Hof durch die geistige Elite, die ihrerzeit in den Gemäuern verkehrte, darunter Martin Luther, Robert Schumann und Friedrich Gottlob Klopstock. Im Traditionshaus werden thüringische, fränkische und sächsische Spezialitäten serviert.

Über 500 Jahre Historie: Leipzigs ältestes Traditionsgasthaus


Begrüßt wurden die Gäste einst in der Vorhalle mit dem Wandspruch „Wo einst die Ritter rüstig gezecht, Da zecht’s sich noch heutigen Tages nicht schlecht! Frisch fröhlicher Sang durchhallt das Gewölbe, Die Zeiten sind andre, der Durst ist derselbe!“ Der Thüringer Hof galt einst als volkstümlichste Biergaststätte der Stadt. Seine Geschichte reicht bis ins Jahr 1454 zurück. 

1519 kam Martin Luther nach Leipzig, besuchte auch den Thüringer Hof und hielt seine berühmte Disputation mit Johannes Eck in der benachbarten Pleißenburg, auf deren Grundmauern sich heute das Neue Rathaus befindet. Dieses Ereignis wird heute im Thüringer Hof als Lutherspektakel in Szene gesetzt. Keine andere Leipziger Gaststätte – außer Auerbachs Keller – weist derartig bleibende geschichtliche Spuren auf. 

Das ursprüngliche Gebäude des Thüringer Hofs wurde 1454 von Dietrich von Buckendorf erbaut. 1466 eröffnete die Gaststätte erstmals unter dem Namen „Studentenburse“. 1515 wurde Dr. Heinrich Schmiedeberg, Professor und Kanzler des Bistums Naumburg sowie Freund Martin Luthers, Eigentümer des Gasthofs. Im Jahr 1552 verlieh Herzog Moritz Curfürst von Sachsen dem Wirtshaus ein vom Künstler Lucas Cranach geschaffenes Hauswappen. Zwischen 1561 und 1606 befand sich der Thüringer Hof im Besitz von Erasmus von Könneritz und dem Freiherrn von Pflugk. Im Jahr 1813 wurde das Gasthaus Zeuge von Napoleons Flucht aus Leipzig durch die Burgstraße nach der verlorenen Völkerschlacht bei Leipzig 1813. Seinen heutigen Namen „Thüringer Hof“ erhielt es 1838 vom aus Thüringen stammenden Gastwirt Friedrich Pietzsch, auch bekannt unter dem Namen „Tigerwirt“, der auch Inhaber des „Goldenen Tigers“ am Brühl war.

Geistige Elite in „Grimpe-Stube“, „Burgverlies“ und „Lutherhalle“


1858 wurde Johann August Grimpe neuer Eigentümer. Nach der Übernahme des Gasthauses 1877 durch seinen Sohn Georg Grimpe, einem der populärsten Bürger der Stadt, erhielt der Thüringer Hof durch die neue, originelle Gestaltung, seine Bekanntheit und erfuhr seine Blütezeit. Das Gasthaus bot in etwa 17 Räumlichkeiten Platz für rund 1.200 Gäste. Die „Luther-Halle“, die „Grimpe-Stube“, der „Karzer“, das „Refektorium“, die „Vordere Wolfsschlucht“ und „Hintere Wolfsschlucht“, die „Cantorei“, das „Burgverlies“ und die „Gute Stube“ sowie die nach Richard Wagner, Johann Sebastian Bach und Theodor Körner benannten Zimmer verliehen dem Thüringer Hof sein individuelles Flair. Nach der baulichen Einbeziehung des Freihauses wurden die Gasträume um die großzügige „Lutherhalle“, den überdachten Hof „Staubfreier Garten“ und den „Freyhaus-Saal“ erweitert. 

Das Geschichtsinteresse von Georg Grimpe und die Tatsache, dass er größten Wert auf Historie legte, traf genau den Zeitgeschmack. Der Gastwirt ließ einige bedeutsame Begebenheiten aus der Stadtgeschichte vom Künstler Adolf Lehnert in einem geschnitzten Wandrelief darstellen. Stolz präsentierte er den Gästen außerdem einen Originalbrief von Martin Luther, den der Reformator an den vormaligen Hausbesitzer Dr. Heinrich Schmiedeberg, zu welchem er ein freundschaftliches Verhältnis pflegte, schrieb.

Aus alt wird neu: Historische Bausubstanz im neuen Gewand


Durch den Erwerb der beiden Nachbargrundstücke Nummer 19 und 23 durch Georg Grimpe im Jahr 1888 wurde der Thüringer Hof zu einer volkstümlichen Großgaststätte mit legendärem Ruf. Es erfolgte eine umfassende Rekonstruktion sowie eine prunkvolle Ausgestaltung mit Architekturmalerei, kunstvollen Wand- und Deckenvertäfelungen, Bleiglasfenstern und Kunstschmiedearbeiten. Nach dem Kauf des Thüringer Hofes mit Grund und Boden durch die Würzburger Hofbräu AG im Jahr 1911 wurde die Gaststätte ein Jahr später von Andreas Hermann und dessen Frau als Pächter übernommen. Seit diesem Jahr ist der Thüringer Hof Spezialausschank der Würzburger Hofbräu AG. Zwischen 1930 und 1933 wurde die Lutherstube im Restaurant unter Einbeziehung des Pflugkschen Freihauses ausgebaut. Dank den beiden Pächterfamilien Hermann und Börner sowie der Würzburger Hofbräu AG entwickelte sich die Lutherhalle zu einem besonderen und einzigartigen Anziehungspunkt. Der Raum wurde mit diversen künstlerischen Motiven aus dem Leben und Wirken von Martin Luther ausgestaltet: Ein großes Rundbogenfenster mit Glasgemälde zeigte den Reformator auf dem Reichstag zu Worms, während in den Kunstverglasungen von acht weiteren Fenstern Städtebilder aus Luthers Zeit illustriert waren. Der Raum war außerdem mit zwölf an den Steinpfeilern angebrachten Plastiken in Form von Charakterköpfen bedeutender Frauen und Männer aus Luthers Zeit ausgestaltet. 

Durch einen schweren Bombenangriff im Jahr 1943 wurde der traditionsreiche Gebäudekomplex des Thüringer Hofes beinahe vollkommen zerstört. Zwischen 1948 und 1949 begann der Wiederaufbau des Gasthauses im Erdgeschoss, wobei einige Überreste und Details der alten Bausubstanz gerettet und in den Neubau integriert werden konnten. Im Jahr 1952 wurde Robert Sauer Pächter des Thüringer Hofes, bevor dieser 1972 durch die Gaststättenorganisation Gastronom Leipzig übernommen wurde. 1993 startete nach Abriss des alten Gebäudes der Wiederaufbau sowie die gesamte Rekonstruktion. Am 4. Mai 1996 wurde der Thüringer Hof nach dreijähriger Bauzeit wiedereröffnet.

Schlemmen wie zu Luthers Zeiten


Die Thüringer Hof zu Leipzig GmbH lädt heute als junges thüringisch-sächsisches Unternehmen zum Speisen und Verweilen ein. Begrüßt werden die Gäste an der Hausecke des Thüringer Hofes von einer fröhlichen, bronzenen Gambrinusfigur. Gemeinsam mit riesigen, schmiedeeisernen Auslegern und Kandelabern, dem historischen Eingangsportal und der dem Original nachempfundenen historischen
Handschwengelpumpe aus dem Jahr 1984 zählt diese zu den Wahrzeichen des Gasthauses. Neben der thüringischen Küchentradition werden auch sächsische und fränkische Spezialitäten angeboten. Die wohl bekannteste Speise des Thüringer Hofes ist das „Luthergericht“. Dabei handelt es sich um gepökeltes Eisbein mit hausgemachtem Sauerkraut und Thüringer Klößen. Neben frisch gezapftem Pils und Schwarzbier sind auch Thüringer Edelobstbrände und Spezialitäten wie der Leipziger Allasch nicht aus der Getränkekarte wegzudenken. 

Das Herzstück des Thüringer Hofes, der Luthersaal, bietet Platz für 200 Gäste und präsentiert sich mit eindrucksvollem Kreuzgewölbe und Säulenverkleidung in dunklem Eichenholz, gemütlichen Nischen, schmiedeeisernen Lüstern und Wandbildern des Leipziger Malers Emil Block, die Städtemotive aus Luthers Zeiten zeigen. Diese Motive dienten auch als Vorlage für ehemalige Bleiglasfenster in der Lutherhalle. In diesem Raum spüren die Gäste noch immer den Zeitgeist, als berühmte Persönlichkeiten, Akademiker der Universität, Bischöfe und studentische Burschenschaften in dem Haus verkehrten. 

Der glasüberdachte Innenhof des Restaurants mit 40 Plätzen stellt mit seinen üppigen Grünpflanzungen einen neuzeitlichen Kontrast zum restlichen, historischen Ambiente des Thüringer Hofes dar und erinnert an eine Orangerie. Hierbei handelt es sich um einen beliebten Ort für einen Kaffeeklatsch mit frischem Blechkuchen, einem Stück Eistorte oder kleineren Veranstaltungen. 

Stand: 27.2.2024

Bildergalerie - Thüringer Hof

Historisches Bildmaterial - Thüringer Hof

error: Dieser Inhalt ist geschützt! Es ist nicht gestattet, diesen Inhalt zu kopieren. Vielen Dank für Ihr Verständnis.