Die Kulisse ist in der Region einmalig: Mitwirkende und Zuschauer befinden sich direkt am Wasser vom Schladitzer See. Auf der Kulturspielstätte am Biedermeierstrand wird in der wärmeren Jahreszeit viel geboten. Ein Dach über Bühne und Zuschauerraum bietet Schutz vor Regenwetter. Hausherr ist der Haynaer Strandverein, der den Biedermeierstrand am Südufer bewirtschaftet und entwickelt hat. Er möchte die Biedermeierzeit (1815–1848) einem interessierten Publikum nahebringen. Neben der beliebten Veranstaltungsstätte für mittlerweile 1.000 Gäste wird der Sandstrand immer beliebter. Das Areal nördlich von Leipzig hat sich zu einem gefragten Ausflugsziel entwickelt.
Der etwa 2,5 Quadratkilometer große Schladitzer See entsteht aus dem Großtagebau Breitenfeld. 1998 beginnt seine offizielle Flutung, die 2014 abgeschlossen wird. Doch Badende nehmen den Schladitzer See viel früher in Besitz. Deshalb wird der See bereits 2003 als Badesee freigegeben. Um den See herum gibt es einen neun Kilometer langen, gut ausgebauten Rundweg, den Wanderer, Inliner oder Radfahrer gern nutzen. Baden können Interessierte an der Schladitzer Bucht, am Wolteritzer Strand sowie am Biedermannstrand.
Der Haynaer Strandverein beginnt seine Aktivitäten am Biedermeierstrand im Jahr 2007. Damals wird eine Bühne aufgestellt, auf der das Leipziger Sinfonieorchester ein Konzert veranstaltet. „Das kam sehr gut an, so dass in den Jahren darauf immer mehr Veranstaltungen folgen“, erzählt Vereinschef Christoph Zwiener bei einer Pressereise der Leipzig Tourismus und Marketing GmbH. Mittlerweile werden um die 40 Veranstaltungen pro Saison von Mai bis September angeboten. Von Tanz- und Theateraufführungen, über Orchester- und Bandkonzerte verschiedener Genres bis hin zu Kabarett und Zaubershows ist vieles dabei.
Biedermeierzeit mit Seebaden und Kultur
2011 verkauft die Stadt Schkeuditz das zunächst unerschlossene Gelände an den Haynaer Strandverein. Mit Ökotoiletten, Trinkwasser in Tanks sowie Strom aus dem Aggregat behilft sich der Verein zunächst, bevor die notwendigen Leitungen gelegt werden können. 2014 regnet es bei einer Aufführung in Strömen. Das hat zur Folge, dass der Verein Fördermittel beantragen kann, um ein kleines Dach zu bauen, das später vergrößert wird. Stadt Schkeuditz und Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (LMBV) geben ebenfalls mehrere Millionen aus, um einen Parkplatz zu bauen sowie das Gelände zu modellieren. Fertig wird das 2018.
Ursprünglich gibt es Ideen, hier Heavy Metal Konzerte zu veranstalten. Doch das will der Haynaer Strandverein mit seinen mittlerweile 40 Mitgliedern nicht, der seine Aktivitäten bewusst im 19. Jahrhundert und in der Biedermeierzeit ansiedelt. „Ende des 18. Jahrhundert wird in England das Seebaden als Kur wiederentdeckt, das seit dem Mittelalter ein wenig als unhygienisch verpönt war “, erzählt Iris Zwiener vom Vorstand des Vereins. Auch an Nord- und Ostsee entstehen Anfang des 19. Jahrhundert die ersten Seebäder. Die Badekultur lebt auf. Nach dem Wiener Kongress entsteht eine Zeit der Restauration, bei der erkämpfte Freiheiten zurückgenommen werden. Die Bevölkerung zieht sich ins Private zurück, widmet sich verstärkt Kunst und Kultur. Jene Verbindung der Badekultur mit Kunst und Kultur greift der Verein auf, dessen Mitglieder sich regelmäßig in historischen Kostümen präsentieren.
Der Haynaer Strandverein bietet seinen Gästen an, hinter die Kulissen zu schauen und will mit gängigen Klischees aufräumen. Deshalb lässt er die Zeit des Biedermeiers auch neben der Bühne aufleben. Kleine Häuser, die für die Aufführungen einst als Garderoben und Kulisse dienen, sind auf der Wiese neben der Bühne als Museumsdorf umgestellt. Dort wird künftig in Mini-Ausstellungen über Themen des Biedermeier, wie die Mode, informiert. Auch einen Badewagen, in dem die Betuchten nach dem Umkleiden ins Wasser gefahren wurden, gibt es. Badehäuschen dienen den Gästen zudem als Umkleidekabine. In Nähe der Eismanufaktur sind außerdem Modellhäuser aus Lössen sowie Infotafeln aufgebaut.
Bei einem Schulprojekt bietet der Strandverein sogar einen Escape-Room an, bei dem man spielerisch aus der Biedermeierzeit ausbrechen muss.
Von Oliver Twist zum Mittelpunkt der Erde
Sechs Jahre lang wird auf der See-Bühne vom Musik- und Theaterförderverein Priester das Musical „Oliver Twist“ aufgeführt, es wird ein großer Erfolg. Sogar eine nachgebaute englische Handelskogge ist integriert und fährt bei der Vorstellung mit Gewehrfeuer und Explosionen auf den See. Laut Projektmanager Zwiener sind die Veranstaltungen meist ausverkauft. Die Aufführungen mit Blick auf den See sprechen sich herum, Zuschauer reisen mit Bussen von weit her an. Und für den Strandverein steht damit fest: Es braucht mehr Kapazitäten. Die Bühne wird ausgebaut, die Zahl der Sitzplätze von 270 auf nahezu 1.000 erweitert. Die Technik bleibt in den Sommermonaten hängen, wird von einer Sicherheitsfirma überwacht.
Mittlerweile zieht der Musik- und Theaterförderverein Priester das Publikum mit dem Stück „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ nach der Romanvorlage von Jules Verne in seinen Bann. Selbst das Ensemble der Musikalischen Komödie aus Leipzig ist 2024 zu Gast. Die Kooperation soll ausgebaut werden.
Am Areal gibt es ebenfalls leckeres Eis von der Eismanufaktur, vor der sich bei schönem Sommerwetter oft lange Schlangen bilden. Erreichbar ist der Biedermeierstrand mit Auto und Fahrrad, von Rackwitz aus fährt ein Bus. Doch die Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr bleibt besonders abends noch ein Problem.
Stand: 06.08.2025