In dieser Gegend haben Menschen die Landschaft mit all ihren ursprünglichen Merkmalen komplett umgestaltet. Ein knappes Jahrhundert lang fand ein Totaleingriff in die vorgefundene Natur statt, wie sie zuvor über Jahrtausende hinweg ohne menschliches Zutun entstanden war. Im Leipziger Südraum hat der Braunkohlebergbau das Land und die Menschen geprägt. Akribisch gesammelte technische Sachzeugen im Bergbau-Technik-Park zeigen, mit welch immensem technischen Aufwand und warum der Eingriff in die natürliche Umwelt geschah. Ein Besuch erleichtert die Spurensuche und deckt Zusammenhänge auf. Aus luftiger Höhe eröffnet sich aus Baggerfahrerperspektive ein verstörend-erklärender Blick, wie dicht der Bergbau bis in die frühen 1990er Jahre bereits an die Großstadt herangerückt war, als abrupt der große Stopp verordnet wurde. Die Leipziger Silhouette mit Neuem Rathaus, Thomaskirche, City-Hochhaus und Völkerschlachtdenkmal liegt zum Greifen nahe.
Technische Riesen im Leipziger Neuseenland
Der Bergbau-Technik-Park befindet sich zwischen Markkleeberger See und Störmthaler See. Er ist ein Freiluftmuseum und präsentiert im Leipziger Neuseenland Industriekultur pur. Hier stehen keine Modelle in Vitrinen, sondern die zur Ruhe gekommenen Tagebauriesen vermitteln einen selten gewordenen Originaleindruck von den Dimensionen der Kohleförderung und der eingesetzten Technik.
Kein Museumsbau hätte die beiden größten Exponate beherbergen können, den Bandabsetzer 1115 und den Schaufelradbagger 1547 mit ihren beeindruckenden reichlich 30 Metern Höhe. Beide Großgeräte stammen aus den Jahren 1985 bzw. 1986, haben also nur rund ein Jahrzehnt im aktiven Dienst gestanden – der eine, um Erdmassen, die auf dem Kohleflöz lagerten, über einen weit gespannten Ausleger zu verkippen, der andere, um den eigentlichen Zweck aller Aktivitäten zu erfüllen, nämlich das natürliche Kohlelager abzubauen. Ein vielschichtiges Räderwerk aus Mensch und Maschine griff ineinander, um bei jedem Wetter und an jedem Tag des Jahres Kohle zu fördern. Kräftige E-Loks zogen die Züge mit dem Abraum oder mit dem aufwendig gewonnenen „braunen Gold“. Die beweglichen Gleise mussten hinter den ausgreifenden Baggern kontinuierlich bis zum Abbauort gerückt werden. Der gesamte Zugbetrieb wurde aus Stellwerken gesteuert, die dank ihrer Kufen auf den einzelnen „Etagen“der Tagebaue ebenso beweglich wie die Gleise sein mussten. Armdicke Kabel für die Stromzufuhr wandten sich durch das umgepflügte Gelände und folgten den Baggern und den Werkbahnen.
Von all diesen technischen Sachzeugen blieben typische Vertreter erhalten, die im Bergbau-Technik-Park zu bestaunen sind. „Ich bin Bergmann! Wer ist mehr?“ war ein geflügeltes Wort in der DDR. Es drückte demonstrativ den Stolz dieser Berufsgruppe aus und vermittelte die Überzeugung, unverzichtbar im Wirtschaftsgefüge zu sein. Umso tiefer saß der Schock, als kurz nach der deutschen Einheit aus ökologischen und ökonomischen Gründen beschlossen wurde, den Braunkohleabbau im Süden und Norden von Leipzig drastisch einzuschränken. Die Kohleförderung litt an kompletter Erschöpfung.
Rettung für die Riesen
Nunmehr kehrten sich Berufsstolz und Traditionsbewusstsein der Bergleute dahin, ausgesuchte technische Sachzeugen einer ganzen industriellen Epoche zu bewahren und – so lange es geht – durch lebendige Berichte der Männer und Frauen, die unter komplizierten Bedingungen damit gearbeitet hatten, sachkundig zu begleiten. Bagger, Schienenfahrzeuge, Raupenschlepper, Speziallader und vieles mehr sollten für nachfolgende Generationen aufbewahrt werden. Dank des 2002 gegründeten Vereins Bergbau-Technik-Park e.V. und seiner Unterstützer aus den umliegenden Kommunen und aus der öffentlichen Verwaltung wurde die stillgelegte Technik gerettet. Ohne dieses Engagement wären vor allem die beiden riesigen Bagger – der eine 2.400 Tonnen, der andere 1.300 Tonnen schwer – längst verschrottet worden und den Weg allen alten Eisens gegangen. So jedoch halten sie in der weitläufigen Ausstellung die Erinnerung an den Großtagebau Espenhain wach.
Reichlich „Kohle“ nach der Kohle
Großtagebau Espenhain? Es gibt ihn nicht mehr. Eine vom Menschen geformte Landschaft kehrte stattdessen zurück. Das war immer so geplant, wurde in der DDR aber eher nachrangig, gemessen an der Priorität der nie enden wollenden „Schlacht um Kohle“, betrieben. Die drastische Einschränkung der Braunkohleförderung in den 1990er Jahren ging als Glücksfall einher mit dem sofortigen Schwenk zum Sanierungsbergbau. Nach der Kohle rollte „die Kohle“an. In die entstehende größte Landschaftsbaustelle der Welt flossen Milliardenbeträge.
Aus den Restlöchern, die nach der Materialentnahme aus dem Schoß der Erde übrigblieben, entstanden anmutige künstliche Seen, was anfangs nur wenige glauben wollten. Die verkippten Erdmassen im Rücken der Abbauseite der aufgelassenen Gruben wurden planiert, mit schnell wachsenden Gehölzen bepflanzt und mit einem Wegenetz für Wanderer erschlossen. Der Bergbau-Technik-Park ruht auf aufgefülltem Gelände des früheren Tagebaus. Es scheint, als würden die Bagger hoch über ihrem einstigen Einsatzrevier aufragen. Und die vorüberführende Autobahn, wo mancher Fahrer beim ersten Mal von den schieren Dimensionen der ausgestellten Technikzeugen nebenan überrascht ist, gründet in weiten Abschnitten auf Betonpfählen, die in das frisch aufgeschüttete, erst allmählich zur Ruhe kommende Erdreich getrieben wurden. Die Abkehr von der Kohleförderung und die Rekultivierung der Landschaft sollten schließlich schnell geschehen.
Dass nunmehr das für 2038 vereinbarte und „idealerweise“ vielleicht auf 2030 vorgezogene Ende des Braunkohlebergbaus in ganz Deutschland viel schneller kommt, als noch vor wenigen Jahren absehbar war, steigert den Wert der bewahrten Technik im Bergbau-Technik-Park. Sie hat die Zeugenschaft für eine komplizierte industrielle Epoche übernommen.