Die Russisch-Orthodoxe Gedächtniskirche St. Alexej wurde 1913 nach Entwürfen des St. Petersburger Architekten Wladimir Alexandrowitsch Pokrowski erbaut. Sie erinnert an diewährend der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 rund 22.000 gefallenen russischen Soldaten.Insgesamt kämpften 130.000 russische Soldaten für die Befreiung Deutschlands gegen Napoleon.
Die vergoldete Schwester des Völkerschlachtdenkmals
Von der Völkerschlacht bei Leipzig im Jahr 1813 berichten nicht nur Bücher und Filme, sondern davon zeugen auch mehr als 150 Monumente in Leipzig, darunter die Apelsteine, das Völkerschlachtdenkmal, der Napoleonstein, das Kugeldenkmal sowie zahlreiche Gedenkstätten wie das Museum Forum 1813. Dass es sich bei der schon von Weitem sichtbaren Russischen Gedächtniskirche mit ihren weißen Gemäuern und der goldenen Zwiebel-Kuppel ebenfalls um ein Denkmal zur Völkerschlacht handelt, vermutet der Leipzig-Besucher wohl eher nicht.
Die Geschichte der über 100-jährigen Kirche geht auf das späte 19. Jahrhundert zurück. Zu dieser Zeit wurde von jenen deutschen Ländern, die auf der Seite Napoleons vom 16. bis 19. Oktober 1813 während der Völkerschlacht bei Leipzig gegen die alliierten Österreicher, Preußen, Russen und Schweden kämpften, beschlossen, zum Bau des Völkerschlachtdenkmals beizutragen. Der Bau des Kolossaldenkmals war schon weit fortgeschritten, als man in St. Petersburg erwog, ein eigenes Denkmal zu Ehren der 22.000 russischen Gefallenen zu errichten. Während die Deutschen mit dem Völkerschlachtdenkmal ein heldisches nationales Monument bauten, entschied sich das 1910 einberufene russische Baukomitee für die Errichtung einer Gedächtniskirche. Damit sollte der Tod der Gefallenen in Relation zum himmlischen Reich und der Ewigkeit gesetzt werden. Das rund 2.500 Quadratmeter große Baugelände an einem der einstigen Schauplätze der Schlacht stellte die Stadt Leipzig unentgeltlich zur Verfügung. Die Baukosten in Höhe von einer Million Markwurden von russischer Seite zur Hälfte durch Spenden und zur Hälfte durch Zar Nikolaus II.getragen.
Mit dem Entwurf für den Bau der Gedächtniskirche wurde der St. Petersburger Architekt Wladimir Alexandrowitsch Pokrowski beauftragt, der sich an der Christi-Himmelfahrts-Kirche am Moskauer Stadtrand in Kolomenskoje orientierte. Diese entstand im 16. Jahrhundert im Nowgoroder Stil. Den Bau leiteten vor Ort die Leipziger Architekten Georg Weidenbach und Richard Tschammer. Nach der Grundsteinlegung am 28. Dezember 1912 und der nur zehnmonatigen Bauzeit wurde die Russische Gedächtniskirche am 17. Oktober 1913, zum 100. Jahrestag der Völkerschlacht und einen Tag vor der Eröffnung desVölkerschlachtdenkmals, eingeweiht. 1927 gründete sich hier eine russische-orthodoxe Gemeinde. Mit Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 wurden die Kirche und die Gemeinde dem Patriarchen von Russland und ganz Moskau unterstellt.
Ein Stück russisches Zarenreich inmitten der Messestadt
Die Russisch-Orthodoxe Gedächtniskirche St. Alexej ist heute ein bedeutendes Kulturdenkmal, bestehend aus einer Winter- und einer Oberkirche. Das Kirchengebäude erhebt sich auf einem quadratischen Untergeschoss, welches von einem Arkadengang umgeben ist. Es beherbergte einst eine Bibliothek und wurde 1927 zur Winterkirche umfunktioniert, die dem Heiligen Panteleimon geweiht war. Ein aus Sandstein geschaffenes und reich ornamentiertes Rundbogenportal bildet den Eingang der Winterkirche. Es wird vonzwei steinernen Kriegsgedächtnistafel gerahmt, welche die Zahlenstärken der in der Völkerschlacht aufmarschierten und gefallenen Soldaten der österreichischen, preußischen, schwedischen und russischen Armeen in russischer und deutscher Sprache auflisten. 2003 wurde etwa 60 Meter westlich des Haupteingangs der Baschkiren-Gedenkstein ergänzt, welcher an die Teilnahme der baschkirischen Soldaten an der Völkerschlacht bei Leipzig erinnert.
Eine barock gestaltete, zweiflügelige Freitreppe führt auf die Plattform zum Hauptportal der Oberkirche. Über dem Eingang befindet sich zwischen zwei vergoldeten Engel-Reliefs dieMosaik-Ikone des Christus. Von der Rückseite der Kirche aus gelangt man in die Gruftkapelle. Hier befinden sich die Särge hoher russischer Offiziere, die auf den Schlachtfeldern 1813 fielen sowie ein Sarkophag mit den sterblichen Überresten unbekannter russischer Soldaten. Die weiß verputzte Kirche wurde nach dem Vorbild russischer Zeltdachkirchen geschaffen. Sie verkörpert mit ihrem sechzehneckigen, 55 Meter hohen Stahlbetonturm, den grün patinierten Kupferflächen und der bekrönenden vergoldetenZwiebelkuppel russische Kunst und geistige Kultur gleichermaßen.
Das Zarentor vor der größten Ikonenwand Westeuropas
Das Hauptgeschoss der Kirche ist in eine Vorhalle mit einem darüber befindlichen Glockengeschoss, einen Hauptraum und ein dreiapsidiales Sanktuarium eingeteilt. In der Vorhalle befinden sich zwei alte, aufwändig bestickte Fahnen, welche entgegen einiger Überlieferungen nicht vom Schlachtfeld stammen, aber dennoch einen Bezug zur Völkerschlacht haben. Bei ihnen handelt es sich um Requisiten aus Sergej Bondartschuksmonumentaler Tolstoi-Verfilmung „Krieg und Frieden“.
Besonders beeindruckend ist der kleine Innenraum der Oberkirche mit einer gewaltigen Höhe von rund 40 Metern. Eine 18 Meter hohe und 10 Meter breite Ikonenwand, auch Ikonostase genannt, mit 78 handgemalten Ikonen dominiert den Raum. Bei der Ikonostase handelt es sich um eine mit mehreren Ikonen geschmückte Wand mit drei Türen, welche das innere Kirchenschiff vom Altarraum trennt. Die Ikonenwand in der Russischen Gedächtniskirche zählt zu den größten ihrer Art außerhalb Russlands. In sieben Reihen sind die Engel, Apostel, Propheten, Heiligen, die Mutter Maria, Jesus Christus und der Gottvater abgebildet. In der Mittelachse oberhalb des zum Altar führenden Zarentors befinden sich die Bildnisse Christi, Marias und des Gottesvaters Zebaoth, dem sich alle Dargestellten dienend und anbetend zuwenden. Das sakrale Kunstwerk wurde vom Moskauer Maler Luka Martjanowitsch Jemeljanow nach altrussischem Vorbild geschaffen und war ein Geschenk der Donkosaken zur Einweihung der Kirche. Die gemalten Ikonen wurden mit Silberarbeiten aus einer der einst bedeutendsten Werkstätten, der Moskauer Firma Iwan Chlebnikow, ausgeschmückt. Das Zarentor wird von den gemalten Ikonen Jesu Christi und der Gottesmutter Smolensk flankiert. Letztere gilt als echte Rarität und stellt ein besonders wertvolles Detail der Ikonostase dar. Dabei handelt es sich um einen in der russischen Ikonenmalerei oftmals dargestellten Typus, welcher der Überlieferung nach auf den Evangelisten Lukas zurückgehen soll. Die an einigen Stellen verblasste und eingerissene Ikonenwand wurde 2016 bis 2018 umfassend saniert und erstrahlt seitdem in neuem Glanz. Oberhalb der Ikonostase befindet sich ein vom russischen Zaren gestifteter und etwa 800 Kilo schwerer bronzener Kronleuchter mit 72 Lampen aus Smalte.
Die Russische Gedächtniskirche unmittelbar neben dem Friedenspark dient heute nicht nur als Denkmal, sondern ist auch Gotteshaus für die russisch-orthodoxe Gemeinde, die aus über 300 Mitgliedern unterschiedlicher Nationalitäten besteht.