Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“

Dittrichring 22-24 | Ortsteil: Zentrum

Bei der heutigen Gedenkstätte handelt es sich um die einstige Bezirksverwaltung für Staatssicherheit in der DDR. Sie galt seit ihrer Eröffnung 1950 über fast 40 Jahre als Zentrum der Bespitzelung im Raum Leipzig. Am 4. Dezember 1989 wurde das Gebäude im Zuge der Montagsdemonstrationen von Demonstranten besetzt, die Arbeit der Stasi-Zentrale lahmgelegt und das Bürgerkomitee gebildet, welches seitdem Träger des Museums ist. Letzteres informiert in einer auf nationaler Ebene einmaligen Form über die Geschichte, Struktur und Arbeitsweise der Staatssicherheit. Zur Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ gehören weiterhin die Zentrale Hinrichtungsstätte der DDR in der Leipziger Südvorstadt sowie das Museum im Stasi-Bunker in Machern.

Überwachung aus der Ecke


Das Gelände, auf welchem sich heute die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ befindet, ist nicht nur aus gesellschaftspolitischer, sondern auch aus stadtgeschichtlicher Sicht äußerst bedeutsam. Ab dem 11. Jahrhundert wurde dort die erste Burg im Leipziger Stadtgebiet erbaut. Sie war Teil einer slawischen Siedlung, der urbs Libzi.

Im Jahr 1230 entstand hier ein Barfüßerkloster, dessen Klosterkirche mehrmals umgebaut wurde und 1876 schließlich den Namen Matthäikirche erhielt. Nach deren Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wurde sie wenig später abgetragen. Heute erinnert nur noch das unscheinbare Denkmal Matthäikirche an sie. 1909 wurde der gesamte Gebäudekomplex zwischen Thomasring und Matthäikirchhof abgerissen. Im Jahr 1950 suchte das im selben Jahr neugegründete Ministerium für Staatssicherheit der DDR Büroräumlichkeiten für die Bezirksverwaltung in Leipzig. Seine neue Zentrale fand das Ministerium im Gebäude am Promenadenring, im Volksmund bekannt als „Runde Ecke“. In ebendiesem Gebäude befanden sich zuvor bereits die Gestapo, der amerikanische Geheimdienst, die sowjetischen Sicherheitsdienste GPU und KGB sowie der Mfs-Vorläufer „K5“. Das Bauwerk wurde ursprünglich zwischen 1911 und 1913 für die Alte Leipziger Feuerversicherung erbaut. Durch den expandierenden Überwachungsapparat reichte das Areal bereits Mitte der 1950er Jahre nicht mehr aus. So wurde 1955 bis 1958 ein Anbau mit Kegelbahn und Kinosaal ergänzt und das Gebäude durch einen 1978 bis 1985 für rund 65 Millionen DDR-Mark errichteten und unmittelbar angeschlossenen Neubau auf dem Gelände des einstigen Matthäikirchhofes bis zur Großen Fleischergasse erheblich erweitert.

Der Sitz der Bezirkszentrale des Ministeriums für Staatssicherheit galt als Zentrum der Bespitzelung für die ca. 1,5 Millionen Einwohner im Raum Leipzig. Die rund 850 hauptamtlichen Mitarbeiter arbeiteten an der Überwachung des eigenen Volkes sowie an der Lenkung der inoffiziellen Handlanger. Die im Herbst 1989 regelmäßig in Leipzig stattfindenden Montagsdemonstrationen machten die Stadt zu dieser Zeit zum Mittelpunkt der Friedlichen Revolution in der DDR. Im Zentrum dieser standen Forderungen nach Freiheit, Bürgerrechten und einem demokratischen Rechtsstaat. Die Demonstrationen führten entlang des Innenstadtrings, vorbei an der „Runden Ecke“, welche als einer der Kreuzungspunkte und als Stasi-Sitz besonders verhasst bei den Demonstranten war. Im Anschluss an eine Montagsdemonstration am 4. Dezember 1989 wurde die Stasi-Zentrale mitsamt dem angeschlossenen Neubau von Aktivisten ohne Gewalt besetzt und die Arbeit der Stasi-Mitarbeiter lahm gelegt. Aufgrund der sich rapide zuspitzenden Lage beschränkte sich die Aufgabe der Angestellten der Stasi-Zentrale in den vorherigen Tagen und Nächten lediglich noch auf das Vernichten von Unterlagen. Durch die Besetzung der Stasi-Zentrale fand die Aktenvernichtung und damit die Zerstörung von Beweisen der Überwachung, ein Ende. Diese hat seit dem Herbst 1989 im großen Stil im Innenhof der Bezirksverwaltung stattgefunden. In einer der Garagen vor Ort befand sich eine Aktenvernichtungsmaschine, welche das Material zerkleinerte, mit Wasser vermengte. Die daraus entstehende sogenannte „Kollermasse“ zerstörte die Akten vollständig. Noch in derselben Nacht des 4. Dezember 1989 bildete sich das Bürgerkomitee Leipzig e.V.

„Krumme Ecke – Schreckenhaus! Wann wird ein Museum draus?“


Das im Zuge der Stasi-Besetzung1989 entstandene Bürgerkomitee ist seitdem Träger der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“. Bereits im Jahr 1990 setzte es eine zentrale Demonstrationsforderung der Friedlichen Revolution „Krumme Ecke – Schreckenhaus! Wann wird ein Museum draus?“ um und richtete in den original erhaltenen Räumen der ehemaligen Bezirksleitung im Erdgeschoss ein Museum ein, welches die Struktur, Arbeitsweise und Aktivitäten des Geheimdienstes anschaulich zeigt und erläutert. Das neugeschaffene Museum wird auch national und international als einzigartiges Fachmuseum zur Staatssicherheit im Kontext der kommunistischen Diktatur in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und der DDR geschätzt. Besonderer Wert wurde auf die Authentizität des Ortes gelegt. In diesem Zuge wurden die Fußböden, die Türen, die Heizkörper und die Gardinen original belassen, wie sie in der Behörde vorgefunden wurden. Die Ausstellung vergegenwärtigt, wie die SED ihren Überwachungsstaat aufbaute und den DDR-Bürgern ihre demokratischen Grundrechte entzog. Im Zuge des Museumsrundgangs wird die Bedeutsamkeit der Errungenschaften der Friedlichen Revolution gegen diese Diktatur bis heute hervorgehoben und bewusst gemacht.

Die in ihrer Geschlossenheit einmalige Museumssammlung umfasst rund 40.000 Objekte, von denen ein Großteil seit August 1990 in der Dauerausstellung „STASI – Macht und Banalität“ zu sehen sind. Dazu zählen Geräte zur Postkontrolle, konspirative Fototechnik, Wanzen, eine Maskierungswerkstatt sowie eine Kollermaschine für die Aktenvernichtung. Ein Teil der Ausstellung rückt die ab 1960 in Leipzig vollstreckte Todesstrafe in der DDR in den Fokus. Gezeigt wird außerdem eine Nachbildung von Räumen der einstigen Untersuchungshaftanstalt (UHA) des Ministeriums für Staatssicherheit in der Straße des 17. Juni. Es handelt sich um eine Gefängniszelle mit einem Raum, welcher der aktenkundlichen und fotografischen Erfassung der Gefangenen diente. Im ehemaligen Stasi-Kinosaal befindet sich seit 2009 die Ausstellung „Leipzig auf dem Weg zur Friedlichen Revolution“.

Auf den Spuren der Friedlichen Revolution


Bei einem Großteil der „Runden Ecke“ handelt es sich nicht um das Museum selbst, sondern um die Außenstelle Leipzigs des Stasi-Unterlagen-Archivs, welches sämtliche Unterlagen der Bezirksverwaltung sowie der dazugehörenden dreizehn Kreisdienststellen aufbewahrt. Hier können alle Betroffenen in Erfahrung bringen, ob über sie Aufzeichnungen existieren und diese vor Ort einsehen. Die Archivobjekte umfassen unter anderem Tonbänder, Akten, Fotos sowie eine Personenkartei mit über 300.000 Namen. 

Zur Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ gehört auch die Open-Air-Ausstellung Orte der Friedlichen Revolution. Diese besteht aus zwanzig Bild- und Text-Stelen, die hauptsächlich in der Innenstadt zu finden sind. Jeden Samstag um 14 Uhr findet der Stadtrundgang „Auf den Spuren der Friedlichen Revolution“ statt. Dieser startet an der Nikolaikirche, führt vorbei an markanten Punkten im Zuge der historischen Entwicklung im Jahr 1989 und endet an der „Runden Ecke“. 

Seit 2012 zählt die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ gemeinsam mit dem Museum im Stasi-Bunker in Machern zum Europäischen Kulturerbe „Eiserner Vorhang“. Zu den zwölf zum „Eisernen Vorhang“ gehörenden authentischen Stätten zählt ebenfalls die Nikolaikirche. Die Tatsache, dass Leipzig als einzige, nicht an der einstigen deutsch-deutschen Grenze liegende Stadt zu diesem Netzwerk gehört, unterstreicht ihren Symbolcharakter.

Stand: 29.11.2023

Bildergalerie - Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“

Historisches Bildmaterial - Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“

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Sophie Weinhold
Die gebürtige Leipzigerin studierte in Passau und Marseille Internationales Management und besitzt ein Faible für Fremdsprachen. Neben Englisch und Französisch spricht sie fließend spanisch und italienisch. Bereits als Zwölfjährige führte sie internationale Austauschschüler durch die Stadt und begeisterte sie für Leipzigs Geschichte und Sehenswürdigkeiten. Die Liebe zu Leipzig bestimmt nach wie vor ihre Freizeitgestaltung. Ob Museumsbesuche, Konzerte oder Fahrradtouren in die Umgebung – die kreative Lokalpatriotin findet immer ausreichend Anregungen, um darüber zu schreiben.
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