Das 1717 im Stil eines typischen Bauernhauses erbaute Schillerhaus diente von Mai bis September 1785 als Quartier für Friedrich Schiller. Dabei handelt es sich um die älteste Literaturgedenkstätte Deutschlands. Das Schillerhaus ist das einzige erhaltene Bauernhaus im Leipziger Stadtgebiet aus dem frühen 18. Jahrhundert. Es ist ein Bestandteil des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig.
Der Lockruf aus Leipzig
Die Geschichte des Schillerhauses im Stadtteil Gohlis reicht bis ins frühe 18. Jahrhundert zurück. Das Gebäude wurde 1717 als Wohnstallhaus auf einem typischen kleinbäuerlichen Anwesen als Dreiseitenhof nach mitteldeutschem Vorbild im Dorf Gohlis erbaut. Ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden Teile des Hauses als Sommerquartier vermietet. Zu seinen berühmten Gästen zählte kein Geringerer als Friedrich Schiller. Die Ankunft des damals 25-jährigen Dichters in Leipzig am 17. April 1785 markierte einen tiefen Einschnitt in seiner persönlichen und künstlerischen Entwicklung. Hinter Schiller lagen gescheiterte Projekte und unglückliche Verbindungen, darunter die unbefriedigende Arbeit als Regimentsmedicus im Dienste Karl Eugens von Württemberg und eine desillusionierende Tätigkeit als Theaterdichter in Mannheim. Persönliche Sorgen und Zerwürfnisse mit Schauspielern verschlimmerten neben seiner längeren Krankheit und seinen Schulden die Lage. Die Einladung seines Leipziger Freundeskreises rund um den Juristen Christian Gottfried Körner stellte für Schiller eine unverhoffte Möglichkeit dar, sein Leben neu zu ordnen und eine gesicherte Existenz als Dichter aufzubauen. Zudem beteuerte Körner, dass Schiller im weltoffenen Leipzig bewundert werden würde. Aber erst eine Geldsendung von Körner ermöglichte Schiller schließlich die Reise nach Leipzig. Da sich Körner bei Schillers Ankunft aus beruflichen Gründen in Dresden aufhielt, lernten sich beide erst am 1. Juli 1785 auf dem Rittergut Kahnsdorf bei Borna persönlich kennen, welches dem Theologen und Philologen Johann Christian Gottlieb Ernesti, einem Verwandten Körners, gehörte.
Schillers schaffensfrohe Sommermonate in Gohliser Landidylle
In Leipzig verweilte Schiller zunächst im – für seine Verhältnisse – teuren Gasthof Blauer Engel in der Petersstraße 20 und am Folgetag im Gasthaus Kleines Joachimsthal in der Hainstraße 5. Der Verlagsbuchhändler Georg Joachim Göschen, der ebenfalls zu Körnersengem Freundeskreis zählte, vermittelte Schiller Anfang Mai 1785 ein Zimmer im Haus des Bauern Christoph Schneider im Dorf Gohlis nordwestlich von Leipzig. Im Sommer 1785 lebte Göschen selbst in der Stube im Erdgeschoss des Bauernhauses.
Dem jungen Schiller und seiner Sehnsucht nach ländlicher Idylle kam die Wohnstätte sehr gelegen. Dank seiner Lage fernab der rauchenden Kamine und übelriechendenWassergräben des Stadtzentrums war Gohlis die Sommerfrische der Stadtbewohner. In einem Brief nach Mannheim am 24. April 1785 schrieb Schiller: „Ich werde auch einige Monate in dem Orte Goliz zubringen, der nur eine Viertelmeile von Leipzig entlegen ist, und wohin ein sehr angenehmer Spaziergang durch das Rosental führt. Hier bin ich willens, sehr fleißig zu seyn, an dem Karlos und der Thalia zu arbeiten…“. Schillers Aufenthalt in Leipzig markierte eine der unbeschwertesten Zeiten seines Lebens, welche sich auch in seinen künstlerischen Werken widerspiegelte. So verfasste er hier seine Werke „Don Carlos“ und seine weltberühmte Ode „An die Freude“, die von Ludwig van Beethoven vertont wurde. Nach seiner Abreise am 11. September 1785 verweilte Schiller noch bis Juli 1787 als Körners Gast in Dresden und kehrte in den Folgejahren mehrmals nach Leipzig zurück.
Vom unscheinbaren Bauernhaus zur ältesten Literaturgedenkstätte Deutschlands
Erst im Jahr 1841 wurde das einstige Bauernhaus in Gohlis als jenes identifiziert, in dem Schiller im Sommer 1785 gewohnt hatte und die Anbringung einer Gedenktafel an einer vor dem Grundstück errichteten steinernen Ehrenpforte veranlasst. Diese wurde am 11. November 1841 enthüllt. Dass die Erinnerungen an das unscheinbare Gohliser Bauernhaus erhalten blieben, ist dem Wirken des Leipziger Schillervereins zu verdanken. Dieser wurde am 24. Oktober 1842 unter der Leitung des Schriftstellers Robert Blum gegründet, der anlässlich Schillers Geburtstags bereits 1840 eine öffentliche Feier ausrichtete. 1848 wurdenim Innern eine Gedenkausstellung eingerichtet sowie jährliche Schillerfeste durchgeführt. Das Schillerhaus wurde zur ersten Literaturgedenkstätte Deutschlands. Der Schillerverein verhinderte 1856 den vorgesehenen Abbruch des Hauses und erwarb dieses 1856 käuflich. Damit bewahrte er neben der Gedenkstätte auch ein eindrucksvolles Denkmal mitteldeutscher ländlicher Architektur.
1857 bis 1858 gab es erste bauliche Veränderungen des Dreiseitenhofes. Die Scheune und die Toranlage wurden abgebrochen und umfassende Sanierungsarbeiten im Gebäudeinnern vorgenommen. Im Laufe der Jahrhunderte litt die historische Bausubstanz erheblich. 1995 musste das Schillerhaus schließlich wegen Einsturzgefahr geschlossen werden. Dank zahlreicher Fördermittel und Spendengelder erfolgte 1997 eine denkmalgerechte Sanierung. So konnte das Schillerhaus am 28. Oktober 1998 als Außenstelle des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig mit einer neuen Ausstellung wieder eröffnen. Im Jahr 2002 wurde der Bauerngarten nach historischem Vorbild rekonstruiert.
Göschenzimmer, Bauernstube und Schillerstube im frühklassizistischen Zeitgeist
Das Schillerhaus beherbergt heute eine neu gestaltete Dauerausstellung, welche mehr als 100 Exponate umfasst und Schillers Leben und Wirken in den historischen Gemäuern lebendig werden lässt. Das Schillerhaus als Hauptbau und gleichzeitig Wohnteil des einstigen Dreiseitenhofes beherbergte im Erdgeschoss eine größere und kleinere Stube und die Küche. Bei der kleineren Stube rechts vom Eingang, dem „Göschenzimmer“, handelte es sich einst um einen Stall, der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zum Sommerquartier umgebaut wurde. In dem Raum befindet sich auch ein detailreiches Modell vom Dorf Gohlis im 18. Jahrhundert. Der alte Siedlungskern des einstigen Gassendorfes hat sich bis heute zum Teil erhalten. Die benachbarte Küche wurde 1717 ursprünglich als Flurküche eingerichtet, deren originaler Rauchhut noch heute gut erkennbar ist. Die Trennwand zum Flur entstand 1857, die frühklassizistische rötliche Wandfarbe entspricht dem historischen Vorbild. Die „Bauernstube“ links neben der Küche gibt Auskunft über Schillers Freundes- und Bekanntenkreis rund um Christian Gottfried Körner.
Über eine schmale Treppe gelangt man ins Obergeschoss mit der „Schillerstube“ und zwei Schlafkammern. In der linken Schlafkammer wurde die frühklassizistische Ausmalung aus Schillers Zeit nach historischen Befunden rekonstruiert, während die rechte Schlafkammer monochrom grau ausgemalt war. Die Räume geben Einblicke in das Wirken des Schillervereins zu Leipzig. Gegenüber befindet sich die „Schillerstube“ mitsamt der benachbarten kleinen Schlafkammer, welche erst Mitte des 18. Jahrhunderts entstand. In diesen zwei Räumen logierte Schiller 1785. Zu Schillers Zeiten waren die Zimmerwände und Kammern entsprechend dem Frühklassizismus gegliedert und farbig gestaltet. Die weißgekalkten Wandflächen stellten einen wirkungsvollen Kontrast zu den mit roten Holzlasuren gefassten Decken und Türen dar. Rechts neben der Tür zur Schillerstube befindet sich eine Büste Friedrich Schillers. Der Gipsabguss wurde vom Bildhauer Johann Heinrich Dannecker, einem Freund des Dichters aus der gemeinsamen Schulzeit, während Schillers Aufenthalt in Stuttgart 1794 modelliert. Ein Highlight in der Schillerstube ist die in einer Vitrine ausgestellte originale Weste Schillers um 1800. Diese gelangte als Geschenk von Schillers ältestem Sohn Karl in den Besitz des Schillervereins nach Leipzig und wurde 1841 erstmals der Öffentlichkeit präsentiert.
Das Schillerhaus empfängt Besucher zu Konzerten, Lesungen, Theateraufführungen und zahlreichen anderen Kulturveranstaltungen. Im Bauerngarten finden Sommertheater-Aufführungen statt.