Das Gohliser Schlösschen wurde zwischen 1775 und 1780 vom Ratsbaumeister Johann Caspar Richter als bürgerlicher Sommerlandsitz erbaut und gehört zu den einzigartigen sächsischen Kleinoden und Höhepunkten der Rokoko-Architektur in Leipzig. Besonders sehenswert ist der von Adam Friedrich Oeser 1771 ausgemalte Festsaal mit dem Deckengemälde „Triumph der Psyche“. Bei dem Schlossgarten mit zentralem Zierbrunnen handelt es sich um den letzten erhaltenen Garten der einst berühmten Leipziger Gartenkultur des Barocks. Heute finden im Gohliser Schlösschen kulturelle Veranstaltungen wie Konzerte, Theateraufführungen, Ausstellungen sowie Hochzeiten statt.
Vom Sommerlandsitz zum Rokoko-Schlösschen
Die Geschichte des Gohliser Schlösschen reicht über 250 Jahre zurück, als Leipzig noch von einem übelriechenden Wassergraben umgeben war, welcher für schlechte Luft und eine Mückenplage sorgte. Um dem zu entkommen, zog es viele Leipziger in den lauen Sommermonaten hinaus aufs Land in das 20 Minuten entfernte Dorf Gohlis mit weitaus frischerer Luft. Die reicheren Bürger leisteten sich hier ein Sommerhaus. Im Jahr 1755 beauftragte der Leipziger Kaufmann und Ratsbaumeister Johann Caspar Richter den Dresdner Oberlandbaumeister und Begründer des Barocks, Christoph Knöbel, mit dem Bau eines Sommerlandsitzes im Dorf Gohlis. Die Entwürfe dafür werden Friedrich Seltendorff und Johann Christoph Knöffel zugeschrieben. Auch George Werner, der bedeutendste Baumeister des Leipziger Spätbarocks und Rokoko, soll um 1755/56 am Bau des Schlösschens mitgewirkt haben. Da Leipzig zwischen 1756 und 1763 im Siebenjährigen Krieg von preußischen Truppen besetzt wurde, mussten die Innenausbauten zunächst unterbrochen werden. Noch bevor es mit dem Bau weiterging, verstarb Richter. Seine Witwe heiratete wenig später den Geschichtsprofessor der Universität Leipzig, Johann Gottlob Böhme, der das Schlösschen 1780 vollenden ließ. Mit der malerischen Ausgestaltung des Salons wurde der damals prominenteste Leipziger Maler, Adam Friedrich Oeser, beauftragt. Zwischen 1781 und 1792 lebte der Justizrat Johann Hieronymus Hetzer im Schloss. Als Liebhaber der Künste machte er das Schlösschen zum „Musenhof am Rosental“. In dieser Zeit wurde das damals noch vor den Stadttoren gelegene Gohliser Schlösschen als geistiges Zentrum angesehen. In den prunkvollen Gemäuern verkehrten angesehene Bürger, darunter der Verleger Georg Joachim Göschen, der Schriftsteller Christian Gottfried Körner und der Dichter Friedrich Schiller.
Im Jahr 1793 wurde das Gohliser Schlösschen an die Stadt Leipzig übereignet unter der Bedingung, für dessen Erhalt und Verschönerung zu sorgen. Während der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 wurde das Schloss geplündert und diente als Militärhospital. 1832 wurde das Areal an die Familie des Halberstädter Domherrn Karl Wilhelm Rudolf von Alvensleben verkauft und 1864 vom Leipziger Kaufmann Christoph Conrad Nietzsche erworben, der auch die Renovierung des gesamten Schlosses veranlasste. 1906 erwarb die Stadt Leipzig das Schloss zurück. Nach einer durch den Stadtrat Friedrich August Hauptmann und den damaligen Oberbürgermeister Carl Friedrich Goerdeler initiierten Sanierung und einem teilweisen Umbau 1934/35 wurde das Gohliser Schlösschen schließlich als „Haus der Kultur“ der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Durch Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg musste das Areal umfassend saniert werden, bevor zwischen 1950 und 1985 Teilbereiche des Schlösschens vom Bach-Archiv Leipzig genutzt wurden. Im Jahr 2003 übernahm der Freundeskreis „Gohliser Schlösschen“ e.V. zunächst den Veranstaltungsbetrieb und wurde 2005 schließlich zum Betreiber.
Sächsisches Kleinod zwischen Parthe und Rosental
Der fünfachsige Haupttrakt des Gohliser Schlösschens besteht aus einer etwa 40 Meter langen Dreiflügelanlage, die sich zwischen Poetenweg und Menckestraße befindet und im Süden von der Parthe begrenzt wird. Das prächtige schmiedeeiserne Tor zur Menckestraße gehörte einst zur bürgerlichen barocken Gartenanlage Gerhards Garten und wurde um 1936 an die heutige Stelle versetzt. Zur Hofseite hin ist das Gebäude eingeschossig gebaut, zur Gartenseite in Richtung Rosental zweigeschossig. Der Bau wird von einem Mansardgeschoss mit Dacherkern und zahlreichen Schmuckelementen des Rokokos abgerundet, welche dem Schlösschen eine vornehme Eleganz verleihen. Den Mitteltrakt schmückt ein 56 Meter hoher, markanter Turmaufbau mit Uhr und Zwiebelhaube. Die Wetterfahne mit den Initialen „C R“ und der Jahreszahl 1756 erinnert an das Baujahr und den einstigen Bauherrn, Caspar Richter. Der Turm war ehemals ein Sichtpunkt, auf den eine der 13 strahlenförmig verlaufenden Alleen des von August dem Starken im Rosental geplanten Schlosses 1707 ausgerichtet war.
Barocke Atmosphäre im Oesersaal erleben
Durch den langen Zeitraum zwischen Errichtung und Ausbau des einstigen Landhauses präsentiert sich die Inneneinrichtung des Gohliser Schlösschens heute im Stil des 18. Jahrhundert mit bürgerlichem Inventar aus der Zeit um 1900. Sie ist weniger vom Rokoko, sondern mehr vom Klassizismus geprägt. Auf jeder der drei Etagen im Mittelbau befindet sich ein Saal. Das Treppenhaus und die Zimmer neben den imposanten Sälen sind eher schlicht gehalten. Der als Memorial gestaltete Steinsaal im Erdgeschoss ist mit einem klassizistischen Denkmal mit Urne und Schrifttafel in Gedenken an die Bauherren Richter und Böhme ausgestattet. Er ist von der Gartenanlage aus begehbar und wird für Trauerfeiern im würdigen Rahmen genutzt. Im Geschoss darüber befindet sich der imposante Festsaal, der von Adam Friedrich Oeser malerisch ausgestaltet wurde. Das von ihm geschaffene, illusionistische Deckengemälde „Lebensweg der Psyche“ wurde, ebenso wie die Landschaftsgemälde an den Wänden, im Zuge der Restaurierung in den späten 1990er Jahren wiederhergestellt. Im Türbereich befinden sich zusätzlich zwei abendliche Phantasielandschaften, die ebenfalls von Oeser geschaffen wurden. Durch die deckenhohen Fenster im Saal dominiert ein helles, angenehmes Licht, welches mit den zarten Pastelltönen harmoniert und die heitere Stimmung des Rokokos verkörpert. Der Oesersaal wird heute für kulturelle Veranstaltungen und Konzerte sowie für standesamtliche Trauungen genutzt. Im Obergeschoss des Gohliser Schlösschens ist eine Bibliothek mit verglasten Wandschränken untergebracht.
Spaziergang durch den letzten erhaltenen Bürgergarten des Barocks
Der Schlossgarten wurde einst als kleiner Rokokogarten angelegt und später zum englischen Landschaftspark umgestaltet. Dabei handelt es sich um den letzten erhaltenen Bürgergarten der einst berühmten Leipziger Gartenkultur des Barocks. Heute befindet sich hier neben dem zentralen Zierbrunnen das von Adam Friedrich Oeser konzipierte Gellert-Sulzer-Denkmal aus dem Jahr 1935. Dabei handelt es sich um einen klassizistischen Stein, der an den berühmten Dichter Christian Fürchtegott Gellert und den Schweizer Theologen und Philosophen der Aufklärung, Johann Georg Sulzer, erinnert. Er trägt die Inschrift: „Durch Weisheit und Tugend unvergesslich“. Außerdem befindet sich das Friedrich-August-Denkmal zu Ehren des sächsischen Kurfürsten Friedrich August III. im Schlossgarten, welches um 1936 vom Königsplatz an die heutige Stelle versetzt wurde. Am Wasserbecken befinden sich die vom Dresdner Bildhauer Pierre Coudray geschaffenen Skulpturen des römischen Gottes Vertumnus und seiner Frau, der Göttin Pomona. Unweit des Hauptgebäudes gibt es zwei Anbauten. Das westliche Gebäude beherbergte einst die Orangerie, in dem östlichen befanden sich die Kegelbahn und das Billardzimmer. Hier ist heute ein Café untergebracht.