Blog

Diebitz, René

Tierpräparator | geb. am 14. Dezember 1959 in Leipzig

15 Meter hoch ist die Skulptur, die aus etwa 50 großen Tierpräparaten bestehen wird. Sie wird der Hingucker im neuen Naturkundemuseum sein, das bis 2029 im ehemaligen Bowlingtreff auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz entstehen soll. Dort müssen zwar erst die Bauleute anrücken. Doch Tierpräparator René Diebitz ist mit seinen Kollegen längst dabei, eine Installation namens „Tour de ter Meer“ vorzubereiten. Die erinnert an Hermann H. ter Meer, den Begründer der modernen Präparationstechnik. Im Naturkundemuseum, das mit 233 wertvollen Exponaten seine weltgrößte Sammlung besitzt, wird dieser liebevoll „der Meister“ genannt. Doch Diebitz ist inzwischen ebenfalls ein Meister seines Fachs, da er bei internationalen Wettbewerben wie den Weltmeisterschaften der Präparatoren sechs Goldmedaillen holte.

Geboren wird René Diebitz in Leipzig. Er wächst in Lindenau auf, geht in die 144. Polytechnische Oberschule in der Demmeringstraße. Schon als Kind hat er daheim Tiere, um die er sich kümmert. Vater Heinz hält Waldvögel in Volieren im Garten. Mit zehn Jahren bekommt der Junge ein Frettchen, ein Eichhörnchen wird zuhause mit der Flasche aufgezogen … Durch den Vater und eine Kulturbund-Gruppe bekommt er frühzeitig Kontakt zum Leipziger Naturkundemuseum, da Ausstellungen mit lebenden Vögeln organisiert werden. Der Vater kennt zudem einen Präparator, der biologische Lehrmittel anfertigt. „Das hat mich fasziniert. Ich wollte immer einen Beruf ergreifen, der etwas mit Tieren zu tun hat“, erzählt er, „und will auch mit den Händen arbeiten, ein Ergebnis sehen.“ Auch für Pferde hat er sich interessiert. Doch er entscheidet sich für eine Arbeit beim VEB Biologische Lehrmittel, absolviert schließlich eine Ausbildung zum Facharbeiter für zoologische Präparation im Naturkundemuseum Berlin.

Elf Jahre arbeitet er im Leipziger Betrieb, der vor allem Unterrichtsmittel anfertigt. Im Fernstudium macht er den Fachabschluss für Präparation an der Berliner Humboldt-Universität. Von der Anfertigung von Schauobjekten für den Unterricht hat er irgendwann die Nase voll, macht sich daher am 1. September 1990 selbstständig. Er findet einen Gewerberaum in der GuthsMuthstraße, die Firma will weitere Mitarbeiter einstellen. Das zerschlägt sich. Mit einem Partner zieht die Werkstatt schließlich nach Holzhausen, seit 2002 arbeitet Diebitz wieder allein. Die Werkstatt betreibt er nach wie vor – fertigt Präparate fürs Naturkundemuseum Erfurt oder das Meeresmuseum in Stralsund an.

Als Präparator im Naturkundemuseum


2008 kann er eine zunächst auf zwei Jahre befristete Stelle im Naturkundemuseum Leipzig antreten. Nach dem altersbedingten Ausscheiden seines Vorgängers
Horst Spicale ist diese mehr als fünf Jahre unbesetzt. Aus Kostengründen soll der Zweijahresvertrag dann nicht verlängert werden. Das führt zu Protesten beim Freundeskreis des Museums sowie bei Stadträten, zumal das Museum mit Hilfe von Mitteln aus dem Konjunkturpaket eine moderne Präparationswerkstatt einrichten kann. In ihr gibt es genügend zu tun: Die Kühltruhen mit diversen naturkundlichen Belegen, die das Museum sammeln, pflegen, konservieren und für die nächsten Generationen bewahren muss, sind voll. Es gilt zudem, neue Exponate für die Ausstellungen anzufertigen, aber auch die bestehende Sammlung konservatorisch zu betreuen. Sieben Monate dauert es, bis er zurück ins Museum darf.

Oft muss René Diebitz erklären, dass seine Tiere nicht „ausgestopft“ werden, was ein weit verbreiteter Irrtum ist. Die Tierkörper werden keineswegs wie ein Sofakissen gefüllt. Ter Meer hat die Methode entwickelt, Dermoplastiken anzufertigen. Danach wird die gegerbte Haut oder das Fell eines Tieres auf die vorgeformte Plastik geklebt. Ter Meer selbst operierte noch mit Gips, Ton und Maschendraht. Heute gibt es genormte Hartschaumkörper, die auch per Katalog zu haben sind. Wichtig ist es, die Anatomie und natürliche Haltung des Tieres nachzuempfinden.

Ein Handwerker mit künstlerischem Anspruch


„Ich habe einen handwerklichen Beruf mit künstlerischem Anspruch“, sagt Diebitz. Denn er möchte Tiere realitätsnah für die Ewigkeit bewahren. Das schränke die künstlerische Freiheit ein. „Ich versuche aber, die Illusion eines lebenden Tieres zu schaffen.“ Bevor ein Präparat fertig ist, gibt es verschiedene praktische Arbeitsschritte zu erledigen.

Zunächst wird das Objekt mit Fundort, Funddatum und Finder wissenschaftlich erfasst, vermessen und gewogen. Die Präparation beginnt mit einem Körperschnitt. Die äußere Hülle mit Haut, Fell bzw. Federkleid wird dabei vom Körper getrennt und von allen Fleisch-, Bindegewebs- und Fettteilen befreit sowie anschließend gewaschen und aufbereitet. Außerdem entsteht ein künstlicher Körper aus Polyurethan-Schaum, notwendige Stützdrähte werden ebenfalls vorbereitet. Dann erfolgt die Montage von Haut und neuem Körper. Wichtig ist, Schädel und die Augenhöhlen mit Ton zu füllen und künstliche Glasaugen einzusetzen. „Wenn der Blick des präparierten Tieres nicht stimmt, kann die Darstellung den Betrachter nicht überzeugen“, nennt er ein weiteres Beispiel.

Das ist Diebitz bestens gelungen. Davon zeugen neben den Meisterschaftstiteln viele Ausstellungen. „Greif zu! Greifvögel aus aller Welt“ heißt beispielsweise eine Sonderschau, bei der 2017 er eindrucksvoll einen Sperber präparierte, der im Flug Sperlinge jagt. Dafür hat er auch historische Präparate, etwa Kondor, Sekretär oder Harpyie von Ter Meer, restauriert und überarbeitet.

Goldmedaillen bei der Weltmeisterschaft in Salzburg


In der Sonderschau 2012 „Fast für die Ewigkeit“ sind ein Kormoran, eine Schleiereule und spielende Füchse von Diebitz zu sehen. Es sind seine preisgekrönten Exponate von der Weltmeisterschaft in Salzburg 2012. Dort hat er seine Künste mit etwa 140 Teilnehmern aus 25 Nationen gemessen. Von dort bringt er drei Siege in den Kategorien große Vögel, kleine Vögel und kleine Säugetiere mit. „Weltmeister bin ich aber nicht“, erklärt er.  Denn er sei in der Professional-Class angetreten. Weltmeistertitel vergibt nur die Master-Class. Dennoch kann er auf sechs Goldmedaillen verweisen.

Welche Herausforderungen alte Objekte haben können, haben die Museumsleute bei einer Schau in einem Laborzelt gezeigt. So müssen Schutzanzug und Maske angezogen werden, da ein Teil der historischen Präparate kontaminiert sein kann. „Sie sind sehr unterschiedlich geschädigt. So kann es passieren, dass die Haut teilweise gerissen ist. Dann muss sie neu verklebt, retuschiert und eventuell koloriert werden“, erklärt er. Staub und Umwelteinflüsse haben den Exponaten oft zugesetzt und Schäden verursacht, die nicht alle zu reparieren sind. So bekomme man nicht alle Federn wieder weiß wie beim Original, nennt er ein Beispiel. „Der eigene Anspruch erfüllt sich meist nicht. Gestalterisch kann ich nichts machen – es geht um den Erhalt der Objekte.“

Tierplastik für neues Museum ist Herausforderung


Die nächste Herausforderung ist die große Tierplastik für das neue Naturkundemuseum im ehemaligen Bowlingtreff am Leuschnerplatz. Dafür werden selbstverständlich die Ter-Meer-Präparate nicht verwendet. „Die sind schließlich Kulturgut“, sagt Diebitz. Sie werden in Vitrinen um die Installation gruppiert. Bei der neuen Tierplastik werden Haut und Panzer von verstorbenen Zootieren verklebt. Sie wird Elemente der natürlichen Nahrungskette darstellen und viele Arten berücksichtigen – darunter Gnus, die von einem Nilkrokodil angefallen werden, und Löwen. Ein Jaguar nimmt es mit einem Kaiman auf, überrascht den kleinen Alligator hinterrücks und erlegt ihn mit einem kräftigen Biss ins Genick. Die Idee dazu stammt ebenso wie das Konzept für die Neuausrichtung des Museums von Direktor
Ronny Maik Leder.

René Diebitz stehen bei der Arbeit Markus Ranf sowie Louisa Bosse zur Seite. Die anstehenden Arbeiten bei der Überarbeitung bestehender Dermoplastiken sind sehr umfangreich. Deshalb werden Experten aus anderen deutschen Naturkundemuseen der Mannschaft vor dem Umzug ins moderne Haus am Leuschnerplatz ein wenig unter die Arme greifen.

Stand: 16.07.2024

Bildergalerie - Diebitz, René

Deutsches Buch- und Schriftmuseum

Deutscher Platz 1 | Ortsteil: Zentrum-Südost

Es ist das Schaufenster der Deutschen Nationalbibliothek: Unter dem Titel „Zeichen – Bücher – Netze: Von der Keilschrift zum Binärcode“ lädt das Deutsche Buch- und Schriftmuseum der Nationalbibliothek zum Streifzug durch die Mediengeschichte der Menschheit. „Schrift, Buchdruck mit beweglichen Lettern und digitale Netzwelten sind dabei das chronologische Rückgrat der Ausstellung“, sagt Stephanie Jacobs, die das Museum seit März 2007 leitet. Etwa 800 Objekte sind aus dem riesigen Fundus an Schätzen ausgewählt worden.

Die Einrichtung, 1884 als Deutsches Buchgewerbemuseum gegründet, zählt zu den ältesten und nach Umfang und Qualität der Bestände wohl auch zu den weltweit bedeutendsten Sammlungen auf dem Gebiet der Buchkultur. Im Zweiten Weltkrieg verliert das Museum sein Domizil im Deutschen Buchgewerbehaus am Gutenbergplatz. Sie wird in die damalige Deutsche Bücherei integriert. „Merkur und die Bücher“ heißt eine Ausstellung rund um den Buchplatz Leipzig, die 2008 schließen muss und zu diesem Zeitpunkt wohl auch überholt war. 2012 öffnet dann eine moderne Dauerausstellung, die durch verschiedene Sonderschauen ergänzt wird.

Die Ausstellung ist im verglasten Erdgeschoss des vierten Erweiterungsbaus der Deutschen Nationalbibliothek beheimatet, der 2011 mit dem Leipziger Architekturpreis ausgezeichnet wurde. Entworfen hat das Gebäude die Stuttgarter Architektin Gabriele Glöckler. Fünf große Vitrinenkörper bilden darin eine räumliche Struktur für das Museum, die an dreidimensionale kalligraphische Zeichen erinnert. Dabei gibt es den Anspruch, die eigentlich stummen Objekte in den Vitrinen zum Sprechen zu bringen und auch einige Überraschungscoups zu landen. Vom frühzeitlichen Kerbholz bis zur Replik der Voyager Golden Records werden 5.000 Jahre Mediengeschichte durchaus spannend erzählt.

Rollsiegel ist ältestes Exponat der Sammlung


Ein Hingucker ist der „schwarze Obelisk“. Es ist ein Kalkstein-Abguss des Originals, das sich im British Museum in London befindet. Dabei handelt es sich um eine Ikone der Schriftgeschichte. Dargestellt sind auf dem Obelisken des assyrischen Königs Salmanassar III. eine Eroberungsszene in Bild und Text. Sie stammt aus der Zeit 858 bis 824 vor Christus. Die Flachreliefs zeigen unterworfene Könige aus Iran, Israel, Ägypten, Syrien und anderen Ländern, die vor dem Herrscher niederknien. Die Keilschrift beschreibt die Tributleistungen. „Die Säule steht natürlich für die Entwicklung der Schrift, die sich auf sehr vielfältige Art und Weise vollzog“, erklärt Jacobs. Das älteste Objekt in der Schau ist völlig unscheinbar: ein etwa 5.000 Jahre altes Rollsiegel, mit dessen Hilfe Zeichen in den Ton gerollt wurden.

Die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern optimiert die Verbreitung von Wissen um die Mitte des 15. Jahrhundert herum. „Es war nicht nur eine technische Innovation, sondern auch eine gesellschaftliche. Erst da konnte Wissen unendlich vervielfältigt werden“, erklärt die Museumschefin. Zu sehen ist eine Druckerpresse als Symbol für die Industrialisierung der Buchproduktion. Vorgestellt werden Meisterleistungen mittelalterlicher sowie moderner Buchkunst. Thematisiert wird, wie mit Zensur versucht wurde, die Verbreitung von Schriften zu verhindern. Dafür steht die Zensurliste der katholischen Kirche – der zwischen 1559 und 1967 erschienene Index librorum prohibitorum. Das ist wohl der prominenteste Versuch, den Buchmarkt systematisch zu kontrollieren. Aber auch Tarnschriften und Untergrundliteratur, mit der Autoren und Verleger Fangnetzen der Obrigkeit entgehen wollten, sind zu sehen. Medienstationen stehen bereit, damit die Besucher ihr Wissen vertiefen können.

Buch verliert seine Rolle als Leitmedium


Ebenso spannend: Die rasante Medienentwicklung im 20. Jahrhundert zeigt auf, wie das Buch seine Rolle als Leitmedium verliert und mit Radio, Fernsehen und später dann auch mit digitalen Netzwelten konfrontiert wird.

Doch die Verbreitung von immer mehr Informationen im Netz ist Fluch und Segen zugleich. Elektronische Daten sind oft unübersichtlich, aber auch manipulierbar. „Unsere Funktion als Bibliothek und Museum ist es, auch dieses Wissen zu speichern“, erklärt Jacobs. Möglichkeiten, Texte zu manipulieren, haben indes rasant zugenommen. Das könne das Museum nicht verhindern. Notwendig sei aber, viel Bildung- und Aufklärungsarbeit zu leisten und die Öffentlichkeit zu sensibilisieren, achtsam mit den Quellen zu sein.

Guckkästen lassen in die Zukunft blicken


Das Museum hat Guckkästen geschaffen, um augenzwinkernd die Zukunft der Medien zu hinterfragen. Und stellt beispielsweise eine Kopie der Voyager Golden Records vor. Das sind Datenplatten mit Bild- und Audio-Informationen, die 1977 an Bord von Raumsonden angebracht werden, damit außerirdische Lebensformen etwas von der Menschheit erfahren können.

Zum Museum gehört ein begehbarer Tresor, der für das Zeigen wertvoller Originale und Sonderausstellungen genutzt wird. Ein Lesesaal mit modern ausgestatteten Arbeitsplätzen lädt zum Recherchieren ein. Wer möchte, kann eine KI-Box als Guckloch in die Zukunft nutzen. Mit „KlingKlang – Geräusche aus der Mediengeschichte“ bietet das Museum sogar eine Schatzkammer fürs Ohr. 

Museum etabliert sich als Ort der Demokratie


Wichtig ist Stephanie Jacobs, die Deutsche Nationalbibliothek und das Museum als Ort der Demokratie ins Bewusstsein zu rücken. „Die Nationalbibliothek stellt der Öffentlichkeit Wissensressourcen bereit“, erklärt sie. Die Institution sammle, dokumentiere und archiviere alle Werke in Schrift und Ton, die seit 1913 in Deutschland und weltweit über Deutschland oder in deutscher Sprache veröffentlicht werden. Dabei gibt es keine Restriktion, keine Zensur.

„Wir stehen für Meinungsfreiheit und ermöglichen Demokratie.“ 2024 organisiert das Museum anlässlich des 35. Jahrestags der Friedlichen Revolution erstmals ein Jazzfestival, das das revolutionäre Potenzial des Freejazz als Medium des Widerstands in der DDR ins Zentrum stellt. Im Sommer 2025 folgt ein „Sommerfest der Demokratie“.

Stand: 24.02.2024

Antikenmuseum der Universität Leipzig

Nikolaikirchhof 2 | Ortsteil: Zentrum

Antike Vasen, Krüge und Gefäße vermitteln ein eindrucksvolles Bild von der Welt der Helden und Götter. Sie erzählen, wie die Krieger in den Kampf zogen, von sportlichen Wettkämpfen und dem Leben der Frauen in ihren Gemächern. Sie lassen die Besucher im Antikenmuseum der Universität Leipzig in der Alten Nikolaischule am Nikolaikirchhof teilhaben am wilden Treiben des Weingottes Dionysos, der inmitten seines ausgelassenen Gefolges manchen Becher kippte. Die Porträtsammlung mit den Bildnissen von Dichtern, Kaisern und Gelehrten bringt eine längst entschwundene Zeit nahe.

Eine der ältesten Sammlungen antiker Kunst


Schon seit 1841 wird in Leipzig systematisch antike Kunst gesammelt. Voraussetzungen dafür werden bereits 1735 geschaffen, als
Johann Friedrich Christ erstmals an einer deutschen Hochschule archäologische Denkmale als Gegenstand seiner Vorlesungen behandelt. Zur Anschauung legt er seinen Studenten antike Münzen und Antiquitäten aus eigenem Besitz vor. Dieser Nachlass könnte wohl der Grundstock für das spätere Antikenmuseum gewesen sein.

Die Universität Leipzig besitzt eine der ältesten und bedeutendsten Schau- und Lehrsammlungen ihrer Art in Deutschland. Mehr als 10.000 Sachzeugnisse der Antike umfasst die Sammlung, die einst mit Hilfe Leipziger Bürger zusammengetragen wurde. Etwa 450 Werke können im kleinen Museum exemplarisch gezeigt werden. Zudem lädt der Lehrbereich Klassische Archäologie der Universität Leipzig in sein Magazin mit der Gipsabguss-Sammlung des Antikenmuseums im Bürohaus am Dittrichring 13 regelmäßig zu Führungen ein.

Nach seiner Gründung erhält das Institut für Klassische Archäologie einen provisorischen Standort im Augusteum, dem Hauptgebäude der Universität am Augustusplatz. Ein Museum entsteht zunächst im Jahr 1843 im Fridericianum, einem Gebäude in der Schillerstraße. Es ist etwa 240 Quadratmeter groß. Von Anfang an ist dort an einem Tag in der Woche für die Öffentlichkeit geöffnet.

Monumentale Skulpturengruppe wird Hingucker


Dort wurde es zunehmend zu eng, denn der Platz reichte trotz Erweiterungen nicht mehr aus. Deshalb zieht die Sammlung 1881 zunächst ins zentrale Hauptgebäude der Universität. Nur wenige Jahre später bekommt das Museum an diesem Standort ein neues Quartier. Im Erdgeschoss des Johanneums – dem Südflügel des von
Arwed Roßbach umgestalteten Hauptgebäudes der Universität – belegt die Sammlung ab 1897 mehrere Säle. Damals besteht sie noch hauptsächlich aus Gipsabgüssen. In der Blütezeit gibt es rund 3.000 Inventarnummern.

Unter der Leitung von Franz Studniczka wird die Sammlung griechischer und römischer Originale systematisch ausgebaut. Geschenke von Wissenschaftlern, Gelehrten, Sammlern und anderer Kunstfreunde lassen den Fundus rasch anwachsen und verhelfen der einst bescheidenen Lehrsammlung antiker Kunst zum Ruf eines Museums von internationaler Bedeutung. Die dazugehörige Abguss-Sammlung wird von Beginn an ein Ort des Studiums der Archäologie, ist aber auch für die Öffentlichkeit zugänglich. Ein Hingucker in der Ausstellung wird der imposante Abguss einer monumentalen Skulpturengruppe. Das ist der „Toro Farnese“ aus Neapel, der nun zumindest digital neu entsteht.

Schattendasein nach der Sprengung des Universitäts-Gebäudes


Die Universität Leipzig muss bei den anglo-amerikanischen Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg allerdings schwere Verluste am Augusteum hinnehmen. Auch Räume des Museums im Johanneum werden zerstört. In der Nachkriegszeit startet zwar der Wiederaufbau des Museums. So wurden etwa 600 Gipsabgüsse gerettet, die ab 1955 auch ausgestellt werden. Doch der Wiederaufbau endet 1968 durch den willkürlichen Akt der Sprengung von
Universitätskirche und der Universitäts-Hauptgebäude abrupt. Hinzu kommt: Mit ihrer Hochschulreform verbannen die DDR-Machthaber „bürgerliche Bildungsfächer“ zu einem Schattendasein und liquidieren den Lehrstuhl für Archäologie sogar.

Nach der Sprengung des Universitätsgebäudes sind die Exponate der Gips-Sammlung in einem alten Kohlebunker eingelagert. Auch dort gibt es zahlreiche Verluste an der Sammlung. Selbst das Schalck-Imperium hat ein Auge auf einige verbliebene Kostbarkeiten geworfen. Es wurde aber verhindert, dass sie gegen Devisen in den Westen verkauft werden. Erst die politische Wende nach 1989 bringt mit der Neugründung des Institutes für Archäologie den lang ersehnten Neuanfang.

Mit der Sanierung der Alten Nikolaischule, die die Kulturstiftung Leipzig vorantreibt, erhält das Antikenmuseum wieder ein neues Domizil. Es kann am 21. Oktober 1994 öffnen. Seitdem bietet es einen Überblick über die wichtigsten Kunstgattungen und Stilperioden der griechischen und römischen Antike sowie angrenzender Mittelmeergebiete. Troja beispielsweise ist mit mehreren Funden aus den Grabungen von Heinrich Schliemann vertreten.

Vasen erzählen von Helden und Göttern


Ein Schwerpunkt der Sammlung sind Vasen aus dem 6. und 5. Jahrhundert vor Christus, der Blütezeit griechischer Vasenmalerei. Durch die Abbildungen wird ein eindrucksvolles Bild von der Welt der Götter und Helden vermittelt. Ob nun die Abenteuer des Herakles, das Trinkgelage griechischer Männer, das wilde Treiben des Weingottes Dionysos oder Bilder vom Leben der Frauen – es gibt viel an den Vasen zu entdecken.

Das Modell eines pompejanischen Hauses zeigt detailliert, wie wohlhabende römische Bürger einst gelebt haben. Eindrucksvoll sind die Marmorplastiken. In der kleinen Porträtgalerie sind die Bildnisse griechischer Dichter und Denker, eines römischen Kaisers und unbekannter Privatpersonen zu erkunden. Es warten auch drei Porträts in Gips, die ertastet werden dürfen.

Stand: 05.05.2024

Bildergalerie - Antikenmuseum der Universität Leipzig

AMANO Home Leipzig

Nikolaistraße 59 / Ecke Richard-Wagner-Straße | Ortsteil: Zentrum

Ende Juni 2023 öffnete das AMANO Home Leipzig seine Türen. Das Apartmenthotel, das sich gegenüber dem Hauptbahnhof befindet, ist ein idealer Ausgangspunkt für Kurz- und Langzeitaufenthalte in Leipzig. Das Hotel bietet 55 stilvoll eingerichtete Apartments, die mit Wohnküche und Wohnbereich ausgestattet sind. Mit verschiedenen Zimmerkategorien von M bis XL ist für jeden Gast etwas dabei. 

Geschichtsträchtiges Objekt: das Harmelin Haus


Der Sitz des AMANO Home Leipzig befindet sich im 1913/14 erbauten
Harmelin Haus. Das traditionsreiche Geschäftshaus besitzt eine aufwändig gegliederte Muschelkalksteinfassade im Reformstil und wird durch mehrere Erker und reichen Bauschmuck aufgelockert. Erbaut wurde es nach Entwürfen des Leipziger Architekten Emil Franz Hänsel. Nach seiner Eröffnung diente das Harmelin Haus vor allem als Pelzgewerbehaus mit attraktiver Ladenzone. Benannt wurde es nach der ehemaligen Leipziger Pelzwarenhandelsfirma Marcus Harmelin.

Urbanes Wohnerlebnis und modernes Industriedesign


Das AMANO Home Leipzig ist bereits das zweite Apartmenthotel des Berliner Hotelunternehmens Amano Group, zu der aktuell zwölf Hotels sowie zahlreiche Restaurants und Bars gehören. Es bietet Gästen ein urbanes Wohnerlebnis mit modernem Innendesign, bei dem die Vorteile einer eigenen Wohnung mit Hotelkomfort verbunden werden. Alle Apartments verfügen über eine voll ausgestattete Wohnküche mit Kochfeld, Mikrowelle, Kühlschrank, Kaffeemaschine und Wasserkocher. Einige Apartments bieten zudem ein offenes Badezimmer oder einen Balkon, von dem die Gäste eine einzigartige Aussicht auf die
Nikolaistraße im Herzen Leipzigs genießen können. Neben einem Lounge-Bereich sind die Apartments je nach Zimmerkategorie zusätzlich mit einem Schlafsofa ausgestattet. Der Check-In und Check-Out erfolgt vollständig digitalisiert.

Das Highlight des Hotels ist das 80 Quadratmeter große Penthouse Apartment mit einer modernen Wohnküche und einem gemütlichen Lounge-Bereich, welcher nahtlos an den Schlafbereich mit freistehender Badewanne angrenzt. Das Penthouse Apartment eignet sich unter anderem perfekt für Events mit 10 bis 25 Personen.

Amano Group investiert weiter in Leipzig


Direkt neben dem AMANO Home Leipzig entsteht ein weiteres Hotel der Gruppe mit 274 Zimmern, das 2026 eröffnen soll. Das
Hotel Amano Leipzig wird außerdem ein Restaurant im Erdgeschoss, eine Skybar mit Kaminzimmer in der 7. Etage, eine Dachterrasse und ein großes Conference Center umfassen. Das Restaurant unter dem Namen Joseph wird das zweite seiner Art sein und bietet Gästen eine innovative israelische Küche kombiniert mit der pulsierenden, lebendigen Stimmung Tel Avivs.

Die Amano Group wurde von den Familien Süsskind, Schiff und Rokeach gegründet und ist eine Hotelgesellschaft mit Sitz in Berlin. Sie eröffnete im August 2009 mit 30 Mitarbeitern. Im Jahr 2024 arbeiteten in der Gruppe über 550 Personen. Zur Gruppe gehören aktuell zwölf Hotels in Leipzig, Düsseldorf, München, London und Berlin. Weitere Hotels sind unter anderem in Hamburg, München und Boston geplant. Gastronomisch setzt die Hotelgruppe Trends und ist für ihre innovativen Konzepte bekannt. Ziel ist es, die Einheimischen mit den Touristen zu verbinden. So gehörte die Dachterrasse des Hotels Amano in Berlin zu den ersten Terrassen mit Bar.

Stand: 14.06.2024

Albrecht-Thaer-Denkmal

Universitätsstraße / Kurt-Masur-Platz (in der Lenné-Anlage) | Ortsteil: Zentrum

Direkt neben der Moritzbastei und hinter dem Hauptgebäude der Universität Leipzig steht das Albrecht-Thaer-Denkmal. Es wurde erstmals am 1. September 1850 von Mitgliedern des Vereins der Deutschen Land- und Forstwirte in unmittelbarer Nähe am Promenadenring eingeweiht.

Doktor der Landwirtschaft


Albrecht Daniel Thaer
wurde am 14. Mai 1752 in Celle geboren und absolvierte zunächst sein Medizinstudium in Göttingen. Neben seiner ärztlichen Tätigkeit lag sein Interesse ebenfalls in der Landwirtschaft, so dass er im Jahr 1784 Mitglied der Königlich Kurfürstlichen Landwirtschaftsgesellschaft zu Celle wurde. Kurz darauf erwarb er eigene Felder Land, auf denen er die Anbaumethode des Fruchtwechsels begründete. Thaer veröffentlichte wegweisende Werke und Zeitschriften, aufgrund derer er zum Begründer der modernen deutschen Agrarwissenschaft wurde. Er gründete schließlich 1802 in Celle das erste deutsche landwirtschaftliche Lehrinstitut. Seine revolutionären Ideen der Landwirtschaft brachten den Preußischen König dazu, ihm das Gut Möglin zu überlassen. Hier gründete Thaer die erste landwirtschaftliche Akademie, die „Königlich preußische akademische Lehranstalt des Landbaues“. Später wurde er zum Professor an der Universität Berlin berufen. 

Neben seinen Versuchen zur Futtergrundlage widmete er sich vor allem der Schafzucht. Auf Thaer gehen unter anderen bedeutende Erfolge der Merinoschafzucht zurück, da er durch gezielte Einkreuzung die Wollqualität entscheidend verbesserte. Dank seiner Erfolge in diesem Bereich wurde er 1816 zum Generalintendanten der Königlich-Preußischen Stammschäfereien, bevor er 1823 schließlich zum Präsidenten auf dem Leipziger Wollkonvent gewählt wurde. Albrecht Daniel Thaer starb am 26.Oktober 1828 auf dem Gut Möglin.

Von Umzügen und Kidnapping


Vor allem der Schafzucht ist es wohl zu verdanken, dass Thaer gerade in Leipzig ein Denkmal gewidmet wurde. Schließlich stand die Textilbranche in der Messestadt hoch im Kurs und Schafwolle spielte zur damaligen Zeit noch eine große Rolle in dieser Branche. So kam es nicht von ungefähr, dass am 1. September 1850 der Verein der Deutschen Land- und Forstwirte vor der damaligen
Ersten Leipziger Bürgerschule dem Begründer der modernen Landwirtschaft ein Denkmal schuf. Die ursprünglich überlebensgroße Statue aus Bronze stand auf einem ca. 2 Meter hohen Sockel aus schlesischem Marmor. Beauftragt dafür wurde der Dresdner Bildhauer Ernst Rietschel. Er stellte Thaer als Lehrender dar, der mit einer Hand gestikuliert, während er in der anderen eine Papierrolle mit der Aufschrift „rationelle Landwirtschaft“ hält. Dies war wohl ein Hinweis auf eins seiner wichtigsten Werke. Der Bronzeguss des Denkmals erfolgte in der 1725 gegründeten Kunst- und Glockengießerei Lauchhammer.

Bereits im Jahr 1859 musste die Statue Umbauarbeiten weichen und wurde in die Lenné Anlage umgestellt, wo sie fast 100 Jahre zu finden war. Im Jahr 1947 wurde die Schillerstraße schließlich verbreitert und die Statue demontiert. Kurzzeitig fand sie einen Platz im Innenhof des Universitätskomplexes, bevor sie schließlich ab 1954 auf dem Gelände der agra Leipzig für die agra Landwirtschaftsausstellung der DDR aufgestellt wurde. Jedoch blieb das Denkmal dort nicht lange, waren sich einige SED-Funktionäre doch einig, dass Thaers bürgerliche Sichtweisen nicht mit den sozialistischen übereinstimmten. Es kamen Spekulationen auf, dass das Denkmal deshalb entsorgt werden sollte, was ein paar wissenschaftliche Assistenten der landwirtschaftlichen Fakultät nicht gefiel. In einer nächtlichen Aktion „retteten“ sie das Thaer-Denkmal und brachten es zu ihrer Fakultät. Im Jahr 1963 wurde es auf einem nun niedrigeren Postament aus Sandstein zwischen der Liebigstraße und dem Friedenspark aufgebaut. Grund dafür war die Eröffnung des dortigen Institutsgebäudes der landwirtschaftlichen Fakultät.

Dort befand es sich bis zur feierlichen Neuenthüllung am 24. Juni 2011. Seitdem steht es nun wieder an seinem repräsentativen Platz in der Lenné Anlage, neben der Moritzbastei. Bei der Restauration wurde der ursprüngliche Sockel nachempfunden und mit der Inschrift versehen: 

Ihrem
verehrten Lehrer
Albrecht Thaer
die
deutschen Landwirthe
MDCCCL.
(1850)

Stand: 16.05.2024

Bildergalerie - Albrecht-Thaer-Denkmal

Historisches Bildmaterial - Albrecht-Thaer-Denkmal

Kinderfreibecken „Robbe“ und Schwimmhalle Nord

Kleiststraße 54 | Ortsteil: Gohlis-Mitte

Umgeben von großen Bäumen und einer Liegewiese öffnet das Kinderfreibecken „Robbe“ traditionell am 1. Juni. Das ist der Kindertag. Es ist ein kindgerechtes Becken mit kleiner Rutsche, das zum Außenbereich der Schwimmhalle Nord in der Kleiststraße gehört. „Es ist zwar das kleinste Becken in Leipzig und wird nicht unter den Freibädern geführt, die Besucherzahlen liegen aber gar nicht so weit weg. Es ist eine Nische, aber eine sehr erfolgreiche, die wir hier bedienen“, erklärt Martin Gräfe, der Geschäftsführer der Leipziger Sportbäder. Die Firma betreibt im Auftrag der Stadt Leipzig die Schwimmhallen und Freibäder.

Sechs Anklam-Schwimmhallen sind saniert


Die Schwimmhalle Nord ist eine vom Typ Anklam. Das sind die Volksschwimmhallen in der DDR. Neun davon werden in Leipzig in den Jahren 1968 bis 1971 gebaut – sechs davon sind noch in Betrieb. Die Leipzig Sportbäder haben sie inzwischen modernisiert. Zu ihnen gehört auch die Schwimmhalle Nord, die 1969 am
Arthur-Bretschneider-Park (auch Eutritzscher Park) entsteht. Sie hat fünf Schwimmbahnen im 25-Meter-Becken, die Schul-, Vereins- und Freizeitsportlern zu unterschiedlichen Zeiten zur Verfügung stehen. Jüngste Investition: Der Beckenkreislauf der Schwimmhalle Nord wird durch vier Hocheffizienzpumpen gestaltet, die die bis dahin genutzten, nicht regelbaren Umwälzpumpen ersetzen. Das Bundesministerium für Umwelt hat den Austausch im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative gefördert.

Neue Sanitäranlagen in der „Robbe“


Die Sportbäder haben zum Start der Freibadesaison 2024 auch das Kinderfreibecken „Robbe“ modernisiert. Den kleinsten Gästen und ihren Begleitungen stehen nun modernere Sanitäranlagen zur Verfügung. Erneuert sind auch Beckenfolie und Beckenumgang. Über den Badebetrieb „wacht“ eine Robbe, die frisches Wasser ausströmt. Für die Eltern gibt es eine große Liegewiese zum Sonnenbaden. Wer Lust hat, kann auch an den Wochenenden im benachbarten Schwimmbad seine Bahnen ziehen.

Stand: 15.06.2024

Bildergalerie - Kinderfreibecken „Robbe“ und Schwimmhalle Nord

Tapetenwerkfest

Lützner Straße 91 | Ortsteil: Lindenau

Zweimal im Jahr öffnen die Galerien, Ateliers und Werkstätten im Tapetenwerk ihre Türen und laden Kunstinteressierte jeweils am Freitag von 17 bis 0 Uhr zum Tapetenwerkfest sowie am darauffolgenden Samstag und Sonntag zu Frühjahrs- bzw. Herbstrundgängen ein. Dies geschieht zeitgleich an den Wochenenden, an denen auch die Leipziger Baumwollspinnerei zum Rundgang – SpinnereiGalerien einlädt. Wer Kunst, Trends, Begegnungen und Geselligkeit liebt, wird diese Wochenenden in vollen Zügen genießen.

Beim Tapetenwerkfest gibt es ein buntes Programm und die Möglichkeit, bei einem Gläschen Wein mit den anwesenden Künstlern, Galeristen und Kunsthandwerkern persönlich ins Gespräch zu kommen. Fast alle Räume, Treppenhäuser und Flure sind öffentlich zugänglich und werden für die Präsentation von Kunst genutzt. Es werden hauptsächlich neue Positionen aus Kunst, Design, Fotografie, Architektur, Buchdruck und Kunsthandwerk gezeigt. Im Innenhof können sich die Besucher stärken und mit Familie und Freunden feiern und verweilen. Auch das ZWISCHENFISCH-Café und die Werkskantine haben geöffnet.

Termine für individuelle Führungen sowie Gruppenführungen bis 20 Teilnehmer können ganzjährig beim Management des Tapetenwerks angefragt werden. Regelmäßig finden in der Halle C01 Ausstellungen und Workshops statt. Die 320 qm große Halle wird besonders von jungen Kreativen als Präsentations- und Kommunikationsraum genutzt. 

Das 1873 im Stil klassischer Gründerzeitarchitektur erbaute Tapetenwerk besitzt eine Fläche von rund 4.400 qm und produzierte bis August 2006 Tapeten, Papiere und Folien. Nach der Stilllegung der Produktion und der Übernahme durch neue Inhaber entstand der heutige kreative Produktionsstandort. Das Fabrikgelände wurde behutsam saniert, so dass der Charme der alten Industriearchitektur erhalten blieb.

Am 30. April 2007 wurde das Tapetenwerk mit dem Tapetenwerkfest 1.0 eröffnet. Am 26. April 2024 fand das Tapetenwerkfest bereits zum 31. Mal statt.

Stand: 09.05.2024

Tapetenwerk

Lützner Straße 91 | Ortsteil: Lindenau

Klangvolle Namen! Die ursprüngliche Leipziger Industrie, wie sie Ende des 19. Jahrhunderts entstand und kräftig expandierte, wies manche Weltmarktfabrik auf. Namen wie Bleichert, Blüthner oder Brehmer sind bis heute geläufig. Und doch waren es tausende viel kleinerer Fabriken, die eher den Alltag und das Nachfrage-Universum der Menschen erreichten. Summarisch heißen sie bis heute oft „Hinterhofbetriebe“. Das ist überhaupt nicht abschätzig gemeint, sondern beschreibt treffend ihren Standort in einer expandierenden Metropole mit einem höchst limitierten Vorrat an Gewerbeflächen. Das Tapetenwerk reiht sich geradezu prototypisch in den Kreis der nützlichen Hersteller der sagenhaften „tausend kleinen Dinge“ ein, die meist erst dann so richtig auffallen, wenn sie mal nicht sofort zur Hand sind. Gleichwohl wäre es müßig, zu erwarten, dass heutzutage noch Tapeten aus dem Tapetenwerk kommen. Wichtigster „Output“ der kräftig umgebauten Fabrik ist vor allem eine facettenreiche Industriekultur.

Am Anfang stand der Wandschmuck


Erinnern Sie sich, wie schwungvoll ABBA-Sängerin
Agnetha Fältskog in dem Video zu „One of us“ ihre neue Wohnung tapeziert? So haben es in der sehr praktisch orientierten DDR Millionen Heimwerker ebenfalls gehalten. Ob sie beim Entfernen der Verpackungshülle von jeder Tapetenrolle einen Blick auf das Etikett des Herstellers geworfen haben, weiß kein Mensch. Hätten sie es getan, wäre auf unzähligen Rollen der Herstellervermerk VEB Tapetenwerk Leipzig aufgetaucht.

Das Werksgelände mit seinen markanten Gebäuden aus der Gründerzeit existiert bis heute. Dort wird sogar der Ursprungsname hochgehalten. Aus gutem Grund.

Die Idee einer industriellen Tapetenfertigung hatten Robert und Adolf Langhammer im Jahre 1883. Lindenau gehörte zu diesem Zeitpunkt noch nicht zur Stadt Leipzig, sondern war eines der stärksten „Industriedörfer“, die sich in einem kompakten Ring rund um die noble Messestadt gruppierten und mit einer immer dichteren Skyline aus rauchenden Schloten von sich reden machten. Dörflich war damals in Lindenau allenfalls noch die Herkunft. Auftrumpfen konnte die selbstständige Gemeinde ebenso wie das benachbarte einstige Bauerndorf Plagwitz mit modernen Fabriken, in die Höhe wachsenden Wohnbauten und einer Pferdebahn, die zuverlässig nach Leipzig verkehrte. Weil es viele wagemutige Fabrikanten dorthin zog, waren die verfügbaren Grundstücke schnell belegt oder gar vergriffen.

Reizvolle, klassische Fabrikarchitektur


So auch im Falle des Tapetenwerks. Viel Fläche zum Wachsen stand nicht zur Verfügung. Die Anordnung der einzelnen Gebäude zeigte es: Vorn die bereits sehr städtische Lützner Straße, hinten eine Ladestelle an den Industriegleisen, die eine Verbindung zum Weltmarkt bahnten. Dazwischen ein schmales Areal mit länglichen Fabrikationsgebäuden, einem Kontorhaus – alles ausgeführt in Ziegelbauweise ohne viel Putz und Zierrat – und mit beengten Verkehrsflächen dazwischen, die eher Schluchten glichen.

An dieser äußeren Gestalt hat sich bis heute wenig geändert. Vorn verläuft die lebendige Lützner Straße mit ihrer Straßenbahntrasse, hinten dehnt sich das Terrain, wo einst die Industriegleise lagen und heute der Henriettenpark zum Verweilen einlädt. Die eigentliche Veränderung steckt in den Fabrikgebäuden selbst.

Dachte zu DDR-Zeiten wahrscheinlich jeder, dort würden „ewig“ Tapeten produziert, kam nach einem gewagten Neustart unter marktwirtschaftlichen Verhältnissen schließlich doch das Aus für den Produktionsbetrieb, der einmal der zweitgrößte deutsche Tapetenhersteller war. Die neue westdeutsche Eigentümerfirma wurde insolvent und riss ihre Leipziger Firmentochter mit in den Strudel der Liquidation. Das Ende des Wandschmucks aus ornamental bedrucktem, robustem Papier war gekommen.

Fast schon ein Sehnsuchtsort der Kreativen


Zwei Architektinnen verfolgten die Idee einer industriekulturellen Umgestaltung und Wiederbelebung der früheren Fabrik und kauften im Jahr 2006 die Immobilie Tapetenwerk der Treuhand-Immobiliengesellschaft ab. Sie planten einen neuen Zuschnitt der historischen Räume für einen „Produktionsbetrieb“ der unkonventionellen Ideen, wie sie nur von besonders Kreativen stammen können. Manchmal stellt das wechselnde, matrixartige Verfahren des inspirierenden Zusammenwirkens verschiedener Berufe – neudeutsch zu Co-Working verklärt – die eigentliche Innovation dar. Im Tapetenwerk heutigen Zuschnitts sind Architekten, Künstler, Handwerker, Kulturmanager, Buchgestalter und Galerien angesiedelt, und sie leben vom intensiven, gegenseitigen Austausch, von dem alle Seiten profitieren. Wert gelegt wird auf Frei-Räume. Und eine einladende Kantine mit schmackhaften Gerichten aus gesunden, regionalen Zutaten gibt es außerdem, wo der angebahnte Gedankenaustausch oft genug weitergeht. 

Bei all diesen schöpferischen Prozessen ist das Tapetenwerk beileibe kein Kokon mit interessanten Leuten, die gern unter sich bleiben wollen, ehe ein Projekt die nötige Reife erreicht hat. Das Tapetenwerk folgt im Gegenteil dem Gedanken größtmöglicher Offenheit. Dafür stehen vor allem die Galerien, und dafür stehen die Tapetenwerkfeste, die regelmäßig zu Rundgängen einladen.

Fachleute, die sich mit der Zukunft der Arbeitswelt beschäftigen, stufen das Tapetenwerk weit oben auf der Skala moderner Ideenproduktion und einer inspirierenden Nutzung historischer Fabrikanlagen ein. Auch die Stadt Leipzig verlegt Workshops, in denen der nationale und internationale Austausch über die Zukunft umbrechender Stadtquartiere und einer gesunden Mischung aus Wohnen und Gewerbe mit auswärtigen Partnern geführt wird, gern in das Tapetenwerk.

An diesem Hotspot der Industriekultur fallen Schranken – falls sie denn überhaupt existiert haben. Besucher sind herzlich willkommen, den Produzenten kreativer Ideen über die Schulter zu schauen und vor allem die Ergebnisse des zeitgenössischen künstlerischen Schaffens am authentischen Entstehungsort in Augenschein zu nehmen. Das Tapetenwerk behauptet damit einen festen Platz in der aktuellen Leipziger Kreativszene.

Stand: 09.06.2022

Stadtgeschichtliches Museum Leipzig

Markt 1 und Böttchergässchen 3 | Ortsteil: Zentrum

Es ist die Schatzkiste und das Geschichtslabor Leipzigs: das Stadtgeschichtliche Museum. Dort können Besucher Geschichte und Geschichten erleben. Von altsteinzeitlichen Siedlungsspuren bis hin zur Gegenwart gibt es anhand originaler und herausragender Objekte viel zu entdecken. Kernstück ist dabei die „gute Stube“ Leipzigs, das Alte Rathaus mit dem historischen Festsaal. Im Mai 2022 wurde dieser nach behutsamen Eingriffen in die historische Bausubstanz sowie notwendiger Modernisierung – vor allem Verbesserungen in Brandschutz und Sicherheit – neu eröffnet.

Zum Museum gehören neben der Dauerschau im Alten Rathaus das Haus Böttchergäßchen, das für Sonderausstellungen genutzt wird. Capa-Haus, Völkerschlachtdenkmal mit dem Forum 1813, Schillerhaus, Sportmuseum, die Alte Börse sowie das Museum „Zum Arabischen Coffe Baum“ sind ebenfalls als thematische Sondereinrichtungen angegliedert.

Bach-Porträt ist wichtigstes Exponat


Seit Gründung des Museums im Jahre 1909 ist das Stammhaus das Alte Rathaus. Dort wird die Historie Leipzigs sehr kompakt dargestellt. Im ersten Obergeschoss sind rund um den Festsaal und die historische Ratsstube, in der
Johann Sebastian Bach seinen Vertrag als Thomaskantor unterschrieb, viele wertvolle Originale zu sehen. Dazu gehört das Bach-Porträt von Elias Gottlob Haußmann, welches unsere Vorstellungen vom berühmtesten Thomaskantor aller Zeiten geprägt hat. Das Bild aus dem Jahre 1746 ist für das Museum wohl das wichtigste Exponat. Aufbewahrt wird der Trauring von Katharina von Bora, der Frau Martin Luthers. Der goldene Ring mit einem Rubin gehört zu den bekanntesten Devotionalien, die es von Luther und dessen Familie überhaupt noch gibt. Auch die Amtskette des Leipziger Oberbürgermeisters aus dem Jahre 1909 ist in einer extra Vitrine zu sehen. Zu besonderen Anlässen leiht der jeweilige Rathauschef sie aus, um sie zu tragen, zum Beispiel bei der Verleihung einer Ehrenbürgerschaft. Hingucker sind die Gemäldegalerien mit Fürsten- und Stadtrichterbildnissen sowie das 25 Quadratmeter große Stadtmodell, das Leipzig im Jahre 1823 detailliert darstellt. Es wurde 1823 vom Möbeltischler Johann Christoph Merzdorf im Maßstab 1:390 gefertigt.

Ausgehend vom Festsaal gelangt der Museumsbesucher in thematisch gegliederte Bereiche. Informiert wird von der frühen Besiedlung des im Kreuzungsbereich der Via Regia und Via Imperii – zweier wichtiger Fernwege – gelegenen Areals. Ansiedlungen von Kaufleuten und Handwerkern werden zur Keimzelle der späteren Stadt. Leipzig erhält zwischen 1156 und 1170 das Stadtrecht. Der Stadtbrief – ein undatiertes, handgroßes Stück Pergament – ist als Faksimile zu sehen, das Original wird im Stadtarchiv auf der Alten Messe aufbewahrt, ebenso wie die beiden von Kaiser Maximilian I. ausgestellten Messeprivilege. Informiert wird ausführlich über die Kirche und Gesellschaft im mittelalterlichen Leipzig.

Einige auf der Seite zum Naschmarkt befindliche Räume sind derzeit in Überarbeitung. Jene Räume sollen mit Unterstützung der Hieronymus-Lotter-Gesellschaft – des Freundeskreises des Museums – 2024 wieder zugänglich sein. Dort wird dann unter anderem eine ausführliche Darstellung der Entwicklung der Leipziger Messe sowie der Blütezeit Leipzigs im 18. Jahrhundert zu sehen sein. Die wertvollen Tapeten aus Krochs Hof kehren ebenfalls zurück.

Schatzkammer mit Geist der Vergangenheit


Wer Lust hat, kann in der Schatzkammer die Geheimnisse der einstigen Stadtoberen erkunden. Über 17 enge Stufen geht es in zwei kleine Räume, die förmlich den Geist der Vergangenheit atmen. Bürgermeister und Ratsherren haben dort jahrhundertelang Urkunden und Kostbarkeiten aufbewahrt. Über eine Klappe in der Ratsstube konnten sie, falls ungebetene Gäste kamen, wertvolle Dokumente unbeobachtet verschwinden lassen. Heute können Besucher dort Teile des Kramerschatzes, wie beispielsweise Pokale, Münzen, silberne und teilweise vergoldete Löffel sowie Dokumente, bewundern. Kramer sind Kleinhändler, die, im Gegensatz zu den Kaufleuten, bis Ende des 15. Jahrhunderts im in Buden und Gewölben, den so genannten Kramen, handelten.

Nach Voranmeldung für Gruppen und zu besonderen Anlässen geöffnet ist das Verlies, das vom Naschmarkt zugänglich ist. Der Schauraum im Keller mit zwei historischen Gefängniszellen sowie der Darstellung ausgewählter Kriminalfälle bietet einen Einblick ins Rechtsgeschehenen früherer Jahrhunderte. Zu sehen sind martialische Folterinstrumente wie Daumenschrauben und Fesseleisen, die von der Grausamkeit der Gerichtsbarkeit vergangener Jahrhunderte zeugen. Der Ausstellungsteil wird derzeit überarbeitet und soll 2025 neugestaltet sein.

„Moderne Zeiten“ mit unerzählten Geschichten


Im zweiten Obergeschoss geht es um die „Modernen Zeiten“. Dort können Besucher eintauchen in glückliche und tragische Zeiten, in denen sich Leipzig mit ungeheurer Dynamik zur Großstadt von europäischer Geltung entwickelt. Dabei reicht die Zeitspanne von der Industrialisierung bis zur Gegenwart.

Wer möchte, kann mit einem Tablet durch die Ausstellung laufen und dort – wie in einer Zeitmaschine – unerzählte Geschichte(n) finden. Etwa an der Statue des Arbeiterführers August Bebel, eine der zentralen Figuren der Sozialdemokratie. Doch wie hat eigentlich Unternehmerin Julie Bebel, seine Ehefrau, dies alles erlebt? Ein weiteres Beispiel ist Bruno Vogel, der Pazifist und Autor, der das bis dahin gültige Männlichkeitsideal in Frage stellte und mit „Es lebe der Krieg“ 1925 das erste deutsche Antikriegsbuch veröffentlichte. Die Besucher können nachvollziehen, wie er zur Ikone der deutschen Schwulenbewegung wurde.

Besonders spannend: Eine stilisierte Fliegerbombe an einer Tür, die mit „Bomben auf Leipzig“ beschriftet ist. Eine Gitterrost-Treppe führt auf den Dachboden. Oben leuchtet auf einer Leinwand das brennende Leipzig. Die englische Royal Air Force fliegt im Winter 1943 immer schwerere Angriffe auf deutsche Städte. In der Nacht auf den 4. Dezember trifft es Leipzig. In einer schlichten Installation wird versucht, ein pietätvolles Gedenken an das Grauen des Krieges zu schaffen.

Präsentation der Ereignisse nach 1990 wird hinterfragt


Informiert wird auch über das Leben in der DDR – etwa am Beispiel der Küche einer Neubauwohnung in Grünau. Eintauchen können die Besucher in die Zeit der
Friedlichen Revolution im Herbst 1989. Im Bereich „Boomtown“ werden hier ausgewählte Umbrüche und Aufbrüche der folgenden Jahre vorgestellt: von den Volkskammerwahlen im März 1990, Straßenumbenennungen, Sanierungen der maroden Bausubstanz, bis zum Flughafenbau. 

Die Präsentation der Ereignisse nach 1990 wird aber bereits aus der Gegenwartsperspektive hinterfragt. Gemeinsam mit dem Kunst- und Kulturverein Krudbude wird bei einer Intervention geschaut, welche und wessen Geschichten erzählt werden und was bisher keinen Platz erhält. „Das ist ein Vorgeschmack auf unsere große Sonderschau zu den 1990er Jahren in Leipzig“, kündigt Museumsdirektor Anselm Hartinger an. Nach der Neueröffnung des Museums „Zum Arabischen Coffe Baum“ im Herbst 2024 steht die Überarbeitung der „Modernen Zeiten“ an.

Sonderschau und Kindermuseum im Haus Böttchergäßchen


Der vom Leipziger Büro der Prof. Coersmeier GmbH entworfene Neubau fürs Museum, mittlerweile als
Haus Böttchergäßchen bekannt, entstand in den Jahren 2002 bis 2004. Der Viergeschosser mit einem Staffelgeschoss beherbergt Sonderausstellungen, das Kindermuseum, die Bibliothek samt Lesesaal und Fotothek, Werkstätten, Depot sowie die Verwaltung. „Kinder machen Messe“ heißt die besonders auf den Nachwuchs zugeschnittene Erlebnisausstellung zur Geschichte der Leipziger Messe. Dort können die Kinder beispielsweise exotische Waren riechen, fühlen und wiegen oder farbenfrohe Kostüme anprobieren.

Stand: 05.01.2024

Bildergalerie - Stadtgeschichtliches Museum Leipzig

Historisches Bildmaterial - Stadtgeschichtliches Museum Leipzig

Schwabe, Uwe

Bürgerrechtler, Sammlungssachbearbeiter, Vorstand Bürgerarchiv | geb. am 4. Mai 1962 in Leipzig

Sein großer Traum ist es, zur See zu fahren. Doch der bleibt ihm in der DDR verwehrt. Als junger Mann verpflichtet sich Uwe Schwabe zwar drei Jahre bei der Nationalen Volksarmee, wo er als Schlosser Flugzeuge repariert. Doch es gibt immer wieder Ärger, da er sich dem militärischen Disziplinierungssystem nicht unterordnen kann. Ihm wird bescheinigt, für den „grenzüberschreitenden Verkehr nicht geeignet“ zu sein. Er schlägt sich in verschiedenen Jobs durch und wird eines der Leipziger Gesichter der Friedlichen Revolution. Uwe Schwabe, der Ex-Bürgerrechtler, wird für seine Verdienste während der Friedlichen Revolution vielfach geehrt. Ob mit dem Bundesverdienstkreuz Erster Klasse oder der „Goldenen Henne“: Schwabe. der Vorstandsvorsitzende des Archivs Bürgerbewegung Leipzig e.V., arbeitet heute im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig.

Ohne Scheuklappen in der Jungen Gemeinde


Geboren wird er am 4. Mai 1962 in Leipzig. Er wächst mit drei Geschwistern im Leipziger Osten auf, die Mutter ist im Dreischichtsystem tätig. Zunächst lebt die Familie in Portitz, in einem Einfamilienhaus der Großmutter. Doch das ist baufällig, die Kosten sind nicht mehr zu tragen. „Es war für mich ein Schock, von der ländlichen Idylle in die Großstadt zu kommen“, erinnert er sich. Plötzlich lebt die Familie in einer Zweiraumwohnung in einem baufälligen Haus, wie überall im Leipziger Osten. Schwabe kümmert sich um die bettlägerige Großmutter, die er pflegt. Zur Schule geht er in die 16. Polytechnische Oberschule in der Konradstraße.

Zwischen 1978 und 1980 absolviert er eine Lehre zum Instandhaltungsmechaniker beim VEB Wasserversorgung und Abwasserwirtschaft Leipzig. Anschließend wird er zur Nationalen Volksarmee eingezogen. Dort lernt er Udo Hartmann kennen, der ihn mit in die Junge Gemeinde der Nikolaikirche nimmt. „Das war für mich so faszinierend, weil ich das erste Mal erlebt habe, wie Leute offen politisch ohne Scheu, ohne Scheuklappen diskutieren“, bekennt er später. Und er begegnet Christian Führer, dem engagierten Pfarrer der Nikolaikirche. „Sein Ziel war es, offene Diskussionen zuzulassen. Und er hat uns junge Leute angeregt, uns kritisch mit vielen Themen auseinandersetzen.“ Ab 1984 engagiert Uwe Schwabe sich in der Umweltgruppe der Kirche.

Eine Anzeige wegen Umweltverschmutzung


Beruflich geht der Instandhaltungsmechaniker nach der Armee zurück an die Werkbank. Zunächst bei der Wasserwirtschaft, später beim VEB Baumaschinenkombinat Süd. 1987 hat er die Nase voll. Er wird schikaniert, weil er seinen Betrieb wegen Umweltverschmutzung anzeigt. Der Grund: Ölfässer werden mitten im Naturschutzgebiet des
Kulkwitzer Sees ohne Auffangwanne einfach auf die Wiese gestellt. Er kündigt, ist arbeitslos, nimmt Jobs wie auf dem Leipziger Weihnachtsmarkt an. Schließlich wird er Pfleger im Albert-Schweitzer-Haus, einem evangelischen Pflegeheim, und kümmert sich dort um alte Menschen, die in großen Sälen mit Bett und Stuhl leben müssen.

Auch das prägt ihn, beschleunigt die Entwicklung zum Revolutionär. Er nutzt die Möglichkeiten der geistigen Freiheit, die die Nikolaikirche den jungen Leuten bietet, ohne sich zum Glauben bekehren zu lassen. 1987 gründet er schließlich eine eigenständige Initiativgruppe „Leben“, die sich auch um Menschenrechtsfragen, Fragen des Wehrersatzdienstes oder der Wehrdienstverweigerung kümmert. Er verweigert selbst den Reservistendienst, wird daher zum einfachen Soldaten degradiert. Ab 1988 beteiligt Schwabe sich an verschiedenen Demonstrationen, organisiert etwa den Pleiße-Gedenkmarsch. Im Januar 1989 ruft er anlässlich der staatlichen Liebknecht-Luxemburg-Demo zum Gegenprotest auf. Weil er Flugblätter verteilt, wird er zehn Tage lang inhaftiert. Auch beim Leipziger Straßenmusikfestival ist er dabei.

Gründungsmitglied beim Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V.


In der Zeit der Friedlichen Revolution setzt er sich für das Neue Forum ein. Einer Partei tritt der Bürgerbewegte aber nicht bei. Ihm ist es wichtig, Erinnerungsarbeit für die Friedliche Revolution zu leisten. Deshalb gründet er mit Gleichgesinnten das
Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V.. Heute ist er Vorsitzender des Vereins, der seinen Sitz im Haus der Demokratie in Connewitz hat. Seit 1994 ist Uwe Schwabe Mitarbeiter im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig. Dort ist er Sammlungssachbearbeiter, sucht gezielt nach Gegenständen für die Wechselausstellungen und macht die Fotorecherche. Besonders spannend: Er besorgt für eine Ausstellung ein selbstgeknüpftes Netz aus der Ukraine. Frauen haben es aus Stoffresten als Tarnnetz für Panzer geknüpft. „Das war sehr abenteuerlich und für mich ein emotionaler Moment.“

Schwabe ist gefragt als Zeitzeuge. „Wir sind Präsident“ – jubiliert er 2015 in Berlin. Damals wird Joachim Gauck zum Bundespräsidenten gewählt. Schwabe ist als einer der Wahlmänner dabei. „Er ist der richtige Mann für dieses Amt.“ Nach wie vor mischt sich der ehemalige Bürgerrechtler Schwabe in Debatten ein. Etwa wenn es um ein Freiheits- und Einheitsdenkmal Leipzig geht.

Mit Gleichgesinnten gründet er 1994 den Verein Europamaidan Leipzig, der Vorträge und Bildungsgebote anbietet, aber auch Psychologen unterstützt, die sich um ukrainische Flüchtlinge kümmern. Außerdem ist er aktiv im Stiftungsbeirat der Bundesstiftung Forum Recht sowie bei der Entwicklung des Forums für Freiheit und Bürgerrechte bei der Neugestaltung des Matthäikirchhofes. Geehrt wird er mehrfach, darunter 2014 mit dem Nationalpreis der Deutschen Nationalstiftung, gemeinsam mit Pfarrer Christian Führer, Pfarrer Christoph Wonneberger und dem Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V..

Stand: 13.03.2024

Bildergalerie - Schwabe, Uwe

error: Dieser Inhalt ist geschützt! Es ist nicht gestattet, diesen Inhalt zu kopieren. Vielen Dank für Ihr Verständnis.