Alte Nikolaischule

Nikolaikirchhof 2 Ortsteil: Zentrum

Die Alte Nikolaikirche wurde 1512 unter dem Namen „Schola Nikolaitana“ als erste Bürgerschule Leipzigs eröffnet und gilt als bedeutendes Kulturdenkmal. Sie beherbergt heute neben dem gleichnamigen Gasthaus eine dem berühmten Nikolaitaner Richard Wagner gewidmete Dauerausstellung, das Antikenmuseum der Universität Leipzig sowie eine Veranstaltungsetage mit der historischen Richard-Wagner-Aula.

Die erste Bürgerschule der Stadt entsteht


Die Geschichte der Alten Nikolaischule reicht bis in das 14. Jahrhundert zurück. Zu dieser Zeit entwickelte sich Leipzig als Schnittpunkt der West-Ost-Handelsverbindung und mit drei Messen im Jahr zu einem der wichtigsten Warenumschlagplätze Europas. Gleichzeitig stieg auch der Bildungsanspruch in der Stadt. Das Leipziger Patriziat forderte deshalb den Bau einer Schule ähnlich der Thomasschule, jedoch ohne das zeitaufwendige Singen in Gottesdiensten. Angestrebt wurde eine Lateinschule, welche ihre Schüler nicht auf die Handelstätigkeit, sondern auf ein Studium vorbereiten sollte. Ziel war es, eine eigeneBildungs- und Verwaltungsschicht aufzubauen. 1395 genehmigte Papst Bonifatius IX. der Stadt die Errichtung einer eigenen Schule innerhalb der Kirchgemeindegrenzen von St. Nikolai. Die Realisierung der Pläne stieß allerdings auf heftigen Widerstand seitens der Augustiner-Chorherren des Thomasstiftes, welche das Bildungsmonopol der 1212 gegründeten Thomasschule bewahren wollten. Das päpstliche Privileg von 1395 konnte schließlich erst mehr als hundert Jahre später im Jahr 1510 nach zahlreichen Ratsbeschlüssen zur Errichtung der Stadtschule verwirklicht werden. Der Thomasstift überließ dem Rat widerwillig das baufällige Gebäude der Küsterei auf dem Nikolaikirchhof. Dieses wurde unmittelbar abgebrochen, lediglich der Keller mit dem Tonnengewölbe blieb bestehen. Darauf entstand ein zweistöckiger, unmittelbar an seine Nachbarhäuser anschließender Neubau in Traufstellung zum Kirchhof und zur Nikolaikirche. Das Gebäude wurde im Herbst 1512 einschließlich der Ausstattung seiner Schulstuben fertiggestellt. Die„Schola Nikolaitana“ nahm als erste Bürgerschule der Stadt unter ihrem Schulmeister, dem Magister Johannes Rumpfer, ihren Betrieb auf. Der Unterricht erfolgte in vier Klassenstufen. Zu den Fächern zählten Latein, Singen und Schreiben. Im Gegensatz zur Thomasschule musste für den Besuch der Nikolaischule ein Schulgeld entrichtet werden.

Unter den engagierten und humanistischen Rektoren Johannes Musler und Dr. Wolfgang Meurer erlebte die Nikolaischule ihre erste Blütezeit und die Zahl der Schüler stieg deutlich an. Die unteren der nunmehr sechszügigen Klassen entsprachen einer Grundschule, während die oberen auf das universitäre Studium vorbereitet wurden. Das Bildungsideal zu dieser Zeit sah eine „geistig freie, selbstständig denkende Persönlichkeit“ vor, weshalb das breit gefächerte Unterrichtsprogramm auch Fächer wie Griechisch, Rhetorik und die Aufführung klassischer Tragödien beinhaltete. Im Jahr 1547 wurden die nunmehr 150Schüler von fünf Lehrern unterrichtet.

Die Schola Nikolaitana und ihre berühmten Schüler


Auf die erste Aufbauetappe des Leipziger Bildungswesens folgte eine durch die Einführung der Reformation und die daraus resultierende Umgestaltung der Schule hervorgerufene Stagnation. Die Belastungen durch den Schmalkaldischen Krieg und ein verheerender Brand des Schulgebäudes 1551 schienen den Untergang der Nikolaischule zu besiegeln. Schließlich entstand 1553 ein steinerner Neubau, der von den Leipziger Baumeistern Jacob Griebe und Leonhard Oelfaß von 1596 bis 1597 umgesetzt wurde. Die zwei beengten Schulhäuser wurden zu einem Baukörper vereinigt und in Form eines dreistöckigen Schulhauses der Renaissance zum Kirchhof ausgerichtet.

In der Geschichte der Schule ragten insbesondere vier Nikolaischüler besonders heraus: Gottfried Wilhelm Leibnitz, Universalgenie und bedeutender Philosoph, und Christian Thomasius, der später in der Epoche der Aufklärung berühmt gewordene Staats- und Rechtsgelehrte. Leibnitz war von 1658 bis 1661 Schüler an der Nikolaischule, Thomasius von 1665 bis 1770. Auch der namhafte Dichter und Schriftsteller Johann Gottfried Seumesowie der berühmte Komponist und Dirigent Richard Wagner besuchten 1779/80 bzw. 1828 bis 1830 die Nikolaischule. Daran erinnert noch heute eine Tafel an der Gebäudefassade. 

Mit der industriellen Revolution und dem damit einhergehenden wachsenden Bildungsanspruch kam es zu einem erneuten sprunghaften Anstieg der Schülerzahl. Das zu eng gewordene Schulgebäude wurde nach Plänen des Rektors Albert Forbiger 1826/27 erweitert. Dabei wurde das Eckhaus mit Giebelstellung zum Nikolaikirchhof einbezogen. Im neuen Westflügel wurde das Schulhaus in der zweiten Etage um eine Aula und einen Festsaal bereichert und erhielt insgesamt sieben Auditorien. Da die Schülerzahl inzwischen auf 372 angewachsen war, verlagerte man das Nikolaigymnasium 1872 in einen Neubau in der Königstraße, der heutigen Goldschmidtstraße. Dieser wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Nach dem Auszug des alten Gymnasiums wurde das Gebäude multikommunal genutzt. Die Universität Leipzig wurde 1953 neuer Rechtsträger und neben der Bau- und Handelshochschule Leipzig Nutzer der Alten Nikolaischule. Aufgrund seiner Baufälligkeit wurde das Gebäude 1976 durch die Bauaufsicht gesperrt. Aufgrund von fehlenden Mitteln zur Sanierung erfolgten zehn Jahre später der Abriss des Hofgebäudes und desTreppenhauses. Am 10. Oktober 1990 wurde die Alte Nikolaischule durch einen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung an die Kulturstiftung Leipzig übertragen und zwischen 1991 und 1994 umfassend saniert. 

Gasthaus, Dauerausstellung und Konzerte in authentischem Ambiente 


Ihr heutiges Erscheinungsbild erhielt die Alte Nikolaischule im Zuge zahlreicher Umbautenum 1900. Aus dieser Zeit zeugt noch die von Hugo Licht zwischen 1900 und 1906 für die Königliche Garnisonswache erbaute dekorative dreibogige Arkade. Bei der Sanierung in den1990er Jahren setzten die Architekten bewusst auf einen Kontrast zwischen neu Gebautem und historischer Bausubstanz. Der schlicht gehaltene Putzbau mit den Tür- und Fenstergewänden aus Rochlitzer Porphyrtuff sowie dem Konsolgesims unterhalb der Traufe bewahrten sich bis heute ihr Erscheinungsbild aus dem späten 16. Jahrhundert. Auch die bemalte Holzdecke im Eingangsbereich sowie das sich über der Tür befindliche Stadtwappen stammen aus dieser Epoche. Im Gebäudeinneren führt eine moderne Treppe aus Glas und Stahl zu den Etagen. Im Untergeschoss beherbergt die Alte Nikolaischule dieim Mai 2013 anlässlich des 200. Geburtstages von Richard Wagner eröffnete Dauerausstellung „Der junge Richard Wagner 1813 bis 1834“. Diese widmet sich als erste Ausstellung überhaupt ausschließlich der Persönlichkeit des jungen Genies. Im Fokus stehen dabei sein Umfeld, seine Jugend, sein musikalischer Werdegang und sein Frühwerk. Im Erdgeschoss befindet sich das Gasthaus „Alte Nikolaischule“. Der zentrale Gastraum, heute der historische Leibnitzsaal, befindet sich im Auditorium aus dem 16. Jahrhundert. In dem restaurierten Saal kann man an den Wänden Fragmente der wiederentdeckten lateinischen Inschriften bewundern. Das 1. Obergeschoss beherbergt das Antikenmuseum der Universität Leipzig. Dabei handelt es sich um eine der ältesten und bedeutsamsten Sammlungen römischer und griechischer Altertümer an Universitäten in ganz Deutschland. Sie zeigt rund 10.000 originale Gegenstände. Im 2. Obergeschoss befindet sich die historische Richard-Wagner-Aula im Stil des Klassizismus. Dabei handelt es sich um den einzigen authentischen Ort in Leipzig, der unmittelbar mit dem Wirken Richard Wagners verknüpft ist. Zur Ausstattung gehört neben einem modernen Blüthner-Flügel ein historisches Broadwood-Klavier aus dem Jahr 1835. Mit ihren 100 Plätzen wird die Aula für Veranstaltungen unterschiedlicher Art, darunter Theaterprojekte, Lesungen und Konzerte, genutzt. Im Foyer vor der Aula finden wechselnde Ausstellungen statt. 

Bildergalerie - Alte Nikolaischule

Historisches Bildmaterial - Alte Nikolaischule

Picture of Sophie Weinhold
Sophie Weinhold
Die gebürtige Leipzigerin studierte in Passau und Marseille Internationales Management und besitzt ein Faible für Fremdsprachen. Neben Englisch und Französisch spricht sie fließend spanisch und italienisch. Bereits als Zwölfjährige führte sie internationale Austauschschüler durch die Stadt und begeisterte sie für Leipzigs Geschichte und Sehenswürdigkeiten. Die Liebe zu Leipzig bestimmt nach wie vor ihre Freizeitgestaltung. Ob Museumsbesuche, Konzerte oder Fahrradtouren in die Umgebung – die kreative Lokalpatriotin findet immer ausreichend Anregungen, um darüber zu schreiben.
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