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Fritz-von-Harck-Anlage

Harkortstraße 1 | Ortsteil: Zentrum-Süd

Die neben dem Bundesverwaltungsgericht gelegene Fritz-von-Harck-Anlage wurde ursprünglich von 1894 bis 1900 als repräsentativer Platz im Gründerzeit-Stil mit Schmuckpflanzungen und Fontäne als Bindeglied zwischen Reichsgericht und Neuem Rathaus angelegt. 1917 wurde sie zu Ehren des Kunstwissenschaftlers und -sammlers Fritz von Harck in die gleichnamige Anlage umbenannt. Nach dem Zweiten Weltkrieg verlor das Areal seine einstige Wirkung, bevor es 1999/2000 nach historischem Vorbild bis 2002 nach Plänen des Grünflächenamts als 4.500 Quadratmeter großer, zeitgenössischer Stadtplatz neugestaltet wurde. Auffällig sind die mit Rasenwellen gestalteten Grünflächen sowie die sechs Meter hohe Fontäne in der neu gestalteten Brunnenanlage.

Von der Nonnenmühle zur repräsentativen Parkanlage


Anstelle der heutigen Fritz-von-Harck-Anlage befanden sich einst die
Nonnenmühle sowie diverse Wasserkunstelemente des ehemaligen städtischen Bewässerungssystems. Das Areal wurde in den Gründerzeitjahren durch die Stadterweiterung überformt. Das einst dörfliche Ambiente entwickelte sich zu einem großstädtischen Charakter, welcher durch einen kanalisierten Pleißemühlgraben, monumentale Bauten und exakte Straßenführung geprägt war. Zwischen 1894 und 1900 wurde ein aufwendig gestalteter, repräsentativer Platz mit Schmuckpflanzungen, Formschnittgehölzen, Wasserbecken, Fontäne und schmiedeeisernen Rabatteneinfassungen geschaffen. Die Anlage ermöglichte einen freien Blick vom Neuen Rathaus am Promenadenring auf das damalige Reichsgerichtsgebäude sowie das Musikviertel und fungierte als entsprechendes Bindeglied zwischen den repräsentativen Bauten. Im Norden wird sie von der Karl-Tauchnitz-Straße, im Osten von der Harkortstraße sowie im Süden von der Wächterstraße umschlossen. Die Grünfläche erhielt 1917 zu Ehren des Kunstwissenschaftlers und Kunstsammlers Dr. Fritz von Harck, welcher der Stadt Leipzig testamentarisch wertvolles Kunstgut und Immobilien vermachte, den Namen Fritz-von-Harck-Anlage. Während des Zweiten Weltkrieges wurden die neun schmiedeeisernen Ziergitter der Anlage eingeschmolzen und das Wasserbecken nach 1945 demontiert. Auch der zentrale Springbrunnen wurde an den Rand des Platzes verlegt sowie 1951 der Pleißemühlgraben verrohrt. Die Anlage wurde durch die Straßenverbreiterung verkleinert. Dadurch verlor sie ihre einst repräsentative Wirkung und die Struktur des Platzes wurde entsprechend des Zeitgeschmackes grundlegend asymmetrisch verändert.

Im Zuge der Freilegung des Pleißemühlgrabens 1999/2000 und der Neugestaltung der Fritz-von-Harck-Anlage wurde die historische Wirkung des Platzes in Ansätzen wieder hergestellt. Nach nur eineinhalb Jahren Bauzeit entstand nach Plänen des Grünflächenamts im Jahr 2002 ein 4.500 Quadratmeter großer, moderner Stadtplatz in Verbindung zum offen gelegten Pleißemühlgraben. Finanziert wurde das Projekt von der „Allianz-Stiftung zum Schutz der Umwelt“ mit 1,5 Millionen DM. Weitere 2,7 Millionen stammten aus Fördermitteln sowie von der Stadt Leipzig.

Grüne Oase zwischen Bundesverwaltungsgericht und Neuem Rathaus


Der Entwurf für die heutige Fritz-von-Harck-Anlage zielte auf eine Wiederherstellung nach historischem Vorbild ab und orientierte sich am Grundriss der einstigen repräsentativen gründerzeitlichen Grünanlage. Bei dem neu entstandenen Areal handelt es sich nicht um eine Rekonstruktion, sondern um eine eindeutig zeitgenössische Grünanlage, welche ihr historisches Vorbild auf eine moderne funktionale und ästhetische Gestaltung überträgt.

Bezugnehmend auf die Grünflächen des Bundesverwaltungsgerichtes schafft die Nord-Süd-Achse des Wegekreuzes wieder einen räumlichen Zusammenhang zum angrenzenden Simsonplatz. Die hügelig gestalteten Grünbereiche und die Wiese mit bis zu 90 Zentimeter hohen Rasenwellen stellen einen Bezug zur Nähe der Pleiße sowie zum spannungsvollen Justiz- und Regierungsgebäude her. Platzmitte und zugleich Hauptanziehungspunkt der Fritz-von-Harck-Anlage mit Blick auf das Neue Rathaus ist ein zentraler Aufenthaltsbereich mit großer Holzbank. Die sich dort befindliche neu gestaltete, großflächige Brunnenanlage bestehend aus einfachen geometrischen Körpern mit hellem Glasbelag und bis zu sechs Meter hoher Fontäne wird in der Dunkelheit von Halogenstrahlern beleuchtet und wechselt stetig ihre Farbe. Eine dezent durch ein Lichtfaserkabel erhellte Wasserrinne stellt die Verbindung zwischen dem Brunnen und dem Pleißemühlgraben her. Neben letzterem befinden sich fünf Säulen, welche im Dunkeln bläuliches Licht ausstrahlen. Die Westseite der Anlage wurde mit Neupflanzungen, darunter Buchsbaumhecken und Rhododendren, gestaltet, welche einen Übergang zu den angrenzenden Villengärten schaffen. Inmitten einer niedrigen Bepflanzung befindet sich der Gedenkstein für Dr. Fritz von Harck, während das sich zuvor daneben befindliche Mendelssohn-Denkmal seinen neuen Standort inmitten der Promenadenanlagen unweit des Westportals der Thomaskirche erhielt. Die räumliche Abgrenzung zur Karl-Tauchnitz-Straße wurde durch die Pflanzung diverser neuer Platanen realisiert. 

Vor allem in den Sommermonaten ist die gepflegte Anlage aufgrund ihrer Nähe zur Innenstadt ein beliebter Treffpunkt für Entspannung suchende Passanten und Studenten sowie für Personen, die beim Bundesverwaltungsgericht arbeiten und hier ihre Pause verbringen. 

Stand: 26.09.2023

Bildergalerie - Fritz-von-Harck-Anlage

Historisches Bildmaterial - Fritz-von-Harck-Anlage

Friedhof Thekla

Tauchaer Straße 134 | Ortsteil: Thekla

Es gibt keinen anderen Friedhof in Leipzig, der sich an einem so malerischen Ort befindet, wie der inmitten der Parthenaue gelegene Friedhof Thekla. Der jahrhundertealte Begräbnisplatz diente schon lange vor der Christianisierung den Slawen als Kultstätte. Bereits im 12. Jahrhundert wurde auf dem Hügel die Kirche Hohen Thekla aus Granitfindlingen errichtet. Die romanische Wehrkirche hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Trotz mehreren Bränden wurde sie immer wieder aufgebaut, ohne dass ihre Ursprünglichkeit verändert wurde. 

Idyllischer Friedhof in Hanglage


Die Kirche Hohen Thekla wird von einem 1,6 Hektar großen Friedhof umschlossen, der sich in einer Hanglage nach Süden erstreckt. Etwa 1.700 Grabstellen sind hier vorhanden. Zahlreiche interessante Grabmäler aus der Zeit des Barocks und des Klassizismus erinnern an die uralte Tradition dieses Friedhofs, der auch ausreichend Platz für neue Grabanlagen bietet. Neben einem Gefühl der Ruhe und des Friedens beeindruckt die Begräbnisstätte mit schattenspendenden Bäumen und einem morbiden Charme, den auch die uralten bemoosten Grabmale ausstrahlen. Neben Gräbern von ehemaligen Pfarrern der Kirche Hohen Thekla, die sich an der Rückseite des Gotteshauses befinden, entdeckt man beim Spaziergang auch das
Kriegerdenkmal 1914-1918 – Friedhof Thekla, das auf den Seitenfeldern die Namen von 54 im Ersten Weltkrieg Gefallenen aus Thekla aufführt. Nur wenige Meter entfernt befindet sich die Friedhofskapelle, die für etwa 40 Personen Sitzplätze bietet.

Gemeinsam mit den Friedhof Schönefeld und dem Friedhof Mockau zählt der Friedhof Thekla zu den Gemeindekirchenfriedhöfen Leipzig Nordost. 

Stand: 26.09.2023

Bildergalerie - Friedhof Thekla

Flughafen Leipzig/Halle

Terminalring 11 | Schkeuditz

Alles begann mit einer Standortsuche, um dem Nebel zu entgehen. Als sich die Verkehrsluftfahrt mit Motorflugzeugen in den 1920er Jahren in den Himmel erhob, wollte Leipzig unbedingt früh dabei sein. In Mockau, im Norden der Stadt war ein Landeplatz für Zeppelin-Luftschiffe bereits etabliert, der für die neue Generation von Propellermaschinen ebenfalls geeignet war. Jedoch bemühte sich auch das nur 35 Kilometer entfernte Halle um eine gute Ausgangsposition an der Startlinie der Verkehrsluftfahrt. In Schkeuditz wurden die Planer fündig. Das freie Areal für den avisierten Flughafen lag erhöht genug, um dem gefürchteten Nebel in den Auenniederungen von Saale und Weißer Elster möglichst zu entgehen. Denn Radar für Schlechtwetterflüge gab es damals noch nicht. 

Towerblick auf ein Drehkreuz der Luftfahrt


Von der Aussichtsterrasse des Towers der Flugsicherung aus den 1980er Jahren eröffnet sich ein nahezu komplettes Panorama aus Historie und Gegenwart des heutigen Flughafens Leipzig/Halle. Manche Veränderung ist gut erkennbar, auch wenn die ältesten Gebäude aus dem Eröffnungsjahr 1927 längst verschwunden sind. Im Süden, auf der Schkeuditz zugewandten Seite, entstand schnell ein vom Bauhaus inspiriertes, transparentes Abfertigungsgebäude mit üppigen Glasflächen. Dass dieser Bau die Zeitläufe nicht überstand, bedauern Luftfahrt-Enthusiasten, denn es war im Grunde der Prototyp aller modernen Verkehrsflughäfen in der weiten Welt – mit klarer Trennung von Ankunft und Abflug und einer Abstellfläche für die Flugzeuge auf der Luftseite. Wegen der Modernität des Schkeuditzer Flughafens entschied sich die junge Lufthansa für dieses Aushängeschild ihrer Ansprüche, und damit war der stadtnähere
Flughafen Mockau für die Messestadt Leipzig plötzlich nur noch die Nummer zwei. 

Wer die historischen Fotos betrachtet, wird allerdings nachdenklich beim Gang der Fluggäste durch den Freisitz des Flughafenrestaurants hindurch, an den neugierigen Besuchern an den Kaffeetischen vorbei in Richtung ihrer abflugbereiten Maschine. Es galten offensichtlich unbeschwert lockere Sicherheitsstandards… 

Neustart als Messeflughafen


Nach militärischer Zwischennutzung im Zweiten Weltkrieg gelangte der Schkeuditzer Flughafen in der DDR-Zeit zu neuen Airport-Ehren während der
Leipziger Messen. Flogen die niederländische KLM oder die schweizerische Swissair auf Messe-Sonderlinien ein, bot ein solides Interim-Abfertigungsgebäude aus den 1950er Jahren die angestrebte einigermaßen weltstädtische Abfertigungskapazität. Der umgenutzte Zweckbau findet sich bis heute auf der Südseite. Zu sichtbarem Positionsgewinn setzte der Messeflughafen aus Prestigegründen in den 1970er Jahren an. Das Neubaugeschehen begann mit einem Flachbau, der mittlerweile bescheiden und fast randständig wirkt und dem Bereich General Aviation vorbehalten ist. Von hier startete die Interflug an manchen Tagen nach Moskau, Tatry, Varna und Burgas, und zu den Messen wurde es mit Aeroflot, Air France, British Airways, SAS, Swissair, KLM und Lufthansa (seit den 1980er Jahren) erheblich bunter.

Den Partnern aus dem Westen war daran gelegen, das Ziel im Osten mit Spitzentechnik anzusteuern. Spektakulär gestalteten sich ab 1986 die Messe-Sonderlinien von Air France und British Airways mit dem Überschall-Verkehrsflugzeug Concorde nach Leipzig. Die Welt war geteilt. Für den eleganten Superjet blieb die Destination Leipzig die einzige jemals angeflogene „hinter dem Eisernen Vorhang“. Seitens des Flughafens Leipzig/Halle eine historische Exzellenzposition mit Ewigkeitswert.

Mit der Einheit in den Steigflug


Mehr als die für rund 200.000 Fluggäste pro Jahr ausgelegten Kapazitäten konnte der Flughafen ab 1990 nicht in die deutsche Einheit einbringen. Wie sollten damit die als märchenhaft empfundenen Zahlen von über einer Million Fluggästen ordentlich abgefertigt werden? Die neue Gesellschaft des nun offiziell als Flughafen Leipzig/Halle firmierenden Unternehmens musste bauen, was das Zeug hielt und was die Flächen hergaben. 

Mitte der 1990er Jahre ging als erstes das neue Abfertigungsgebäude in Betrieb. Damit konnte sich der Airport ein wenig Luft in seinem Steigflug verschaffen. Indes näherten sich die jährlichen Fluggastzahlen längst ihrer nächsten „Schallmauer“: zwei Millionen.

Erkennbaren Nutzen zog Leipzig/Halle aus der fortschrittlichen Vorgabe der EU-Verkehrspolitik, moderne Flughäfen auf kurzen Wegen mit dem überregionalen Straßen- und Schienennetz zu verknüpfen. Die unmittelbare Nähe zu gleich zwei Bundesautobahnen gehört zur vorteilhaften „Erbmasse“ des Airports. Außerdem berührt ihn seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts eine Neubaustrecke im Hochgeschwindigkeitsnetz der Bahn. Um die Verkehrsträger geschickt zu kombinieren, legt sich seit dem Jahr 2001 der Abfertigungskomplex mit Parkhaus über Autobahn und Gleise und führt direkt zum  Abflug. Als dieses Bauwerk in Betrieb ging, wiesen alle Festredner darauf hin, dass für eine Verlängerung nach Norden Vorsorge getroffen sei. Entstünde jenseits der Autobahn A 14 ein zweites Bauwerk für Ankunft und Abflug, würde die jährliche Kapazität des Flughafens Leipzig/Halle auf fünf Millionen Passagiere und mehr steigen. Allerdings ist das Zukunftsmusik. Reichlich zwei Millionen Passagiere sind seit Jahren schon lange ein nur mäßig schwankender Wert.

Fracht-Millionäre im Anflug


Kräftige Investitionen in eine neue und in die neu in der Hauptwindrichtung ausgerichtete vorhandene Start- und Landebahn schufen die Basis für ein Geschäftsfeld, das sich seit 15 Jahren aus dem einstigen Schatten des Passagierverkehrs gelöst hat und noch schneller als „die Flüge zu den Sonnenzielen“ wuchs – den Frachtverkehr. Ausgehend von kaum ins Gewicht fallenden Mengen im Jahr 1990 bis zum Durchbrechen der Eine-Million-Tonnen-Marke innerhalb eines Jahres verging nur eine kurze Zeit. Dieser Trend wirkt weiter. Ankerinvestor ist seit 2009 die weltweit tätige Expressfracht-Gesellschaft
DHL aus dem Konzern der Deutschen Post. Leipzig/Halle ist für sie das global bedeutendste Drehkreuz und damit ein wirklicher Interkontinental-Airport.

Stand: 26.09.2023

Bildergalerie - Flughafen Leipzig/Halle

Duft- und Tastgarten

Liebigstraße 28 / Friedenspark | Ortsteil: Zentrum-Südost

Der Duft- und Tastgarten im Friedenspark wurde 2017 speziell für Blinde und Sehbehinderte eröffnet und fungiert neben dem benachbarten Apothekergarten als externer Bereich des Botanischen Gartens der Universität Leipzig. Dabei handelt es sich um den Nachgänger des ersten und einzigen Gartens für Blinde und Sehbehinderte in der DDR, welcher 1986 im Rosental eröffnet und in den 1990er Jahren Opfer von Vandalismus wurde. Das 2.000 Quadratmeter große Areal ist durch ein lineares Wegesystem klar strukturiert und mit 16 Themenfeldern sowie mehr als 250 Pflanzenarten ausgestattet, welche von den Besuchern mit allen Sinnen entdeckt werden können. Der Eintritt ist frei.

Vom Rosental in den Friedenspark: Die Anfänge des ersten Duft- und Tastgartens


Im für Blinde und Sehbehinderte konzipierten Duft- und Tastgarten eröffnet sich den Besuchern eine eindrucksvolle Botanik, deren Fokus bewusst nicht auf visuellen Reizen liegt. Im Mittelpunkt stehen stattdessen das Hör-, das Tast- und das Dufterlebnis.

Der erste Garten für Blinde und Sehbehinderte in der DDR wurde im Jahr 1986 im Rosental eröffnet. Da die frei zugängliche Anlage in den 1990er Jahren Opfer von Vandalismus wurde, beschloss man zum Ersatz des zerstörten Areals im Jahr 2002 den Bau eines neuen, besser geschützten Gartens im Stadtgebiet. Auf Initiative von Blindenvertretern beschloss der Stadtrat im Oktober 2002 die Wiedererrichtung des Parks an anderer Stelle. Der Beschluss zur Errichtung eines entsprechenden Areals inmitten des Friedensparks unweit des Apothekergartens und des Botanischen Gartens wurde 2005 verabschiedet. Partner für das Projekt war das Botanische Institut der Universität Leipzig, welches ebenfalls die Pflege des Duft- und Tastgartens verantwortet. Das Grünflächenamt hatte das Projektmanagement, die Planung und den Bau inne, während die Universität Leipzig das integrative Konzept erarbeitete und die Pflanzenauswahl traf. Die Investition belief sich auf 200.000 Euro, inklusive zahlreicher Spenden. Das Areal wurde nach elfmonatiger Bauzeit am 12. September 2017 mit Eröffnungsreden von Oberbürgermeister Burkhard Jung sowie Universitätsdirektor Franz Häuser und Christiane Kohl, Vorsitzende der Kreisorganisation Leipzig-Stadt des Blinden- und Sehbehindertenverbandes Sachsen e.V., eingeweiht.

Lauschen, riechen, tasten: Ein Erlebnis abseits von visuellen Reizen


Bereits beim Betreten der 2.000 Quadratmeter großen Grünfläche werden Besucher durch die Marmorskulptur
Liebespaar aus dem ehemaligen Blindenpark begrüßt. Der Leipziger Bildhauer Roland Wetzel schuf sie Mitte der 1980er Jahre. Das Areal ist durch ein lineares Wegesystem klar strukturiert und mit 16 Themenfeldern sowie mehr als 250 Pflanzenarten ausgestattet. Der Hauptweg trennt den mit unterschiedlich duftenden Bäumen und Sträuchern bepflanzten äußeren Garten vom mit 78 kleinen Hochbeeten bestückten inneren Garten. Mit der Nase kann man neben dem Duft von Rosen, Robinien und Flieder auch Gräser und Riesenkräuter entdecken. Die Themenbereiche vom Sumpf-, Wasser- oder Obstgarten bis zum Miniaturwald sind in schachbrettartiger Struktur angelegt. Erkunden können die Besucher ebenfalls einen Skulpturgarten sowie eine kleine Grotte. In einem weiteren Bereich des Duft- und Tastgartens steht das Hörerlebnis im Fokus. So kann bereits bei leichtem Wind aufmerksam diversen Pflanzen und dem Bambus, dem Knirschen der Kieselsteine auf dem Gehweg und dem Springbrunnen gelauscht werden.

Der Duft- und Tastgarten bietet ebenfalls Schulklassen und Touristen Erholung. Die Anlage ist barrierefrei. Die Beschilderung wurde gleichlautend in Schwarz- und Brailleschrift angebracht. Zur Vorbeugung von Vandalismusschäden, wie bei der ersten Anlage im Rosental, ist der Garten eingezäunt und wird nachts abgesperrt. 

Ein Besuch des Duft- und Tastgartens empfiehlt sich naturgemäß insbesondere im Frühling. Weiterhin lohnt sich auch ein Besuch des benachbarten Apothekergarten, der ebenfalls als externer Bereich des Botanischen Gartens fungiert. Hier können rund 300 Heil-, Arznei- und Giftpflanzen entdeckt werden, darunter Matestrauch, Huflattich, Artischocke oder Sonnenhut.

Stand: 26.09.2023

Doppel M / Muster Messe (MM)

Prager Straße – Osttor Alte Messe | Ortsteil: Probstheida

Doppel-M


Das Doppel-M wurde als Symbol für die in Leipzig erfundene „Mustermesse“ im Auftrag des „Meßamts für die Mustermessen“ von
Erich Gruner entworfen und 1917 anlässlich der Herbstmesse der Öffentlichkeit präsentiert. Seitdem entwickelte sich das Messe-Zeichen innerhalb kürzester Zeit zu einer Marke von internationaler Bekanntheit. Trotz der nur bis 1991 verwendeten Bezeichnung „Mustermesse“ handelt es sich bei dem Doppel-M noch heute um das repräsentative Symbol der Leipziger Messe, welches im Stadtbild in überdimensionaler Größe am Eingang zur Alten Messe, auf dem Wintergartenhochhaus sowie auf dem Messeturm am Neuen Messegelände vertreten ist.

Von der Waren- zur Mustermesse: Das älteste Warenzeichen der deutschen Messewirtschaft entsteht


Zu den weltbekannten Symbolen der Leipziger Messe zählen das
Messemännchen ebenso wie das Doppel-M. Letzteres ist noch heute an verschiedenen Stellen im Leipziger Stadtbild anzutreffen: So dreht sich das Doppel-M bereits von Weitem sichtbar auf dem Wintergartenhochhaus am Hauptbahnhof, bildet ein 27 Meter hohes Eingangstor zum ehemaligen Messegelände, der „Alten Messe“, unweit des Völkerschlachtdenkmals und prangt als Landmarke am 85 Meter hohen Turm des heutigen Messegeländes, der „Neuen Messe“, im Norden der Stadt.

Als Schnittpunkt der zwei wichtigen Fernhandelsstraßen Via Imperii und Via Regia war Leipzig bereits im Mittelalter Zentrum von Markt haltenden Händlern. Daran erinnert heute u.a. die Bodentafel Leipzig im Schnittpunkt alter Handelsstraßen, die sich gegenüber der Alten Waage auf dem Markt befindet. Gemeinsam mit dem Stadtrecht erhielt Leipzig im Jahr 1165 zugleich auch das Marktrecht: Aus Märkten wurden Messen, welche der Stadt großen Reichtum bescherten. Im Zuge der Industrialisierung und der Möglichkeit zur Massenproduktion gelangte Leipzig Ende des 19. Jahrhunderts an räumliche Kapazitätsgrenzen und die Messen weltweit gerieten in eine existenzbedrohende Krise. Die Zeit der reinen Warenmesse, bei welcher der Verkauf von Produkten im Vordergrund stand, war vorbei. Stattdessen fanden die Leipziger 1894 eine Alternative, welche das Überleben der Branche sicherstellen würde: die Mustermesse. Das Konzept dieser an die neuen Bedingungen der Industrie angepassten Messeform sah vor, dass die Kaufleute ihre Handelsgegenstände nur noch präsentierten und Bestellungen entgegennahmen. Die technischen Entwicklungen ermöglichten eine zunehmende Herstellung der Waren in Serie sowie eine direkte Lieferung an die Kunden. Insofern fungierte das Doppel-M als ältestes Warenzeichen der deutschen Messewirtschaft nicht nur als Wegbereiter für das moderne Messewesen weltweit, sondern stellte zugleich auch eine Zäsur dar, welche der gesamten Branche das Fortbestehen sicherte.

Das Messesymbol zwischen weltweiter Bekanntheit und Modeeinflüssen


Für zwanzig Jahre, von der ersten Mustermesse 1895 bis 1915, blieb die Leipziger Mustermesse weltweit einzigartig. Die Entstehung von Konkurrenzmessen in anderen europäischen Großstädten, darunter Berlin und London, führten während des Ersten Weltkrieges im Jahr 1916 zur Gründung des „Meßamts für die Mustermessen“. Diese einheitliche Behörde hatte künftig die Organisation der Messen sowie die Kommunikation mit potenziellen Ausstellern inne. Zur Wahrung von Leipzigs Ruf als traditionelle Messestadt beschloss das „Meßamt für die Mustermessen“ die Einführung eines Firmenzeichens für die Leipziger Mustermesse. Dieses sollte sich bei Ausstellern und Besuchern leicht einprägen, eine Wiedererkennbarkeit garantieren und Sprachbarrieren überwinden. Ziel war eine künftige Firmierung aller organisatorischen, werblichen und kommerziellen Belange der Leipziger Messe unter diesem Zeichen. Den Auftrag zur Entwicklung dieses Logos erhielt im April 1917 der Leipziger Grafiker, Maler und künstlerische Beirat im Messeamt Erich Gruner. Nach nur knapp sieben Monaten entstand das Doppel-M, welches bis heute als Markenzeichen der Leipziger Messe dient. Mitten im Ersten Weltkrieg zur Herbstmesse 1917 wurde das neue Symbol erstmal der Öffentlichkeit präsentiert. In seiner ersten Fassung hatte Gruner drei übereinanderstehende „M“s entworfen. Den Zwischenraum zwischen den beiden Initialen interpretierte er als dritten Buchstaben, welche für das „Meßamt für die Mustermessen“ stehen sollte. Das dritte „M“ geriet allerdings schnell in Vergessenheit. Das Doppel-M, welches fortan auf allen Publikationen, Werbematerialien und im Schriftverkehr der Leipziger Messe verwendet wurde, erhielt innerhalb kürzester Zeit weltweite Bekanntheit.

Rund 40 Jahre nach dessen Einführung, am 15. März 1956, wurde das Messe-Logo in der Schweiz international registriert und ist seitdem als eingetragenes Markenzeichen in rund 60 Ländern weltweit geschützt. Im Zuge dessen war es Ausstellern und Partnern der Messegesellschaft gestattet, das Doppel-M lediglich in eindeutigem Bezug zur Leipziger Messe zu verwenden. Ferner durfte dieses nicht in zusätzliche Gestaltungen einbezogen und nur in festgelegten Proportionen verwendet werden sowie musste freistehen. Im Laufe der Jahrzehnte war das Doppel-M einer Reihe von modischen Einflüssen unterworfen. Um 1920 wurde die von Gruner bevorzugte klare Formgebung des Symbols etwa von einer verschnörkelten, vom Rokoko inspirierten Variante abgelöst. Zwischenzeitlich wurde ein wehendes Band oder später der Schriftzug „Leipzig“ hinzugefügt. In den 1960er Jahren etablierte sich schließlich die bis heute verwendete Variante in Form eines freistehenden, schmalen und hohen Doppel-Ms.

Dreimal Doppel-M im Leipziger Stadtbild


Auch nach dem Übergang von der Waren- zur Mustermesse konnte das räumliche Kapazitätsproblem nicht gelöst werden und es bedurfte eines neuen Ausstellungsplatzes. Hierfür diente ab 1920 zunächst das Areal unweit des Völkerschlachtdenkmals, wo 1913 bereits die
Internationale Baufach-Ausstellung (IBA) ausgetragen worden war. Der Bau von neuen Hallen komplettierte das Gelände als neuen Veranstaltungsort für die Technische Messe, wo auch während der DDR mehrere Messen stattfanden. Eines der Bauwerke aus jener Zeit ist das 27 Meter hohe, unter Denkmalschutz stehende Doppel-M in Stahlskelettkonstruktion und mit Aluminiumblech verkleidet, welches sich noch heute am Eingang zur Alten Messe an der Prager Straße befindet. Die Gestaltungen der Eingangsportale in Form des Doppel-Ms entstanden anlässlich der Jubiläumsmesse im Frühjahr 1965. Das Konzept für dieses Doppel-M stammt von den Leipziger Architekten Martin Lehmann und Manfred Weigend. Die anderen beiden der ursprünglich drei baugleichen Doppel-Ms, welche die drei der einst vier Haupteingänge der Technischen Messe kennzeichneten, wurden abgerissen. Auf dem Gelände fand 1991 die letzte große Universalmesse statt, bevor das Areal in ein Gewerbegebiet umgewandelt und in Alte Messe umbenannt wurde. Das einstige Messegelände wird heute unterschiedlich genutzt: Im Sowjetischen Pavillon befindet sich das Stadtarchiv, in der Messehalle 11 ein Supermarkt. Ferner entstanden verschiedenen Neubauten, darunter die Bio-City Leipzig, welche das Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie beherbergt.

Im Norden Leipzigs befindet sich seit der Gründung der Leipzig Messe GmbH im Jahr 1991 das moderne Neue Messegelände. Der Name „Mustermesse“ war bis zu diesem Zeitpunkt gebräuchlich. Dort wurden 1996 die Neue Messe und das Congress Center Leipzig eröffnet. Seitdem ersetzten etwa dreißig Fachmessen die klassischen Frühjahrs- und Herbstmessen. Seit 1998 findet vor Ort auch die Leipziger Buchmesse statt. Das Doppel-M krönt den 90 Meter hohen Messeturm und ist bereits von Weitem sichtbar.

Stand: 26.09.2023

Bildergalerie - Doppel M / Muster Messe (MM)

Dolden Mädel Braugasthaus Leipzig

Bayerischer Platz 1 | Ortsteil: Zentrum-Südost

Das Braugasthaus „Dolden Mädel“ wurde am 16. Oktober 2019 in der historischen Schalterhalle der Gasthaus und Gosebrauerei Bayerischer Bahnhof eröffnet. Es werden ca. 100 verschiedene, wechselnde Craft Bier-Sorten angeboten und um eine abwechslungsreiche Speisekarte mit gutbürgerlicher Küche ergänzt.

Der Name hinter der weiblichen Hopfenblüte…


Der repräsentative Portikus des
Bayerischen Bahnhofs ist bereits von Weither sichtbar. Wo heute eine Gastronomielandschaft ansässig ist, befand sich einst der weltweit älteste Kopfbahnhof mit viergleisiger Bahnsteighalle und mehreren, symmetrisch anschließenden Gebäuden für die Fahrgastabfertigung und Verwaltung. Nach der Schließung des Bahnbetriebswerkes 1952 und jahrelangem Leerstand wurde das historische Bahnhofsgelände innerhalb von 14 Monaten Bauzeit denkmalgerecht saniert. In den historischen Räumlichkeiten eröffnete am 19. Juli 2000 das Lokal „Gasthaus und Gosebrauerei Bayerischer Bahnhof“. Die weitgehend originalgetreu wiederhergestellten Bahnhofsräume wurden im Zeitgeist mit geräumiger Empfangshalle, einem Stück Güterwagen auf originalen Gleisen und Weichensignalen als Tischlampen gestaltet. In der angrenzenden, historischen Schalterhalle des Bayerischen Bahnhofs befindet sich seit dem 16. Oktober 2019 das Braugasthaus Dolden Mädel Leipzig. Bei dem „Dolden Mädel“ handelt es sich um ein Berliner Franchise-Unternehmen, dessen Konzept ursprünglich aus der Hamburger Ratsherrenbrauerei stammt. Weitere Standorte befinden sich in Berlin, Binz und Stralsund. Der Name leitet sich von der Tatsache ab, dass bei der Hopfenernte ausschließlich weibliche Pflanzen für die Bierherstellung verwendet werden können. Bei der „Dolde“ handelt es sich um die Blüte der Pflanze, welche für das Bierbrauen genutzt wird. 

100 Craft Biere: Von Pale Ale über IPA bis Trappistenbier


Im „Dolden Mädel“ werden ca. 100 verschiedene Craft Bier-Sorten angeboten, wobei der Gast am Bierschalter aus 20 täglich wechselnden Craft Bieren vom Fass, ebenso aus Flaschenbieren wie Bockbier, Ale Bitter, Sauerbier, Pale Ale, IPA, Trappistenbier und belgischen Spezialitäten wählen kann. Wer sich aufgrund der Vielzahl an Bieren nicht entscheiden kann und sich einen Einblick in die Vielfalt der Craft Biere verschaffen möchte, der kann sich durch das „Bier-Zeit-Brett“ probieren. Dieses Probierpaket beinhaltet fünf vom Brauhaus zusammengestellte oder eigens ausgewählte Biere. Wie die räumliche Nähe zum „Gasthaus und Gosebrauerei Bayerischer Bahnhof“ vermuten lässt, ist die Leipziger Bierspezialität
Gose selbstverständlich nicht von der Bierkarte wegzudenken. Ziel des Konzeptes ist es, unterschiedliche und einzigartige Biere vorzustellen, welche aus jahrhundertealter Tradition des Bierbrauens gepaart mit Innovation in unterschiedlichen kleineren und größeren Brauereien hergestellt werden. Ergänzt wird das Angebot durch eine vielfältige Speisekarte mit Gerichten wie Stullen mit Rindermett oder gezupftem Lachs, Schweinshaxe, Brauhaus-Schnitzel und Sächsischen Quarkkeulchen

Das Gasthaus mit angrenzender Terrasse zeichnet sich durch eine urige Innengestaltung mit Holzverkleidung und extravaganter Bar aus. Die Betreiber setzen bei den Getränken auf Selbstbedienung. Am Tresen wird das gewünschte Bier bezahlt und anschließend gleich in die jeweils passenden Gläser gefüllt. Speisen werden an den Tisch gebracht. Die lässige, loftartige Atmosphäre des Braugasthauses mit Blick auf die Gleise erinnert unverkennbar an das einstige Ambiente der Schalterhalle im Bayerischen Bahnhof. Die Kombination aus moderner Gestaltung und riesiger Auswahl an verschiedenen Bieren stellt einen Kontrast zur benachbarten Lokalität dar und spricht auch jüngeres, probierfreudiges Publikum an. Neben ihrer Kooperation profitieren die beiden benachbarten Braugasthäuser von der Komplementarität ihres Angebots. Wer neue, exotische Biersorten kennenlernen möchte, ist im Dolden Mädel genau richtig.

Stand: 26.09.2023

Bildergalerie - Dolden Mädel Braugasthaus Leipzig

Deutsches Buchgewerbehaus / Bugra-Messehaus

Gutenbergplatz 3 und 5 / Gerichtsweg 24 | Ortsteil: Zentrum-Südost

Buchgewerbe und Graphik bilden in Leipzig historisch und funktional eine eng verschlungene, unzertrennliche Gemeinschaft. Das Bündnis reicht so weit, dass gelegentlich sogar das Kunstwort Bugra herhalten muss, um die Einheit der schönen, anspruchsvollen Seiten der „schwarzen Kunst“ zu verdeutlichen. Erkennbare Gestalt gewann das gelungene Zusammenspiel von Buchgewerbe und Graphik im Bugra-Messehaus. Aufwändig restauriert hält es heutzutage die Erinnerung an eine grandiose Epoche des Leipziger Buchwesens wach. 

Branchensitz im Weltzentrum der Polygraphie


Ohne Übertreibung, Leipzig war Ende des 19. Jahrhunderts die Welthauptstadt der Polygraphie. Mochten in der Phase der Hochindustrialisierung anderswo bereits höhere Auflagen populärer Werke gedruckt werden – in Leipzig war die noble Gattung des schön und gediegen gestalteten Buches zu Hause. International hoch angesehene Professoren der
Universität Leipzig steuerten anspruchsvolle Inhalte bei. Die Creme der deutschen Buchverlage hatte hier ihren Sitz. Zehntausende Frauen und Männer arbeiteten in den Druckereien, Buchbindereien und Verlagsbuchhandlungen. Die Maschinen kamen aus Leipziger Weltmarktfabriken, wie Gebrüder Brehmer Maschinenfabrik oder Karl Krause Maschinenfabrik, die bekanntesten Schriften entstammten spezialisierten Gießereien, alle denkbaren Papierqualitäten wurden hier gehandelt, und die Druckfarben waren ebenfalls „Made in Leipzig“. Kaum eine Innovation der Branche kam ohne aktives Leipziger Zutun aus. Und über allem Glanz der Branche wölbte sich die Leipziger Buchmesse. Klar, dass deshalb auch der 1884 gegründete Deutsche Buchgewerbeverein – die reichsweite Dachorganisation der Branche – in Leipzig ihren Sitz nahm. Sie brauchte ein passendes Gehäuse, das die große Tradition mit dem bewusst repräsentierten Anspruch des gewerblichen Erfolgs sichtbar zusammenfügte. So entstand zwischen 1898 und 1901 das Buchgewerbehaus als Pendant zum benachbarten Buchhändlerhaus. Vom schwedischen Architekten Emil Hagberg im Stil der Hochrenaissance gehalten, hob sich der Bau bewusst historisierend von anderen Gebäuden jener Umbruchperiode ab, die sich zunehmend mit zurückhaltender Funktionalität begnügten. Das Deutsche Buchgewerbehaus war dagegen für den tiefen, geschichtlichen Atem ersonnen.

Erinnerung an den Fortschritt der Buchproduktion


1888 befand der Leipziger Oberbürgermeister
Otto Georgi, „dass die Bande, welche den deutschen Buchhandel seit geraumer Zeit mit unsrer Stadt verknüpft haben, auch noch für lange Zeit als unzerreißbar sich erweisen werden.“ Der fromme Wunsch ließ sich ein Jahrzehnt später nahtlos auf das Buchhändlerhaus und seinen Trägerverein übertragen. Das Buchgewerbehaus beherbergte die Büros der graphischen Mitgliedsvereine und spannte in seinen Ausstellungsräumen einen weiten Bogen von den neuesten gezeigten Maschinen bis zu herausragenden Verlagsproduktionen eines jeden Jahres sowie bis zum Deutschen Buchgewerbe-Museum. Den räumlichen Mittelpunkt bildete die prächtige Gutenberghalle, in der ein drei Meter hohes Standbild von Johannes Gutenberg, dem Erfinder des Buchdrucks mit mechanischen Lettern, huldigte. Zwei kleinere Porträtbüsten würdigten Alois Senefelder, den Erfinder der Lithographie, und Friedrich Koenig, den Erfinder der Schnelldruckpresse. Drei Namen – drei epochale Fortschritte der Buchproduktion.

Erweiterungsbau für das Bugra-Haus


Eine finale Steigerung der Leipziger Marktposition im Bereich Buchgewerbe und Graphik sollte die für das Jahr 1940 geplante Gutenberg-Reichsausstellung bringen. Dafür schuf der Leipziger Architekt
Curt Schiemichen einen Erweiterungsbau des Buchgewerbehauses für Buch, Schrift und zugehörige Maschinerie. Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verhinderte jedoch die geplante Schau eines der friedlichsten und kulturell hochstehendsten Gewerbe, die denkbar sind. Höchste Ansprüche mündeten stattdessen in erschütternde Zerstörung. Beim ersten schweren britischen Bombenangriff auf Leipzig am 4. Dezember 1943 stand das weltberühmte Leipziger Graphische Viertel in Flammen. Historiker vergleichen den kulturellen Verlust mit dem Brand der Bibliothek von Alexandria in der Antike. Auch das Buchgewerbehaus wurde arg in Mitleidenschaft  gezogen.

Doch als endlich wieder Frieden einzog und Leipzig in einer fundamental veränderten Welt seine führende Marktstellung nicht zuletzt in der Polygraphie zurückzuerlangen versuchte, musste auf der „ewigen“ Suche nach ausreichender Ausstellungsfläche für die Messe auch das inzwischen nur noch so firmierende Bugra-Messehaus mit allem herhalten, was nutzbar schien.

Wandel vom Messehaus zum Wohngebäude


Mühsam in Teilen wieder hergestellt, verlor das Messehaus Bugra in den Jahren des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg seine berühmte Gutenberg-Festhalle. Immerhin fand in dem Gebäude die Branche Polygraphie wieder eine Heimstatt – mit einem technischen Profil von Weltgeltung der gezeigten Maschinen. Erst ab den 1960er Jahren bezogen Polygraph und seine westlichen Branchennachbarn auf der
Technischen Messe eine neue Heimstatt.

Der Name Bugra blieb, doch die Ausstellungsetagen gehörten fortan den Bereichen Foto, Kino, Optik und Labortechnik. Weltfirmen zeigten hier ihre exzellenten Erzeugnisse in deutlichem Kontrast zum stark beschädigten und nur mühsam renovierten Gebäude. 1990 keimte neue Hoffnung. Aus dem Bugra sollte voller Euphorie wieder ein angemessenes Museum für Druckkunst werden. Das Vorhaben blieb jedoch stecken und verschwand auf Nimmerwiedersehen von der Tagesordnung. Nur wenige erklärte Verehrer von Buchgewerbe und Graphik wussten, dass sich im Fundus des Museums für Buch- und Schriftkunst der Deutschen Nationalbibliothek noch ein höchst attraktives Modell des Bugra-Hauses in seiner ursprünglichen Gestalt befand.

Aus den Dachrinnen des Originals reckten sich inzwischen Birken in die Höhe. Das Bauwerk schien verloren, bis zwischen 2015 und 2017 eine kaum noch für möglich gehaltene Sanierung des prächtigen Gebäudes gelang. Die exzellent herausgeputzte Fassade, instandgesetzte Verzierungen aus Sandstein und zurückgewonnene allegorische Darstellungen rund um Papier und Buch haben ein Kleinod wiederbelebt. Damit einher ging die Umwandlung in ein Wohngebäude. Doch Leipzig hat – äußerlich – das Bugra-Messehaus zurück, zusammen mit der wehmütigen Erinnerung an einstige Weltgeltung in einer industriellen Schlüsselbranche am authentischen Ort. Diese Sanierungsleistung schuf einen markanten Gewinn für das Stadtbild.

Stand: 26.09.2023

Bildergalerie - Deutsches Buchgewerbehaus / Bugra-Messehaus

Historisches Bildmaterial - Deutsches Buchgewerbehaus / Bugra-Messehaus

Congress Center Leipzig (CCL)

Seehausener Allee 1 | Ortsteil: Seehausen

Eine frühe Beschreibung des damals gerade eröffneten Congress Center Leipzig (CCL) befand, es erwecke den Eindruck, dass dort draußen, weit im Norden der Stadt, ein Raumschiff in trister Einsamkeit gelandet sei. Geht es um die Modernität und das Ringen um technische Spitzenleistungen, stimmt das Bild vom Raumschiff. Wird das Umfeld herangezogen, passt das Bild vom einsamen Landeplatz vor den Toren der Stadt jedoch schon lange nicht mehr. Denn das Congress Center Leipzig ist ein Zwillingskind der Leipziger Messe, die seit ihrer Eröffnung am neuen Ort im April 1996 beharrlich die gewerbliche Anziehungskraft entfaltet, die ihr dort von Beginn an zugedacht war. Außerdem war kein Fortschritt im Online-Bereich bisher so stark, dass er den Wert und die Bedeutung von Kongressen und Tagungen mit den persönlichen Kontakten im Kreis von Partnern, die sie nun einmal bieten, hätte ausbooten können.

Nützlicher Begleiter guter Geschäfte


Den dynamischen Wandel der Messewelt zu beschwören, gehört zum pflichtgemäßen Repertoire aller Geschäftsführer der Leipziger Messe. Komplizierte technische Anlagen oder gar revolutionäre Verfahren sind erklärungsbedürftig, und deshalb kommen die klassischen Messen schon seit mindestens vierzig Jahren nicht mehr ohne begleitende Kongresse aus. Sie bilden das passende Medium, das Informationen kanalisiert, die Kundenbindung stärkt und den kommerziellen Erfolg absichert. Und wenn gerade einmal keine Fachmesse stattfindet, die begleitet sein will, lässt sich die vorhandene Infrastruktur für das Kongressgeschäft ja auch an andere Interessenten vermieten.

Fest integriert in die Messe-Architektur


So unverzichtbar, wie Leipzig Anfang der 1990er ein neues Messegelände brauchte, um den adäquaten Raum für das Fachmessekonzept anbieten zu können, so dringend musste auch eine moderne Kongress-Infrastruktur her. Die
Technische Messe und die Messehäuser der Innenstadt genügten den gestiegenen Anforderungen längst nicht mehr, und die Tagungsräume diverser Hotels plus die Kongresshalle am Zoo Leipzig in ihrem damaligen Zustand waren zu klein oder hatten ausgedient. Deshalb gehörte das Congress Center Leipzig von Beginn an zum Gesamtkonzept der Gelände- und Funktionsplanung einer wirklich neuen Messe – und zum Entwurf der beauftragten Architekten von Gerkan, Marg und Partner (Hamburg).

Wird das eigentliche Ausstellungsgelände von der Glashalle dominiert, an die fünf einzeln oder zusammen nutzbare Hallen angedockt sind, so springt das CCL auf der nördlichen Seite des Areals markant und unübersehbar vor. Üppige Glasflächen schaffen eine luftige Gebäudestruktur und bringen das Gebäude anlässlich von Abendveranstaltungen von innen heraus weithin sichtbar zum Strahlen. Im Inneren gruppieren sich der Empfangsbereich und eine U-förmige Kombination unterschiedlich großer, flexibel nutzbarer Säle um ein Atrium mit klassischer Wendeltreppe und einem Bassin im Erdgeschoss. Reichlich verwendete Holzverkleidungen verleihen dem kühl-funktionalen Ambiente der Verkehrsflächen den nötigen Schub warmer Farbtöne und edler Materialien. Der Blick aus dem Gebäude heraus wird vom Messesee, der Glashalle und dem Verwaltungsgebäude beherrscht. 

In einer Kombination aus dem Congress Center Leipzig mit der Messehalle 2 und der Glashalle, die über kurze, überdachte Übergänge erreichbar sind, entsteht ein anpassungsfähiges Ensemble, um auf die Bedürfnisse unterschiedlicher Nachfrager eingehen zu können. Das kann eine Anforderung für hundert Gäste eines einzelnen Unternehmens ebenso sein wie der Kongress einer großen Partei mit einigen tausend Delegierten oder ein globaler Fachkongress mit zehntausend Teilnehmern. Dass im Herbst 1996 das nagelneue CCL sofort mit dem Deutschen Marketing-Kongress loslegte, lag nahe.

Hoher Anspruch: Service-Champion


Auf den Inhalt kommt es an, und diese Forderung wird mit Servicequalität untermauert. Deshalb besteht das hauptsächliche Bestreben der vielen „guten Geister“ des CCL darin, den Spitzenplatz im Dienstleistungsanspruch zu behaupten, den einschlägige Befragungen regelmäßig bestätigen.

Nicht vergessen werden sollte, dass das CCL 1996 ein Newcomer in einem von intensivem Wettbewerb geprägten Geschäft der bundesweit rund 400 Tagungszentren war. Doch bereits nach wenigen Jahren fand sich das Congress Center Leipzig laut dem zuständigen German Convention Bureau im Kreis der Top Ten der deutschen Tagungsbranche. Der Erfolg gelang mit der richtigen Einstellung der Mitarbeiter und mit Veranstaltungstechnik auf dem jeweils neuesten Stand. Hinzu kommt die verkehrsgünstige Lage. Autobahn, Flughafen und ICE-Sonderhalt anlässlich von besonders wichtigen Kongressen befinden sich faktisch „vor der Haustür“.

Nicht zu vergessen das Kulturangebot der Stadt Leipzig, das jedem Kongress zur Ehre gereicht, und die touristischen Höhepunkte, mit denen sich attraktive Begleitprogramme zusammenstellen lassen. Gemeinsam mit der Leipzig Tourismus und Marketing GmbH betreibt das Congress Center Leipzig im Schulterschluss mit weiteren lokalen Dienstleistern vor allem aus der Hotellerie den Internet-Auftritt do-it-at-leipzig.de gewissermaßen als Baukasten der Komponenten für gelingende Kongresse. 

Im Angesicht des Wettbewerbs


Eine Garantie für dauerhafte Präsenz wiederkehrender Kongresse im CCL gibt es nicht. Die Konkurrenz der Standorte ist hart und längst global. Gleichwohl ist Leipzig bereits seit Jahren der erwählte Austragungsort für das
International Transport Forum, die führende Plattform für alle Entscheider über Transportströme und Lieferketten. Auch die internationale Leitveranstaltung der Kongressbranche ICCA (International Congress and Convention Association) fand 2011 schon in Leipzig statt. Dubai und Pittsburgh wären damals ebenfalls gern Gastgeber gewesen. 

Krönende Inhalte angesehener internationaler Fachtagungen kommen immer wieder aus dem Medizinbereich. Eine Reihe von Koryphäen der einschlägigen Disziplinen lehrt an der Universität Leipzig, so dass sich auch auf diesem Gebiet längst ein effizientes Netzwerk der Kongress-Akquise und des Vermittelns neuester Forschungsergebnisse zwischen der Leipziger Messe und der hiesigen alma mater herausgebildet hat.

Einmal blickten schon Milliarden Erdenbürger gleichzeitig in das Congress Center Leipzig, nämlich als im Dezember 2005 in der Glashalle der Leipziger Messe die Gruppen für die FIFA-Fußball-WM des Jahrgangs 2006 ausgelost wurden und das Medienzentrum im CCL eingerichtet war. Die gebotene Leistung der Leipziger war offenbar so überzeugend, dass sich die UEFA entschlossen hatte, anlässlich der FIFA Fußball-EM 2024 das Fernsehzentrum wiederum im Leipzig Congress Center einzurichten.

Stand: 26.09.2023

Bildergalerie - Congress Center Leipzig (CCL)

Cliff`s Brauwerk Leipzig

Leibnizstraße 17 | Ortsteil: Zentrum-Nordwest

Das nach dem Braumeister und zugleich Inhaber Cliff Schönemann benannte Cliff‘s Brauwerk wurde im Oktober 2016 im Kellergewölbe der Leibnizstraße 17 als Leipzigs erste Mikrobrauerei eröffnet. Im Angebot befinden sich meist fünf wechselnde Sorten Bier. Durch die Abänderung verschiedener Komponenten in den Rezepturen gleicht kein einziges Bier dem anderen und weist stets eine individuelle geschmackliche Note fernab industrieller Biere auf. Bei den Bierkreationen handelt es sich stets um unfiltrierte und unbehandelte Produkte. Der kleine, gemütliche Schankraum im Kellergewölbe ist ein wahrer Geheimtipp für Bierliebhaber.

Vom Hobbybrauer zur nebenberuflichen Selbstständigkeit im urigen Kellergewölbe


Ein Spaziergang durch die Leibnizstraße im Waldstraßenviertel versetzt den Besucher zurück in die 1860er Jahre. Zu dieser Zeit prägten italienische Neorenaissancepaläste mit bis zu vier Meter hohen Decken, Traufkanten und Hochparterre das Stadtbild des Viertels. Dort, wo einst Kartoffeln und Kohlebriketts in Kellern gelagert wurden, befinden sich heute gastronomische Einrichtungen und kleine Läden. Am Abend lässt nicht mal ein Kneipenschild, sondern lediglich ein kleiner, unscheinbarer Aufsteller vermuten, was sich hinter dem Kellereingang der Leibnizstraße 17 befindet. Steigt man die zehn Stufen hinab, gelangt man in Leipzigs erste Mikrobrauerei. In dem mehr als 150 Jahre alten Gewölbe mit gerade einmal 2,50 Meter hohen Decken befindet sich seit 2016 Cliff’s Brauwerk. Der Inhaber, Cliff Schönemann, entdeckte im Jahr 2013 das Bierbrauen als seine Leidenschaft. Zu Beginn braute er noch in seiner Freizeit in der eigenen Küche und versorgte seinen Freundeskreis mit den dabei entstandenen Bierkreationen. In den Folgejahren baute Cliff seine Brauanlage mit 50 Litern Fassungsvermögen aus und eignete sich mittels Fachliteratur und im Zuge des Besuchs von diversen Brauereien und thematischen Veranstaltungen das notwendige Fachwissen zur Kunst des Brauens an. Als die Nachfrage aus dem Freundeskreis bald das Angebot überstieg, machte er sich zu Beginn des Jahres 2015 auf die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten, um dort gewerblich eine größere Menge Bier herstellen zu können. Fündig wurde Cliff Schönemann im heutigen Gewölbe in der Leibnizstraße, welches er ausbaute und dort schließlich eineinhalb Jahre später im Oktober 2016 Cliff’s Brauwerk offiziell eröffnete. Damit ging er den Schritt in die nebenberufliche Selbstständigkeit.

Familiär und gemütlich: Blick in Leipzigs erste Mikrobrauerei


Das Angebot in Cliff’s Brauwerk umfasst meist fünf stets wechselnde Sorten Fassbier von Indian Pale Ale, Pils über Weizen bis Bock. Auf ein zu den Bieren ergänzendes kulinarisches Angebot wurde bewusst verzichtet. Stattdessen können sich die Gäste zum Eigenverzehr ihre Brotzeit selbst mitbringen. Für seine Bierkreationen orientiert sich Cliff Schönemann zunächst an der Bierrichtung, die er für seinen nächsten Sud plant. Aus seinen bestehenden Rezepten kreiert er durch die Veränderung der Hopfen- und Malzanteile, der Gärführung sowie der Hefe stets einen neuen Charakter mit unterschiedlicher geschmacklicher Note, so dass keine Kreation der anderen gleicht. Sobald eine Sorte Bier vollständig ausgeschenkt wurde, folgt die nächste. Durch diese Abwechslung und individuelle Note ist für jeden Biergeschmack etwas dabei.

Ein Blick in den Schankraum vermittelt bereits ein gemütliches und familiäres Flair. Auf nur wenige Quadratmeter verteilt, befinden sich Tische in Form von hölzernen Bierfässern. Neben der Bar ist ein großes Regal platziert, auf welchem den Bierfreunden die hauseigenen Kreationen präsentiert werden.

Das vorhandene Sudwerk mit 500 Litern Fassungsvermögen ermöglicht das Brauen von unterschiedlichen Sorten Bier in insgesamt sechs Gär- und Lagertanks. Nach Ende der vier- bis siebenwöchigen Gärung und Kaltlagerung werden die 400-500 Liter entstandenes, unfiltriertes und unbehandeltes Bier in Fässer für den Ausschank sowie in Flaschen zum Verkauf abgefüllt. Dass es sich hier um Handarbeit von Beginn bis Ende handelt, beweist auch die Tatsache, dass jede Bierflasche einzeln gespült, befüllt, verkorkt und schließlich etikettiert wird.

Auf der Homepage von Cliff’s Brauwerk kann man sich einen Überblick über das aktuelle Bierangebot verschaffen. Im Rahmen einer Brauereiführung mit anschließendem Biertasting können Bierliebhaber mehr über das handwerklich gebraute Bier in Leipzigs erster Mikrobrauerei erfahren und in gemütlichem Ambiente eine Auswahl von diversen Bierkreationen verkosten. Na dann: Prost!

Stand: 26.09.2023

Bildergalerie - Cliff`s Brauwerk Leipzig

Buntgarnwerke

Nonnenstraße 17-21 und Holbeinstraße 14, 16, 18a-18h | Ortsteil: Plagwitz und Schleußig

Einzelne Bauwerke können so üppig dimensioniert, gleichwohl so harmonisch gestaltet sein, dass ihnen auch die Lage zu beiden Seiten eines größeren Gewässers nichts ausmacht – sie werden als zusammenhängendes Ensemble erkannt und wahrgenommen. Auf die Buntgarnwerke, die ihren Ausgangspunkt in Plagwitz nahmen und in den Jahren ihres ungestümen industriellen Wachstums über die Weiße Elster hinweg am anderen Ufer nach Schleußig ausgriffen, trifft dieser Befund uneingeschränkt zu. 

Kein Wollfaden wird hier mehr gesponnen. Dafür wohnt es sich umso attraktiver direkt am Wasser, wo im Sommer die Ausflugsboote in derart dichter Folge vorbei gleiten wie auf anderen Magistralen die Automobile. Gelungene Umnutzung früherer Industriegebäude sagen Fachleute dazu. 

Florierende Geschäfte mit bunten Garnen


Im Jahre 1875 zog es die im Leipziger Textilhandel versierten Kaufleute
Carl Augustin Tittel und August Andreas Krüger in das aufstrebende Plagwitz vor die Tore der Stadt. Ihre Gründungsidee zielte auf eine Dampffärberei, um im Herstellungsprozess der Textilien mit seinen zahlreichen vorgelagerten Stufen Fuß zu fassen. Es war jene Zeit, als die durch Karl Heine vorangetriebenen Erschließungsarbeiten auf den früheren Agrarflächen im Vorfeld von Leipzig Früchte zu tragen begannen. Tittel und Krüger fanden ein geeignetes Gewerbegrundstück direkt an der Weißen Elster. Zwischen 1887 und 1895 entstand nach Plänen der Architekten Ottomar Jummel sowie Pfeiffer & Händel das unverwechselbare Gebäude der Buntgarnwerke. Zwölf Jahre nach der Ansiedlung beschreibt ein Firmenporträt bereits einen „großartigen Fabrikkomplex dieses Welthauses.“

Die Geschäfte liefen gut. 1887 wurde die Sächsische Wollgarnfabrik AG, vormals Tittel & Krüger, in das Handelsregister eingetragen. Die folgende Unternehmensgeschichte verlief vor allem als Baugeschichte, deren Spuren bis heute zu besichtigen sind. Auf die ersten bescheidenen Anbauten an die ursprüngliche Dampffärberei folgten schon bald die sogenannten Hochbauten, die fünf Stockwerke hoch aufragten und wohl entscheidend zum Wandel des Erscheinungsbildes des einstigen Bauerndorfs Plagwitz beitrugen. 1888 entstand der Hochbau West, der sich ein reichliches Jahrhundert später in die Elsterlofts verwandelte. Die Architekten des Umbaus fanden in den 1990er Jahren zwei günstige Voraussetzungen vor – die in der Entstehungszeit von den Eigentümern der Wollgarnfabrik geforderte attraktive Bauweise, die der Backsteinarchitektur ein möglichst repräsentatives Erscheinungsbild entlocken sollte sowie die stabile Konstruktion mit gusseisernen Trägern, die ja erforderlich war, um den schweren, in ununterbrochener Bewegung schwingenden Maschinenpark sicher zu tragen. Zusammen mit der Lage am Flussufer ergab sich daraus eine nahezu ideale Umbau-Perspektive. 

Industriearchitektur von besonderer Qualität


Der nach Leipzig gewechselte Architekt
Gunnar Volkmann geriet beim Blick auf den Stadtteil ins Schwärmen: „Plagwitz hat alle Chancen. Aus dem Ruhrgebiet kommend, ist man fasziniert vom geschlossenen Bild dieses Leipziger Stadtteils“, schrieb er 1999. Denn die Wollgarnfabrikanten hatten es ja nicht bei einem Hochbau belassen. Die Expansion des Unternehmens verlangte nach weiteren Fabrikräumen für die inzwischen mehr als 2.000 Beschäftigten. Ab 1897 entstanden die Hochbauten Mitte und Nord – ebenfalls am Plagwitzer Ufer der Weißen Elster bzw. entlang der Nonnenstraße. 1906 folgte auf dem gegenüberliegenden Schleußiger Ufer der Hochbau Süd, nunmehr allerdings in Stahlbetonbauweise, die sich in jenen Jahren durchzusetzen begann. 

Den eiligen innerbetrieblichen Austausch zwischen den Hochbauten zu beiden Seiten der Weißen Elster stellte eine zweietagige, überdachte und verglaste Brücke in Höhe der zweiten und dritten Obergeschosse her. Ebenfalls von Ufer zu Ufer spannte sich eine genietete Gitterbrücke, auf der das bereits seit 1888 vom Bahnhof Plagwitz heranführende Anschlussgleis bis vor den Schleußiger Betriebsteil verlängert wurde.

Alle Bauten der Wollgarnfabrik zusammen verfügten über eine Bruttogeschossfläche von rund 100.000 Quadratmetern, was annähernd der Ausstellungsfläche des heutigen Geländes der Leipziger Messe im Norden der Stadt entspricht. Der weiße Schwan, das eingetragene Warenzeichen der Wollgarnfabrik, war eine Weltmarke. Das Unternehmen, das nach dem Zweiten Weltkrieg enteignet wurde, in Volkseigentum überging und fortan als VEB Buntgarnwerke firmierte, behauptete sich in den schwierigen Textilkonjunkturen des 20. Jahrhunderts bis zum Jahr 1990. Doch als die wankende DDR durch die deutsch-deutsche Währungsunion am 1. Juli 1990 im Handumdrehen in die Weltwirtschaft integriert wurde, kam das schnelle Aus. Den Kostenvorteil asiatischer Produzenten konnte das Leipziger Unternehmen nicht wettmachen. Dafür begann mit umfangreichen Sanierungsarbeiten unter der Regie verschiedener engagierter Eigentümer ein neuer Lebensabschnitt der Buntgarnwerke. Von der Maschinerie befreit, wandelten sich die Hochbauten am Elsterufer vor allem zu gefragten Lofts.

Attraktives Leben am Flussufer


Den schönsten Blick auf den Gebäudekomplex gewinnt der Betrachter zweifellos von der Straßenbrücke über die Weiße Elster, die jetzt
Karlbrücke heißt. So majestätisch, mit klarer Betonung der horizontalen und vertikalen Fassadengliederung ragten die Hochbauten schon in den über hundert Jahren auf, als sich in den hell erleuchteten Fabriksälen alles um gefärbte Wolle drehte. Doch – um ehrlich zu sein – verfielen damals nur wenige Passanten auf die Idee, sich von der Brücke her dem Genuss der klassischen Industriearchitektur hinzugeben. Zu geruchsintensiv wälzte sich damals die Weiße Elster dahin. Dass der industrielle Strukturbruch mit dem Beginn einer groß angelegten Sanierung der Gewässer einherging, war deshalb ein Glücksfall, von dem die heutigen Bewohner der Buntgarnwerke besonders profitieren. 

Einige Büros und Einzelhandelsflächen runden das neue Profil in Deutschlands größtem Industriedenkmal ab. Und als größter erhaltener Industriekomplex der Gründerzeit hält das Areal sogar den einschlägigen Europarekord. 

Äußerlich also alles perfekt? Leider nicht vollkommen. Die Eisenbahnbrücke wurde im Jahr 2015 demontiert, weil der Zahn der Zeit zu stark an der Stahlstruktur genagt hatte. Würde die Brücke über die Weiße Elster heute noch stehen – sie wäre als Fußweg eine perfekte Verknüpfung für alle Besucher der wunderbar aufgefrischten Buntgarnwerke.

Stand: 26.09.2023

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