Bildlexikon Leipzig

Gose

u.a. Menckestraße 5 (Gosenschenke „Ohne Bedenken“) Ortsteil: Gohlis-Süd

Die Gose ist eine obergärige, säuerlich und leicht salzig schmeckende Bierspezialität, welche mit Kochsalz, Koriander und biologischer Milchsäure verfeinert ist und einenAlkoholgehalt von 4,8% vol. besitzt. Dabei handelt es sich um eine der ältesten Biersorten, welche ihren Ursprung in Goslar im Harz hat. Von dort gelangte sie 1738 nach Leipzig.

Von der Gose an die Pleiße


Sie gehört zu Leipzig wie das Allerlei aus dem Gemüsetopf und die Lerchen aus der Bäckerei: die Gose. Ihre erste urkundliche Erwähnung ist auf das Jahr 1332 datiert, was sie zu einer der ältesten Biersorten überhaupt macht. Nach dem Reinheitsgebot von 1516 handelt es sich dabei nicht um ein Bier, sondern eine obergärige Bierspezialität.

Die Herkunft der Gose beginnt am Nordrand des Harzes. Der Name des dort fließenden Flusses „Gose“ geht auf das althochdeutsche Wort „gôze“ zurück, was seinerzeit ein sehr wasserreiches, Überschwemmungen verursachendes Fließgewässer betitelte. Der Name des Flusses wurde im späten Mittelalter an die dort erbaute Kaiserstadt Goslar übertragen. Dort soll Kaiser Otto die Gose bereits im Jahr 1000 gelobt haben. Ab dem 17. Jahrhundertwurden die Biersorten nach ihrem Erfinder, ihren speziellen Eigenschaften oder vorzugszweise nach ihrer Herkunft betitelt. So wurde das in Goslar gebraute Bier „Goslarisch Bier“ bzw. „Gose“ genannt. Der Überlieferung nach soll der preußische Feldmarschall Fürst Leopold I., Herzog von Anhalt-Dessau – auch der „Alte Dessauer“ genannt – die Bierspezialität in Goslar kennengelernt und auf seinen Ländereien im Dorf Glauzig zwischen 1712 und 1715 als „Gludscher Gose“ bzw. „Glauziger Gose“ nachgebraut haben. Auf seinem Weg nach Leipzig im Jahr 1738 kam Fürst Leopold I. in das nahegelegene Dorf Eutritzsch, wo er in einer Schänke einkehrte. Den Krug Bier, der ihm vom Wirt Gieseke gereicht wurde, tat er als ungenießbar ab und vermisste seine geliebte Glauziger Gose. Sein Versprechen an den Wirt, ihm einige Fässer seiner Gose zu schicken sowie ihm eine Ausschankgenehmigung des Rates der Stadt Leipzig einzuholen, setzte er in die Tat um. Gieseke erwarb sich die Zuneigung von Leopold I. in so hohem Maße, dass er zu seinem Leibdiener erwählt wurde, mit ihm nach Dessau ging und dort 1721 die schöne Dessauerin Marie Luise Woche heiratete. Mit ihr zog er zurück nach Eutritzsch und kaufte für 3.000 Taler das Gasthaus an der Heerstraße, welches er „Gosenschänke“ nannte. Übrigens: Das Wort wurde bis ins späte 19. Jahrhundert mit „ä“ geschrieben, später wurde die korrekte Schreibweise mit „e“ verwendet, heute sind beide Schreibweisen anerkannt und verbreitet.

Obwohl die Gose aufgrund ihres aufwändigen Transportweges nicht sonderlich günstig war, wurde sie von den Leipzigern schnell gut aufgenommen. Aufgrund ihrer brautechnischen Besonderheit enthielt die nicht ausgegorene Gose noch so viel Kohlensäure, dass eine Beförderung in verschlossenen Fässern nicht möglich war. So wurde die „Gludscher Gose“ in Glasflaschen mit 2,5 Kannen Kapazität von Goslar ins ca. 70 Kilometer entfernte Leipzig gekarrt. Das Schankmonopol für alle außerhalb von Sachsen gebrauten „ausländischen“ Biere hatte seit 1763 der ratseigene Burgkeller inne. Neben der im Rittergut Sausedlitz zwischen Delitzsch und Bitterfeld vom Grafen Vitzthum von Eckstädt gebrauten „inländischen“ Gose wurde vorzugsweise die ausländische Gose aus den Dörfern Spören und Glauzig ausgeschenkt. Ein gut gehütetes „Gosengeheimnis“ ist die Kenntnis darüber, in welchem Moment während des Brauvorgangs welche Menge der Maische, bestehend aus Malz, Hopfen und Wasser, durch zugesetzte Milchsäure angereichert werden muss.

Goselose Zeiten und Renaissance in Leipzig


Durch die steigende Beliebtheit der obergärigen Bierspezialität brachen unter den Leipziger Gastwirten hitzige Machtkämpfe aus. Da der neue Pächter des Burgkellers, Johann Gottlieb Hermann, sein Schankmonopol durch den Eutritzscher Gosenwirt bedroht sah, wandte er sich 1776 sogar an den Leipziger Rat. Viele Zitate rund um die Gose, wie „Die Studiosen tranken 2 bis 20 Gosen!“ stammten aus jener Zeit, als die Eutritzscher Gosenschenke Wallfahrtsort der Leipziger Studenten war. Einer von ihnen soll kein geringerer als Johann Wolfgang Goethe gewesen sein, der von 1765 bis 1768 als Student in Leipzig verweilte. Um 1900 entwickelte sich die Gose als Leipziger Nationalgetränk zu einem der meist getrunkenen Bierspezialitäten der Stadt.

Mit Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die Gose aufgrund der radikalen Änderung der politischen Zustände und des Zerwürfnisses zwischen Sachsen und Preußen knapp. Die Goselieferungen aus dem eng mit Preußen verbundenen Herzogtum Anhalt stockten um 1820. Da Not bekanntlich erfinderisch macht, gab es bereits wenige Jahre später wieder Gose in Eutritzsch. Diese wurde auf dem vom Kaufmann Johann Gottlieb Goedeckegeführten Rittergut Döllnitz bei Halle vom Braumeister Johann Philipp Ledermann gebraut. Ab 1830 wurde diese Gose in Leipzig ausgeschenkt. Zwischen 1844 und 1859 führten zahlreiche Gaststätten die Gose in einem Spezialausschank aus dem Eichenfass. Sie war so beliebt, dass in der Eutritzscher Gosenschenke an einem Sonntag rund 2.500 Flaschen à 0,8 bis 0,9 Liter konsumiert wurden. In Leipzig etablierten sich zu dieser Zeit zahlreiche weitere Gosenschlösschen, Gosenstuben und Gosenschenken. Mit Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Brauerei in Döllnitz enteignet und geschlossen. Erst ab 1949 gab es wieder Gose in Leipzig. Sie wurde nach langwierigen Verhandlungen bis hin zurProduktionsgenehmigung in der Arthur-Hoffmann-Straße von Friedrich Wurzler bis März 1966 gebraut.

Die Gosetradition erlebte eine Renaissance, als der Gastronom Lothar Goldhahn die verfallene Gosenschenke „Ohne Bedenken“ der Wirtsfamilie Carl Cajeri umfassend renovieren ließ. Am 10. Mai 1986 wurde hier – fast 20 Jahre nach Schließung der letzten Gosenschenke – in Leipzig wieder Gose ausgeschenkt. Seitdem kann man die traditionelle Döllnitzer Rittergutsgose in mehr als 100 Gaststätten genießen. Seit dem Jahr 2000 wird in der Lokalität Bayerischer Bahnhof Gasthaus und Gosebrauerei die Leipziger Gose gebraut und ausgeschenkt. Auch der Ratskeller Leipzig und die Gosenschenke „Ohne Bedenken“ brauen seit ein paar Jahren ihre eigene Gose. 

„Was unter den Blumen die Rose, ist unter den Bieren die Gose!“


Da die Gose kein Lagerbier ist, waren ein passendes Wetter und ein zügiger Austrank Voraussetzung für ihre Aufbewahrung, da sie ansonsten schnell verdarb. Der Goseprozess geschieht erst in der Flasche und dauert zwischen sechs und achtzehn Tagen. Der Heferest steigt dabei nach oben, wo er im Flaschenhals einen undurchlässigen Pfropf bildet, der das Entweichen der übrigen Kohlensäure unterbindet. Die Kellertemperatur hat einen entscheidenden Einfluss auf die Dauer des Reifeprozesses, welcher bei heißenTemperaturen schneller vonstatten geht. Die dunkelgrünen, flachbauchigen Glasflaschen in Form eines Bockbeutels fassten einen Liter und beanspruchten bei der Lagerung, verglichen zu Fassbier, viel Platz und waren aufgrund ihres filigranen Halses äußerst fragil.

Der Gose wird oft eine Ähnlichkeit mit dem Berliner Weißbier nachgesagt. Für all diejenigen, denen die Original-Gose zu sauer ist, wurden zahlreiche Rezepte zum Verfeinern des Geschmacks erfunden. Eine beliebte Variante war – damals wie heute – der Zusatz desKümmelschnapses Allasch, welche „Regenschirm“ genannt wird. Der Likör wurde in kleinen achteckigen Gläsern serviert, die mit der nach unten spitz zusammenlaufenden Form wie zugeklappte Regenschirme aussahen. Der Spruch „Ohne Kümmel ist die Gose, allezeit `ne halbe Chose“ gilt auch heute noch. Wird die Gose mit einem Sirup, wie Mango, Erdbeereoder Waldmeister, versetzt, spricht man vom „Sonnenschirm“, verfeinert mit einem Kirschlikör ist es die „Frauenfreundliche“. Gosentrinker prosten sich übrigens nicht mit „Zum Wohl“ sondern mit „Goseanna“ zu.

Bildergalerie - Gose

Historisches Bildmaterial - Gose

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Sophie Weinhold
Die gebürtige Leipzigerin studierte in Passau und Marseille Internationales Management und besitzt ein Faible für Fremdsprachen. Neben Englisch und Französisch spricht sie fließend spanisch und italienisch. Bereits als Zwölfjährige führte sie internationale Austauschschüler durch die Stadt und begeisterte sie für Leipzigs Geschichte und Sehenswürdigkeiten. Die Liebe zu Leipzig bestimmt nach wie vor ihre Freizeitgestaltung. Ob Museumsbesuche, Konzerte oder Fahrradtouren in die Umgebung – die kreative Lokalpatriotin findet immer ausreichend Anregungen, um darüber zu schreiben.
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