Sein Leben findet sich in seinen Büchern. Henner Kotte schreibt Leipzig-Krimis, die bis ins Detail viel Lokalkolorit seiner Stadt versprühen. Krimi- und Stadtgeschichte(n) hält er in seinen Büchern fest. Oft führt er Menschen durchs Zentrum, um ihnen als Stadtführer berühmte Kriminalfälle zu erzählen. Er schreibt aber auch Sachbücher, wie zur Geschichte des Hotels Astoria, und geht populären sächsischen Legenden nach. Die Gose hat es ihm ebenfalls angetan. Zum 200. Geburtstag der Ritterguts Gose ist er Herausgeber einer reich bebilderten Festschrift, die diesem erstmals 1824 gebrauten Getränk gewidmet ist. Oft ist er im Stadtarchiv Leipzig anzutreffen. Denn seine Werke sind gut recherchiert. Doch auch aus dem prallen Leben schöpft er seine Inspiration.
Ein ehemaliger Leichtathlet wird zum Germanisten
Geboren wird Henner Kotte am 17. August 1963 in Wolgast. Das ist eher Zufall, denn seine Eltern, ein Dresdner Ärztepaar, sind gerade zum Praktikum in der Stadt an der Ostsee. Wenig später geht es zurück an die Elbe, wo er aufwächst und zur Schule geht. Von der 8. Klasse an besucht er eine Kinder- und Jugend-Sportschule und trainiert als Leichtathlet. 1978 kann er mit seinem Team sogar den Vize-DDR-Meistertitel in der 4×100-Meter-Staffel erreichen. Abitur macht er auf der Dresdener Kreuzschule. Dort ist er zwar nicht in der Sängerklasse des berühmten Knabenchores, aber sehr kreativ. Etwa bei Theateraufführungen.
Nach der Schule folgt der Grundwehrdienst bei der Nationalen Volksarmee an der Grenze in Berlin. 1984 kommt Henner Kotte nach Leipzig, um an der Karl-Marx-Universität (heute Universität Leipzig) Germanistik zu studieren. 1987/88 verschlägt es ihn für ein Semester an die Moskauer Lomonossow-Universität. Das Land ist gerade im Umbruch, in der Perestroika. Seine Diplomarbeit schreibt er über die assoziative Einschätzung von Vornamen. Es folgt ein Forschungsstudium Anfang der 1990-er Jahre in Mannheim. Dort lebt er ein wenig abseits, entdeckt seine Leidenschaft fürs Schreiben.
Gut recherchierte Kriminalfälle sind sein Elixier
Seit 1994 lebt Kotte dann wieder in Leipzig. Nach der Rückkehr ist er zunächst arbeitslos. Später unterrichtet er Deutsch als Fremdsprache. Eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme verschlägt ihn zum Literaturrat Sachsen sowie dem Förderkreis Freie Literatur. Für seine Kurzgeschichte „Taxi“ erringt Kotte 1997 den MDR-Literaturpreis.
Sein erstes Buch veröffentlicht er im Jahr 2000. Es heißt „Natürlich tot!“. Eine eigene kriminalliterarische Talkshow die „Schwarze Serie“ startet Kotte in der Moritzbastei. 2002 arbeitet Henner Kotte für den MDR. Es entsteht die Fernsehserie „Vergessene Akten“. Dort ist er in seinem Element, kann Kriminalfälle recherchieren.
Wie kaum ein anderer erforscht er die abgründigen Geschichten seiner Stadt Leipzig. Die erzählt er in seinen Büchern ebenso wie bei Stadtführungen. Dabei redet er von unbekannten und berühmten Menschen ebenso wie von jenen, die wie Woyzeck erst durch ihre Taten Berühmtheit erlangen und in die Literatur eingehen. Mit zahlreichen Krimis und Bänden mit authentischen Fällen wie „Leipzig mit blutiger Hand“ oder „Bonny und Clyde vom Sachsenplatz“ findet er sein Publikum. Dem Verbrechen auf der Spur ist er mit Kindern bei der KinderKrimiTour. „Auch die „Tatort“-Kommissare Ehrlicher und Kain erweckt er nach deren Aus in der Fernsehserie zu neuem literarischen Leben.
Eine Festschrift zur Gose
2021 folgt ein kultureller Reiseführer zur Geschichte jüdischen Lebens in Sachsen. Im selben Jahr erscheint sein Roman. Unter dem Titel „Die dreizehn Leben des Richard Rohde“ geht es um ein Dorf in der Oberlausitz, das der Kohle weichen muss. Sein letztes Werk heißt: „Die Gose schmeckt frühmorgens gut, ist abends keine Plage“. Da ist er der Herausgeber einer Festschrift, die zum 200-jährigen Brau-Jubiläum der Gose erscheint. Gemeinsam mit anderen Autoren, etwa dem Kabarettisten Gunter Böhnke, Gose-Historiker Frank Heinrich sowie Gosebrauer Tilo Jänichen, hat er dafür Amüsantes und Abseitiges über das Getränk recherchiert. Und selbst Kriminelles kommt dabei nicht zu kurz.
Seine geliebte Leipziger Innenstadt und das Leben rund um den Bayerischen Bahnhof sind sein Lebenselixier. Doch das ist nun vorbei. In der Innenstadt bricht er zusammen, kommt ins Krankenhaus. Unerwartet ist Henner Kotte am 6. Dezember 2024 in Leipzig gestorben. Er wird nur 61 Jahre alt. Und viele Pläne, etwa ein Standardwerk zur kompletten Kriminalliteratur der DDR zu schreiben, bleiben unerledigt. Seine Führungen fehlen, doch die Bücher bleiben.
Stand: 14.12.2024