Ostfriedhof

Oststraße 119 / Zweinaundorfer Straße | Ortsteil: Anger-Crottendorf

Die Gräber sind zwar etwas versteckt am Friedhofsrand: Der Leipziger Ostfriedhof ist die einzige Begräbnisstätte der Stadt, die ein muslimisches Grabfeld anbietet, das den Bestattungsregeln des Korans entspricht. Die Gräber sind so ausgerichtet, dass die Toten mit Blickrichtung gen Mekka gebettet werden können. Nicht erlaubt ist allerdings, die Toten in weiße Leichentücher zu hüllen und ohne Sarg beizusetzen, wie es die islamische Tradition eigentlich vorschreibt. Das gestattet das sächsische Bestattungsgesetz nicht. Seit 1997 ist es Muslimen möglich, auf dem Ostfriedhof die letzte Ruhe zu finden. Diese Grabanlage ist durch Hecken abgeschirmt, so dass die Angehörigen den Abschied entsprechend ihres religiösen Ritus ungestört ausführen können.

Viele der Gräber sind schlicht gehalten und nur mit dem Namen des jeweiligen Verstorbenen versehen, da ein üppiger Grabschmuck im Islam nicht üblich ist. Einige passen sich allerdings den hiesigen Gepflogenheiten an und bepflanzen ihre Gräber. Der Ostfriedhof, mit etwa 19,8 Hektar nach dem Südfriedhof der zweitgrößte kommunale Friedhof in Leipzig, bietet noch reichlich Platz auch für muslimische Bestattungen, die in unberührter Erde erfolgen sollen.

Eine Besonderheit sind ebenfalls zahlreiche russisch-orthodoxe Gräber. Nach der Oktoberrevolution 1917 sind viele Menschen, die dem Adel oder dem Bürgertum angehören, aus Russland geflohen. Einige zieht es damals nach Leipzig, da es hier seit 1913 die Russische Gedächtniskirche mit der Gemeinde St. Alexi gibt.

Leipzig und der ehemalige Dorffriedhof wachsen


Entstanden ist der 1879 eröffnete Ostfriedhof zunächst als einfacher Dorffriedhof für
Reudnitz und später Anger-Crottendorf. Die Kirchgemeinde St. Trinitatis lässt gleich am Eingang Oststraße eine Trauerhalle errichten, die nicht mehr vorhanden ist. Deshalb wird er auch Trinitatisfriedhof genannt. Ein Verwaltungsgebäude steht aber noch. Leipzig entwickelt sich Anfang des 20. Jahrhunderts immer mehr zur Großstadt, der rasante Zuwachs bei der Bevölkerung lässt die Zahl der Begräbnisse daher ansteigen. Zu Beginn der 1940er Jahre wird die Fläche um mehr als das Doppelte erweitert. Prägend für das Aussehen sind Rundbögen, die es bis heute gibt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg sind Bombenschäden auf dem Friedhof zu beklagen. Notleidende Anwohner nutzen einige Freiflächen zum Anbau von Kartoffeln und anderem Gemüse. Auf dem Ostfriedhof ruhen zahlreiche bekannte Leipziger Persönlichkeiten. Dazu gehört Hermann Eduard Förster, der damals in Reudnitz eine Klavierfabrik betreibt. Mit seinem nahezu zwei Meter großen Marmorstein ist die letzte Ruhestätte von Peter Degner, einem bekannten Leipziger Original, nicht zu übersehen.

Ehrenmal für die Opfer des Krieges


Mehrere Gedenkstellen und Mahnmale, an denen an Jahrestagen regelmäßig Kränze niedergelegt werden, prägen das Bild des parkähnlichen Areals. So wird an die Deserteure der Deutschen Wehrmacht erinnert, die standrechtlich auf dem
Schießstand Bienitz bei Rückmarsdorf erschossen worden sind. Ein sowjetischer Ehrenhain entsteht 1947 zum Gedenken an die gefallenen sowjetischen Soldaten. Sehr imposant kommt das polnische Ehrenmal für die Opfer des Zweiten Weltkrieges daher. Es ist wahrscheinlich das monumentalste und gewaltigste Mahnmal auf dem Ostfriedhof. Mit Bronzetafeln erinnert es an 478 polnische Opfer aus Leipzig. Auf einer benachbarten Fläche stehen gewölbte Bronzetafeln, auf denen die Namen und Daten von Zwangsarbeitern stehen. Darüber hinaus erinnert ein Gedenkort an die Opfer der NS-Euthanasie und Kinder-Euthanasie.

Imposant ist die von Oberbaurat Otto Wilhelm Scharenberg neu errichtete Kapelle, die am 24. April 1902 öffnete. Durch die hohen Bäume am Eingang der Kapelle wirkt sie von weitem etwas versteckt. Im Inneren erwartet die Trauernden ein echter Schatz: ein Glockenspiel aus Meissner Porzellan. Es besteht aus sechs Glocken und ist das älteste Porzellanglockenspiel in Leipzig. Seit 1950 ist es zu bestimmten Tageszeiten sowie auf Wunsch bei Trauerfeiern zu hören. Der Ostfriedhof eignet sich sehr gut für Spaziergänge. Bestattungen unter Bäumen sind dort ebenfalls möglich.

Stand: 20.10.2023

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Mathias Orbeck
Der in Leipzig-Connewitz geborene und aufgewachsene Journalist ist leidenschaftlicher Radfahrer und Naturliebhaber. 35 Jahre lang arbeitete der Lokalpatriot als Redakteur und Reporter bei der Leipziger Volkszeitung. Inzwischen als freier Autor tätig, gilt sein Interesse nach wie vor Leipzigs Historie sowie den schönen Seiten seiner Heimatstadt, deren Attraktionen er gern Gästen zeigt.
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