Es ist die Schatzkiste und das Geschichtslabor Leipzigs: das Stadtgeschichtliche Museum. Dort können Besucher Geschichte und Geschichten erleben. Von altsteinzeitlichen Siedlungsspuren bis hin zur Gegenwart gibt es anhand originaler und herausragender Objekte viel zu entdecken. Kernstück ist dabei die „gute Stube“ Leipzigs, das Alte Rathaus mit dem historischen Festsaal. Im Mai 2022 wurde dieser nach behutsamen Eingriffen in die historische Bausubstanz sowie notwendiger Modernisierung – vor allem Verbesserungen in Brandschutz und Sicherheit – neu eröffnet.
Zum Museum gehören neben der Dauerschau im Alten Rathaus das Haus Böttchergäßchen, das für Sonderausstellungen genutzt wird. Capa-Haus, Völkerschlachtdenkmal mit dem Forum 1813, Schillerhaus, Sportmuseum, die Alte Börse sowie das Museum „Zum Arabischen Coffe Baum“ sind ebenfalls als thematische Sondereinrichtungen angegliedert.
Bach-Porträt ist wichtigstes Exponat
Seit Gründung des Museums im Jahre 1909 ist das Stammhaus das Alte Rathaus. Dort wird die Historie Leipzigs sehr kompakt dargestellt. Im ersten Obergeschoss sind rund um den Festsaal und die historische Ratsstube, in der Johann Sebastian Bach seinen Vertrag als Thomaskantor unterschrieb, viele wertvolle Originale zu sehen. Dazu gehört das Bach-Porträt von Elias Gottlob Haußmann, welches unsere Vorstellungen vom berühmtesten Thomaskantor aller Zeiten geprägt hat. Das Bild aus dem Jahre 1746 ist für das Museum wohl das wichtigste Exponat. Aufbewahrt wird der Trauring von Katharina von Bora, der Frau Martin Luthers. Der goldene Ring mit einem Rubin gehört zu den bekanntesten Devotionalien, die es von Luther und dessen Familie überhaupt noch gibt. Auch die Amtskette des Leipziger Oberbürgermeisters aus dem Jahre 1909 ist in einer extra Vitrine zu sehen. Zu besonderen Anlässen leiht der jeweilige Rathauschef sie aus, um sie zu tragen, zum Beispiel bei der Verleihung einer Ehrenbürgerschaft. Hingucker sind die Gemäldegalerien mit Fürsten- und Stadtrichterbildnissen sowie das 25 Quadratmeter große Stadtmodell, das Leipzig im Jahre 1823 detailliert darstellt. Es wurde 1823 vom Möbeltischler Johann Christoph Merzdorf im Maßstab 1:390 gefertigt.
Ausgehend vom Festsaal gelangt der Museumsbesucher in thematisch gegliederte Bereiche. Informiert wird von der frühen Besiedlung des im Kreuzungsbereich der Via Regia und Via Imperii – zweier wichtiger Fernwege – gelegenen Areals. Ansiedlungen von Kaufleuten und Handwerkern werden zur Keimzelle der späteren Stadt. Leipzig erhält zwischen 1156 und 1170 das Stadtrecht. Der Stadtbrief – ein undatiertes, handgroßes Stück Pergament – ist als Faksimile zu sehen, das Original wird im Stadtarchiv auf der Alten Messe aufbewahrt, ebenso wie die beiden von Kaiser Maximilian I. ausgestellten Messeprivilege. Informiert wird ausführlich über die Kirche und Gesellschaft im mittelalterlichen Leipzig.
Einige auf der Seite zum Naschmarkt befindliche Räume sind derzeit in Überarbeitung. Jene Räume sollen mit Unterstützung der Hieronymus-Lotter-Gesellschaft – des Freundeskreises des Museums – 2024 wieder zugänglich sein. Dort wird dann unter anderem eine ausführliche Darstellung der Entwicklung der Leipziger Messe sowie der Blütezeit Leipzigs im 18. Jahrhundert zu sehen sein. Die wertvollen Tapeten aus Krochs Hof kehren ebenfalls zurück.
Schatzkammer mit Geist der Vergangenheit
Wer Lust hat, kann in der Schatzkammer die Geheimnisse der einstigen Stadtoberen erkunden. Über 17 enge Stufen geht es in zwei kleine Räume, die förmlich den Geist der Vergangenheit atmen. Bürgermeister und Ratsherren haben dort jahrhundertelang Urkunden und Kostbarkeiten aufbewahrt. Über eine Klappe in der Ratsstube konnten sie, falls ungebetene Gäste kamen, wertvolle Dokumente unbeobachtet verschwinden lassen. Heute können Besucher dort Teile des Kramerschatzes, wie beispielsweise Pokale, Münzen, silberne und teilweise vergoldete Löffel sowie Dokumente, bewundern. Kramer sind Kleinhändler, die, im Gegensatz zu den Kaufleuten, bis Ende des 15. Jahrhunderts im in Buden und Gewölben, den so genannten Kramen, handelten.
Nach Voranmeldung für Gruppen und zu besonderen Anlässen geöffnet ist das Verlies, das vom Naschmarkt zugänglich ist. Der Schauraum im Keller mit zwei historischen Gefängniszellen sowie der Darstellung ausgewählter Kriminalfälle bietet einen Einblick ins Rechtsgeschehenen früherer Jahrhunderte. Zu sehen sind martialische Folterinstrumente wie Daumenschrauben und Fesseleisen, die von der Grausamkeit der Gerichtsbarkeit vergangener Jahrhunderte zeugen. Der Ausstellungsteil wird derzeit überarbeitet und soll 2025 neugestaltet sein.
„Moderne Zeiten“ mit unerzählten Geschichten
Im zweiten Obergeschoss geht es um die „Modernen Zeiten“. Dort können Besucher eintauchen in glückliche und tragische Zeiten, in denen sich Leipzig mit ungeheurer Dynamik zur Großstadt von europäischer Geltung entwickelt. Dabei reicht die Zeitspanne von der Industrialisierung bis zur Gegenwart.
Wer möchte, kann mit einem Tablet durch die Ausstellung laufen und dort – wie in einer Zeitmaschine – unerzählte Geschichte(n) finden. Etwa an der Statue des Arbeiterführers August Bebel, eine der zentralen Figuren der Sozialdemokratie. Doch wie hat eigentlich Unternehmerin Julie Bebel, seine Ehefrau, dies alles erlebt? Ein weiteres Beispiel ist Bruno Vogel, der Pazifist und Autor, der das bis dahin gültige Männlichkeitsideal in Frage stellte und mit „Es lebe der Krieg“ 1925 das erste deutsche Antikriegsbuch veröffentlichte. Die Besucher können nachvollziehen, wie er zur Ikone der deutschen Schwulenbewegung wurde.
Besonders spannend: Eine stilisierte Fliegerbombe an einer Tür, die mit „Bomben auf Leipzig“ beschriftet ist. Eine Gitterrost-Treppe führt auf den Dachboden. Oben leuchtet auf einer Leinwand das brennende Leipzig. Die englische Royal Air Force fliegt im Winter 1943 immer schwerere Angriffe auf deutsche Städte. In der Nacht auf den 4. Dezember trifft es Leipzig. In einer schlichten Installation wird versucht, ein pietätvolles Gedenken an das Grauen des Krieges zu schaffen.
Präsentation der Ereignisse nach 1990 wird hinterfragt
Informiert wird auch über das Leben in der DDR – etwa am Beispiel der Küche einer Neubauwohnung in Grünau. Eintauchen können die Besucher in die Zeit der Friedlichen Revolution im Herbst 1989. Im Bereich „Boomtown“ werden hier ausgewählte Umbrüche und Aufbrüche der folgenden Jahre vorgestellt: von den Volkskammerwahlen im März 1990, Straßenumbenennungen, Sanierungen der maroden Bausubstanz, bis zum Flughafenbau.
Die Präsentation der Ereignisse nach 1990 wird aber bereits aus der Gegenwartsperspektive hinterfragt. Gemeinsam mit dem Kunst- und Kulturverein Krudbude wird bei einer Intervention geschaut, welche und wessen Geschichten erzählt werden und was bisher keinen Platz erhält. „Das ist ein Vorgeschmack auf unsere große Sonderschau zu den 1990er Jahren in Leipzig“, kündigt Museumsdirektor Anselm Hartinger an. Nach der Neueröffnung des Museums „Zum Arabischen Coffe Baum“ im Herbst 2024 steht die Überarbeitung der „Modernen Zeiten“ an.
Sonderschau und Kindermuseum im Haus Böttchergäßchen
Der vom Leipziger Büro der Prof. Coersmeier GmbH entworfene Neubau fürs Museum, mittlerweile als Haus Böttchergäßchen bekannt, entstand in den Jahren 2002 bis 2004. Der Viergeschosser mit einem Staffelgeschoss beherbergt Sonderausstellungen, das Kindermuseum, die Bibliothek samt Lesesaal und Fotothek, Werkstätten, Depot sowie die Verwaltung. „Kinder machen Messe“ heißt die besonders auf den Nachwuchs zugeschnittene Erlebnisausstellung zur Geschichte der Leipziger Messe. Dort können die Kinder beispielsweise exotische Waren riechen, fühlen und wiegen oder farbenfrohe Kostüme anprobieren.
Stand: 05.01.2024