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Bosehaus

Thomaskirchhof 15-16
Ortsteil: Zentrum

Das Bosehaus zählt zu den ältesten Gebäuden am Thomaskirchhof. Georg Heinrich Boseließ es zwischen 1709 und 1711 im Stil des Barock umbauen. Bekanntheit erlangte das Bosehaus durch die freundschaftliche Nachbarschaftsbeziehung der Familie Bose und der Familie Johann Sebastian Bachs, die in der gegenüberliegenden Thomasschule lebte. Das Gebäude ist seit 1985 Sitz des Bach-Museums und des Bach-Archivs Leipzig.

Als die Dielen noch unter Johann Sebastian Bach knarzten… 


Das Bosehaus gegenüber der Thomaskirche zählt zu den schönsten erhaltenen Bürgerhäusern des frühen 18. Jahrhunderts. Das Grundstück, auf dem es steht, gehörte im 13. Jahrhundert zum Areal des Thomasklosters. Da es sich um ein kleineres Bürgerhaushandelte, wurde dem erstmals 1558 erwähnten Gebäude in der Vergangenheit nur wenig Bedeutung zuteil. Nach mehreren Besitzerwechseln ließ Peter Hofmann 1585 bis 1586 anstelle des alten Hauses ein neues errichten. Dabei entstand das Vorderhaus im Stil der Renaissance. Das Haus wurde 1709 von Georg Heinrich Bose, einem angesehen Leipziger Handelskaufmann und Besitzer einer Gold- und Silberwarenmanufaktur, zum Kaufpreis von 8.000 Talern erworben. Im Besitz der weit verzweigten Familie Bose befanden sich auch groß angelegte Barockgärten, welche zu den berühmtesten der ganzen Stadt zählten. Im Jahr 1711 ließ Bose das Gebäude durch den Maurermeister Nikolaus Rempe zu einem großzügigen Kaufmannshaus im Stil des Barock umbauen. Dabei wurden die Seitenflügel und das Hintergebäude neu errichtet. Die Fassade des Vorderhauses wurde mit einem zweigeschossigen Erker ausgebaut. Im hinteren Hofquerflügel wurde 1717 der Sommersaal als repräsentativer Festsaal mit Wandspiegeln, Musikgalerie und einem beweglichen Deckengemälde von Adam Friedrich Oeser eingerichtet. 

Das Bosehaus erlangte insbesondere durch seinen berühmten Nachbarn Johann Sebastian Bach Berühmtheit. Als Thomaskantor wohnte Bach von 1723 bis 1750 in der gegenüberliegenden Thomasschule, die 1902 abgebrochen wurde. Die Familien Bose und Bach pflegten trotz beträchtlicher sozialer Unterschiede ein freundschaftliches Nachbarschaftsverhältnis.

Eine besondere kulturhistorische Bedeutung wurde dem Gebäude unter seinem Besitzer Johann Zacharius Richter zuteil, welcher das Bosehaus 1745 erwarb. Der Schwiegersohn von Georg Heinrich Bose machte es mit der „Richterschen Sammlung“ zum Domizil einer der bedeutendsten Leipziger Kunstsammlungen. Diese umfasste ca. 400 Gemälde, darunter Werke von Rembrandt, Tizian und Rubens, etwa 1.000 Handzeichnungen sowie tausende Kupferstiche. Richters Sohn Johann Thomas Richter erweiterte die Sammlung und machtesie 1764 der Öffentlichkeit zugänglich. Zwischen 1763 und 1773 wurde das Richtersche Haus zum Treffpunkt einflussreicher Zeitgeister, darunter die „Societät von Gelehrten, Schöngeistern, Künstlern und Kunstförderern“. Zu den namhaften Besuchern der Sammlung zählten Johann Wolfgang GoetheChristoph Martin WielandJean Paul und Moses Mendelssohn. Goethe beschreibt in „Dichtung und Wahrheit“, wie sehr er von der Sammlung beeindruckt war. Nach dem Tod seines Bruders Johann Thomas übernahm Johann Friedrich Richter die Sammlung bis zu ihrer Versteigerung 1810.

Ansbacher Bierhallen im Konzert- und Künstlerhaus


Im Jahr 1859 erfuhr das Bosehaus unter seinem neuen Besitzer Johann Ludwig Beck eine umfassende bauliche Veränderung im neuen Zeitgeschmack und unter funktionellen Gesichtspunkten. Die Eingangshalle wurde für Verkaufszwecke mit zwei großen Läden zum Thomaskirchhof hin eingerichtet. Um mehr Platz für Wohnraum zu erlangen, wurde das vierte Obergeschoss hinzugefügt und das hintere Quergebäude erhielt zur Hofseite hin eine Erweiterung über alle Geschosse.

1893 eröffnete der holländische Instrumentensammler Paul de Wit im zweiten Geschoss des Vorderhauses das Musikhistorische Museum, dessen wichtigste Exponate sich heute im Besitz des GRASSI Museums für Musikinstrumente der Universität Leipzig befinden. Mit der kostbaren Sammlung rückte das Bosehaus erneut in den Fokus der Öffentlichkeit. Neben zahlreichen historischen Musikinstrumenten beherbergte das Museum Notenhandschriften, Gemälde und Briefe von Instrumentenbauern und Komponisten. Bis zu de Wits Tod 1925 war das Haus Treffpunkt für Verleger, Künstler und Instrumentenmacher.

Neben seiner Funktion als Wohnhaus und Museum wurde das Bosehaus seit den 1880er Jahren zudem als Veranstaltungsort genutzt. Es war Standort für verschiedene Gaststätten und Spielorte der leichten Muse, darunter die „Ansbacher Bierhallen“. 1910 kam das Bosehaus in den Besitz von Friedrich Wilhelm Reinhardt, dem Direktor der Riebeck-Brauerei in Reudnitz. Reinhardt etablierte in dem Haus mit großem Erfolg das „Konzert- und Künstlerhaus Oberpollinger“. Seit Mitte der 1920er Jahre traten die „Seidel-Sänger-Singspiele“ im Bosehaus auf. Von 1960 bis 1961 wurde im hinteren Quergebäude ein Anbaufür das 1954 gegründete Kabarett „Leipziger Pfeffermühle eingerichtet, welches bis 2007 hier seine Spielstätte hatte. 1973 erfolgte die Einweihung einer kleinen Bach-Gedenkstätte in der Eingangshalle des Bosehauses. Zwischen 1983 und 1985 wurde das Bosehaus unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten saniert und entsprechend der vierflügeligen Hausanlage von 1711 originalgetreu rekonstruiert. Die Umbauarbeiten wurden anlässlich Bachs 300. Geburtstags 1985 fertiggestellt. Im selben Jahr zog auch das Bach-Archiv Leipzig, welches bis dahin seinen Sitz im Gohliser Schlösschen hatte, in das Bosehaus ein und eröffnete hier das „Johann Sebastian Bach-Museum Leipzig“. Damit wurde das Bosehaus zum authentischen Ort und anschaulichen Zeugen, in dessen Gemäuern der große Komponist und Thomaskantor seinerzeit verweilte und musizierte.

Barockes Flair am Thomaskirchhof


Das Bosehaus hat mit seinem zweigeschossigen Kastenerker und der gelben Fassade das typische Aussehen eines barocken Leipziger Bürgerhauses. Über dem gewölbten Erdgeschoss befinden sich zwei Obergeschosse. Ein dreietagiges Mansarddach schließt das Haus nach oben hin ab. Über eine rundbogige Durchfahrt gelangt man in eine geschlossene geometrische Hofanlage mit Fassadenbemalung im Zeitgeist des Barock. Im einst im Stil der Renaissance entstandenen Vorderhaus befindet sich eine zweischiffige, kreuzgratgewölbte Eingangshalle mit toskanischen Säulen und einem Rundbogenportal aus Rochlitzer Porphyrtuff. Das von der Halle abgehende gewölbte Treppenhaus beherbergt eine moderne, geradläufige Treppenanlage mit Sandsteinstufen. Der Südflügel erhielt einen Durchgang zu einem kleinen Garten und zum historischen Sommersaal im zweiten Obergeschoss des Hinterhauses. Der im Stil des Barock rekonstruierte Saal wird heute von einem neuen Deckengemälde des Leipziger Malers Wolfgang Peuker geschmückt, das das verlorengegangene Oesersche Gemälde ersetzt. Angeregt von barocker Plafondmalerei zeigt es eine Allegorie mit Wolkenhimmel. Eine Besonderheit ist die Echokammer, eine Öffnung in der Saaldecke zur darüberliegenden Galerie mit Balustradengeländer. Diese kann mit Hilfe eines beweglichen Holzdeckels geöffnet und geschlossen werden und sorgt heute bei Konzerten für einzigartige Echoeffekte. Im ersten Obergeschoss des Bosehauses ist heute das Bach-Museum untergebracht, im zweiten Obergeschoss befindet sich das Bach-Archiv Leipzig.

Das alljährlich im Juni stattfindende „Bachfest Leipzig“ lockt Bachfans aus der ganzen Welt in die Musikstadt. Bei einem abwechslungsreichen Programm aus weltlichen und kirchlichen Konzerten, Open-Air-Veranstaltungen, Kammerkonzerten und Jazz-Interpretationen wird der berühmte Thomaskantor geehrt.

Bildergalerie - Bosehaus

Bergbau-Technik-Park

Großpösna
Am Westufer 2 (Freiluftmuseum an der Bundesautobahn A 38)

In dieser Gegend haben Menschen die Landschaft mit all ihren ursprünglichen Merkmalen komplett umgestaltet. Ein knappes Jahrhundert lang fand ein Totaleingriff in die vorgefundene Natur statt, wie sie zuvor über Jahrtausende hinweg ohne menschliches Zutun entstanden war. Im Leipziger Südraum hat der Braunkohlebergbau das Land und die Menschen geprägt. Akribisch gesammelte technische Sachzeugen im Bergbau-Technik-Park zeigen, mit welch immensem technischen Aufwand und warum der Eingriff in die natürliche Umwelt geschah. Ein Besuch erleichtert die Spurensuche und deckt Zusammenhänge auf. Aus luftiger Höhe eröffnet sich aus Baggerfahrerperspektive ein verstörend-erklärender Blick, wie dicht der Bergbau bis in die frühen 1990er Jahre bereits an die Großstadt herangerückt war, als abrupt der große Stopp verordnet wurde. Die Leipziger Silhouette mit Neuem RathausThomaskircheCity-Hochhaus und Völkerschlachtdenkmal liegt zum Greifen nahe.

Technische Riesen im Leipziger Neuseenland


Der Bergbau-Technik-Park befindet sich zwischen Markkleeberger See und Störmthaler See. Er ist ein Freiluftmuseum und präsentiert im Leipziger Neuseenland Industriekultur pur. Hier stehen keine Modelle in Vitrinen, sondern die zur Ruhe gekommenen Tagebauriesen vermitteln einen selten gewordenen Originaleindruck von den Dimensionen der Kohleförderung und der eingesetzten Technik. 

Kein Museumsbau hätte die beiden größten Exponate beherbergen können, den Bandabsetzer 1115 und den Schaufelradbagger 1547 mit ihren beeindruckenden reichlich 30 Metern Höhe. Beide Großgeräte stammen aus den Jahren 1985 bzw. 1986, haben also nur rund ein Jahrzehnt im aktiven Dienst gestanden – der eine, um Erdmassen, die auf dem Kohleflöz lagerten, über einen weit gespannten Ausleger zu verkippen, der andere, um den eigentlichen Zweck aller Aktivitäten zu erfüllen, nämlich das natürliche Kohlelager abzubauen. Ein vielschichtiges Räderwerk aus Mensch und Maschine griff ineinander, um bei jedem Wetter und an jedem Tag des Jahres Kohle zu fördern. Kräftige E-Loks zogen die Züge mit dem Abraum oder mit dem aufwendig gewonnenen „braunen Gold“. Die beweglichen Gleise mussten hinter den ausgreifenden Baggern kontinuierlich bis zum Abbauort gerückt werden. Der gesamte Zugbetrieb wurde aus Stellwerken gesteuert, die dank ihrer Kufen auf den einzelnen „Etagen“der Tagebaue ebenso beweglich wie die Gleise sein mussten. Armdicke Kabel für die Stromzufuhr wandten sich durch das umgepflügte Gelände und folgten den Baggern und den Werkbahnen.

Von all diesen technischen Sachzeugen blieben typische Vertreter erhalten, die im Bergbau-Technik-Park zu bestaunen sind. „Ich bin Bergmann! Wer ist mehr?“ war ein geflügeltes Wort in der DDR. Es drückte demonstrativ den Stolz dieser Berufsgruppe aus und vermittelte die Überzeugung, unverzichtbar im Wirtschaftsgefüge zu sein. Umso tiefer saß der Schock, als kurz nach der deutschen Einheit aus ökologischen und ökonomischen Gründen beschlossen wurde, den Braunkohleabbau im Süden und Norden von Leipzig drastisch einzuschränken. Die Kohleförderung litt an kompletter Erschöpfung. 

Rettung für die Riesen 


Nunmehr kehrten sich Berufsstolz und Traditionsbewusstsein der Bergleute dahin, ausgesuchte technische Sachzeugen einer ganzen industriellen Epoche zu bewahren und – so lange es geht – durch lebendige Berichte der Männer und Frauen, die unter komplizierten Bedingungen damit gearbeitet hatten, sachkundig zu begleiten. Bagger, Schienenfahrzeuge, Raupenschlepper, Speziallader und vieles mehr sollten für nachfolgende Generationen aufbewahrt werden. Dank des 2002 gegründeten Vereins Bergbau-Technik-Park e.V. und seiner Unterstützer aus den umliegenden Kommunen und aus der öffentlichen Verwaltung wurde die stillgelegte Technik gerettet. Ohne dieses Engagement wären vor allem die beiden riesigen Bagger – der eine 2.400 Tonnen, der andere 1.300 Tonnen schwer – längst verschrottet worden und den Weg allen alten Eisens gegangen. So jedoch halten sie in der weitläufigen Ausstellung die Erinnerung an den Großtagebau Espenhain wach.

Reichlich „Kohle“ nach der Kohle


Großtagebau Espenhain? Es gibt ihn nicht mehr. Eine vom Menschen geformte Landschaft kehrte stattdessen zurück. Das war immer so geplant, wurde in der DDR aber eher nachrangig, gemessen an der Priorität der nie enden wollenden „Schlacht um Kohle“, betrieben. Die drastische Einschränkung der Braunkohleförderung in den 1990er Jahren ging als Glücksfall einher mit dem sofortigen Schwenk zum Sanierungsbergbau. Nach der Kohle rollte „die Kohle“an. In die entstehende größte Landschaftsbaustelle der Welt flossen Milliardenbeträge. 

Aus den Restlöchern, die nach der Materialentnahme aus dem Schoß der Erde übrigblieben, entstanden anmutige künstliche Seen, was anfangs nur wenige glauben wollten. Die verkippten Erdmassen im Rücken der Abbauseite der aufgelassenen Gruben wurden planiert, mit schnell wachsenden Gehölzen bepflanzt und mit einem Wegenetz für Wanderer erschlossen. Der Bergbau-Technik-Park ruht auf aufgefülltem Gelände des früheren Tagebaus. Es scheint, als würden die Bagger hoch über ihrem einstigen Einsatzrevier aufragen. Und die vorüberführende Autobahn, wo mancher Fahrer beim ersten Mal von den schieren Dimensionen der ausgestellten Technikzeugen nebenan überrascht ist, gründet in weiten Abschnitten auf Betonpfählen, die in das frisch aufgeschüttete, erst allmählich zur Ruhe kommende Erdreich getrieben wurden. Die Abkehr von der Kohleförderung und die Rekultivierung der Landschaft sollten schließlich schnell geschehen.

Dass nunmehr das für 2038 vereinbarte und „idealerweise“ vielleicht auf 2030 vorgezogene Ende des Braunkohlebergbaus in ganz Deutschland viel schneller kommt, als noch vor wenigen Jahren absehbar war, steigert den Wert der bewahrten Technik im Bergbau-Technik-Park. Sie hat die Zeugenschaft für eine komplizierte industrielle Epoche übernommen.

Bildergalerie - Bergbau-Technik-Park

Bayerischer Bahnhof

Bayerischer Platz / Arthur-Hoffmann-Straße
Ortsteil: Zentrum-Süd

Solch einen Bahnhof muss der geneigte Besucher erst einmal entdecken: Wo früher die Züge ankamen und abfuhren, liegen keine Gleise mehr. Der Name blieb. 126 Jahre nach der Eröffnung des Vorgängers übernahm eine andere Station mit der Traditionsbezeichnung Bayerischer Bahnhof tief unter der Erde eine neue Funktion im Zuge des City-Tunnels. In die ehrwürdigen Gemäuer des früheren Bayerischen Bahnhofs an der Oberfläche zog stattdessen zünftige Gastronomie ein, Eisenbahn-Flair inklusive.

Grün-Weiß strebt Weiß-Blau entgegen


Der Bayerische Bahnhof war ein Kind des ausgebrochenen Eisenbahnfiebers in den 1830er Jahren. Die Annalen des Eisenbahnknotens Leipzig verzeichnen ihn als dritten Fernbahnhof. Nach dem Dresdner Bahnhof (1837/Gesamtstrecke in die sächsische Landeshauptstadt 1839) und dem Magdeburger Bahnhof (1840) im Nordosten der historischen Kernstadt stieß der Bayerische Bahnhof 1842 das Tor nach Süden weit auf. Mit einem Schienenweg zunächst bis Altenburg und anschließend etappenweise bis Reichenbach und Plauen tastete sich die Strecke in Richtung Hof vor, wo auf bayerischer Seite das neue Verkehrsmittel Eisenbahn geschwind vorankam.

Wie an vier anderen Stellen in Leipzig ebenfalls bot die kompakte, ihre mittelalterliche Enge erst langsam sprengende Stadt keine andere Gelegenheit, als einen Kopfbahnhof anzulegen. Einen Schienenweg mitten durch das historische Leipzig anzulegen, war undenkbar. 

Den ursprünglichen Bayerischen Bahnhof bildeten zwei helle, längliche Gebäudetrakte für die Bahnhofsverwaltung und als Wohnstätte der höheren Bahnbeamten zu beiden Seiten der Gleise für Ankunft und Abfahrt in der viergleisigen Bahnhofshalle. Quer über die Gleise wölbte sich auf der Stadtseite ein klassizistisch gestalteter Portikus mit seinen erhabenen Buchstaben „Sächsisch-Bayersche Staats-Eisenbahn“ und den Flaggen in Grün-Weiß und Weiß-Blau der beiden Freistaaten nebst den entsprechenden Wappen. Ankommende Lokomotiven rollten durch einen Torbogen auf die Drehscheibe vor dem Portikus (in Höhe des heutigen Zugangs zum City-Tunnel) und setzten sich nach dem Drehen in die entgegengesetzte Fahrtrichtung und dem Passieren des benachbarten Torbogens für die Rückfahrt wieder vor ihren Zug. 

Praktisch genutzter Denkmal-Solitär


Mühsam teilreparierte Kriegsschäden verliehen dem bedeutenden Baudenkmal, das sich weiterhin in voller Nutzung befand, in der DDR eine traurige Gestalt. Doch das Traditionsbewusstsein war wach genug, um den Bayerischen Bahnhof auf die Zentrale Denkmalliste zu setzen. Damit erlangte der Denkmalschutz Gesetzeskraft. Eine Zeitlang spornten Träume, hier ein Zentrales Eisenbahnmuseum mit historischen Fahrzeugen einzurichten, sogar die Phantasie an. Alles andere wäre Frevel gewesen – teilte sich der Bayerische Bahnhof in Leipzig mit einer Station in Liverpool doch den Spitzenplatz, ältester in Betrieb befindlicher Bahnhof der Welt aus der Frühzeit der Eisenbahn zu sein.

Sanierung des Klassikers, Wechsel in den Untergrund


„Rettet den Bayerischen Bahnhof in Leipzig“ befanden Münchner Eisenbahn-Enthusiasten, die 1990 viel Gefallen daran gefunden hatten, dass ein Bahnhof mitten in Sachsen mit seinem exklusiven Namen ununterbrochen das Fernweh nach dem weiß-blauen Freistaat im Süden wachgehalten hatte. Rasch begannen sichtbare Reparaturen der angegriffenen Bausubstanz und denkmalpflegerische Arbeiten, die diesen Namen verdienten. Nunmehr konnte an festlichen Tagen der zu alter Schönheit zurückgekehrte Portikus guten Gewissens wieder im Scheinwerferlicht erstrahlen.

Veränderungsdruck nahte von anderer Seite: Endlich ging der alte Traum von einer durchgängigen innerstädtischen Schienenverbindung zwischen dem Hauptbahnhof und dem Bayerischen Bahnhof in Erfüllung. Die Tunnelidee, die bis in das frühe 20. Jahrhundert zurückreichte, sollte im 21. Jahrhundert Realität werden. Das ließ sich nur mit zwei Großvorhaben umsetzen. Der Bayerische Bahnhof verlor seine oberirdischen Bahnanlagen, und der prächtig sanierte Portikus musste während des Tunnelbaus in offener Baugrube für den Anschnitt der Tunnelstrecke zur Seite geschoben werden. Im Juni 2001 verließ der letzte Zug in Anwesenheit einer treuen Fan-Gemeinde den in jeder Beziehung zum Klassiker avancierten Bayerischen Bahnhof.

Gastronomie mit Eisenbahn-Flair


Dicht an dicht gedrängt verfolgte eine riesige Menschenmenge am 10. April 2006 das Zur-Seite-Rücken des 2.800 Tonnen schweren Portikus in seine 30 Meter entfernte Parkposition während des Tunnelbaus. Hin- und Rückfahrt am 30. Oktober 2006 gelangen perfekt. Als der Portikus wieder am westlichen Bahnhofstrakt „andockte“, blieb nicht der geringste Spalt. Und seit dem 13. Dezember 2013 rollen in der Hauptverkehrszeit tief unter dem historischen Bahnhofsareal die Züge der S-Bahn Mitteldeutschland im Fünf-Minuten-Takt in Richtung Innenstadt oder Süden.

Derweil lädt in den historischen Räumen des Empfangsgebäudes die Gasthaus und Gosebrauerei Bayerischer Bahnhof zur Einkehr ein. Vor dem Gebäude ist die Speisekarte in einem Blechkasten mit der Kontur der weltberühmten bayerischen Dampflok-Baureihe S 3/6 in ihrem klassischen Grün zu finden. Der sächsisch-bayerische Traditionsbezug lebt. Alle Speisen tragen bahnpersonalaffine Namen und entstammen dem beliebten deftigen Kreis der Kulinarik. In der warmen Jahreszeit öffnet außerdem ein gemütlicher Biergarten im Schatten des alten Baumbestands. Historische Fotos und Bahnutensilien unterstreichen die Verbundenheit mit der Bahnhofsgeschichte. Während die Mitropa früher einen Teil des Bahnhofsinnenlebens bestritt, dominiert die heutige Gaststätte das historische Gemäuer des Bayerischen Bahnhofs. Eisenbahnfreunde schätzen diesen stets präsenten emotionalen Brückenschlag zu den Ursprüngen des Bahnhofs.

Bildergalerie - Bayerischer Bahnhof

Historisches Bildmaterial - Bayerischer Bahnhof

Bamberger & Hertz / Königsbau

Goethestraße 1
Ortsteil: Zentrum

Der Königsbau am Augustusplatz wurde nach einem Entwurf der Architekten Arthur Johlige und Hermann Schmidt 1911 im neoklassizistischen Stil von der Königsbau AG errichtet. Er beherbergte seit seiner Fertigstellung bis 1938 das jüdische Kaufhaus „Bamberger & Hertz“ der Familie Bamberger. Dabei handelte es sich seinerzeit um ein führendendes Konfektionshaus für Herrenmode in Deutschland. Heute beherbergt der Königsbau Büro- und Geschäftsräumlichkeiten.

Vom renommierten Konfektionshaus in exponierter Lage


Der unmittelbar neben dem Krochhochhaus gegenüber dem Opernhaus gelegene Königsbau prägt als markantes Eckgebäude seit seiner Errichtung 1911 den Augustusplatz. Das Gebäude an der Grimmaischen Straße beherbergte einst das renommierte Konfektionshaus für Herrenmode „Bamberger & Hertz“, dessen Geschichte bis ins späte 19.Jahrhundert zurück reicht.

Der Beiname „Königsbau“ geht auf die Baufirma Königsbau AG zurück, die das von denArchitekten Arthur Johlige und Hermann Schmidt konzipierte Geschäftshaus im neoklassizistischen Stil 1911 realisierte. Der Grundstein für das erfolgreiche Wirken der Unternehmerfamilie Bamberger wurde durch Jacob Bamberger in Worms gelegt, wo er 1876 sein erstes Konfektionshaus gründete. Dessen Schwager Karl Hertz schied nach anfänglichem Mitwirken in der Firma wenig später wieder aus. Der Name „Bamberger & Hertz“ blieb allerdings bestehen und wurde bald zu einem Begriff in der Branche. Anfang des 20. Jahrhunderts expandierte das Unternehmen und eröffnete weitere Filialen in Frankfurt am Main, Köln, Stuttgart, München und Saarbrücken. Am 7. September 1911 entstand auch in Leipzig eine Zweigniederlassung der Frankfurter Hauptniederlassung, wo die Kaufleute Jacob Bamberger und seine beiden Söhne Ludwig und Fritz als Prokuristen tätig waren. 

Am 18. Oktober 1911 fand im neu errichteten Königsbau am Augustusplatz die feierliche Eröffnung des Spezialhauses für maßgeschneiderte Herren- und Knabenbekleidung durch die geschäftsführenden Brüder Heinrich, Ludwig und Fritz Bamberger statt. Der zur Eröffnung noch unfertige Neubau erhielt sein finales Aussehen nach nur sechs Monaten Bauzeit mit der Fertigstellung des Erweiterungsbaus im Oktober 1912. Das Geschäftsmotto „Verkauf nur gegen bar“ und zu „festen Preisen“ ohne Rabatt bewährte sich in Leipzig – wie zuvor auch in den anderen „Bamberger & Hertz“ Filialen. Trotz der gehobenen Preisklasse stellte sich rasch eine Stammkundschaft ein. Das Kaufhaus genoss einen ausgezeichneten Ruf und zählte zu den führenden Konfektionshäusern Deutschlands. Dank seiner exponierten Lage und den nicht vom Modehaus belegten und stets vermieteten Räumen überstand „Bamberger & Hertz“ die schwierigen Jahre des Ersten Weltkriegs und die Inflation verhältnismäßig unbeschadet unter der Leitung von Ludwig Bamberger und Gustav Bamberger.

Das tragische Schicksal der Familie Bamberger


Mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten 1933 und den fortschreitenden Repressionen gegenüber den jüdischen Bürgern wurde zunächst deren Ausschaltung aus der Wirtschaft erklärtes Staatsziel. Amtlich ausgesprochene Lieferbeschränkungen und -verbotebeeinflussten nachhaltig das Ladengeschäft und die Umsätze sanken stetig. Immer mehr Kunden hatten Angst, in einem jüdischen Geschäft einzukaufen und dabei gesehen zu werden. Aufgrund des immer größer werdenden Drucks entschied sich die Familie Bamberger im Juli 1936 zur Auflösung des Unternehmens. Seit 1938 gab es Bestrebungen zur Enteignung des Traditionshauses. In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde „Bamberger & Hertz“ in Brand gesetzt und die Brüder Bamberger beschuldigt, das Haus selbst angezündet zu haben, um die ansehnliche Versicherungssumme zu erhalten. Wegen Brandstiftung und Versicherungsbetrug angeklagt wurden Ludwig und Gustav Bamberger inhaftiert, die Firma am 10. Dezember 1938 enteignet und das Familienunternehmen aufgelöst. Die Brüder starben später im Konzentrationslager. An das ehemalige Kaufhaus und das tragische Schicksal der Familie Bamberger erinnert heute eine an der Fassade des Gebäudes angebrachte Gedenktafel. 

Vom Familienunternehmen zum Geschäftshaus


Der Königsbau wurde nach dem Zweiten Weltkrieg als eines der ersten Gebäude am Augustusplatz wieder aufgebaut und von 1998 bis 2000 grundlegend saniert. Der Komplex beherbergte einst auch das 1926 vom Konditormeister Ernst Fischer als Konzert- und Lesecafé eröffnete Café Corso. Es galt neben Fischers Kaffeehaus Fürst Reichskanzler, einem Lesecafé mit etwa 200 in- und ausländischen Zeitungen, als legendäre und traditionsreiche Leipziger Institution und befindet sich heute in der Brüderstraße. 1949 zog im Erdgeschoss die Firma Blumen Hanisch ein. Zu DDR-Zeiten war das BaukombinatLeipzig, später Erste Baugesellschaft Leipzig, der Hauptnutzer. 1992 wurde das Gebäude den in Israel und den USA lebenden Kindern von Ludwig Bamberger zurückübertragen. Diese verkauften den Königsbau an den Bauunternehmer Jürgen Schneider, der das Hausbei der Deutschen Industriekreditbank (IKB) hoch belieh. Nach dem Schneider-Konkurs 1994 erwarb die IKB das Gebäude und veräußerte es später an das Versicherungsunternehmen Alte Leipziger.

Heute handelt es sich beim Königsbau um eine Büro- und Geschäftsgebäude mit diversenArztpraxen, einer Bank, einer Bäckerei mit Café und verschiedenen Dienstleistern. Hinter der neoklassizistischen Sandsteinfassade mit ionischen Säulen in den Obergeschossenbefinden sich fünf Stockwerke und ein glasüberdachter Innenhof. Das Dach ist mit vier rundbogigen Zwerchgiebeln gestaltet.

Bildergalerie - Bamberger & Hertz / Königsbau

Historisches Bildmaterial - Bamberger & Hertz / Königsbau

Bachtaler

Thomaskirchhof 11 und Nikolaistraße 3 (Café Kandler)
Ortsteil: Zentrum

Der original Leipziger Bachtaler wird nur von den Konditoren des Café Kandler hergestellt und ist in den Filialen am Thomaskirchhof 11 und in der Nikolaistraße 3 erhältlich. Kreiert wurde die süße Köstlichkeit im Jahr 1999 anlässlich des bevorstehenden Bachjahres „Bach 2000“. Während dieses Festjahres erinnerte Leipzig mit vielen Aktivitäten an den 250. Todestag von Johann Sebastian Bach.

Der Bachtaler repräsentiert beste sächsische Konditorkunst und besteht aus einer Kuvertüreschale, die mit einer Canachecreme – einer harmonischen Verbindung aus Sahne und Buttercreme – gefüllt wird. Ergänzt wird die Füllung durch einen Moccanougat. Als Referenz an die Kaffeesachsen und an Leipzig als Zentrum der Kaffeehauskultur, befindet sich in der Mitte des Bachtalers eine Kaffeebohne. Wenn man diese zerbeißt, verbreitet sich im Mund ein angenehmer Kaffeegeschmack. Deshalb passt es gut, wenn man die süße Spezialität zusammen mit einer Tasse Kaffee genießt. Alle Zutaten des Bachtalers werden von einem Haselnussmürbeteig bedeckt. 

Der Bachtaler wird vom Café Kandler als Einzelexemplar oder in einer größeren Stückzahl in verschiedenen Geschenkverpackungen verkauft. Auf der Vorderseite befindet sich das berühmte Bach-Porträt, das Elias Gottlob Haussmann in zwei Fassungen 1746 und 1748 als Ölgemälde malte. Das Porträt von 1746 wird im Stadtgeschichtlichen Museum Leipziggezeigt. Das Bach-Porträt von 1748 gelangte 2014 aus Privatbesitz ins Bach-Museum Leipzig und wird dort in der „Schatzkammer“ ausgestellt.

Bildergalerie - Bachtaler

Bach-Museum Leipzig

Thomaskirchhof 15-16
Ortsteil: Zentrum

Das Bach-Museum befindet sich seit seiner Gründung 1985 im Bosehaus am Thomaskirchhof. Die multimediale und interaktive Dauerausstellung widmet sich dem Leben und Wirken Johann Sebastian Bachs und seiner Familie und rückt seine Bedeutung für die Musikstadt Leipzig in den Fokus.

Authentische Atmosphäre im Bosehaus


Der Name Johann Sebastian Bach prägt maßgeblich die kulturelle Identität der Musikstadt Leipzig. Neben der Thomaskirche, in der Bach von 1723 bis 1750 als Thomaskantor wirkte, war die benachbarte Thomasschule seine Wohn- und Wirkungsstätte. Hier wohnte er bis zu seinem Tod mit seiner Familie, unterrichtete Schüler und komponierte zahlreiche seiner Stücke. Auch das der Thomasschule gegenübergelegene Bosehaus galt als eine wichtige Wirkungsstätte des Thomaskantors. Die Familien Bach und Bose pflegten ein freundschaftliches Nachbarschaftsverhältnis und Bach selbst musizierte des Öfteren in dem Haus.

1985 öffnete das Bach-Museum im ehemaligen Wohnhaus des Kaufmanns Georg Heinrich Bose seine Pforten. Der Ort wurde sorgfältig gewählt. So war es Werner Neumann, Musikwissenschaftler und langjähriger Direktor des Bach-Archivs, welcher in den 1970er Jahren erstmals die Verbindung zwischen den Familien Bach und Bose nachgewiesen hatte. Die Beherberbung des 1950 gegründeten Bach-Archivs und des neu gegründeten Bach-Museums im Bosehaus war deshalb nur konsequent, da die Thomasschule als originale Wohnstätte des Thomaskantors nach ihrem Abriss 1902 nicht mehr zur Verfügung stand. Damit wurde das Haus zum anschaulichen Zeugen der unmittelbaren Lebenswelt des großen deutschen Komponisten und Musikers von Weltrang.

Bachs Antlitz begrüßt die Besucher


Die erste Ausstellung im Museum beherbergte vier Räume im 1. Obergeschoss des Vorderhauses sowie zwei für Sonderausstellungen vorgesehene kleinere Kabinette. Anlässlich Bachs 250. Todestags im Jahr 2000 wurde die Ausstellung erstmals neugestaltetund um ein Hörkabinett sowie einen Medienraum erweitert. Zwischen 2008 und 2010 wurde das Museum erneut erweitert, neu gestaltet und zu Bachs 325. Geburtstag, am 21. März 2010, feierlich eröffnet. Es wurde ein eingeschossiger Anbau mit einem Raum für Sonderausstellungen und einer Schatzkammer ergänzt, welcher sich gemeinsam mit dem neu eingerichteten Lustgarten an den historischen Südflügel ansiedelt. Seit der Gründung des Museums wurden in den Raumlichkeiten bislang rund 100 Sonderausstellungen gezeigt.

Im Foyer des Museums bietet sich den Besuchern der Anblick einer Marmorbüste Bachs im Alter von 60 Jahren. Diese 1897 von Carl Seffner geschaffene Büste entstand in Verbindung mit dem Denkmalprojekt für den Thomaskantor, welches Ende des 19. Jahrhunderts in Leipzigs initiiert wurde. Neben dem Alten Bach-Denkmal von 1843 in den Parkanlagen des Dittrichrings sollte ein zweites Denkmal entstehen. Nach der Wiederentdeckung des Bach-Grabs auf dem Alten Johannisfriedhof und der Identifizierung von Bachs Gebeinen, an der Seffner maßgeblich geteiligt war, wurden entsprechende Abgüsse des Schädels modelliert und mit den bestehenden Bach-Porträts abgeglichen. Nach diesem Vorbild entstanden 1908 das von Carl Seffner geschaffene Neue Bach-Denkmal auf dem Thomaskirchhof sowie mehrere Büsten, darunter jene im Bach-Museum aus Marmor.

Ein Rundgang durch die Dauerausstellung


Auf einer Fläche von rund 450 Quadratmetern bietet die multimediale und interaktive Ausstellung in zwölf thematisch unterteilten Räumen eindrucksvolle Einblicke in das Leben und Wirken Bachs und seiner Familie. Die Schatzkammer im Erdgeschoss beherbergt die wertvollsten Museumsbestände. An der Stirnseite des Raumes befindet sich das wohl herausragendste Ausstellungsstück des Bach-Museums: eines von lediglich zwei authentischen Porträts Johann Sebastian Bachs. Dieses wurde 1748 vom Maler Elias Gottlob Haußmann geschaffen und dem Museum 2015 vom amerikanischen Musikwissenschaftler William Scheide vererbt. In der Vitrine im Zentrum des Raumes sind originale Schriften aus der Feder Bachs ausgestellt. Seine Notenhandschriften und Drucke müssen aufgrund ihrer Fragilität mehrmals jährlich ausgetauscht werden.

Unter den Musikerfamilien des Barocks prägte wohl keine das musikalische Leben Mitteldeutschlands so herausragend, wie die Familie Bach. Dies thematisiert ein klingender Stammbaum in der Dauerausstellung, welcher die Familienmitglieder sowie deren Kompositionen in den Fokus rückt. Die Grundlage stellte Johann Sebastian Bach selbst zur Verfügung, als er in seinem „Urspung der musikalisch-Bachschen Familie“ Kurzbiografien der 53 männlichen Familienmitglieder, darunter Instrumentenbauer, Kantoren sowie Stadt- und Hofmusiker, vorstellte. Ein weiteres Ausstellungsstück ist eine massive Eisentruhe, welche als einziges bekanntes Möbelstück aus dem Besitz der Familie Bach stammt. Diese Tatsache wurde erst 2009 bekannt, als eine Besucherin auf dem Innendeckel der bis dahin im Dommuseum Meißen als Spendenbehälter genutzten Truhe das Monogramm Bachs entdeckte. Die Initialen „JSB“ sind einmal von links nach rechts und einmal spiegelverkehrt zu lesen und werden von einer fünfzackigen Krone komplettiert.

Von der antiken Johannis-Orgel über barocke Klänge im Sommersaal


Im Zentrum der Ausstellung steht eine Orgel, welche das wichtigste Instrument des Thomaskantors war. Seine Orgelstücke zählten zu den anspruchsvollsten, die jemals komponiert wurden, wobei nicht nur sein Orgelspiel selbst, sondern auch seineBegutachtung neu erbauter oder reparierter Orgeln hoch geschätzt wurde. Auf einem ausgestellten Orgelspieltisch ist die vom Orgelbaumeister Johann Scheibe für die ehemalige Johanniskirche erbaute Orgel zu sehen, die von Bach höchstpersönlich 1743 geprüft und für gut befunden worden war. Bei dem Spieltisch handelt es sich um das einzige erhaltene Relikt der Bach-Orgel in Leipzig. Es ist eine Dauerleihgabe des GRASSI Museums für Musikinstrumente der Universität Leipzig.

Zu Bachs wertvollsten Handschriftenbeständen, die im Museum ausgestellt sind, zählen 44 Stimmensätze der Choralkantaten von 1724 bis 1725. Unmittelbar nach seinem Amtsantritt als Thomaskantor 1723 verschrieb sich Bach dem ehrgeizigen Projekt, für jeden Sonn- und Feiertag eine Kantate zu komponieren und diese aufzuführen. Nach Fertigstellung der Partituren ergänzten Kopisten oder Familienmitglieder die entsprechenden Stimmensätze für das Orchester und den Chor. Vor jeder wöchentlichen Aufführung in der Thomas- oder der Nikolaikirche korrigierte Bach die Abschriften und studierte die Kantaten ein.

Zum Bach-Museum gehört auch ein kleiner Museumsgarten, welcher dem luxuriösen Lustgarten der Familie Bose, dem Großbosischen Garten, zu Beginn des 18. Jahrhunderts nachempfunden ist. Dieser war mit einer Länge von 32 Metern und einer Breite von 18 Metern um einiges größer als der heutige Rosengarten. Hier ließ die Familie Bose Obstbäume, barocke Zierbeete und eine Sommerlaube anlegen, während sich in der Mitte des Gartens ein steinerner Springbrunnen befand. Es wird angenommen, dass sich die Familie Bach selbst des Öfteren bei einem ihrer vielen Besuche bei der Familie Bose in dem Garten aufgehalten haben soll. Ein weiterer Teil des Museums ist der Sommersaal, wo vermutlich Bach selbst musizierte. In seinem barocken Ambiente finden regelmäßig Kammerkonzerte der Musik des 17. und 18. Jahrhunderts statt.

Bildergalerie - Bach-Museum Leipzig

Bach-Denkmal

Thomaskirchhof
Ortsteil: Zentrum

Das 1908 eingeweihte Bach-Denkmal zu Ehren des einstigen Thomaskantors Johann Sebastian Bach befindet sich vor dem Südportal auf dem Thomaskirchhof. Das Bronzestandbild wurde an der Stelle des ursprünglichen Leibniz-Denkmals vom Bildhauer Carl Seffner geschaffen und entwickelte sich zu einem Symbol der weltweiten Bachverehrung.

Der vergessene Bach und das Streben nach einem repräsentativen Denkmal


Einer der wichtigsten Wegbereiter und Begründer Leipzigs als Musikstadt von Weltrang ist der Komponist Johann Sebastian Bach. Er wirkte zwischen 1723 und 1750 als Musikdirektor und Kantor in den vier Hauptkirchen der Stadt, vor allem in der Thomaskirche. Dort leitete er den weltberühmten Thomanerchor. Während seiner 27-jährigen Amtszeit bildete Bach über 300 Thomaner aus. Die ersten Jahre in Leipzig waren die fruchtbarsten Jahre in Bachs Komponistenleben. Er komponierte im Jahr 1727 die weltberühmte Matthäus-Passion und schuf Sonntag für Sonntag neue Kantaten, deren Texte unter anderem Christian Friedrich Henrici unter dem Pseudonym Picander schrieb. Von Bachs Tod am 28. Juli 1750 nahm die Stadt damals kaum Notiz. Der einst berühmte Thomaskantor wurde auf dem Alten Johannisfriedhof ohne Grabstein beigesetzt und geriet schnell in Vergessenheit. Schließlich war es der berühmte Komponist und spätere Gewandhauskapellmeister Felix Mendelssohn Bartholdy, der Bach neu entdeckte sowie seine Werke und sein Schaffen aufleben ließ. Mit der von ihm initiierten Aufführung der Matthäus-Passion in der Berliner Singakademie am 11. März 1829 löste er eine anhaltende Bach-Renaissance aus. Nach 100 Jahren war die Matthäus-Passion erstmals wieder erklungen.

Parallel zur Herausbildung einer systematischen Bachforschung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, wurde der Person Johann Sebastian Bachs zunehmende Aufmerksamkeit zuteil. Anlässlich des 200. Geburtstages des Komponisten 1885 kam der Gedanke zur Errichtung eines zweiten Bach-Denkmals, zusätzlich zu dem von Felix Mendelssohn Bartholdy gestifteten Alten Bach-Denkmal in den Parkanlagen des Dittrichrings aus dem Jahr 1843, auf. Im Zuge der Umbauarbeiten in der Johanniskirche zwischen 1894 bis 1897wurde Bachs bis dahin nur annähernd lokalisierbares und in Vergessenheit geratenes Grab auf dem Alten Johannisfriedhof wiederentdeckt, überbaut und die Idee weiterverfolgt, ihn zu identifizieren. Zur Konkretisierung des Vorhabens trug maßgeblich die Identifizierung von Bachs Schädel durch den Anatom Wilhelm His und den Leipziger Bildhauer Carl Seffner bei. Das 1895 gegründete Denkmalkomitee plante zunächst ein Monument als Pendant rechts vom Altar der Johanniskirche zu Christian Fürchtegott Gellerts Epitaph linkerhandsowie den Bau der Bach-Gellert-Gruft unterhalb des Altarraums. Unter den Mitgliedern des 32-köpfigen Komitees, zu denen auch prominente Persönlichkeiten wie Johannes BrahmsHugo Licht und Joseph Joachim zählten – herrschte zunächst Einigkeit darüber, Carl Seffner mit dem Bau des Monuments zu beauftragen. Dieser plante, Bach vor der Orgel stehend darzustellen. Seffner zählte zu jener Zeit neben Max Klinger zu den bedeutendsten Bildhauern in Deutschland.

Geldnot und 12 Jahre Standortdebatte


Zur zweiten Sitzung des Denkmalkomitees 1896 präsentierte Seffner einen ersten Entwurf der Bronzestatue. Da bereits der Gruft-Einbau 6.000 Mark kosten sollte, überstiegen die von Seffner veranschlagten 30.000 Mark bei Weitem das Budget der bis dahin gesammelten 14.000 Mark, so dass der Plan zunächst verworfen wurde. Stattdessen dachte man aus Kostengründen über ein bescheideneres Monument in Form einer Büste als Analogie zu Gellerts Epitaph nach. Im Zuge der Sitzungen gelangte das Komitee schließlich zum Entschluss, dass eine Errichtung des Denkmals in den Gemäuern der Johanniskirche undurchführbar sei. Es wurde ein entsprechender Bau im Freien an der Südseite der Kirche bevorzugt. Die Standortfrage entwickelte sich zu einer regelrechten Debatte, welche schließlich 1900 durch eine Ablehnung des bei der Stadt für die Errichtung des Monuments an der Johanniskirche beantragten Zuschusses von 15.000 Mark besiegelt wurde. Grund für die Verweigerung des Zuschusses war dabei nicht Seffners Entwurf, sondern der vorgesehene Standort.

Durch die ohnehin notwendig gewordenen städtebaulichen Veränderungen im Bereich der Thomaskirche, wurde Bachs langjährige Wirkungsstätte für das Denkmalvorhaben und eine bewusste räumliche Trennung vom einstigen Begräbnisplatz und der Johanniskirche in Betracht gezogen. Den Vorschlag äußerte erstmals Gustav Wustmann, Archivar und Mitglied des Denkmalkomitees. Unter Berücksichtigung des neuen Standorts gestaltete Carl Seffner 1900 seinen ursprünglich für den Alten Johannisfriedhof vorgesehenen Entwurf um. Nachdem zunächst ein Platz an der Nordwestecke der Thomaskirche in Richtung der Gottschedstraße anvisiert wurde, fiel 1906 – nach 12 Jahren Standortdebatte – die finale Entscheidung schließlich zugunsten des Südportals vor der Thomaskirche. Das neue Bach-Denkmal sollte anstelle des dort seit 1883 befindlichen Leibniz-Denkmals errichtet werden. Durch bauliche Verzögerungen wurde der 50.000 Mark teure Bronzeguss, an dem sich die Stadt mit 25.000 Mark beteiligte, nicht wie ursprünglich geplant im November 1907, sondern am Kantate-Sonntag am 17. Mai 1908 eingeweiht. Der gewählte Ort bot, gemeinsam mit der sich dahinter erhebenden Thomaskirche als authentischer Bach-Wirkungsstätte, einen historisch abgesicherten Rahmen für die Errichtung des Denkmals durch Carl Seffner.

Der berühmte Thomaskantor mit Perücke und Staatsrock


Mit der bronzenen Bach-Statue – zugleich sein Hauptwerk – schuf Seffner für die Nachwelt ein authentisches Bild des berühmten Thomaskantors. Das vom Bildhauer dargestellteAbbild Bachs entspricht der aus der Schädelrekonstruktion zuvor entstandenen Porträtbüste von 1895. Eine entsprechende Fassung der Büste wurde 1998 im Hinterschiff der Nikolaikirche aufgestellt. Seffner zeigt Bach als vitalen Kantor und Komponisten vor einer Orgel stehend. Seine linke Hand löst sich, vermutlich während einer kirchenmusikalischen Aufführung, gerade vom Orgelmanual. Unterhalb der Orgelpfeifen sind zwei weibliche Gesichter abgebildet, wobei es sich der Überlieferung zufolge um die Bildnisse von Seffners Töchtern handelt. Auf dem Orgeltisch ist ein Teil eines mit floralem Schmuck gestalteten Prospekts dargestellt, der den symbolistisch-jugendstilistischen Stil der Epochewiderspiegelt. Entsprechend des Zeitgeistes tritt Bach mit Schnallenschuhen, offenem Staatsrock und Perücke auf. Mit einem Augenzwinkern deutet Seffner durch den nicht zugeknöpften Rock und die umgestülpten Westentasche auf Bachs nachlässigen Kleidungsstil an. Auf der Rückseite der Orgel wird mit der Inschrift 1723 bis 1750 an Bachs Zeit als Thomaskantor erinnert. Auf einem Flachrelief ist die 1902 abgebrochene Thomasschule abgebildet, in der sich auch Bachs Wohnung befand.

Musikgenuss in idyllischer Atmosphäre

Auf dem Thomaskirchhof rund um das Bach-Denkmal kann man heute auf ganz besondere Weise Musik genießen. Ob bei den Konzerten am Bach-Denkmal im Juli und August, bei Veranstaltungen, die im Rahmen des Bachfestes Leipzig stattfinden oder bei individuellen Auftritten von Musikern – die idyllische Atmosphäre lädt zum Verweilen ein. Nicht umsonst wird der ruhige Thomaskirchhof mit seiner historischen Bebauung und den vielen Freisitzen vor den Cafés und Restaurants als schönster Platz in Leipzig bezeichnet. Wer sich näher mit dem Wirken von Johann Sebastian Bach beschäftigen möchte, der sollte das Bach-Museum im 1711 erbauten Bosehaus besuchen. Es befindet sich schräg gegenüber dem Bach-Denkmal. Bach verkehrte oft im Bosehaus, da er mit der Familie des Kaufmanns Georg Heinrich Bose gut befreundet war und beide Familien gern zusammen musizierten.

Bildergalerie - Bach-Denkmal

Historisches Bildmaterial - Bach-Denkmal

Aussichtsturm Bistumshöhe

Zwenkau
Uferrundweg am Cospudener See

Am südwestlichen Ufer des Cospudener Sees befindet sich mit einer Höhe von 35 Metern der Aussichtsturm Bistumshöhe. Er wurde vom 18. April bis 2. August 2000 erbaut und bietet Ausflüglern ganzjährig einen beeindruckenden 360 Grad Blick über das Leipziger Neuseenland

Vom Industrie-Schornstein zum Panorama-Blick aus 35 Metern Höhe 


Am Südwestufer des Cospudener Sees südlich von Leipzig befindet sich die 131,2 Meter hohe landschaftliche Erhebung „Bistumshöhe“. Die Bezeichnung geht auf die einstige Zugehörigkeit zum Bistum Merseburg zurück. An der Stelle des heutigen Turms soll sich bereits früher ein Aussichtspunkt mit Bank und Tisch befunden haben, von welchem aus man eine gute Sicht auf den Tagebau Zwenkau hatte. Im Rahmen der EXPO 2000 und der Eröffnung des Cospudener Sees, welcher als erster See im Leipziger Neuseenland durch die Flutung eines ehemaligen Tagebaurestlochs entstand, wurde auch der 35 Meter hohe Aussichtsturm auf der Bistumshöhe errichtet. Der Turm ist bereits von Weitem sichtbar und entwickelte sich zu einem Besuchermagnet, einem Wahrzeichen und einer Landmarke im Leipziger Neuseeland.

Der Entwurf für das Bauwerk stammt vom Stuttgarter Architekt Werner Sobek. Der durch die sogenannte Schlotbauweise entstandene Turm wurde aus Stahl und sibirischer Lärche gefertigt: 40 Meter lange Leimbinder aus Holz bilden einen konischen Schlot, welcher mit seiner Form an die früheren Industrie-Schornsteine der Tagebauwerke erinnern soll, die jahrzehntelang die Landschaft im Südraum Leipzigs prägten. Im nach allen Seiten offenen Turm führt die von einer durchbrochenen Holzkonstruktion umgebene Stahlwendeltreppe auf die beiden Aussichtsplateaus auf 12 bzw. 35 Metern hinauf. Trotz des anfänglich in Verzug geratenen Zeitplans für den Bau aufgrund des verspätet eintreffenden Dampfers mit der sibirischen Lärche im Rostocker Hafen konnte die Bistumshöhe nach nur vier Monaten Bauzeit am 3. August 2000 feierlich eingeweiht werden. Im Innern des 35 Meter hohen Turms führen insgesamt 180 Stufen hinauf zur Aussichtsplattform, wo die Besucher mit einem spektakulären Rundblick belohnt werden. Im Nordosten schaut man über den Cospudener See mit der Hafenanlage des Pier1, weiter nördlich erkennt man bei klarer Sicht die Silhouette Leipzigs mit dem City-Hochhaus, dem The Westin Leipzig und dem Völkerschlachtdenkmal. In entgegengesetzter Richtung im Süden sieht man den rund einen Kilometer entfernten Freizeitpark BELANTIS – Das AbenteuerReich mit dem dahinterliegenden Zwenkauer See und der aufgeforsteten Neuen Harth. Bei klarer Sicht kann man sogar gut 50 Kilometer weit schauen. Der Aussichtsturm ist ganzjährig und kostenfrei zugänglich und wird saisonal bewirtschaftet.

Kulinarische Spezialitäten und Veranstaltungen zwischen Bisonweide und Seeufer


Am Fuße des Aussichtsturms befindet sich der Imbiss „Shambala-Bistumshöhe“. Hier werden den Gästen ganzjährig im Crêperie-Wagen süße oder herzhafte Crêpes und andere frisch zubereitete kulinarische Leckerbissen angeboten. Eine große Auswahl an heißen und kalten Getränken rundet das Angebot ab. Bei schönem Wetter, an Wochenenden und an Feiertagen werden den Gästen Grillspezialitäten, darunter Bisonbratwürste als Spezialität des Hauses, serviert. Einige Tipis und überdachte Sitzmöglichkeiten bieten einen Moment der Ruhe – lediglich das Kreischen aus der Achterbahn im benachbarten Vergnügungspark und das unterschwellige Rauschen der A 38 erinnern an die nahegelegene Großstadt. Mehrmals im Jahr finden hier außerdem verschiedene Veranstaltungen, darunter Live-Konzerte, Vorträge und Yoga-Workshops, statt.

Unterhalb der Bistumshöhe befinden sich zu beiden Seiten des Uferrundwegs offene Weidetiergehege mit einer Bisonherde und Sikawild. Diese dienen zur Erhaltung des gewünschten Offenlandcharakters des Gebiets und zur Freihaltung des Geländes von Bewuchs. Am Gehege befindet sich der 2008 vom Leipziger Bildhauer Reinhard Rösler geschaffene Bisonstein in Form eines 14 Tonnen schweren Findlings in Gestalt eines Bisons. Unweit der Bistumshöhe am Westufer des Cospudener Sees am Mückenhainer Weg liegt außerdem der 2008 im Rahmen der 7-Seen-Wanderung eingeweihte Drei-Städte-Stein. Dabei handelt es sich um einen vom Bergbauunternehmen Mibrag zur Verfügung gestellten Findling, welcher die Stelle markiert, an der die Städtegrenzen von Leipzig, Zwenkau und Markkleeberg aufeinandertreffen. Auf jeder Seite des Findlings ist das jeweilige Stadtwappen abgebildet.

Am Seeufer unterhalb der Bistumshöhe befindet sich außerdem die Schiffsanlegestelle der MS Cospuden, mit welcher man in der Saison bis zu drei Mal pro Tag zum Pier1 und zum Nordstrand befördert wird.

Bildergalerie - Aussichtsturm Bistumshöhe

Alte Nikolaischule

Nikolaikirchhof 2
Ortsteil: Zentrum

Die Alte Nikolaikirche wurde 1512 unter dem Namen „Schola Nikolaitana“ als erste Bürgerschule Leipzigs eröffnet und gilt als bedeutendes Kulturdenkmal. Sie beherbergt heute neben dem gleichnamigen Gasthaus eine dem berühmten Nikolaitaner Richard Wagner gewidmete Dauerausstellung, das Antikenmuseum der Universität Leipzig sowie eine Veranstaltungsetage mit der historischen Richard-Wagner-Aula.

Die erste Bürgerschule der Stadt entsteht


Die Geschichte der Alten Nikolaischule reicht bis in das 14. Jahrhundert zurück. Zu dieser Zeit entwickelte sich Leipzig als Schnittpunkt der West-Ost-Handelsverbindung und mit drei Messen im Jahr zu einem der wichtigsten Warenumschlagplätze Europas. Gleichzeitig stieg auch der Bildungsanspruch in der Stadt. Das Leipziger Patriziat forderte deshalb den Bau einer Schule ähnlich der Thomasschule, jedoch ohne das zeitaufwendige Singen in Gottesdiensten. Angestrebt wurde eine Lateinschule, welche ihre Schüler nicht auf die Handelstätigkeit, sondern auf ein Studium vorbereiten sollte. Ziel war es, eine eigeneBildungs- und Verwaltungsschicht aufzubauen. 1395 genehmigte Papst Bonifatius IX. der Stadt die Errichtung einer eigenen Schule innerhalb der Kirchgemeindegrenzen von St. Nikolai. Die Realisierung der Pläne stieß allerdings auf heftigen Widerstand seitens der Augustiner-Chorherren des Thomasstiftes, welche das Bildungsmonopol der 1212 gegründeten Thomasschule bewahren wollten. Das päpstliche Privileg von 1395 konnte schließlich erst mehr als hundert Jahre später im Jahr 1510 nach zahlreichen Ratsbeschlüssen zur Errichtung der Stadtschule verwirklicht werden. Der Thomasstift überließ dem Rat widerwillig das baufällige Gebäude der Küsterei auf dem Nikolaikirchhof. Dieses wurde unmittelbar abgebrochen, lediglich der Keller mit dem Tonnengewölbe blieb bestehen. Darauf entstand ein zweistöckiger, unmittelbar an seine Nachbarhäuser anschließender Neubau in Traufstellung zum Kirchhof und zur Nikolaikirche. Das Gebäude wurde im Herbst 1512 einschließlich der Ausstattung seiner Schulstuben fertiggestellt. Die„Schola Nikolaitana“ nahm als erste Bürgerschule der Stadt unter ihrem Schulmeister, dem Magister Johannes Rumpfer, ihren Betrieb auf. Der Unterricht erfolgte in vier Klassenstufen. Zu den Fächern zählten Latein, Singen und Schreiben. Im Gegensatz zur Thomasschule musste für den Besuch der Nikolaischule ein Schulgeld entrichtet werden.

Unter den engagierten und humanistischen Rektoren Johannes Musler und Dr. Wolfgang Meurer erlebte die Nikolaischule ihre erste Blütezeit und die Zahl der Schüler stieg deutlich an. Die unteren der nunmehr sechszügigen Klassen entsprachen einer Grundschule, während die oberen auf das universitäre Studium vorbereitet wurden. Das Bildungsideal zu dieser Zeit sah eine „geistig freie, selbstständig denkende Persönlichkeit“ vor, weshalb das breit gefächerte Unterrichtsprogramm auch Fächer wie Griechisch, Rhetorik und die Aufführung klassischer Tragödien beinhaltete. Im Jahr 1547 wurden die nunmehr 150Schüler von fünf Lehrern unterrichtet.

Die Schola Nikolaitana und ihre berühmten Schüler


Auf die erste Aufbauetappe des Leipziger Bildungswesens folgte eine durch die Einführung der Reformation und die daraus resultierende Umgestaltung der Schule hervorgerufene Stagnation. Die Belastungen durch den Schmalkaldischen Krieg und ein verheerender Brand des Schulgebäudes 1551 schienen den Untergang der Nikolaischule zu besiegeln. Schließlich entstand 1553 ein steinerner Neubau, der von den Leipziger Baumeistern Jacob Griebe und Leonhard Oelfaß von 1596 bis 1597 umgesetzt wurde. Die zwei beengten Schulhäuser wurden zu einem Baukörper vereinigt und in Form eines dreistöckigen Schulhauses der Renaissance zum Kirchhof ausgerichtet.

In der Geschichte der Schule ragten insbesondere vier Nikolaischüler besonders heraus: Gottfried Wilhelm Leibnitz, Universalgenie und bedeutender Philosoph, und Christian Thomasius, der später in der Epoche der Aufklärung berühmt gewordene Staats- und Rechtsgelehrte. Leibnitz war von 1658 bis 1661 Schüler an der Nikolaischule, Thomasius von 1665 bis 1770. Auch der namhafte Dichter und Schriftsteller Johann Gottfried Seumesowie der berühmte Komponist und Dirigent Richard Wagner besuchten 1779/80 bzw. 1828 bis 1830 die Nikolaischule. Daran erinnert noch heute eine Tafel an der Gebäudefassade. 

Mit der industriellen Revolution und dem damit einhergehenden wachsenden Bildungsanspruch kam es zu einem erneuten sprunghaften Anstieg der Schülerzahl. Das zu eng gewordene Schulgebäude wurde nach Plänen des Rektors Albert Forbiger 1826/27 erweitert. Dabei wurde das Eckhaus mit Giebelstellung zum Nikolaikirchhof einbezogen. Im neuen Westflügel wurde das Schulhaus in der zweiten Etage um eine Aula und einen Festsaal bereichert und erhielt insgesamt sieben Auditorien. Da die Schülerzahl inzwischen auf 372 angewachsen war, verlagerte man das Nikolaigymnasium 1872 in einen Neubau in der Königstraße, der heutigen Goldschmidtstraße. Dieser wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Nach dem Auszug des alten Gymnasiums wurde das Gebäude multikommunal genutzt. Die Universität Leipzig wurde 1953 neuer Rechtsträger und neben der Bau- und Handelshochschule Leipzig Nutzer der Alten Nikolaischule. Aufgrund seiner Baufälligkeit wurde das Gebäude 1976 durch die Bauaufsicht gesperrt. Aufgrund von fehlenden Mitteln zur Sanierung erfolgten zehn Jahre später der Abriss des Hofgebäudes und desTreppenhauses. Am 10. Oktober 1990 wurde die Alte Nikolaischule durch einen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung an die Kulturstiftung Leipzig übertragen und zwischen 1991 und 1994 umfassend saniert. 

Gasthaus, Dauerausstellung und Konzerte in authentischem Ambiente 


Ihr heutiges Erscheinungsbild erhielt die Alte Nikolaischule im Zuge zahlreicher Umbautenum 1900. Aus dieser Zeit zeugt noch die von Hugo Licht zwischen 1900 und 1906 für die Königliche Garnisonswache erbaute dekorative dreibogige Arkade. Bei der Sanierung in den1990er Jahren setzten die Architekten bewusst auf einen Kontrast zwischen neu Gebautem und historischer Bausubstanz. Der schlicht gehaltene Putzbau mit den Tür- und Fenstergewänden aus Rochlitzer Porphyrtuff sowie dem Konsolgesims unterhalb der Traufe bewahrten sich bis heute ihr Erscheinungsbild aus dem späten 16. Jahrhundert. Auch die bemalte Holzdecke im Eingangsbereich sowie das sich über der Tür befindliche Stadtwappen stammen aus dieser Epoche. Im Gebäudeinneren führt eine moderne Treppe aus Glas und Stahl zu den Etagen. Im Untergeschoss beherbergt die Alte Nikolaischule dieim Mai 2013 anlässlich des 200. Geburtstages von Richard Wagner eröffnete Dauerausstellung „Der junge Richard Wagner 1813 bis 1834“. Diese widmet sich als erste Ausstellung überhaupt ausschließlich der Persönlichkeit des jungen Genies. Im Fokus stehen dabei sein Umfeld, seine Jugend, sein musikalischer Werdegang und sein Frühwerk. Im Erdgeschoss befindet sich das Gasthaus „Alte Nikolaischule“. Der zentrale Gastraum, heute der historische Leibnitzsaal, befindet sich im Auditorium aus dem 16. Jahrhundert. In dem restaurierten Saal kann man an den Wänden Fragmente der wiederentdeckten lateinischen Inschriften bewundern. Das 1. Obergeschoss beherbergt das Antikenmuseum der Universität Leipzig. Dabei handelt es sich um eine der ältesten und bedeutsamsten Sammlungen römischer und griechischer Altertümer an Universitäten in ganz Deutschland. Sie zeigt rund 10.000 originale Gegenstände. Im 2. Obergeschoss befindet sich die historische Richard-Wagner-Aula im Stil des Klassizismus. Dabei handelt es sich um den einzigen authentischen Ort in Leipzig, der unmittelbar mit dem Wirken Richard Wagners verknüpft ist. Zur Ausstattung gehört neben einem modernen Blüthner-Flügel ein historisches Broadwood-Klavier aus dem Jahr 1835. Mit ihren 100 Plätzen wird die Aula für Veranstaltungen unterschiedlicher Art, darunter Theaterprojekte, Lesungen und Konzerte, genutzt. Im Foyer vor der Aula finden wechselnde Ausstellungen statt. 

Bildergalerie - Alte Nikolaischule

Historisches Bildmaterial - Alte Nikolaischule

Wintergartenhochhaus

Wintergartenstraße 2
Ortsteil: Zentrum

Hochhäuser prägen die Silhouette vieler deutscher Großstädte. Meistens handelt es sich dabei um Bürotürme, denen zugetraut wird, dass sie das Selbstverständnis der darin residierenden Banken oder Industriekonzerne prägnant, ja eindringlich herauskehren. Anders in Leipzig. Hier rangiert ein Wohnhochhaus in der Spitzengruppe der höchsten Bauwerke. Über viele Jahre hinweg ließ es sich der Höhe nach von keinem anderen deutschen Wohnturm übertreffen – das Wintergartenhochhaus.  

Dominante des Aufbauwerks


Ende der 1960er war das Aufbauwerk in Leipzig nach den Zerstörungen der alten Stadt im Zweiten Weltkrieg im Wesentlichen geschafft. Großzügiger als im Sinne bloßer Stadtreparatur sollte nunmehr geplant und gebaut werden. „Dominanten“ fanden Eingang in den Sprachgebrauch der Baumeister und der an Architektur und Städtebau interessierten breiten Öffentlichkeit. Die Messestadt Leipzig sollte in die Höhe wachsen und an fünf Stellen den Siegeszug einer sich überlegen dünkenden „neuen Gesellschaftsordnung“ gestalterisch in Beton gießen. Die „neuen sozialistischen Stadtzentren“ wurden kräftig propagiert – und im Mai 1968 steckte in der Leipziger Volkszeitung die erste vierfarbige Beilage dieses Blattes mit zahlreichen Planzeichnungen und Modellen, wie schön alles werden sollte. Fünf Hochhäuser – die Dominanten des Forschrittsversprechens und der Schlaglichtauftritte vor dem zwei Mal pro Jahr anreisenden internationalen Messepublikum – sollten eine weithin sichtbare Skyline formen (auch wenn solch ein Amerikanismus damals im Sprachgebrauch fehlte). Es ging neben dem Wohnhochhaus Wintergartenstraße um das Hochhaus der Karl-Marx-Universität (heute City-Hochhaus), ein Hotel am Friedrich-Engels-Platz (heute Goerdelerring, nicht realisiert), ein Hochhaus am Bayerischen Bahnhof als Entree zur Straße des 18. Oktober (nicht realisiert) und einen weiteren Wohnturm im Zentrum der Messemagistrale (nicht realisiert). Die schwindende Umsetzungsquote der hochfliegenden Pläne war der Diskrepanz zwischen Präsentationswunsch und Baukosten für die speziell, keineswegs am Fließband projektierten Hochhäuser geschuldet. Plattenbau ging schneller und war billiger.

Ein Hochhaustraum geht in Erfüllung


Doch an der Wintergartenstraße ging der Hochhaustraum in Erfüllung. Auf dem benachbarten Hauptbahnhof kamen die Messegäste mit den Sonderzügen und mit den Pendelbussen vom Flughafen an. Dort verflocht sich der Stadtverkehr mit dem hereinflutenden Autostrom. Es war die angemessene Stelle, um ein Achtungszeichen in der Symbolgestalt eines erhobenen Zeigefingers zu setzen.

Die geschwungene Einfädelung Promenadenring/Wintergartenstraße ist ein prominenter Ort. Deshalb war Stadtbaurat Hubert Ritter mit seiner legendären Vision einer Ringcity schon in den 1920er Jahren auf die Idee gekommen, an der Ostseite des Hauptbahnhofs ein Hochhaus zu platzieren. Der Krieg hinterließ dagegen an diesem Fleck den Torso des Hotels Stadt Rom. Es fiel 1969, um das Baufeld für das Hochhaus zu räumen, auch wenn die Bodenbeschaffenheit für einen Vielgeschosser an diesem Fixpunkt nicht ideal ist. Mit einer massiven Betonwanne ließen sich die Nachteile korrigieren.

Das Wohnhochhaus entstand zwischen 1970 und 1972. Im wahrhaft praktischen Mittelpunkt stand der erstmals für ein Bauwerk dieser Dimension angewandte Betongleitkern. Wie es damit vorangeht, stand jeden Morgen mit der Regelmäßigkeit des Wetterberichts oder des Fernsehprogramms in der Tageszeitung. Ein gedrucktes Bautagebuch gewissermaßen. Die Tatra-Transportbetonmischer rollten nach einem strengen Plan an. Fiel einer aus, sprang sofort ein vorgehaltenes Ersatzfahrzeug ein. Für die laufenden Messungen der Maßhaltigkeit des Gleitkerns kam erstmals hochmoderne Lasertechnologie zum Einsatz. Die Kontinuität und Zuverlässigkeit des Wachsens prägte alle Abläufe.

Attraktive Perspektiven jederzeit und allerorten


Architektonische Leitidee des Wohnhochhauses, entworfen von Horst Siegel, sind die 16 Außenecken des symmetrischen Grundrisses aller 26 Wohnetagen, die sich optisch durch abgeschrägte Balkonvorderseiten zum Eindruck eines achteckigen Baukörpers verdichten. Rote Sichtflächen an den Vorderseiten der Balkone und die vorgefertigte schneeweiße Außenhaut unterstrichen den herausgehobenen, immer besonders reinlich wirkenden Auftritt des Bauwerks in einem sich ändernden Stadtbild.

Und erst die Aussicht! Egal, auf welcher Seite jemand in der sozial wohlweislich durchmischten Hausgemeinschaft eine Wohnung bekam, für eine überzeugende Perspektive war gesorgt. Die Sonnenaufgänge im Osten der Stadt! Das Innenstadtpanorama im Süden! Das wuselige, großstädtische Umfeld des Hauptbahnhofs! Lob kam und kommt von allen Seiten. Das Wohnhochhaus Wintergartenstraße – wiewohl ein Solitär – stand trotzdem nicht allein. Unten nahm das zweietagige Restaurant Stadt Dresden die leicht geschwungene Linie des Georgirings auf, und nach Osten erstreckte sich der ebenfalls zweigeschossige, ausgreifende Bauriegel des „Einkaufszentrums am Hauptbahnhof“ mit dem Hortex-Markt, der jeden Morgen mit frischem Obst und Gemüse aus Polen direkt beliefert wurde.

In dieser Kombination glitt das Wintergartenhochhaus nahtlos in die deutsche Einheit. Eigentümer des Komplexes wurde im nunmehr marktwirtschaftlichen Gewand die städtische Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft LWB. Sie verkürzt den Namen ihres Juwels gern auf Wiga und hat sich ihm bewusst dadurch genähert, dass sie ihren neuen Unternehmenssitz zu Füßen des damals rund 40 Jahre alten Hochhauses errichtete. Um dieses Vorhaben auf dem kompliziert geformten Grundstück umsetzen zu können, mussten das Restaurant und das Einkaufszentrum abgerissen werden. Leer blieb die Fläche selbstverständlich nicht. Im Anschluss an die gründliche Sanierung des Hochhauses vor der FIFA Fußball-WM 2006 entstanden neben dem genannten LWB-Hauptquartier ein Hotel und schicke Wohnbauten, die es – gemessen an der sich bietenden Aussicht – natürlich nicht mit einer der oberen Etagen des Hochhauses aufnehmen können.

Ach ja, die Höhe. Fast 107 Meter sind es bis zur Oberkante des Doppel-M der Leipziger Messe, das sich von Beginn an in luftiger Höhe dreht. Auf fast 96 Meter Höhe schichten sich die Wohnetagen. Damit war das Wintergartenhochhaus bis zum Jahr 2020 in ganz Deutschland das höchste reine Wohngebäude. Dann stürmte der Grand Tower in Leipzigs Partnerstadt Frankfurt am Main mit seinen 180 Metern Höhe auf 47 Etagen an die Spitze. Sei’s drum: Für Wohnungen im Wiga führt die LWB eine Warteliste.

Bildergalerie - Wintergartenhochhaus

Historisches Bildmaterial - Wintergartenhochhaus

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