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Brauhaus Napoleon

Prager Straße 233 | Ortsteil: Probstheida

Das im Jahr 1624 unter dem Namen „Gasthof von Probstheida“ eröffnete Brauhaus Napoleon gilt als eine der traditionsreichsten Lokalitäten Leipzigs. Während der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 kehrte Napoleon zwei Mal im Gasthaus ein. 1997 wurde die Lokalität als „Zum Kaiser Napoleon“ wiedereröffnet, bevor das unter Denkmalschutz gestellte Gebäude 2006 nach umfassender Sanierung seinen heutigen Namen „Brauhaus Napoleon“ erhielt. In historischem Ambiente werden gutbürgerliche Speisen, sächsische Spezialitäten und selbstgebrautes Bier serviert.

Vom Kaiser Napoleon und Schlachtplänen im Probstheidaer Gasthof


Die Völkerschlacht zu Leipzig vom 16. bis 19. Oktober 1813 wird meist mit dem monumentalen
Völkerschlachtdenkmal in Verbindung gebracht. Die zu jener Zeit größte Feldschlacht der Geschichte ereignete sich jedoch auf einem weitläufigen Areal in und um die Stadt. Heute illustrieren mehrere Museen und authentische Orte die historischen Schauplätze dieses Ereignisses, darunter das Brauhaus Napoleon als eine der traditionsreichsten Lokalitäten in Leipzig, dessen Geschichte bis ins Jahr 1624 zurückreicht. In dem als „Gasthof von Probstheida“ eröffneten Lokal rasteten zu dieser Zeit Fuhrleute und Reisende gleichermaßen. Während des Dreißigjährigen Krieges wurden Probstheida und das Gasthaus mehrfach von schwedischen und kaiserlichen Truppen geplündert. Dank der guten Entwicklung der Geschäfte an der Handelsstraße von Skandinavien nach Böhmen wurde der Gasthof im Jahr 1744 umgebaut und erweitert. Diese Jahreszahl ist noch heute im Türstock verewigt. Im Zuge des Siebenjährigen Krieges wurde der Gasthof von preußischer Seite besetzt. Im April 1813 richteten russische und preußische Soldaten in Probstheida und dem Umland ein großes Biwak ein. Zu dieser Zeit diente das Lokal als Quartier für die russischen Generäle sowie als Küche für hunderte Offiziere. Im Oktober desselben Jahres wurde es während der Völkerschlacht zu Leipzig als Stabsquartier der Gardengrenadiere Napoleons genutzt. Weithin verbreitet ist außerdem, dass sich Napoleon während der Völkerschlacht zweimal im „Gasthof von Probstheida“ aufhielt. Von seinem Quartier im benachbarten Stadtteil Stötteritz ritt Napoleon der Überlieferung nach am 18. Oktober 1813 in das Lokal, um sich dort mit seinem Schwager, dem König Murat von Neapel, im Garten des brennenden Gasthofs zu treffen und über den weiteren Schlachtverlauf zu entscheiden. Nach dem Abzug der französischen Truppen wurde Probstheida von Österreichern, Preußen und Russen besetzt. Der noch erhaltene Stall wurde als Lazarett genutzt. Ab 1814 begann der Wiederaufbau des Gasthofs. Der damalige Inhaber Gottlob Martin erhielt im Jahr 1824 die Branntweinlizenz. 1856 erfolgte der Umbau des einstigen Stalls zu einer altdeutschen Trinkstube sowie der Anbau des kleinen Festsaals im ersten Geschoss.

Mit Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich das Gasthaus zu einem beliebten Ausflugsziel der Leipziger, die mittels der elektrischen Straßenbahn von der Innenstadt nach Probstheida gelangen konnten. Zum 100-jährigen Jubiläum der Völkerschlacht im Jahr 1913 verfügte der Gasthof mit 1.500 Plätzen über den größten Biergarten der Stadt. Das im Zweiten Weltkrieg stark beschädigte Gebäude wurde in den 1950er Jahren für andere Zwecke genutzt und stand nach 1990 für längere Zeit leer. Am 3. Dezember 1997 wurde das Lokal als erste Gasthausbrauerei Leipzigs von den neuen Betreibern Gisela Röder und Helmut Börner wiedereröffnet. Unter dem neuen Namen „Zum Kaiser Napoleon“ entwickelte es sich zu einem Treffpunkt für Völkerschlacht-Fans. So feierten hier etwa der Verein „Ars bella gerendi“ und die „Russisch-Deutsche Legion“ Napoleons Geburtstag. Nach umfassender Sanierung wurde das unter Denkmalschutz gestellte Gebäude 2006 als Gasthausbrauerei unter dem Namen Brauhaus Napoleon wiedereröffnet. Im Jahr 2014 erhielt das Brauhaus einen Anbau, in welchem das neue Hotel sowie weitere Gasträume untergebracht sind. Für Veranstaltungen stehen verschiedene Räumlichkeiten zur Verfügung und können für private und geschäftliche Zwecke gebucht werden, darunter die Braustube (120 Personen), der Festsaal (100 Personen), der Wintergarten (30 Personen) und die Wachstube (30 Personen).

Gegenüber dem Freisitz des Brauhauses befindet sich die von Gert Pfeifer betriebene Verkaufsstelle der Firma Historia – Event und Souvenir Leipzig. Hier kann man unter anderem in Handarbeit gefertigte, vollplastische Zinnfiguren oder Souvenirs mit originalen Fundstücken der Völkerschlacht bei Leipzig erwerben.

Schlemmen in historischer Atmosphäre von 1813


Das Brauhaus Napoleon präsentiert sich mit der historischen Einrichtung von 1997. Die Wände sind mit Waffen, Uniformen, Flaggen und Bildern von Napoleon und der Völkerschlacht ausgestaltet. In der Mitte der Gaststube befinden sich zwei große Kupferkessel, in denen eigenes Bier gebraut wird, darunter das Napoleon Hell & Spezial mit einem Stammwürzgehalt von 12,5 Prozent und 5,2 bis 5,4 Prozent Alkohol. Interessierte Gäste können ein Bierseminar mit Verkostung des hausgebrauten Biers buchen und dabei vom Braumeister persönlich mehr über dessen Herstellung erfahren. Neben selbstgebrautem Bier kann man die gutbürgerliche Küche mit typisch sächsischen Spezialitäten genießen, darunter sächsischer Sauerbraten, Braumeistersteak oder hausgemachte
Quarkkäulchen. Zusätzlich zu Leipziger Spezialitäten wie dem Kümmellikör Leipziger Allasch beinhaltet die Speisekarte auch einen Mandarinenlikör mit Zimtnote, bei dem es sich der Überlieferung nach um Napoleons Lieblingslikör handelte, der ihn an seine Heimat erinnerte. 

Stand: 26.09.2023

Bildergalerie - Brauhaus Napoleon

BELANTIS – Das AbenteuerReich

Zur Weißen Mark 1 | Ortsteil: Hartmannsdorf-Knautnaundorf

Der Freizeitpark BELANTIS – Das AbenteuerReich wurde am 5. April 2003 auf 25 Hektar Fläche eröffnet. Er befindet sich im Leipziger Neuseenland auf dem Areal des ehemaligen Tagebaus Zwenkau.

Vom Braunkohletagebau zum Disneyland von Mitteldeutschland


Dort, wo zwischen 1924 und 1999 noch Braunkohle abgebaut wurde, befindet sich heute auf dem Gebiet des ehemaligen Tagebaus Zwenkau vor den Toren Leipzigs der größte Freizeitpark Mitteldeutschlands. Seit seiner Grundsteinlegung 2001 und der sukzessiven Flutung der ehemaligen Tagebaurestlöcher entstand der Park inmitten der einstigen Tagebaulandschaft im Leipziger Süden, welche sich zu einem attraktiven Naherholungsgebiet, dem Leipziger Neuseenland, entwickelte. Die ursprüngliche Idee für den Bau des Vergnügungsparks lieferte die Regiocast, eine Gruppe von privaten Radiosendern, darunter Radio PSR, Radio SAW und Radio BOB. Ihrer Meinung nach gab es noch keinen Freizeitpark in Ostdeutschland, der mit dem Heidepark, dem Phantasialand oder dem Europapark vergleichbar gewesen wäre. Aus diesem Grund tätigte die Regiocast eine hohe Anfangsinvestition und kaufte eine 50 Hektar große Fläche in der Nähe von Leipzig am
Zwenkauer See. Ziel war es, den Vergnügungspark, der zunächst nur knapp die Hälfte des Areals einnahm, von Saison zu Saison sukzessive auszubauen und um weitere Attraktionen und Angebote zu ergänzen. Als Entwickler, Planer und Bauer von BELANTIS fungierte der Architekt Rüdiger Renno des Leipziger Büros „Denk Architekten Ingenieure“ und leistete damit Pionierarbeit. In der Bauphase mussten viele Schwierigkeiten, darunter ungünstige Bodenbedingungen und Insolvenz einer Baufirma, bewältigt werden. Nach nur 19 Monaten Bauzeit öffnete BELANTIS am 5. April 2003 auf 25 Hektar Fläche seine Tore. Bereits in der ersten Saison wurden eine halbe Million Besucher gezählt.

Mit einer Entfernung von zehn Autominuten von der Leipziger Innenstadt liegt kein deutscher Freizeitpark so nah an einer Großstadt, wie BELANTIS. Seit der Freigabe der A38 im Sommer 2006 mit der eigenen Autobahnabfahrt „Neue Harth/ BELANTIS-Park“ erreicht man den Vergnügungspark schnell und unkompliziert. Mit der Eröffnung der ursprünglich für einen Freizeitpark in Dubai geplanten Achterbahn „HURACAN“ im Jahr 2010 feierte BELANTIS einen großen Erfolg. Die Achterbahn zählt seitdem zu einer der beliebtesten Attraktionen. 2015 wurde der Park unmittelbar neben der Pyramide um ein weiteres Highlight, die „Cobra des Amun Ra“, ergänzt. 

Der Eigentümer des Freizeitparks ist seit dem 7. März 2018 unter dem Geschäftsführer Bazil El Atassi das spanische Unternehmen „Parques Reunidos“, dem weltweit eine beachtliche Anzahl an Freizeitparks gehört. Im Gegensatz zu anderen Vergnügungsparks in Deutschland besitzt BELANTIS dank der noch verfügbaren freien Flächen ein großes Wachstumspotenzial. Seit seiner Eröffnung gilt der Freizeitpark als wichtiger wirtschaftlicher und touristischer Standortfaktor im Leipziger Neuseenland.

Freizeitpark der Superlative: Rundreise durch das Alte Ägypten bis ins Mittelalter


Als einer von wenigen Themenparks in Deutschland spiegelt BELANTIS wie eine überdimensionale Landkarte die Kontinente mit vergangenen Kulturen und Epochen wider – vom mittelalterlichen Europa über Griechenland und Spanien bis ins alte Ägypten. Bei einem Besuch können sich die Gäste auf eine Entdeckungstour der acht Themenwelten „Strand der Götter“, „Land der Grafen“, „Prärie der Indianer“, „Reich der Sonnentempel“, „Küste der Entdecker“, „Schloss BELANTIS“, „Insel der Ritter“ und „Tal der Pharaonen“ mit passender Gastronomie und Entertainment begeben.

Das pompöse „Schloss BELANTIS“ empfängt die Besucher beim Betreten des Vergnügungsparks und bietet im stilvoll eingerichteten Café mit Biergarten und Panoramaterrasse die Möglichkeit für eine Stärkung. Für die kleinen Gäste bietet sich eine Fahrt mit der Buddel-Bahn oder dem historischen Kettenkarussell an. Von Weitem sieht man bereits mit einer Höhe von 30 Metern eines der Vergnügungspark-Highlights: Europas größte Pyramide im „Tal der Pharaonen“. In einem Schlauchboot sitzend fährt man im Wildwasser die Pyramide hinauf, entdeckt im Inneren mystische Geheimnisse und wird vom Fluch des Pharaos getroffen, bevor man auf einem Wasserfall aus 22 Metern Höhe in einem Winkel von 45 Grad in die Tiefe saust. Ebenso turbulent ist eine Fahrt mit der 2015 eröffneten Familienachterbahn „Cobra des Amun Ra“. In der Themenwelt „Strand der Götter“ begeben sich die Besucher auf die Spuren der antiken Götter des Olymps bei der „Fahrt des Odysseus“ mit dem Boot oder bei einem interaktiven Flugerlebnis auf dem „Götterflug“ mit Looping-Manövern auf bis zu 22 Metern Höhe. Auch der Panorama-Turm „Säule der Athene“ und die Mini-Seilbahn „Flug des Ikarus“ bieten Spaß und Abwechslung. In der Themenwelt „Land der Grafen“ genießt man bei einem Drachenflug auf bis zu 30 Metern Höhe einen beeindruckenden Rundumblick über das Leipziger Neuseenland. Auf dem Marktplatz im benachbarten Mittelalterdorf kann man sich bei leckerer Hausmannkost stärken. Weitere Attraktionen sind der Waldlehrpfad, die Gletscherrutschen, die „Tour de Franz“ auf Wackelrädern und Nuggetschürfen bei der Silberwäsche im Bachlauf.

In der Themenwelt „Insel der Ritter“ kann man sich in der Ritterburg auf eine aufregende Achterbahnfahrt auf dem Rücken eines Drachens mit kurvenreicher Fahrt und freiem Fall begeben. Im Burghof der Drachenburg befindet sich das Verlies des Grauens, in dessen Katakomben die Geschichte des dunklen Magiers, dem schwarzen Sheriff, vom Zauberer Merlin erzählt wird. Abwechslung bietet auf der „Insel der Ritter“ auch der Irrgarten „Labyrinth des Avalon“ und der Abenteuerspielplatz „Robins Versteck“. In der Themenwelt „Prärie der Indianer“ kommt bei einer Fahrt mit dem Schwungpendel „BELANITUS‘ Rache“ auf bis zu 20 Metern Höhe sowie in der Westerneisenbahn und im Cowboy-Saloon ein Flair wie im Wilden Westen auf. An der „Küste der Entdecker“ können sich die Besucher auf eine Fahrt mit der Riesen-Schiffsschaukel Santa Maria begeben, während „Capt’n Black’s Piratentaufe“, ein Turm mit freiem Fall aus 13 Metern, für einen Adrenalinkick sorgt. Im benachbarten „Reich der Sonnentempel“ sorgt Deutschlands steilste Achterbahn „HURACAN“ bei einer Fahrtgeschwindigkeit von bis zu 85 Stundenkilometern, temporeichen Kurven, fünf Loopings und einem freien Fall vom 32 Meter hohen Turm für Nervenkitzel. Neben der Mega-Achterbahn befindet sich die Kinder-Achterbahn „HURACANITO“.

Saisonale Highlights von Open-Air-Sommerparty bis Halloween-Spuk


Der Veranstaltungskalender des Freizeitparks hält diverse saisonale Events für die Besucher bereit, darunter verschiedene Thementage und interaktive Shows. Alljährlich im Frühsommer findet die
ENERGY SummerOpening Party statt, bei welcher sich BELANTIS in Abenteuerreich und Open Air-Party zugleich verwandelt. Zahlreiche DJs und Liveacts sorgen auf verschiedenen Floors für Stimmung, während die Gäste nach Lust und Laune die verschiedenen Attraktionen in den acht Themenwelten ausprobieren können. Ein weiteres Highlight ist jedes Jahr im Oktober das Halloween-Spektakel, zu dessen Anlass der gesamte Park thematisch dekoriert wird und für schaurigen Halloween-Spuk sorgt.

Stand: 26.09.2023

Bildergalerie - BELANTIS – Das AbenteuerReich

Auerbachs Keller

Zentrum | Grimmaische Straße 2-4

Wann schafft es schon mal ein authentisches Weinlokal in die Weltliteratur? Auerbachs Keller in Leipzig genießt voller Stolz und Traditionsbewusstsein dieses Privileg. Kein geringerer als Johann Wolfgang Goethe hat Auerbachs Keller zu Weltruhm verholfen – dank des Fassritts von Mephisto mit Dr. Faust in Faust I.

Schon zeitig floss der Wein


Guter Wein beflügelte wahrscheinlich schon immer die Gedankengänge. Anno 1525 kam Dr. Stromer aus Auerbach, Rektor der Universität Leipzig, auf die Idee, nicht weit entfernt von der alma mater lipsiensis einen Weinausschank zu eröffnen. Tagsüber die Studenten mit dem Geist der Wissenschaft vertraut zu machen und ihnen abends Zugang zum Geist des Weines zu verschaffen – das schien bereits vor einem halben Jahrtausend eine gute Idee zu sein. Stromer wählte den Waldheim-Hummelhainischen Hof neben dem Alten Rathaus als Standort für sein Lokal. Bereits fünf Jahre später – 1530 – begann der neue Eigentümer mit einem Umbau. Zwecks Erinnerung an Stromers Herkunft erhielt das Gebäude den Namen Auerbachs Hof. Es schrieb die Geschichte des Weinlokals durch die Jahrhunderte fort und punktete offenbar auch beim Studiosus Goethe, den es aus Frankfurt an die Leipziger Universität zog.

Anfang des 20. Jahrhunderts jedoch verschwanden die letzten altgedienten Gebäude aus der Leipziger Innenstadt, die sich vor allem dank ihrer Messepaläste, Passagen und Bankgebäude zur noblen City einer aufstrebenden Großstadt wandelte. Auerbachs Hof wurde in den Jahren ab 1911 von Grund auf umgebaut. Ideengeber und Bauherr war der Leipziger Koffer- und Taschenfabrikant Anton Mädler. Ihm schwebte eine luxuriöse Passage mit einer Ladenzeile im Erdgeschoss vor. Und Auerbachs Keller? Mädler verstand, was die Leipziger und die Messegäste wünschten. Auerbachs Keller wurde in den Neubau integriert.

Das Lokal ist nicht zu verfehlen. Von der Grimmaischen Straße her prangen schwungvolle gotische Buchstaben in mattem Gold und zwei historische Ausleger an der Fassade des Geschäftshauses. In der Mädler Passage säumen überlebensgroße Figuren mit „Faust“-Bezug die geschwungenen Treppenabgänge in das Traditionsrestaurant. Auf der einen Seite stehen Dr. Faust und Mephisto, auf der anderen lässt sich einer aus der Dreier-Gruppe von Studenten von seinen Kommilitonen nur mühsam davon abhalten, in einer Auseinandersetzung mit den mysteriösen Zeugen des Gelages handgreiflich zu werden. Tausende Kinder dürften im Laufe der Zeit angesichts der spannenden Darstellung und ihrer Unsicherheit, was soviel explosive Stimmung in der Figurengruppe denn zu bedeuten habe, durch ihre Eltern eine erste Einführung in die „Faust“-Handlung erfahren haben. Passanten schreiten beim Besuch der Mädler Passage förmlich durch die beiden Gruppen der Faustskulpturen hindurch, die der Jugendstil-Künstler Mathieu Molitor geschaffen hatte.

Gastlichkeit in mehreren Gewölben


Auerbachs Keller ist dreigeteilt und lehnt sich mit seinen Gewölben und dem schweren, dunklen Eichenmobiliar an die Vorbilder historischer Gasthäuser und Weinkeller an. Im Großen Keller finden fast 600 Gäste an langen Tafeln oder an den Tischen Platz. Die Küche hat einen klaren gutbürgerlichen Einschlag mit eindeutigen sächsischen Bezügen.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Treppenpodests laden u.a. der kleinere Goethe-Keller und der komplett an der Historie orientierte Fasskeller ein. Dort und in der winzigen Hexenküche herrscht Faust. Ein Riesenfass dominiert den Raum. Goethe wird rezitiert, die Karte bietet eine gediegen klassische Speisefolge, und zu beschwingt vorgerückter Stunde kommt gelegentlich der Wunsch auf, es mit einem Fassritt wie die literarischen Vorbilder zu versuchen. 

Spannend wie die Lokal-Geschichte ist ein Blick in die lange Liste prominenter Besucher. Martin Luther war vor Jahrhunderten zu Gast. Zu den früheren Leipziger Messen mit ihrer Schlüsselfunktion für den florierenden Ost-West-Handel fand in Auerbachs Keller manch systemübergreifende Verständigung statt, die den Geschäften diente. Konzernchefs aus dem Westen wollten bei ihrer Rückkehr nach Hause nur zu gern die Frage, ob sie in Leipzig denn auch im weltberühmten Auerbachs Keller gewesen seien, aus vollem Herzen bejahen. Während der Messen dürften die Leipziger in Auerbachs Keller früher klar in der Unterzahl gewesen sein. Eventuell wäre auch ihre Reservierung aufgenommen worden, doch gerade in Auerbachs Keller galten zu den Messezeiten Messepreise. Da kamen – ganz offiziell – saftige Aufschläge auf die staatlich festgesetzten Normalpreise drauf. Leipziger ließen daraufhin lieber ihren zahlungskräftigeren Messegästen den Vortritt. 

Die Anziehungskraft des Restaurants hat alle bewegten Zeitläufe überdauert: Als der sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf im Jahr 2000 den Präsidenten der EU-Kommission, Jacques Delors, anlässlich von dessen offiziellem Besuch in Leipzig standesgemäß bewirten wollte, fiel die Wahl folgerichtig auf Auerbachs Keller. Und einen gedruckten oder elektronischen Reiseführer, der im Reigen prominenter Leipziger Gaststätten Auerbachs Keller nicht führt, wird man kaum finden. Schließlich rangieren im weltweiten Bekanntheitsvergleich nur vier Lokale vor dem Leipziger Klassiker. 

Kurzzeitig gab es zwei Auerbachs Keller


Was gut und ertragreich ist, muss sich doch auch verdoppeln lassen, mögen die Verantwortlichen der legendären
Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbeausstellung 1897 gedacht haben, als sie nostalgisch-schwärmerisch Alt-Leipzig auf dem Ausstellungsgelände nachbauen ließen. Um der Authentizität Genüge zu tun, durfte Auerbachs Keller natürlich nicht fehlen. Der populäre Identifikationsort war ein Muss für die Kopie der historischen Stadtlandschaft. Wer indes im Abschlussbericht des Finanzausschusses der Ausstellung nachschlägt, wird eine gewundene Erklärung dafür finden, dass nicht zuletzt die großartige künstlerische Ausschmückung des Etablissements mit Faust-Szenen dazu beigetragen hat, das Budget der gesamten Ausstellung deutlich zu überschreiten. Dass es irgendeinem Gast im Double von Auerbachs Keller nicht gefallen hätte, ist nicht bekannt. 

Stand: 26.09.2023

Bildergalerie - Auerbachs Keller

Historisches Bildmaterial - Auerbachs Keller

Altes Gewandhaus

Kupfergasse (früher Kupfergässchen) / Gewandhausgässchen | Ortsteil: Zentrum

Bei dem Alten Gewandhaus handelte es sich um das erste Leipziger Konzerthaus und zugleich einen Vorgängerbau des heutigen Gewandhauses zu Leipzig am Augustusplatz. Es entstand aus einer um 1480 errichteten Gewerbehalle für Tuchmacher, wobei die Bezeichnung „Gewandhaus“ nach der Handelsware der Wandschneider benannt ist. Das Alte Gewandhaus wurde nach anderthalb Jahren Bauzeit als neue Spielstätte des beliebten Konzertvereins „Großes Concert“ nach Plänen des Stadtbaumeisters Johann Carl Friedrich Dauthe errichtet. Ab November 1781 fanden hier die ersten Konzerte statt. In der Folge des Baus des Neuen Gewandhauses im Musikviertel 1884 wurde das Alte Gewandhaus zwischen 1893 und 1896 abgerissen, umgebaut und in den Komplex des Städtischen Kaufhauses integriert.

Vom Textilhandel zur musikalischen Erfolgsgeschichte von Weltrang


Das Gewandhaus gab dem ältesten bürgerlichen Orchester der Welt seinen Namen: Gewandhausorchester. Bei dem 1981 eröffneten Konzertbau auf dem Augustusplatz handelt es sich bereits um das dritte Gewandhaus der Stadt. Die Bezeichnung „Gewandhaus“ ist nach der Handelsware der Wandschneider benannt. Letztere erwarben gefaltet aufbewahrtes, „gewendetes“ Tuch und verkauften dieses. Auch andere deutsche Städte neben Leipzig besaßen ein Gewandhaus, so etwa Dresden, Bautzen, Zwickau oder Braunschweig. Das namengebende Tuchmacherhaus und zugleich Erste Gewandhaus Leipzigs in Form eines dreiflügeligen Gebäudes befand sich einst zwischen Kupfergasse und Gewandhausgässchen. Hier begann ein wesentlicher Teil von Leipzigs musikalischer Erfolgsgeschichte, welche noch heute vom Gewandhausorchester in die Welt getragen wird. Bei dem ersten Gewandhaus handelte es sich um eine um 1480 errichtete Gewerbehalle für Tuchmacher, in welcher insbesondere zu Messezeiten großer Andrang herrschte. In unmittelbarer Nachbarschaft zum Gewandhaus wurde 1493 in der heutigen Universitätsstraße das sogenannte
Zeughaus errichtet. Dieses wurde bis 1828 zur Lagerung von stadteigenen Rüstungen und Waffen genutzt und beherbergte die Leipziger Kupferwaage. Im Jahr 1740 wurde das ursprüngliche Gewandhaus abgerissen und musste der neu errichteten Stadtbibliothek weichen. Der Name „Gewandhaus“ ging in der Folge nicht verloren, sondern wurde fortan für das benachbarte Zeughaus verwendet, welches ebenfalls über einige Räume für den Tuchhandel verfügte.

Zu dieser Zeit war der Leipziger Rat auf Drängen des immer zahlreicher erscheinenden Publikums des Konzertvereins „Großes Concert“, dessen Aufführungen seit 1744 im Gasthaus „Zu den Drey Schwanen“ am Brühl stattfanden, auf der Suche nach neuen Räumlichkeiten. Auf Initiative des amtierenden Leipziger Bürgermeisters Carl Wilhelm Müller fiel die Wahl schließlich auf das Alte Gewandhaus, das ursprüngliche Zeughaus. Auf einem Zwischenboden des Gebäudes ließ die Stadt den ersten Leipziger Konzertsaal einbauen, welcher die neue Heimstätte des „Großen Concertes“ werden sollte. Den Auftrag zur Umsetzung erhielt der Stadtbaumeister Johann Carl Friedrich Dauthe, welcher zuvor für den Umbau der Nikolaikirche bekannt wurde. Der Bau war nach nicht einmal anderthalb Jahren abgeschlossen. Es entstand ein quaderförmiger Saal mit Orchesterpodium an dessen Südseite. Die gegenüberliegend angeordneten Sitzreihen des Publikums liefen längs zum Podium, während die Reihen an der Nordseite quer ausgerichtet waren. Eine Galerie und einige Stehplätze komplettierten die Innenausstattung des Saales mit Platz für insgesamt 500 Zuhörer, dessen Anordnung an den Sitz des englischen Unterhauses angelehnt war. Für eine besonders gute Akustik sorgte beim Einbau des Konzertsaales in die frühere Tuchhalle die überwiegende Verwendung von Holz. Durch eine Konstruktion auf Holzstützen oberhalb des einstigen Tuchbodens entstand ein Resonanzraum um den Saal mit verhältnismäßig kurzer Nachhallzeit. Die Innengestaltung des Konzertsaales hatte unter anderem Adam Friedrich Oeser inne, der auch das bekannte Deckengemälde „Lebensweg der Psyche“ im Festsaal des Gohliser Schlösschens schuf. Das von Oeser im Alten Gewandhaus geschaffene Gemälde bildete die neun Musen ab, darunter die drei Musen der Musik Clio, Polyhymnia und Euterpe. Die Stirnseite des Saales zierte der Spruch des römischen Philosophen Seneca „Res severa verum gaudium“ (dt. „Wahre Freude ist eine ernste Sache“). Dieser wurde zum Leitspruch des Gewandhausorchesters und schmückt noch heute die Orgelempore des Gewandhauses zu Leipzig am Augustusplatz.

Aus alt wird neu: Die zweite Spielstätte im Musikviertel entsteht


Das erste Konzert im Alten Gewandhaus fand am 25. November 1781 unter der Leitung des Dirigenten
Johann Adam Hiller statt. Aufgeführt wurden unter anderem Stücke von Johann Christian Bach, Joseph Schmitt und Antonio Sacchini. Alsbald entstanden die Begriffe Gewandhauskonzerte und Gewandhausorchester und der ursprüngliche Textilbezug erhielt eine musikalische Note, welche weltbekannt wurde. Im Alten Gewandhaus gastierten musikalische Größen wie Wolfgang Amadeus Mozart im Jahr 1789, während Clara Wieck ihren ersten öffentlichen Auftritt im Jahr 1828 absolvierte. Da bald auch die Raumkapazitäten des Saales zu klein wurden, baute man diesen rund 50 Jahre später aus und erweiterte ihn auf rund 1.000 Plätze. Die Tatsache, dass dabei Oesers Deckengemälde übermalt wurde, sorgte für einen öffentlichen Aufschrei. Mit einer an die neuen Raumkapazitäten angepassten Umgestaltung des Konzertsaales wurde der Dresdner Architekt und Maler Woldemar Hermann betraut. Da trotz mehrerer Umbauten die Platzkapazitäten nicht mehr ausreichten und auch das Orchester sich sukzessive vergrößerte, wurden bereits um 1865 Überlegungen zur Errichtung eines neuen Konzerthauses angestellt. Anstelle eines entsprechenden Baus in zentraler Lage, wie ihn sich die Gewandhausdirektoren vorstellten, beschloss die Stadtverwaltung dessen Errichtung am Stadtrand als Initialzündung für die Entstehung eines neuen Stadtteils. Das Neue Gewandhaus wurde schließlich auf dem Platz zwischen Beethoven- und Mozartstraße innerhalb von zweieinhalb Jahren erbaut und im Dezember 1884 eröffnet. Als erstes Gebäude des neu entstandenen Musikviertels brachte es die weitere Entwicklung des Stadtteils auf den Weg. 

Am 11. Dezember 1884 wurde das Erste Gewandhaus in der Innenstadt in „Altes Gewandhaus“ umbenannt, in dessen Räumlichkeiten in den darauffolgenden zwei Jahren nur noch sporadisch Konzerte stattfanden. Neben einer Reihe von anderen Altbauten musste auch das Alte Gewandhaus dem Bau des Städtischen Kaufhauses als erster Mustermessepalast der Stadt weichen. So wurde das Konzerthaus zwischen 1893 und 1896 zu Teilen abgerissen, umgebaut und in den Komplex des Städtischen Kaufhauses integriert, dessen historisches Treppenhaus in der zweiten Etage noch heute eine Gedenktafel beherbergt, welche an den einstigen Eingang zum Konzertsaal des Gewandhauses erinnert.

Das Bild des Ersten Gewandhaussaales, welches heute existiert, basiert auf einem vom Berliner Maler Gottlob Theuerkauf geschaffenen Aquarell. Abgelichtet wurde der Saal auch vom Fotografen Hermann Walter. Ein Modell des einstigen Konzerthauses kann im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig im Alten Rathaus besichtigt werden. 

Seit 1996 befindet sich am Städtischen Kaufhaus in der Universitätsstraße die Gedenktafel – Standort des Alten Gewandhauses. Der musikhistorisch bedeutende Ort ist Station 21 der Leipziger Notenspur.

Stand: 26.09.2023

Bildergalerie - Altes Gewandhaus

Historisches Bildmaterial - Altes Gewandhaus

Alte Waage

Markt 4 | Ortsteil: Zentrum

Die Alte Waage befindet sich am Markt unweit des Alten Rathauses und wurde 1555 nach Plänen von Hieronymus Lotter von Paul Speck als charakteristischer Renaissance-Bau errichtet. Sie diente bis 1820 dem Wiegen und Verzollen von eintreffenden Waren in der Handelsstadt. Von 1661 bis 1712 befand sich im Waagengebäude zudem das erste Leipziger Postamt. Bis 1862 diente das Gebäude als Geschäftsstelle der Kommunalgarde, ab 1917 beherbergte es das neugegründete Messeamt der Leipziger Messe. Nach der Zerstörung des Gebäudes im Zweiten Weltkrieg wurde die Marktfassade nach historischem Vorbild mit vierstufigem Staffelgiebel und Gesimsen aus Rochlitzer Porphyr von Wolfgang Müller 1963/64 rekonstruiert.

Registrieren, wiegen, verzollen: Reges Treiben in Leipzigs Handelsgebäude

 

Die Alte Waage blickt auf eine fast 500-jährige Historie zurück und zählte als Dreh- und Angelpunkt eintreffender Waren einst zu den wichtigsten Gebäuden der Handelsstadt. Sie gilt als bedeutendes kulturgeschichtliches Zeugnis der Stadt. Nachdem Leipzig 1497 von Kaiser Maximilian I. das Reichsmesseprivileg sowie 1507 das Stapel- und Waagerecht erhalten hatte, unterlagen alle ein- und ausgehenden Waren der Waagepflicht sowie der Festlegung der Zollabgaben. Für diesen Zweck wurde der Vorgängerbau der Alten Waage in Betracht gezogen, wo sich bereits ein städtisches Waagengebäude befand. Dieses erwirtschaftete damals, nach dem Burgkeller, die zweithöchsten Einnahmen für die Stadt. Nachdem sie ihr Zunfthaus an der Grimmaischen Straße dem Rat der Stadt zu Verwaltungszwecken überlassen mussten, bezogen die Tuchmacher in dem gotischen Vorgängerbau der Alten Waage im Jahr 1469 ihre Zunfträume im zweiten Geschoss. Da dieses Gebäude den Anforderungen des Messeverkehrs bald nicht mehr gewachsen war, wurde es abgebrochen und 1555 auf ratseigenem Grundstück die Ratswaage neu erbaut. Trotz fehlender urkundlicher Belege ist davon auszugehen, dass Leipzigs damaliger Bürgermeister Hieronymus Lotter, der auch federführend am Bau der Moritzbastei und des Alten Rathauses beteiligt war, als Architekt mitwirkte. Anzunehmen ist, dass Lotter die Oberaufsicht des Baus innehatte sowie als Bürgermeister – und somit als Bauherr – entsprechenden Einfluss auf die Baupläne und die Ausführung ausübte. Der Bau soll von Lotters Gehilfen Paul Speck, der zu dieser Zeit das Amt des Obermeisters innehatte, ausgeführt worden sein. Da sich die Ratswaage bald nach ihrer Fertigstellung als zu klein erwies, erwarb der Rat der Stadt das angrenzende Nachbarhaus in der Katharinenstraße 1 aus dem Jahr 1530 und ließ beide Gebäude im Innern um 1570 miteinander verbinden.

Multifunktionales Gebäude mit Ratsweinschänke

 

Die Ermittlung und Verzollung der Waren gemäß städtischer Taxe erfolgte in der Ratswaage, in welcher insbesondere zu Messezeiten reges Treiben herrschte. Die Waage für Fuhrmannsgut und Kaufmannswaren befand sich nicht im Hauptgebäude am Markt, sondern im Erdgeschoss der Katharinenstraße 1. Bei der von den Kaufleuten zu entrichtenden Gebühr handelte es sich mit einem Viertel der gesamten städtischen Jahreseinkünfte um eine wichtige Einnahmequelle der Stadt. Die nach Warensorten gestaffelten Abgaben waren mit dem Landesherrn zu teilen. Für diese Zwecke war das dreigeschossige Gebäude der Ratswaage multifunktional ausgerichtet: Im Erdgeschoss befanden sich die Amts- und Schreibstuben des Waageamtes, wo die Angestellten die Gewichte der Importe sowie die Zölle für Stadt und Landesherren notierten. Der Keller beherbergte die Ratsweinschänke, in deren Trinkstube die Patrizier edle Weine und Import-Biere genossen sowie Fernhändler die Vertragsabschlüsse mit ihren Partnern feierten. Die Herrentrinkstube im ersten Geschoss stand allen gut situierten Bürgern der Stadt offen, darunter Krämer, Händler, Innungsmeister und Messebesucher aus dem In- und Ausland. In diesen Gemäuern erholten sich ebenfalls die Händler von ihren langen Reisen und tauschten Neuigkeiten aus. 

Die Waage zwischen wechselnder Nutzung und Kriegszerstörung


Mitte des 17. Jahrhunderts wurde die Waage vor das Hallische Tor verlagert, während sich von 1661 bis 1712 im Gebäude der Ratswaage am Markt vor dessen Umzug in die Thomasgasse das erste Leipziger Postamt befand. Noch bis zum frühen 19. Jahrhundert stand die Waage für einen Ort der Wiegegeschäfte und der Geselligkeit. Die Taxierung der Waren aller Messeverkäufer fand bis 1820 in der Ratswaage statt, bevor vor dem Grimmaischen Tor und Hallischen Tor neue Waageplätze geschaffen wurden. Zu diesem Zeitpunkt erhielt das Gebäude seinen heutigen Namen Alte Waage. Bis 1862 diente das Gebäude als Geschäftsstelle der Kommunalgarde. Krämer und Kaufleute bezogen das Untergeschoss, während im Obergeschoss die Stadtverordneten tagten. Ab 1917 zog das neugegründete Messeamt in die Räumlichkeiten ein und nahm nach langwierigen Verhandlungen am 8. Februar offiziell seine Arbeit auf. Die Gründung war im Wesentlichen ein Ergebnis der herben Rückschläge, welche die Messe mit Beginn des Ersten Weltkrieges verkraften musste. So reisten zur Herbstmesse 1914 weniger als 300 Aussteller an. Das zuvor im Städtischen Kaufhaus untergebrachte Amt war schließlich Ausgangspunkt des Aufschwungs der Leipziger Messen zwischen den beiden Weltkriegen, welches die bisherige Organisation der Messen vollkommen änderte.

Am 4. Dezember 1943 fiel die Alte Waage einem Bombenangriff der Westalliierten zum Opfer. Im Jahr 1963 beschloss der Rat der Stadt den Wiederaufbau der Fassade im Stil der Renaissance, während man auf eine Rekonstruktion des vorgelagerten Treppenturms aufgrund seiner Hinderlichkeit verzichtete. Dieser wurde bereits 1861 abgebrochen und durch ein innen liegendes Treppenhaus ersetzt. Die Rekonstruktion der Fassade nach Entwürfen des Leipziger Architekten Wolfgang Müller war im Jahr 1964 abgeschlossen. 

Leipzigs einstiger Händlertreff im historischen Gewand


Der dreigeschossige Bau mit dem charakteristischen vierstufigen Staffelgiebel, den Fenstergewänden und Gesimsen aus Rochlitzer Porphyr sowie der Sonnenuhr unterhalb des Daches gilt als wesentlicher Teil des historischen Bildes des Markts. Bekrönt wird das Gebäude mit einer Wetterfahne, welche das Jahr des Wiederaufbaus zeigt. Der zur Katharinenstraße gelegene Teil des Gebäudes wurde entsprechend des Zeitgeistes des Wiederaufbaus modern gehalten, in Sichtbeton erbaut und mit Porphyrplatten ausgestaltet. Die benachbarten Gebäude der Alten Waage, das Wohn- und Geschäftshaus Markt 5 und der Baarmanns Hof (Markt 6), entstanden in den 1920er Jahren für die Darmstädter Bank als kombinierte Wohn- und Geschäftshäuser.

Stand 26.09.2023

Bildergalerie - Alte Waage

Historisches Bildmaterial - Alte Waage

Ägyptisches Museum – Georg Steindorff – der Universität Leipzig

Goethestraße 2 | Ortsteil: Zentrum

Das Ägyptische Museum der Universität Leipzig präsentiert seit 2010 im Krochhochhaus die älteste ägyptologische Lehrschausammlung einer deutschen Universität. Auf zwei Etagen und 500 Quadratmetern werden rund 7.000 altägyptische Ausstellungsstücke aus vier Jahrtausenden gezeigt. Im Jahr 1870 wurde an der Universität Leipzig ein Lehrstuhl für Ägyptologie eingerichtet und der Bestand an ägyptischen Sammlungsobjekten wuchs, so dass diese mit Beginn des 20. Jahrhunderts in einem Museum untergebracht wurden. Einen wertvollen Beitrag für die Erweiterung der Sammlung leistete der Ägyptologe Georg Steindorff durch zahlreiche Grabungskampagnen.

An Anfang war der Holzsarg: Ein Stück Altes Ägypten inmitten von Leipzig


Die Entstehung des Ägyptischen Museums begann mit der Einrichtung des Lehrstuhls für Ägyptologie an der Universität Leipzig im Jahr 1870. Als Begründer der ägyptischen Universitätssammlung gilt der Philologe und Professor für Archäologie an der Universität Leipzig,
Gustav Seyffarth. Er besuchte die bedeutendsten ägyptischen Sammlungen in Europa, fertigte Kopien ägyptischer Texte an und leistete einen entscheidenden Beitrag für den Aufbau der heutigen Sammlung. Das Ägyptische Museum verdankt Seyffarth den 2,12 Meter langen Zedernholzsarg des Hed-bast-iru, den die sächsische Landesregierung im Jahr 1842 auf sein Anraten für 289 Taler in Triest käuflich erwarb. Dieses Exponat gilt noch heute als Herzstück der Leipziger Sammlung. Die Nachfolge von Gustav Seyffarth übernahm der Ägyptologe Georg Ebers, der 1870 sein Professorenamt an der Universität Leipzig antrat. Internationale Bekanntheit wurde ihm durch den Erwerb eines knapp 19 Meter langen ägyptischen Papyrus während einer seiner Reisen nach Ägypten 1872/73 zuteil. Dabei handelt es sich um eine rund 3.500 Jahre alte medizinische Sammelschrift aus 879 Einzeltexten, die heute in einem Schauraum der Universitätsbibliothek ausgestellt ist. 

Von der Lehrsammlung zum Museum


Am 1. Oktober 1893 wurde der heutige Namenspatron des Ägyptischen Museums, Georg Steindorff, zum außerordentlichen Professor in Leipzig berufen und erhielt 1904 den Lehrstuhl für Ägyptologie. Steindorff erweiterte den Sammlungsbestand durch eigene Funde aus Grabungskampagnen. Die Ausstellungsfläche von 166 Quadratmetern wurde bald zu knapp für neue Funde, Schenkungen und Ankäufe, so dass zwischen 1912 und 1915 ein Kreuzgangflügel an der Südseite des
Johanneums angebaut wurde. Dort richtete Steindorff das Ägyptische Museum ein. Besonderen Fokus legte er auf die Beschaffung von Gebrauchsgegenständen aus dem Alten Ägypten, darunter Kosmetikutensilien. Unter seiner Leitung gelangten im Zuge mehrerer Grabungskampagnen in der Nekropole Giza ab 1903 zahlreiche Reliefs, Privatstatuen und Grabbeigaben nach Leipzig. Bei Grabungsarbeiten 1909 im Tempelkomplex des Pharaos Chephren, des Erbauers der zweitgrößten Giza-Pyramide, wurden Bruchstücke von zerschlagenen Königsstatuen zutage gefördert, welche im Ägyptischen Museum in Leipzig und anderen Museen ausgestellt wurden. Als besonderes Meisterstück des Museums galt ein aus sieben Gneis-Fragmenten zusammengesetztes Chephren-Gesicht. Im Zuge von Georg Steindorffs Grabungskampagne in Abusir im Jahr 1910 erhielt das Ägyptische Museum frühdynastische Steingefäße und kleinere Exponate aus Kupfer und Elfenbein. Nach Ausgrabungen im unterirdischen Aniba in den Jahren 1912/14 und 1930/31 durch Steindorff und sein Team wurde der Museumsbestand um nubische Töpferware sowie Kult- und Alltagsgegenstände ergänzt. Hinzu kam eine Schenkung aus dem Museum of Fine Arts Boston. Dabei handelte es sich um Ausgrabungsstücke aus dem obernubischen Ort Kerma im heutigen Sudan. Weitere Objekte des Ägyptischen Museums entstammten Schenkungen aus dem In- und Ausland, darunter die Grabausstattung des Totenpriesters Herischef-hotep aus Abusir von der Deutschen Orient-Gesellschaft.

Trotz seiner Konvertierung zum Christentum erfolgte 1934 Steindorffs Emeritierung. Ab 1941 wurden zahlreiche Leipziger Exponate zum Schutz vor Bombenangriffen ausgelagert. Eine Vielzahl an Objekten wurde 1943 auf Schloss Mutzschen und nach Technitz bei Döbeln geschafft. Die größten Exponate blieben jedoch in den Ausstellungsräumen und fielen dem Bombenangriff vom 4. Dezember 1943 zum Opfer, darunter die Opfertafel des Seschem-nefer aus Giza. Auch die sich im Keller des Johanneums befindlichen Ausstellungsstücke wurden zerstört. Andere als verschollen geltende Museumsstücke waren, wie sich später herausstellte, in die Sowjetunion gelangt. Am 12. Mai 1976 wurde das Ägyptologische Institut mitsamt der Dauerausstellung im Erdgeschoss des Wohn- und Geschäftshauses Schillerstraße 6 wiedereröffnet. Die rund 4.000 Jahre altägyptische Kultur widerspiegelnde Exposition wurde 2003 für sieben Jahre in ein Interim in der Burgstraße verlagert.

Streifzug durch altägyptische Kulturgeschichte im einstigen Bankkaufhaus


Im Jahr 2010 fand das 2008 umbenannte „Ägyptische Museum – Georg Steindorff“ seine neue und repräsentative Heimstätte in den Art-Déco-Räumlichkeiten des ehemaligen Bankhauses von
Hans Kroch, dem repräsentativen Krochhochhaus am Augustusplatz. Seit der feierlichen Eröffnung präsentiert sich dort auf den zwei unteren Etagen des ersten Leipziger Hochhauses eine deutschlandweit einmalige Schau- und Lehrsammlung aus rund 7.000 altägyptischen Exponaten in überzeugender Konzeption. Eine besondere Anforderung an das Konzept der Exposition bestand in der Gestaltung der unter Denkmalschutz stehenden Räume im ersten Obergeschoss des Gebäudes und in der großen Ausstellungshalle. Auf über 500 Quadratmetern wurde ausreichend Platz geboten, um nahezu den gesamten Bestand zu präsentieren. Die ehemalige Schalterhalle des Bankhauses Kroch – die heutige Ausstellungshalle – beherbergt altägyptische Plastiken und Skulpturen sowie an den Wänden umlaufend die wichtigsten Reliefs. Zu sehen sind Exponate vom Alten Reich um 2540 v. Chr. bis in die Spätantike. Besonders eindrucksvoll ist das aus zehn Dienerfiguren sowie zwei Darstellungen des Grabherrn bestehende Skulpturenensemble „Djascha“. Neben weiteren Einzel- und Gruppenstatuen aus der 5. Dynastie bildet dieses nahezu vollständige Grabzusammenhänge ab. 

Das benachbarte „Direktorenzimmer“ beherbergt einen einmaligen Fundkomplex in Form des gesamten Grabensembles eines Priesters aus dem frühen Mittleren Reich um 1970 v. Chr. Dieses besteht aus zwei ineinander geschachtelten Särgen und einem kompletten Beigabensortiment. In den beiden Seitenkabinetten auf der Geschossebene 1 sind Funde aus der prä- und frühdynastischen Periode des Alten Ägypten ausgestellt. Gegenüber befindet sich eine Übersicht über die Schriftentwicklung im Vorderen Orient. Das im Jahr 1842 aufgekaufte und somit erste altägyptische Sammlungsstück des Museums ist der Zedernholzsarg des Hed-bast-iru. Im angrenzenden ehemaligen, holzgetäfelten Besprechungsraum des Bankhauses erfährt der Besucher mehr über die nubischen Funde des Museums. Zu den bedeutenden Exponaten des Raumes zählen zwei filigrane Bronze-Gefäßständer aus dem Neuen Reich, die weltweit ihresgleichen suchen. Im zweiten Obergeschoss befindet sich ein großes Modell des Pyramiden- und Totentempelkomplexes des Pharao Sahure aus der 5. Dynastie um 2496 bis 2483 v. Chr. Dieses wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts von der Berliner Firma Gebrüder Stegemann geschaffen. Im benachbarten Schaumagazin wird eine Vielzahl archäologischen Grabungsmaterials mit themengebundenen Vitrinenabschnitten, etwa zur Keramikentwicklung im Alten Ägypten sowie Totenfigurinen und Göttern, gezeigt. Den Abschluss der Gesamtkonzeption bildet ein Raum zum Totenkult der Alten Ägypter. Dieser beherbergt u.a. einige in ihrer Wicklung und Verzierung vollständig erhaltene Mumien und ein Sargensemble.

Stand 26.09.2023

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Mai, Karl Detlef

Tourismus-Innovator, Kultur-Manager, Ausstellungsgestalter,
geb. 3. Juni 1949 in Leipzig

Karl Detlef Mai hat der touristischen Erschließung des Leipziger Neuseenlandes einen starken Impuls gegeben. Als studierter Werbefachmann wandte er die Grundsätze der strategischen Kommunikation und der „heimlichen Verführung“ erfolgreich auf ein Gebiet an, von dem andere annahmen, dass es nur mühsam und zäh zu bewerben sei. Außerdem hütet er einen ererbten und zielstrebig vergrößerten Fotoschatz, dessen Wert mit dem Umbau der Stadt Leipzig, dem Landschaftswandel im Süden der Großstadt und der Tilgung von Spuren des jahrhundertelangen Bergbaus ununterbrochen steigt und sicher weiter steigen wird.

Vom Landschaftswandel angezogen


Der Einstieg von Karl Detlef Mai in die touristische Vermarktung der Braunkohleregion im südlichen Vorfeld von Leipzig besitzt zwei glasklare Koordinaten – AFB 17 und das Jahr 1997. Das Kürzel steht für die anfangs nur Bergleuten geläufige Abraumförderbrücke 17 und die Jahreszahl für den angestrebten und endlich erreichten Umschwung von aktiver Kohleförderung zum Umweltschutz und zur Gestaltung der Bergbaufolgelandschaften. Die AFB 17 im Tagebau Espenhain wurde 1997 gesprengt. Viele Aktivisten wollten wenige Jahre später den stählernen Koloss AFB 18 im Tagebau Zwenkau als technischen Zeugen für die Nachwelt retten – Bergbauspezialisten, Regionalpolitiker, Verfechter gelebter Industriekultur, Visionäre außergewöhnlicher Kunstprojekte. Die Entscheidung: Sprengung, aber mit Auflagen. Der Erinnerungsort Kap Zwenkau sollte entstehen. Mit Tränen in den Augen verfolgten auch 2001 nicht nur hunderte Bergleute aus sicherem Abstand das explosive Zusammensinken ihres einst verehrten, verfluchten, vertrauten, verklärten Arbeitsortes.

Bereits nach der Sprengung 1997 wusste Karl Detlef Mai – seit seinem Fernstudium an der Fachschule für Werbung und Gestaltung in Berlin von 1973 bis 1978 mit dem Instrumentarium der Branche bestens vertraut -, dass nicht nur die Bauwerke und Strukturen einer prägenden Industrieepoche verschwinden werden, sondern dass auch die intensive Umgestaltungsphase ein Verfallsdatum besitzt. Würde erst einmal buchstäblich Gras über den Abraumkippen wachsen und Wasser die Restlöcher der ausgekohlten Tagebaue füllen, wären auch die unmittelbaren Spuren des gigantischen menschlichen Eingriffs in die einstigen Naturräume einer neuen Ausformung gewichen. Wie die vielschichtigen Prozesse ablaufen – das sollten nicht nur viele Touristen als Zeitzeugen sehen und erleben, sondern auch Einwohner der Region, Schüler, Vereine, Fachleute und Journalisten. 

Der Mission Neuseenland verbunden


Tourismus – das sind doch attraktive Städte, wunderbare Landschaften und rauschende Festivals. Wer wollte daran zweifeln? Tourismus – das sind doch geschundene Landschaften, wüst staubende Feldwege und vor sich hin rottende Industrieareale – dachte Karl Detlef Mai und begann, in den fiebrigen, frühen 1990er Jahren die Braunkohleregion südlich von Leipzig für Besucher zu erschließen. Dieses Verdienst strahlt Wirkmacht bis heute aus. 

1992, da dominierte der aktive Bergbau weithin, unternahm Mai mit seinen Gästen unter den Fittichen eines erfahrenen Bergmanns eine erste Befahrung dieser verflochtenen Großstrukturen aus Schaufelrädern, Abraum- und Kohlezügen, hämmernden Brikettpressen und rauchenden Kraftwerken. Das klappte nur mit Sondergenehmigungen, die später mit MIBRAG, LMBV und weiteren Partnern vertraglich geregelt waren.

1998 startete Rundum Leipzig – Mai-Regio Tour. Inhaber Karl Detlef Mai hatte sich endgültig als Reiseveranstalter und Gästeführer etabliert. Bewusst richtete er in dem als ökologischen Katastrophenort gescholtenen Dreiskau-Muckern sein Besucherzentrum mit Ausstellung, Cafe und Shop ein. War es Katastrophentourismus mit Gruseleffekt? Eine solche Zuschreibung weist Karl Detlef Mai von sich. Denn um eine unkritische Zurschaustellung komplizierter bergbaulicher und technischer Abläufe ging es nie. Genetisch verwoben mit den Touren war immer der ökologische Aspekt, die aktive, tätige Rückgewinnung einer entstellten Landschaft und ihr engagierter Schutz für die heutige und für kommende Generationen. 

Wer da nicht alles kam und den Fortschritt auf Europas größter Landschaftsbaustelle konkret erleben wollte – Minister im Hubschrauber-Rundflug, Journalisten mit Themen-Instinkt und Expeditions-Attitüde, Touristen in Reisebussen oder in Geländewagen, Studenten entsprechender Fachrichtungen mit ihren Professoren auf Fußmärschen, Besucher auf den ersten Ausflugsschiffen, sobald die steigenden Wasserspiegel in den neuen Seen informative Kreuzfahrten ermöglichten. Immer vornweg: Karl Detlef Mai.

Apropos: Was früher Kohleregion hieß und in der Frühphase des Umbruchs flugs als Südraum Leipzig verortet wurde, brauchte eine touristische Marke mit Wiedererkennungswert. Leipziger Neuseenland – das war es, und das ist es. Mehrere Politiker drängten mit dem griffigen Wortspiel als die eigentlichen Schöpfer ins Rampenlicht. Karl Detlef Mai lächelte dann immer weise. Er kennt die wahre Geschichte des Begriffs Leipziger Neuseenland, besteht aber keineswegs auf fruchtlosen Urheber-Disputen, woher der Name kam und wer ihm zu Markenwert verhalf… 

Phönix-Touren mit Bergbau-Picknick fanden bis 2014 über 2.500 Mal statt und erreichten rund 140.000 Teilnehmer. Im Jahr 2002 zog sich ein legendärer Korso mit sieben Reisebussen entlang der neuen Uferlinien. Weil letztlich alle Teilnehmer den Inspirator und Organisator Karl Detlef Mai einmal aus der Nähe kennenlernen wollten, half nur, den umtriebigen Gästeführer an Aussichtspunkten zu erleben oder auch in einen weiteren Bus umsteigen zu lassen. Die Erläuterungen gab es auch schon zwischen zwei Bussen in Live-Übertragung. 

Dem Erbe verpflichtet


Mit dem Erreichen des Rentenalters gab Karl Detlef Mai 2014 sein Unternehmen an eine Nachfolgerin ab. Damit gewann er Zeit, seine seit 1980 betriebene Fotothek Mai Leipzig weiter zu systematisieren und zu erschließen. Der Grundstock dieses Foto-Universums geht auf den Vater Karl Heinz Mai zurück, der mit einer schweren Behinderung aus dem Zweiten Weltkrieg zurückgekehrt war und mit nimmermüder Energie zum Foto-Chronisten des Alltags seiner Heimatstadt Leipzig vor allem in der schweren Nachkriegszeit aufstieg. Sein Handicap, stets nur aus der eingeengten Perspektive des Rollstuhlfahrers fotografieren zu können, wandelte sich zu einer kreativen Herausforderung, und Bildband-Gestalter, Ausstellungs-Kuratoren und Kalender-Layouter sind bis heute erstaunt und begeistert, welche außergewöhnlichen Motive Karl Heinz Mai dabei fand und erschloss. 

Dem Sohn Karl Detlef Mai ist es zu verdanken, dass sich die historische Authentizität Leipziger Geschichtsabhandlungen und die Suche nach dem besonderen Bild für geplante Ausstellungen mit Fotos, die sein Vater angefertigt hat, und mit aktuellen Bildern, die weiterhin in die Fotothek aufgenommen werden, trefflich untermalen lässt. Wer irgendwann einmal in die Verlegenheit kam, ein verbal beschriebenes Ereignis mit einem wertvollen zeitgenössischen Foto illustrieren zu müssen, wird den Ideenreichtum und die rastlose, zügige Hilfsbereitschaft von Karl Detlef Mai noch jahrelang wertschätzen und loben. Und Bücher, die noch nicht auf dem Markt sind, deren Zeit aber gekommen ist, macht Karl Detlef Mai am liebsten selbst.

Bildergalerie - Mai, Karl Detlef

Spottrelief

Katharinenstraße 11
Ortsteil: Zentrum

Im Innenhof des 1706/07 durch Gregor Fuchs erbauten Fregehauses befindet sich ein Leipziger Spottbild aus der Reformationszeit. Die Herkunft des Reliefs aus dem Jahr 1535 ist ungewiss. Es dürfte Bestandteil eines Architekturteiles gewesen sein, das vermutlich noch vom 1535 errichteten Vorgängerbau des Fregehauses stammt. Nach dessen teilweisen Abriss wurde es wahrscheinlich in den 1707 eröffneten Neubau integriert. Gefunden wurde das Spottrelief bei Sanierungsarbeiten in den 1980er Jahren am südlichen Seitengebäude. Das Relief besteht aus Sandstein und besitzt eine Größe von 70 x 46 cm. Es ist eine volkstümliche Bildhauerarbeit, die eine ungewöhnliche Komposition besitzt, denn die abgebildeten Figuren reichen in zeittypischer Weise über die Kehle des Rahmens hinaus. 

Bei der Interpretation der dargestellten Personen gibt es mehrere Deutungsversuche. Die links abgebildete Person könnte Papst Leo X. sein, der mit einer Tiara bekrönt ist. Ihm rechts gegenüber vermutet man Kaiser Karl V., unter dem Martin Luther in Mönchskleidung liegt. In einer anderen Version wird die bürgerlich gekleidete rechte Person mit Philipp Melanchthon identifiziert, der gegenüber dem Papst Luthers Stelle einnimmt und sich über dem Mönch und Ablasshändler Johann Tetzel erhebt. Da, außer dem Papst, die beiden anderen Personen nicht klar identifizierbar sind, sind beide Versionen anfechtbar. Für das zur damaligen Zeit vorprotestantische Leipzig existiert noch eine dritte Version. Dabei stellt der Mann mit dem roten Barett einen Bürger oder Gelehrten dar, der eine antimönchische Meinung vertritt. Es könnte sich in diesem Fall auch um die politische Meinung des wahrscheinlichen Bauherrn Lucas Straube d. Ä. handeln. 

Bei der Restaurierung des Reliefs Anfang der 1980er Jahre stieß man nach der Entfernung von sieben Übermalungsschichten auf die ursprüngliche Farbfassung. Die Restauratoren entschieden sich für die Rekonstruktion dieser Fassung, ohne den Zustand der Alterung ganz zu vernachlässigen. Die ursprüngliche Bemalung bestand aus kräftigen, leuchtenden Farben.

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Schumann-Haus Leipzig

Inselstraße 18
Ortsteil: Zentrum-Ost

Das Schumann-Haus Leipzig wurde 1838 von Friedrich August Scheidel im Stil des Klassizismus errichtet. Es diente dem Künstlerpaar Robert Schumann und Clara Schumann (geb. Wieck) zwischen 1840 und 1844 als Wohnhaus. Heute herbergt das Haus die Freie Grundschule „Clara Schumann“, den Schumann-Verein Leipzig e.V. sowie die Rahn Dittrich Group. In der einstigen Schumann-Wohnung befindet sich das Schumann-Museum mit der Dauerausstellung „Experiment Künstlerehe“.

Vom der Süßwaren-Fabrik zum Schumann-Museum


Das Schumann-Haus in der Inselstraße 18, ehemals Inselstraße 5, ist von großer musik-sowie architekturgeschichtlicher Bedeutung und blickt auf eine wechselhafte Historie zurück. Die Inselstraße befand sich auf einer der Hauptachsen der in den 1830er Jahren in Leipzig entstehenden städtebaulichen Erweiterung. Private Investoren parzellierten und erschlossen zu dieser Zeit ihre Gartengrundstücke entlang des regelmäßig verlaufenden Straßennetzes, welche die neu entstandene Friedrichstadt und die Marienstadt begrünten. Die Viertel zeichneten sich durch ihre „lieblichen und großartigen Gebäude, durch ihre schönen Gärten und ihre breiten Straßen“ aus. Im Jahr 1838 entschloss sich der Maurermeister Friedrich August Scheidel in der damaligen Inselstraße 5 zum Bau eines dreigeschossigen Bürgerhauses mit reich gestalteter Fassade im Stil des Klassizismus, welches ihm als Wohnhaus dienen sollte. 

Nach ihrer Heirat am 12. September 1840 in der Kirche Schönefeld bezogen Robert und Clara Schumann das neu errichtete Haus als ihr erstes gemeinsames Domizil in dem aufstrebenden Stadtteil, wo sie bis zum Umzug nach Dresden 1844 wohnten. Die Schumanns lebten in einer der beiden Wohnungen im ersten Stock, die sie sich mit einer weiteren Familie teilten. Die aus acht Zimmern, einem Saal, einigen Kammern und Wirtschaftsräumen bestehende Wohnstätte beschrieb Clara selbst als „kleines, aber trauliches, freundliches Logis“. Im Jahr 1887 siedelte sich im Schumann-Haus die Kakao-, Schokoladen-, Konfitüren- und Honigkuchenfabrik Schwarz & Große an. 1910 entstand ein großflächiges neues Fabrikgebäude, in dessen repräsentatives Torgebäude das Schumann-Haus mit einbezogen wurde. Das Gebäude überstand den Zweiten Weltkrieg weitestgehend unbeschadet, jedoch geriet es in Vergessenheit und verfiel zu DDR-Zeiten immer mehr. Bis in die 1990er Jahre wies lediglich eine unscheinbare Tafel an der Wand des sich im Privatbesitz befindlichen Areals auf dessen Geschichte hin. Im Jahr 1999 wurde das Schumann-Haus von der Rahn Dittrich Group gekauft, welche es vor dem Verfall bewahrte und unter strengen denkmalpflegerischen Gesichtspunkten umfassend sanierte. Seit 2014 ist das Schumann-Haus im Besitz der Europäischen Stiftung für Bildung und Kultur der Rahn Dittrich Group und beherbergt neben der Freien Grundschule „Clara Schumann“ auch den Schumann-Verein Leipzig e.V. In der einstigen Schumann-Wohnung befindet sich heute das Schumann-Museum mit der multimedialen Dauerausstellung „Experiment Künstlerehe“. Die übrigen Räume der Wohnung werden von der Freien Grundschule „Clara Schumann“ mit künstlerisch-musischem Schwerpunkt und der gleichnamigen Musikschule genutzt. Das Schumann-Haus stellt heute eine einzigartige Symbiose aus Ausbildungsstätte, Museum und Veranstaltungsort dar und zählt zu den wenigen erhaltenen Beispielen klassizistischer Architektur in Leipzig. Es ist zudem eine Station auf der Leipziger Notenspur.

Repräsentativer Klassizismus im Grünen


Die für den Stil charakteristische klare bauliche Gliederung des Schumann-Hauses zeigt sich in den deutlich voneinander abgesetzten drei Geschossen, welche durch einen ornamentalen Fries betont werden. Typisch für den Zeitgeist sind auch die von Etage zu Etage variierenden Fensterbedachungen. Aus der Fassadenfront tritt ein markanter Mittelrisalit mit sechs Pilastern und dazwischen angeordneten Reliefplatten hervor, welche antike Szenen darstellen. Oberhalb einer Toreinfahrt tragen vier schlicht gehaltene Konsolen einen dreiachsigen Balkon mit einem für den Zeitgeist typischem Rautengitter auf Höhe der Schumannschen Wohnung. Über dem Balkon erheben sich fünf kannelierte Pilaster mit korinthischen Kapitellen.

„Experiment Künstlerehe“ am authentischen Ort


In den Räumlichkeiten der einstigen Schumann-Wohnung befindet sich heute ein Museum, welches das Leben und Wirken von Robert und Clara Schumann während ihres vierjährigen Leipzig-Aufenthalts klanglich und visuell veranschaulicht. Dabei handelt es sich um das erste Museum für ein Musikerpaar, welches sich auf Augenhöhe begegnet und deren Lebensläufe nebeneinander dargestellt werden. Anlässlich des 200. Geburtstages von Clara Schumann wurde 2019 die Dauerausstellung „Experiment Künstlerehe“ eröffnet und es entstand ein neues multimediales Museumskonzept. Die Ausstellung illustriert in sechs thematischen Räumen die Herausforderungen und Themen des Ehelebens der Schumanns. Im Mittelpunkt stehen die in Leipzig entstandenen Ehe-Tagebücher und der gemeinschaftlich komponierte Liederzyklus „Liebesfrühling“.

Der historische Schumann-Saal mit seiner originalen Ausmalung verkörpert den damaligen Zeitgeist und lässt die Tradition des musikalischen und literarischen Salons wieder aufleben, in welchem sich das kulturelle Leben der Schumanns abspielte. Hier begrüßte dasKünstlerpaar namhafte Gäste, darunter Hans Christian AndersenFranz LisztFelix Mendelssohn BartholdyRichard Wagner und Hector Berlioz. Die Zeit in Leipzig markierte für die Schumanns zudem die Blütezeit ihres künstlerischen Schaffens: es wurde gemeinsam musiziert, komponiert und uraufgeführt. Robert Schumann komponierte drei Streichquartette, zwei Sinfonien, das Oratorium „Das Paradies und die Peri“ sowie die Lieder von „Frauenliebe und Leben“ und die „Kerner-Lieder“. Die wohl bekanntesten Stücke sindRobert Schumanns „Frühlingssinfonie“, welche im Gewandhaus zu Leipzig uraufgeführt wurde, sowie der gemeinsam komponierte Liederzyklus „Liebesfrühling“. Auf ausgewählten Stühlen, welche sich um den Flügel in der Raummitte gruppieren, kann man über Infrarot-Lautsprecher den Porträts von Zeitgenossen der Schumanns, darunter Claras Mutter Mariane Bargiel, lauschen. An einer Wand im Schumann-Saal hängt das berühmte Relief von Ernst Rietschel aus dem Jahr 1846 in Form eines Doppelporträts von Clara und Robert Schumann. Dieses gilt als besonders lebensnah und authentisch. Im neben dem Schumann-Saal befindlichen „Reisekabinett“ können die zwei von Leipzig ausgehenden Konzertreisen der Schumanns nach Dänemark und Russland nachvollzogen werden. Im „Ausbildungskabinett“ ist unter anderem „Claras Hand“ ausgestellt. Dabei handelt es sich um eine von Erwin Stache auf Basis eines Gipsabdrucks von Clara Schumanns Hand geschaffene Klanginstallation. Im einstigen Arbeitszimmer Robert Schumanns, dem „Ehe-Experimentierraum“, verwandeln visualisierte Features von Magdalene Melchers den Raum mittels sechs Beamern in die Themenschwerpunkte Liebe und Kunst, Kinder und Geld. Im von Erwin Stache geschaffenen „Klangraum“ lassen die von der Decke hängenden Gegenstände Töne oder ganze Musikstücke erklingen. Im „Hörkabinett“ können Besucher den von Robert und Clara Schumann in Leipzig komponierten Werken lauschen.

Bis 2020 veranstaltete das Schumann-Haus jährlich im September die Schumann-Festwoche. Statt dieser findet seit 2021 die Veranstaltungsreihe „Con spirito – Das Leipziger Kammermusikfestival“ statt. An acht Tagen finden acht Konzerte in historischen Wohn- und Wirkungsstätten von Komponisten statt, die die Leipziger Musiktradition entscheidend prägten. Zu den Austragungsorten zählen neben dem Schumann-Haus auch die Thomaskirche, das Bach-Museum und die Alte Nikolaischule.

Bildergalerie - Schumann-Haus Leipzig

Schillerhaus

Menckestraße 42
Ortsteil: Gohlis-Süd

Das 1717 im Stil eines typischen Bauernhauses erbaute Schillerhaus diente von Mai bis September 1785 als Quartier für Friedrich Schiller. Dabei handelt es sich um die älteste Literaturgedenkstätte Deutschlands. Das Schillerhaus ist das einzige erhaltene Bauernhaus im Leipziger Stadtgebiet aus dem frühen 18. Jahrhundert. Es ist ein Bestandteil des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig.

Der Lockruf aus Leipzig


Die Geschichte des Schillerhauses im Stadtteil Gohlis reicht bis ins frühe 18. Jahrhundert zurück. Das Gebäude wurde 1717 als Wohnstallhaus auf einem typischen kleinbäuerlichen Anwesen als Dreiseitenhof nach mitteldeutschem Vorbild im Dorf Gohlis erbaut. Ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden Teile des Hauses als Sommerquartier vermietet. Zu seinen berühmten Gästen zählte kein Geringerer als Friedrich Schiller. Die Ankunft des damals 25-jährigen Dichters in Leipzig am 17. April 1785 markierte einen tiefen Einschnitt in seiner persönlichen und künstlerischen Entwicklung. Hinter Schiller lagen gescheiterte Projekte und unglückliche Verbindungen, darunter die unbefriedigende Arbeit als Regimentsmedicus im Dienste Karl Eugens von Württemberg und eine desillusionierende Tätigkeit als Theaterdichter in Mannheim. Persönliche Sorgen und Zerwürfnisse mit Schauspielern verschlimmerten neben seiner längeren Krankheit und seinen Schulden die Lage. Die Einladung seines Leipziger Freundeskreises rund um den Juristen Christian Gottfried Körner stellte für Schiller eine unverhoffte Möglichkeit dar, sein Leben neu zu ordnen und eine gesicherte Existenz als Dichter aufzubauen. Zudem beteuerte Körner, dass Schiller im weltoffenen Leipzig bewundert werden würde. Aber erst eine Geldsendung von Körner ermöglichte Schiller schließlich die Reise nach Leipzig. Da sich Körner bei Schillers Ankunft aus beruflichen Gründen in Dresden aufhielt, lernten sich beide erst am 1. Juli 1785 auf dem Rittergut Kahnsdorf bei Borna persönlich kennen, welches dem Theologen und Philologen Johann Christian Gottlieb Ernesti, einem Verwandten Körners, gehörte. 

Schillers schaffensfrohe Sommermonate in Gohliser Landidylle


In Leipzig verweilte Schiller zunächst im – für seine Verhältnisse – teuren Gasthof Blauer Engel in der Petersstraße 20 und am Folgetag im Gasthaus Kleines Joachimsthal in der Hainstraße 5. Der Verlagsbuchhändler Georg Joachim Göschen, der ebenfalls zu Körnersengem Freundeskreis zählte, vermittelte Schiller Anfang Mai 1785 ein Zimmer im Haus des Bauern Christoph Schneider im Dorf Gohlis nordwestlich von Leipzig. Im Sommer 1785 lebte Göschen selbst in der Stube im Erdgeschoss des Bauernhauses. 
Dem jungen Schiller und seiner Sehnsucht nach ländlicher Idylle kam die Wohnstätte sehr gelegen. Dank seiner Lage fernab der rauchenden Kamine und übelriechendenWassergräben des Stadtzentrums war Gohlis die Sommerfrische der Stadtbewohner. In einem Brief nach Mannheim am 24. April 1785 schrieb Schiller: „Ich werde auch einige Monate in dem Orte Goliz zubringen, der nur eine Viertelmeile von Leipzig entlegen ist, und wohin ein sehr angenehmer Spaziergang durch das Rosental führt. Hier bin ich willens, sehr fleißig zu seyn, an dem Karlos und der Thalia zu arbeiten…“. Schillers Aufenthalt in Leipzig markierte eine der unbeschwertesten Zeiten seines Lebens, welche sich auch in seinen künstlerischen Werken widerspiegelte. So verfasste er hier seine Werke „Don Carlos“ und seine weltberühmte Ode „An die Freude“, die von Ludwig van Beethoven vertont wurde. Nach seiner Abreise am 11. September 1785 verweilte Schiller noch bis Juli 1787 als Körners Gast in Dresden und kehrte in den Folgejahren mehrmals nach Leipzig zurück.

Vom unscheinbaren Bauernhaus zur ältesten Literaturgedenkstätte Deutschlands


Erst im Jahr 1841 wurde das einstige Bauernhaus in Gohlis als jenes identifiziert, in dem Schiller im Sommer 1785 gewohnt hatte und die Anbringung einer Gedenktafel an einer vor dem Grundstück errichteten steinernen Ehrenpforte veranlasst. Diese wurde am 11. November 1841 enthüllt. Dass die Erinnerungen an das unscheinbare Gohliser Bauernhaus erhalten blieben, ist dem Wirken des Leipziger Schillervereins zu verdanken. Dieser wurde am 24. Oktober 1842 unter der Leitung des Schriftstellers Robert Blum gegründet, der anlässlich Schillers Geburtstags bereits 1840 eine öffentliche Feier ausrichtete. 1848 wurdenim Innern eine Gedenkausstellung eingerichtet sowie jährliche Schillerfeste durchgeführt. Das Schillerhaus wurde zur ersten Literaturgedenkstätte Deutschlands. Der Schillerverein verhinderte 1856 den vorgesehenen Abbruch des Hauses und erwarb dieses 1856 käuflich. Damit bewahrte er neben der Gedenkstätte auch ein eindrucksvolles Denkmal mitteldeutscher ländlicher Architektur. 

1857 bis 1858 gab es erste bauliche Veränderungen des Dreiseitenhofes. Die Scheune und die Toranlage wurden abgebrochen und umfassende Sanierungsarbeiten im Gebäudeinnern vorgenommen. Im Laufe der Jahrhunderte litt die historische Bausubstanz erheblich. 1995 musste das Schillerhaus schließlich wegen Einsturzgefahr geschlossen werden. Dank zahlreicher Fördermittel und Spendengelder erfolgte 1997 eine denkmalgerechte Sanierung. So konnte das Schillerhaus am 28. Oktober 1998 als Außenstelle des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig mit einer neuen Ausstellung wieder eröffnen. Im Jahr 2002 wurde der Bauerngarten nach historischem Vorbild rekonstruiert.

Göschenzimmer, Bauernstube und Schillerstube im frühklassizistischen Zeitgeist


Das Schillerhaus beherbergt heute eine neu gestaltete Dauerausstellung, welche mehr als 100 Exponate umfasst und Schillers Leben und Wirken in den historischen Gemäuern lebendig werden lässt. Das Schillerhaus als Hauptbau und gleichzeitig Wohnteil des einstigen Dreiseitenhofes beherbergte im Erdgeschoss eine größere und kleinere Stube und die Küche. Bei der kleineren Stube rechts vom Eingang, dem „Göschenzimmer“, handelte es sich einst um einen Stall, der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zum Sommerquartier umgebaut wurde. In dem Raum befindet sich auch ein detailreiches Modell vom Dorf Gohlis im 18. Jahrhundert. Der alte Siedlungskern des einstigen Gassendorfes hat sich bis heute zum Teil erhalten. Die benachbarte Küche wurde 1717 ursprünglich als Flurküche eingerichtet, deren originaler Rauchhut noch heute gut erkennbar ist. Die Trennwand zum Flur entstand 1857, die frühklassizistische rötliche Wandfarbe entspricht dem historischen Vorbild. Die „Bauernstube“ links neben der Küche gibt Auskunft über Schillers Freundes- und Bekanntenkreis rund um Christian Gottfried Körner. 

Über eine schmale Treppe gelangt man ins Obergeschoss mit der „Schillerstube“ und zwei Schlafkammern. In der linken Schlafkammer wurde die frühklassizistische Ausmalung aus Schillers Zeit nach historischen Befunden rekonstruiert, während die rechte Schlafkammer monochrom grau ausgemalt war. Die Räume geben Einblicke in das Wirken des Schillervereins zu Leipzig. Gegenüber befindet sich die „Schillerstube“ mitsamt der benachbarten kleinen Schlafkammer, welche erst Mitte des 18. Jahrhunderts entstand. In diesen zwei Räumen logierte Schiller 1785. Zu Schillers Zeiten waren die Zimmerwände und Kammern entsprechend dem Frühklassizismus gegliedert und farbig gestaltet. Die weißgekalkten Wandflächen stellten einen wirkungsvollen Kontrast zu den mit roten Holzlasuren gefassten Decken und Türen dar. Rechts neben der Tür zur Schillerstube befindet sich eine Büste Friedrich Schillers. Der Gipsabguss wurde vom Bildhauer Johann Heinrich Dannecker, einem Freund des Dichters aus der gemeinsamen Schulzeit, während Schillers Aufenthalt in Stuttgart 1794 modelliert. Ein Highlight in der Schillerstube ist die in einer Vitrine ausgestellte originale Weste Schillers um 1800. Diese gelangte als Geschenk von Schillers ältestem Sohn Karl in den Besitz des Schillervereins nach Leipzig und wurde 1841 erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. 

Das Schillerhaus empfängt Besucher zu Konzerten, Lesungen, Theateraufführungen und zahlreichen anderen Kulturveranstaltungen. Im Bauerngarten finden Sommertheater-Aufführungen statt.

Bildergalerie - Schillerhaus

Historisches Bildmaterial - Schillerhaus

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