Seit ihrer Weihe am 9. Oktober 2009, dem 20. Jahrestag der Friedlichen Revolution, regt die Glocke der Demokratie zum Erinnern und Nachdenken ein. Bei dem rund 1,50 Meter hohen und leicht geneigten Denkmal handelt es sich um eine eiförmige Glocke aus Bronze, die sich auf dem Augustusplatz gegenüber dem Eingang zur Grimmaischen Straße befindet. Sie erinnert an die Friedensgebete in der Nikolaikirche und die entscheidende Montagsdemonstration am 9. Oktober 1989, mit der das Ende der DDR „eingeläutet“ wurde. An diesem Tag strömten über 70.000 Demonstranten auf den ehemaligen Karl-Marx-Platz und liefen friedlich über den Innenstadt-Ring.
Ein lebendiges Denkmal als Geschenk für die Leipziger
Im Frühjahr 2007 schlug das ostdeutsche Gießereinetzwerk dem damaligen Regierungspräsidenten Walter Christian Steinbach vor, den Leipzigern eine sogenannte Demokratieglocke zu stiften, die an die Ereignisse des Herbstes 1989 erinnern sollte. Daraufhin erfolgte durch die Kulturstiftung Leipzig ein Gestaltungswettbewerb, an dem sich die Künstler Marc Hamilton, Jörg Herold, Ute Richter, Sabine Schirdewahn, Jürgen Stollhans und Via Lewandowsky beteiligten. Die achtköpfige Fachjury entschied sich für den Entwurf von Lewandowsky, der die Errichtung einer eiförmigen und golden glänzenden Bronzeglocke vorsah. Deren Ei-Form symbolisiert die Entstehung von neuem Leben. Durch die Höhe von 1,50 Metern setzt der Künstler sein Werk in Beziehung zu den vorbeilaufenden Passanten und hebt es anhand der leuchtenden Oberfläche aus der Masse heraus. Die Glockenschläge erreichen die Menschen täglich zu unterschiedlichen Zeitpunkten, so dass ein lebendiges Denkmal entstanden ist. Die eingravierte Inschrift im Granitring stammt vom Lyriker und Essayisten Durs Grünbein. Er wählte dafür eine traditionelle japanische Gedichtform, das Haiku. Mit diesem bezieht er sich auf die Demokratie und Kunst gleichermaßen. Die rund 1,5 Tonnen schwere Glocke wurde 2009 in der Kunst- und Glockengießerei Lauchhammer gegossen.
Wann schlägt die Glocke der Demokratie?
Die bronzene Glocke schlägt an jedem Montag um 18:25 Uhr zwölf Mal. Der Grund für diesen Zeitpunkt ist ein Fernschreiben von Generalleutnant Manfred Hummitzsch, dem Leiter der Bezirksverwaltung Leipzig des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) an den Stellvertreter des Ministers für Staatssicherheit, Generaloberst Rudi Mittig und an den Stellvertreter des Ministers, Generalleutnant Gerhard Neiber. Darin heißt es: „…am 09.10.1989 fand ausgehend vom Vorplatz der Nikolaikirche in der Zeit von 18:35 bis 20:30 Uhr eine nicht genehmigte Demonstration…statt,…“.
An allen anderen Tagen schlägt die Glocke der Demokratie zwischen 8 Uhr und 20 Uhr innerhalb jeder vollen Stunde ein Mal nach dem Zufallsprinzip mit einem bis zu zwölf Schlägen. Damit spannt Via Lewandowsky einen Bogen von der Vergangenheit zu unserer Gegenwart.
Den meisten Leipzigern ist die tiefere Bedeutung und Funktion des Denkmals nicht bewusst. Es ist jedoch ein beliebter Treffpunkt und wird im Volksmund das „goldene Ei“ genannt.