Es ist das Schaufenster der Deutschen Nationalbibliothek: Unter dem Titel „Zeichen – Bücher – Netze: Von der Keilschrift zum Binärcode“ lädt das Deutsche Buch- und Schriftmuseum der Nationalbibliothek zum Streifzug durch die Mediengeschichte der Menschheit. „Schrift, Buchdruck mit beweglichen Lettern und digitale Netzwelten sind dabei das chronologische Rückgrat der Ausstellung“, sagt Stephanie Jacobs, die das Museum seit März 2007 leitet. Etwa 800 Objekte sind aus dem riesigen Fundus an Schätzen ausgewählt worden.
Die Einrichtung, 1884 als Deutsches Buchgewerbemuseum gegründet, zählt zu den ältesten und nach Umfang und Qualität der Bestände wohl auch zu den weltweit bedeutendsten Sammlungen auf dem Gebiet der Buchkultur. Im Zweiten Weltkrieg verliert das Museum sein Domizil im Deutschen Buchgewerbehaus am Gutenbergplatz. Sie wird in die damalige Deutsche Bücherei integriert. „Merkur und die Bücher“ heißt eine Ausstellung rund um den Buchplatz Leipzig, die 2008 schließen muss und zu diesem Zeitpunkt wohl auch überholt war. 2012 öffnet dann eine moderne Dauerausstellung, die durch verschiedene Sonderschauen ergänzt wird.
Die Ausstellung ist im verglasten Erdgeschoss des vierten Erweiterungsbaus der Deutschen Nationalbibliothek beheimatet, der 2011 mit dem Leipziger Architekturpreis ausgezeichnet wurde. Entworfen hat das Gebäude die Stuttgarter Architektin Gabriele Glöckler. Fünf große Vitrinenkörper bilden darin eine räumliche Struktur für das Museum, die an dreidimensionale kalligraphische Zeichen erinnert. Dabei gibt es den Anspruch, die eigentlich stummen Objekte in den Vitrinen zum Sprechen zu bringen und auch einige Überraschungscoups zu landen. Vom frühzeitlichen Kerbholz bis zur Replik der Voyager Golden Records werden 5.000 Jahre Mediengeschichte durchaus spannend erzählt.
Rollsiegel ist ältestes Exponat der Sammlung
Ein Hingucker ist der „schwarze Obelisk“. Es ist ein Kalkstein-Abguss des Originals, das sich im British Museum in London befindet. Dabei handelt es sich um eine Ikone der Schriftgeschichte. Dargestellt sind auf dem Obelisken des assyrischen Königs Salmanassar III. eine Eroberungsszene in Bild und Text. Sie stammt aus der Zeit 858 bis 824 vor Christus. Die Flachreliefs zeigen unterworfene Könige aus Iran, Israel, Ägypten, Syrien und anderen Ländern, die vor dem Herrscher niederknien. Die Keilschrift beschreibt die Tributleistungen. „Die Säule steht natürlich für die Entwicklung der Schrift, die sich auf sehr vielfältige Art und Weise vollzog“, erklärt Jacobs. Das älteste Objekt in der Schau ist völlig unscheinbar: ein etwa 5.000 Jahre altes Rollsiegel, mit dessen Hilfe Zeichen in den Ton gerollt wurden.
Die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern optimiert die Verbreitung von Wissen um die Mitte des 15. Jahrhundert herum. „Es war nicht nur eine technische Innovation, sondern auch eine gesellschaftliche. Erst da konnte Wissen unendlich vervielfältigt werden“, erklärt die Museumschefin. Zu sehen ist eine Druckerpresse als Symbol für die Industrialisierung der Buchproduktion. Vorgestellt werden Meisterleistungen mittelalterlicher sowie moderner Buchkunst. Thematisiert wird, wie mit Zensur versucht wurde, die Verbreitung von Schriften zu verhindern. Dafür steht die Zensurliste der katholischen Kirche – der zwischen 1559 und 1967 erschienene Index librorum prohibitorum. Das ist wohl der prominenteste Versuch, den Buchmarkt systematisch zu kontrollieren. Aber auch Tarnschriften und Untergrundliteratur, mit der Autoren und Verleger Fangnetzen der Obrigkeit entgehen wollten, sind zu sehen. Medienstationen stehen bereit, damit die Besucher ihr Wissen vertiefen können.
Buch verliert seine Rolle als Leitmedium
Ebenso spannend: Die rasante Medienentwicklung im 20. Jahrhundert zeigt auf, wie das Buch seine Rolle als Leitmedium verliert und mit Radio, Fernsehen und später dann auch mit digitalen Netzwelten konfrontiert wird.
Doch die Verbreitung von immer mehr Informationen im Netz ist Fluch und Segen zugleich. Elektronische Daten sind oft unübersichtlich, aber auch manipulierbar. „Unsere Funktion als Bibliothek und Museum ist es, auch dieses Wissen zu speichern“, erklärt Jacobs. Möglichkeiten, Texte zu manipulieren, haben indes rasant zugenommen. Das könne das Museum nicht verhindern. Notwendig sei aber, viel Bildung- und Aufklärungsarbeit zu leisten und die Öffentlichkeit zu sensibilisieren, achtsam mit den Quellen zu sein.
Guckkästen lassen in die Zukunft blicken
Das Museum hat Guckkästen geschaffen, um augenzwinkernd die Zukunft der Medien zu hinterfragen. Und stellt beispielsweise eine Kopie der Voyager Golden Records vor. Das sind Datenplatten mit Bild- und Audio-Informationen, die 1977 an Bord von Raumsonden angebracht werden, damit außerirdische Lebensformen etwas von der Menschheit erfahren können.
Zum Museum gehört ein begehbarer Tresor, der für das Zeigen wertvoller Originale und Sonderausstellungen genutzt wird. Ein Lesesaal mit modern ausgestatteten Arbeitsplätzen lädt zum Recherchieren ein. Wer möchte, kann eine KI-Box als Guckloch in die Zukunft nutzen. Mit „KlingKlang – Geräusche aus der Mediengeschichte“ bietet das Museum sogar eine Schatzkammer fürs Ohr.
Museum etabliert sich als Ort der Demokratie
Wichtig ist Stephanie Jacobs, die Deutsche Nationalbibliothek und das Museum als Ort der Demokratie ins Bewusstsein zu rücken. „Die Nationalbibliothek stellt der Öffentlichkeit Wissensressourcen bereit“, erklärt sie. Die Institution sammle, dokumentiere und archiviere alle Werke in Schrift und Ton, die seit 1913 in Deutschland und weltweit über Deutschland oder in deutscher Sprache veröffentlicht werden. Dabei gibt es keine Restriktion, keine Zensur.
„Wir stehen für Meinungsfreiheit und ermöglichen Demokratie.“ 2024 organisiert das Museum anlässlich des 35. Jahrestags der Friedlichen Revolution erstmals ein Jazzfestival, das das revolutionäre Potenzial des Freejazz als Medium des Widerstands in der DDR ins Zentrum stellt. Im Sommer 2025 folgt ein „Sommerfest der Demokratie“.
Stand: 24.02.2024