Es ist ein Ort der Entschleunigung: das Aquarium im Zoo Leipzig. Die Attraktion ist dort ein drei Meter tiefes Süßwasserbecken. Die elf Meter lange Panoramascheibe wölbt sich sogar ein wenig über den Köpfen der Zoo-Besucher. Sie können Kammbuntbarsch, Spatelwels und Co. beim Schwimmen zuschauen. Jenes Panoramabecken fasst 120.000 Liter und bildet seit der Wiedereröffnung am 11. Februar 2022 einen überfluteten südamerikanischen Tropenwald ab.
Aquarium ist komplett modernisiert
Das Jugendstilgebäude, erbaut im Jahr 1910, zählt zu den ältesten Attraktionen im Zoo und gilt nach der Einrichtung in Frankfurt/Main als das zweitälteste Aquarium in Deutschland. Gründer ist Johannes Gebbing. Dessen Sohn enthüllte anlässlich des 100jährigen Bestehens des Aquariums im Jahr 2010 feierlich eine bronzene Gedenktafel seines Vaters, der von 1909 bis 1935 auch Zoo-Direktor war. Das Relief erhielt im Eingangsbereich des Aquariums einen Ehrenplatz.
1992 öffnete ein Neubauflügel mit dem sehenswerten Ringaquarium. Vom gesamten Gebäude sind jedoch nur noch die Grundform sowie die Fassade übrig. Ansonsten hat der Zoo es komplett modernisiert. Weil die Technik veraltet sowie die Wände durch das Salzwasser stark geschädigt waren, wird es abgerissen. Die Modernisierung ist auch eine logistische Meisterleistung – in der Bauzeit zwischen 2019 und 2022 müssen fast 3.000 Tiere vorübergehend umquartiert und später wieder eingewöhnt werden. Einige Arten, etwa die Schwarzspitzenriffhaie aus dem Ringbecken, werden an andere Zoos abgegeben. Mit der Modernisierung hat sich das inhaltliche Konzept des Aquariums geändert. Gezeigt werden tropische und subtropische Meer- und Süßwasserlebensräume und deren Bewohner. Zugleich richtet der Zoo seinen Fokus auf die gezielte Erhaltungszucht hochbedrohter Fischarten.
Das Aquarium ist ein zweistöckiger Rundbau. Die Gäste werden bereits auf dem Vorplatz von einer Koi-Teichlandschaft erwartet. Ab und an tauchen dort Kois in einem 2,30 Meter hohen Zylinder nach oben. Wer das Gebäude betritt, kann als erstes Salzwasserbewohner sehen. Informiert wird über Korallenriffe, die neben den Regenwäldern zu den artenreichsten Ökosystemen der Welt gehören. Sie sind sehr empfindlich gegenüber Umwelteinflüssen. Die Wassererwärmung – als Folge des Klimawandels – ist für sie sehr gefährlich. Auch einen Quallen-Kreisel gibt es.
Ein Tropenwald-Aquarium als Hingucker
Später geht es dann in die Süßwasserbereiche mit dem überfluteten südamerikanischen Tropenwald als Hingucker. In der Regenzeit von Dezember bis Mai können Flüsse bis 15 Meter über die Ufer treten. Das begünstigt eine enorme Artenvielfalt – so gibt es am Amazonas mehr als 2.000 Fischarten. Die sind durch die Zerstörung des Regenwaldes bedroht. Vorgestellt werden beispielsweise Knochenzüngler, Süßwasser-Stechrochen, Kamm-Buntbarsche, verschiedene Salmler und Welse.
Besonders bei Kindern beliebt ist eine Mitmach-Station: Doch auch Erwachsene können im Nemo-Becken ihren Kopf in eine gläserne Kuppel stecken. Und es stellt sich das Gefühl ein, sich mitten unter den Fischen zu befinden. Keine Frage, dass das Nemo-Becken zum beliebten Fotomotiv geworden ist. An einer anderen Station können sich Interessierte bis in 6.000 Meter Tiefe kurbeln und Bilder und Filmaufnahmen über die Lebewesen in diesen Meeresschichten betrachten. Gewarnt wird zudem, wie sich Müll auf das Leben der Meeresbewohner auswirkt. Jedes Jahr gelangen Millionen Tonnen von Müll ins Meer, ein Großteil davon auf den Meeresboden. Bis dieser Müll sich zersetzt, können Jahrhunderte vergehen. Mikroplastik und chemische Stoffe, die ins Wasser gelangen, haben oft verheerende Folgen für die dort lebenden Arten.
Ein Ringbecken mit Hammerhaien
Ein Treppenaufgang führt zu einem 360-Grad-Ringbecken, in dem beispielsweise Schaufelnasen-Hammerhaie sowie verschiedene Kuhnasenrochen schwimmen. Die Tiere können in diesem indopazifischen Ringaquarium unaufhörlich schwimmen, wie es ihrer Lebensweise auf offener See entspricht. Dadurch gibt es laut Zoo gute Voraussetzungen zur Haltung von Haien. Kleine Arten wie Kugelfische oder Doktorfische hingegen finden im Kalksteinriff Verstecke, in die die Haie nicht eindringen können. Das Ringaquarium hat einen Wasserinhalt von 120.000 Liter, hinzu kommen weitere 100.000 Liter in einem Unterbecken, in denen sich auch die Filteranlagen befinden.
Die 20 Scheiben des Ringaquariums sind sechs Zentimeter stark. Das Salzwasser wird in großen unterirdischen Tanks hinter dem Aquarium hergestellt. Die Filteranlage wälzt das Wasser einmal in der Stunde komplett um. Dadurch wird eine gute Wasserqualität für die etwa 20 Arten sichergestellt. Das Ringbecken ist speziell für Fische konzipiert, welche viel und ausdauernd schwimmen. Die kleinwüchsig bleibenden Hammerhaie müssen sich viel bewegen, um über ihre Kiemen genügend Sauerstoff aufnehmen zu können. Die Haie, Rochen und Moränen beispielsweise werden täglich mit Seewasserfischen wie Heringen, Kalmaren oder großen Garnelen gefüttert.
„Das neu sanierte Aquarium im Zoo gibt den Menschen immerhin eine Idee davon, welche Vielfalt des Lebens sich unter der Wasseroberfläche findet“, sagte Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung im Februar 2022 bei der Wiedereröffnung. Mit der Zucht bedrohter Fischarten leistet der Leipziger Zoo einen wichtigen Beitrag zum Artenschutz. Durch Verschmutzungen, Trockenlegungen von Flüssen oder Staudämmen geraten zahlreiche Fische in Not. Viele, die im Zoo gehalten und gezüchtet werden, stehen auf der Roten Liste bedrohter Arten der Weltnaturschutzunion, die an den Becken jeweils gekennzeichnet sind. Dem Aquarium schließt sich das Terrarium an – das wird bis 2025 vollständig saniert.
Stand: 23.10.2024